Den wichtigsten Bestandteil des Hutzelsonntagsbrauchtums bildete sowohl in der Fuldaer Gegend als auch bei den Stiffollern2 im südwestlichen Transdanubien das am Abend, meistens nach dem Abendgebetläuten, entzündete Feuer.
Auf deutschem Sprachgebiet war es üblich, an bestimmten Tagen des Jahres Feuer, die unterschiedliche Bedeutungsinhalte symbolisierten, zu entzünden, die man nach der Jahreszeit, in der sie entfacht wurden, zusammenfassend als Frühlings-, Sommer- und Spätherbstfeuer bezeichnete (Freudenthal 1931:217-218, 232-233). Das sog. Hutzelfeuer gehört zu den Frühlingsfeuern, innerhalb dieser zu den Fastnachtsfeuern, die in verschiedenen Gegenden Mittel- und Südwestdeutschlands, Österreichs und der Schweiz meistens zu Beginn der Fastenzeit aufloderten (BEITL 1955:227). Diese wohl aus den germanischen Zeiten stammende Sitte galt als Sonnenzauber, verbunden mit Abwehr- und Fruchtbarkeitsgedanken (Freudenthal 1931:217). Die Fastnachtsfeuer führen im deutschen Sprachgebiet je nach Gegend verschiedene Namen, genauso wie der erste Fastensonntag, an dem sie entfacht werden bzw. wurden. Die Bezeichnung 'Hutzelfeuer' findet man nur in der Rhön und um Fulda (Mahr 1936:1). Bei den Stiffollern in Südungarn herrscht in der Benennung des Feuers keine Einheit. In vielen Ortschaften wird es Hutzelfaier 'Hutzelfeuer' genannt, man findet aber auch andere Bezeichnungen stark vertreten, so in Litower/Liptod Hutzelkretjemache 'Hutzelgretchenmachen' in Ketschinge/Ráczgörcsöny und Sawer/Szekelyszabar Plaasprenne 'Bläsebrennen', in Bawaz/Babarc und Baar/Bar Fläsprenne bzw. Ploosprenne 'Bläsebrennen', in Duwocke/Cseledoboka und Ahlaß/Olasz Plaasfaier 'Bläsefeuer', in Lak Hellrätje 'Hellrädchen' (= Hagelrad), in Kemend/Máriakéménd Khureljusfaier3
Ursprünglich erschien das Feuer am Hutzelsonntag in unseren fuldischen Dörfern in mehreren Formen, und zwar als am Berghang angezündeter Scheiterhaufen, als brennende Bläse (= Fackeln), als vom Berg hinuntergerollte Feuerräder und als von einer Anhöhe ins Tal geworfene glühende Holzscheiben. Unter 'Hutzelfeuer' im engeren Sinne versteht/verstand man nur die abgebrannten Stengel- bzw. Reisighaufen; die anderen Feuerbräuche hatten besondere Benennungen. Im weiteren Sinne umfaßte der Begriff 'Hutzelfeuer' auch die entzündeten Fackeln und Feuerräder, die glühenden Scheiben aber nicht. In einigen Orten wurde der Scheiterhaufen je nach einer Form der Feuerbräuche, dem Bläsebrennen bzw. Hagelrad (s. oben), benannt.
Die oben angeführten Feuersitten waren auch im Fuldaer Land weit verbreitet. Eine Ausnahme bildete das Scheibenschlagen, das sich nur auf einige südliche Ortschaften dieses Gebietes beschränkte. Von den Feuerbräuchen wurde am frühesten (im 18. Jahrhundert) der Brauch der Feuerräder bezeugt. In den Darstellungen des 19. Jahrhunderts sind in erster Linie ebenfalls nur die Feuerräder und die Bläse erwähnt. Die ersten Spuren des Hutzelfeuers in Deutschland reichen erst in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts. Diese Aufzeichnungen berichten darüber, daß früher Bläse anstatt Holzstöße abgebrannt wurden, und so meint Mahr (1939: 11, 40-41), daß das Hutzelfeuer im Laufe der Zeit die früher ausschließlich gebräuchlichen Bläse allmählich abgelöst haben muß. Er vermutet des weiteren, daß um Fulda eine Zeitlang zwei Jahresfeuer - das ältere Johannisfeuer und das jüngere Hutzelfeuer - gleichzeitig bestanden haben und daß das Johannisfeuer allmählich vom Hutzelfeuer verdrängt worden sei (1938: 19, 1939: 42-43). Die Frage, wann es zu diesem Wandel in den Feuersitten gekommen ist, kann wegen der fehlenden schriftlichen Belege aus früheren Zeiten nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Die Tatsache, daß die im 18. Jahrhundert nach Südungarn ausgewanderten Stiffoller den Hutzelsonntag genauso feierten wie im Gebiet des ehemaligen Fürstbistums Fulda, beweist nach Mahr (1938: 19) eindeutig, daß das Hutzelfeuer schon im 18. Jahrhundert zur Zeit der Ungarnauswanderung in der Rhön und im Fuldaer Land üblich gewesen ist. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es im Auswanderungsgebiet der Stiffoller noch größere Gebiete mit gleichzeitigem Nebeneinander von Feuer und Bläsen, letztere wurden auch 'Hutzelwische', 'Strohwische' genannt (Mahr 1939: 10-11).
Von unseren 43 fuldischen Belegorten4 wurden nur in fünf keine Feuerbräuche ausgeübt, bzw. man konnte sich zur Zeit der Datenerhebung (1976-1995) an diese nicht (mehr) erinnern, nur an das Hutzelsingen. In den übrigen 37 Orten waren, wie es der nachstehenden Zusammenstellung zu entnehmen ist, ein bis vier Formen des Hutzelsonntagsfeuers bekannt:
Feuerbräuche: | Zahl der Belegorte: |
Feuer | 4 |
Bläse | 3 |
Räder | 1 |
Feuer, Bläse, Räder | 13 |
Feuer, Bläse | 4 |
Feuer, Räder | 2 |
Feuer, Scheiben | 3 |
Feuer, Räder, Scheiben | 4 |
Feuer, Bläse, Räder, Scheiben | 1 |
Bläse, Räder | 4 |
Die Übersicht zeigt, daß von den Feuersitten das Feuer, d. h. der entzündete Scheiterhaufen, bei weitem die Dominanz hat, es war allein oder zusammen mit anderen Feuersitten in 31 Siedlungen gebräuchlich. Diese hohe Zahl der Hutzelfeuer-Orte läßt wohl eher die.
Überlieferung dieses Brauches aus der deutschen Heimat vermuten als die Möglichkeit einer parallelen Entwicklung in beiden Gebieten. Es ist des weiteren ersichtlich, daß die von den Feuerbräuchen für die Fuldaer Gegend am frühesten bezeugten Feuerräder (Mahr 1939:11) in 25 Stiffoller-Ortschaften Brauch waren, das Bläsebrennen ebenfalls in 25. Das nur für den südlichen Teil des Fuldaer Landes belegte Scheibenschlagen wurde in 8 Stiffol-ler-Orten ausgeübt.
Die Träger der Feuerbräuche waren in unseren Belegorten in erster Linie die größeren Schuljungen und jüngeren Burschen, in einigen Dörfern schlössen sich ihnen auch die verheirateten Männer an. Unter den genannten Generationen gab es im Ausüben der Bräuche eine deutliche Arbeitsteilung: Das Fackelschwingen (Bläsebrennen) wurde von den Schuljungen durchgeführt; das Entfachen der Feuer auf einer Anhöhe oder einem Hügel war Aufgabe der Burschen und der Schuljungen; die Feuerräder wurden ausschließlich von den Burschen angezündet und vom Berg hinuntergerollt. Die Feuer in den Kellerreihen entzündeten meistens verheiratete Männer. An den Vorbereitungen der Bräuche, die zwei bis drei Tage vor dem Hutzelsonntag begonnen hatten, waren auch die Mädchen beteiligt. Sie flochten die auf den Berg getragenen alten Räder mit Stroh oder Maisstengeln ein und halfen den Schulkindern beim Zusammentragen des Brennmaterials.
Die Feuer wurden meistens auf Anhöhen oder Hügeln so gerichtet, daß sie das ganze Dorf beleuchteten. In einigen Ortschaften wie Beiland/Hercegszentmárton und Marok wurde das Feuer auf der Wiese, in Ahlaß, Kernend, Surgetin/Szederkény in der Kellerreihe abgebrannt. Das Hutzelfeuer auf dem Berg hatte meistens einen festen Platz. So errichtete man den Scheiterhaufen in Bawaz auf dem Salamonbearich 'Salamonberg' und auf den Bunnlänner 'Bohnenländern', in Boden/Fazekasboda auf dem Aichelsbearich 'Eichenberg', in Sawer meistens auf dem Hügel über der Gemeindewiese unter den zwei großen Eichenbäumen (HOFFMANN 1982:306), in Lak in der Flur Neßecke 'Nußecke', manchmal auch auf dem Jantschiberich 'Jánosberg'. In Duwocke diente das sog. Hutzelloch auf dem Rasenberg als Schauplatz für die Feuerbräuche; dieses wurde jedes Jahr vor dem Hutzelsonntag schön gesäubert, wenn es nötig war, auch ausgegraben.5 In Ketschinge wählte man den höchsten Gipfel der Dorfgemarkung, das Enlant 'Endland', als Ort des Feuers, das vom ganzen Dorf aus zu sehen war. Ein anderes Feuer wurde diesem Berg gegenüber, auf den Fraitaaler 'Freien Teilen' abgebrannt. Die beiden Feuer beleuchteten das ganze Taldorf.6
Die Zahl der Hutzelfeuer war - in Abhängigkeit von Größe und Lage der Siedlung sowie Art der Feuerbräuche in der jeweiligen Siedlung - unterschiedlich, sie betrug eins bis sieben. In der kleinen Ortschaft Altglashütten/Óbánya zündete man nur ein Feuer an, ebenso in Duwocke und Warasch/Apátvarasd. In Dörfern, wo eine Wiese als Ort des Feuers diente, gab es auch nur eins, um das herum meistens das Scheibenschlagen stattfand; dieser Brauch konnte auch auf flachem Land ausgeübt werden.
Die meisten unserer Belegorte sind Taldörfer, ihre Straßen winden sich in den Tälern, und so wurden in der Regel auf mehreren Plätzen Feuer entzündet. Jeder Dorfteil, sogar jede Straße (z. B. in Litower) hatte sein eigenes. Nur so konnte das ganze Dorf den Segen des Hutzelfeuers genießen. Auf einem Hutzelberg zündete man ebenfalls mehrere Scheiterhaufen an, so in Boden 3 bis 4, in Lak 6 bis 7, in Bawaz 2 bis 3. Auch in den Kellerreihen brannten mehrere Feuer.
Das Brennmaterial wurde am Vortag, oft aber erst in der Früh oder am Nachmittag des Hutzelsonntags besorgt. Dies war meistens Aufgabe der Schulkinder und der schulentlassenen Mädchen. Sie trugen das Material zum Ort des Hutzelfeuers, wo die Burschen daraus einen Scheiterhaufen, den sog. Hutzelhaufe 'Hutzelhaufen', Faierhaufe 'Feuerhaufen', aufbauten.
Die Zusammensetzung des Brennmaterials richtete sich nach den landschaftlichen Gegebenheiten der Siedlungen. In waldarmen Ortschaften wurden die Hutzelfeuer meistens auf bebauten Ackerfeldern und nur selten auf Rasenstücken abgebrannt, hier erwiesen sich Maisstengel und Stroh als günstiges Brennmaterial. Vielerorts wurden einfach nur die über den Winter auf den Ackerfeldern gebliebenen unentlaubten Maisstengelhaufen - etwa drei bis sechs - angezündet. In manchen Ortschaften geschah der Aufbau des Scheiterhaufens kunstgerecht, nach festen Normen. In Ketschinge streute man in die Mitte eines etwa 8 m breiten Kreises Stroh, um dieses herum schichtete man Maisstengelbüschel mit dem Schopf nach innen. Aus den so aufgestapelten Maisstengelbüscheln wurde ein 6 bis 8 m hoher kegelförmiger Scheiterhaufen errichtet. Die Spitze des Haufens bildeten drei hochgestellte Maisstengelbüschel, dadurch wurde der Hutzelhaufen erhöht und die Flammen konnten besonders hoch lodern.7
In waldreichen Siedlungen wie in Altglashütten wurde der Scheiterhaufen aus gesammeltem Reisig und Leseholz gebaut. In den Kellerreihen zündete man in der Regel trockene Weinreben an. Die Zündstellen wurden bei allen Brennmaterialien mit Stroh gefüllt.
Den Nachmittag des Hutzelsonntags verbrachten die Jugendlichen meistens auf dem Hutzelberg und bereiteten die Requisiten der abendlichen Feuerbräuche vor. In einigen Ortschaften, wie in Altglashütten und Duwocke, zogen die Burschen und Schuljungen nach der Betstunde geschlossen auf den Berg. In Duwocke waren die Jungen mit auf einer Schnur aufgefädelten Holzscheiben, einem Spieß und Fackeln ausgerüstet. In Ni-mesch/Himeshaza und Ahlaß verbrachten die Burschen und Männer den ganzen Nachmittag in der Kellerreihe und zogen von Keller zu Keller, wo sie überall mit Speck, Würsten, Salz-Paprika-Brot und Wein bewirtet wurden. Bei anbrechender Dunkelheit zündeten sie in Ahlaß vor einigen Kellern die aus Weinreben, Reisig und Maisstengeln errichteten Scheiterhaufen an. Das Feuer galt hier auch als Lockfeuer; mit ihm wurden die noch im Dorf weilenden Männer zum abendlichen Weintrunk herbeigelockt. Konrad Hartmayer berichtete darüber hinaus noch über einen anderen Brauch in Ahlaß, über den Weiberfasching, der in dieser Ortschaft am Vormittag des Hutzelsonntags begangen wurde. Die Frauen unterhielten sich in der Kellerreihe, die einzelnen Freundeskreise besuchten den Keller eines jeden Mitgliedes. Überall wurden Kräppel gegessen und Wein getrunken. Zu dieser Zeit war den Männern der Eintritt in den Keller untersagt. Wer es dennoch wagte, wurde als Strafe bis auf die Unterhose ausgezogen. Am Nachmittag nahmen wieder die Männer den Keller in Besitz.
Bei Anbruch der Dunkelheit, meistens erst nach dem Abendgebetläuten, wurden auch an den Berghängen und auf den Wiesen überall die Scheiterhaufen in Brand gesetzt. Um dieses Hutzelfeuer versammelten sich die größeren Schulkinder und die erwachsene Jugend beiden Geschlechts, in einigen Orten wie Altglashütten und Nadasch/Mecseknádasd nur die Schuljungen und Burschen. Mancherorts waren auch Erwachsene dabei.
Nach dem Feueranzünden schlössen die Jugendlichen einen Kreis und sangen beim Laufen ums Feuer die ortsübliche Varianten der Hutzellieder (s. Wild 1996:9-19), selten auch Volks- und Straßenlieder. In einigen Ortschaften standen sie im Kreis um das Feuer und wiederholten die Hutzellieder so lange, bis das Feuer abgebrannt war. Dasselbe wurde auch in den Kellergesellschaften der Erwachsenen gemacht, hier trank man dabei vom
Wein des jeweiligen Kellerbesitzers. In Lak und Bawaz aßen die Jugendlichen während des Feuerabbrennens gekochte Hutzeln und Eier sowie Faschingskräppel. Bei niedergebranntem Feuer kam es in einigen Dörfern zum Feuersprung, d. h., wenn die Flammen des Hutzelfeuers nicht mehr so hoch loderten, sprangen einige Burschen übers Feuer, in Se-wing/Szebény und Waraschd über die angebrannten Feuerräder, um ihren Mut den anderen, hauptsächlich den Mädchen, zu beweisen. In Palkan/Palkonya riefen die Burschen beim Überspringen des Feuers folgendes: Schiwe, schiwe Scheiwe, wem solls bleiwe? 'Schiebe, schiebe Scheibe, wem soll es bleiben?' (Blum 1992:84). Anschließend nannten sie die Namen eines unverheirateten Liebespaares. Bei dieser Sitte haben wir es mit der Verschmelzung der Bräuche Feuersprung und Scheibenschlagen zu tun, denn dieser Spruch wurde ansonsten nur beim Scheibenschlagen gesagt (vgl. Kapitel 'Scheibenschlagen').
Wo mehrere Hutzelfeuer angebrannt wurden, wollte eine jede Gruppe das größte und am längsten brennende Feuer haben, und so gab es schon beim Aufbau des Scheiterhaufens einen Wettbewerb zwischen ihnen. Auch die Zuschauer im Tal oder auf der Wiese beobachteten Größe, vor allem Höhe und Brenndauer der Hutzelfeuer, und die Siegergruppe erhielt auch den Lob der Dorfgemeinschaft. In Ahlaß mußte jener Weinbauer, vor dessen Keller das größte Feuer brannte, nach dem gemeinsamen Weintrunk als 'Belohnung' zusätzlich noch ein Liter Wein trinken.
In der Rhön und im Fuldaer Land, dem Herkunftsgebiet der Stiffoller, wurde früher der Scheiterhaufen aus gesammeltem und erheischtem Holz und Reisig aufgebaut. Zuerst richtete man aus Stämmen und Stangen einen Rost, auf dem Holz und Reisig, sachgemäß verteilt, aufgeschichtet wurden. Die Zündstelle füllte man mit trockenem Reisig und Stroh (Mahr 1939:7-8). In der nordöstlichen Rhön, wo der Brauch des Hutzelfeuerbrennens noch in der Gegenwart lebendig ist, werden zwei Holzstöße aufgestapelt, ein großer und ein kleiner (s. Abb. 1, 2). Zuerst zündet man den kleinen Haufen an, um die Dorfbewohner zum Hutzelfeuer einzuladen. Erst wenn sich alle am Berghang versammelt haben, wird der große Scheiterhaufen in Brand gesetzt (DORSMANN 1990:4).
Wenn das Feuer schon gut brannte, entzündeten die Schuljungen am Hutzelfeuer die Pläs 'Bläse' (= Fackeln). Die Blase wurden mancherorts auch Hutzelkretje 'Hutzelgretchen' (Lak, Litower), Haalrätje, Hellrätje 'Hagelrädchen' (Nimmesch, Siar), Strohwisch 'Strohwische' (Boden, Waraschd), Laamekhauder8 'Lehmkauder' (Feked), Schaiwe 'Scheibe' (in der Umgebung von Willan/Villány; SCHMIDT 1993:4) genannt. Die Tätigkeit des Fackelanzün-dens bzw. -schwingens führte ebenfalls unterschiedliche Namen, so in Ahlaß Pläsprenne, in Bawaz Fläsprenne, in Baar Ploosprenne, in Duwocke, Ketschinge, Sawer Plaasprenne 'Bläsebrennen', in der Umgebung von Willan Schaibeschlooge 'Scheibenschlagen' (Schmidt 1993: 4), in Lak und Litower Hutzelkretjemache 'Hutzelgretchenmachen', in Sier und Nimmesch Hellrätjemache 'Hellrädchenmachen' bzw. Haalrätejmache 'Hagelrädchenmachen'.
Die Bläse waren mit Stroh umwickelte Stangen oder an Stangen- oder Pfahlenden befestigte, oft mit Teer bestrichene Strohbüschel, die meistens schon Tage vorher von den Eltern oder Großeltern mit großer Sorgfalt zubereitet wurden.
Die Bläse fertigte man so an, daß ihre Brenndauer lang sein sollte. In manchen Dörfern wurden die Stangen und Pfähle - mit Ausnahme eines Handgriffes - völlig mit Stroh umwunden bzw. mit Strohseilen umwickelt. In Nimmesch befanden sich an einer Stange in bestimmter Entfernung mehrere aus Strohseilen gebildete Kringel (Krengel). Zuerst zündete man den obersten Ring an, kurz vor seinem Abbrennen wurde er nach unten geschoben und so der nächste Kringel entzündet. In diesem Dorf fand das Bläsebrennen (Haalrätjemache) an drei Orten statt, die Jugend und die Erwachsenen übten es in der Kellerreihe und auf einem Berghang aus, die Eltern mit ihren kleinen Kindern auf der Wiese.9
In den meisten Ortschaften war der Strohbüschel am Stangenende pyramidenförmig, genauso wie der am Spinnradstiel festgemachte Hanf oder Werg. Vermutlich deshalb erhielt die Blase in Feked den Namen 'Kauder'.
In Sewing band man früher unentlaubte Maisstengel, in Sawer außer Stroh auch trockenes Rohr und Schilf um die Stange. In Bawaz und Ketschinge dienten auch drei bis vier zusammengebundene bzw. -gehaltene Maisstengel mit Laub als Bläse.
Unmittelbar vor dem II. Weltkrieg veranstaltete man in Sewing das Bläsebrennen nicht mehr auf einem Berg, sondern auf der Pharewiese 'Pfarrwiese'. Hier wurden mit Strohbüscheln versehene Pfähle in die Erde geschlagen und alle Strohwische auf einmal angezündet (Hoffmann 1982:98).
Im allgemeinen war es üblich, daß die Schuljungen mit den brennenden Fackeln um das Hutzelfeuer rannten, über die Ackerfelder und Wiesen von einer Anhöhe auf die andere liefen, dabei Hutzellieder sangen und laut schrien. Sie schlugen mit den Blasen auch Kreise und Schlangen in der Luft. In Ketschinge und Sawer warf man die flammenden Fackeln den Berg hinab. Während in Lak die größeren Schuljungen mit ihren Fackeln über die Saatfelder liefen, rannten die kleinen Kinder mit den angezündeten Strohwischen (Pischelrje) auf den Straßen des Dorfes hin und her. In Waraschd wurden die Strohwische auf dem Kalvarienberg angezündet, von den Burschen übersprungen, anschließend rannten mit ihnen die Jungen, das Hutzellied singend, die sich unter dem Berg erstreckende Wiese hinab.10
In Baar fand das Ploosprenne am Nachmittag vor dem Heischegang statt. Kleinere Gruppen von Schuljungen brannten an Stangen festgemachte Strohbüschel an und ließen die Stangen ankohlen, mit dieser Stange gingen sie dann Hutzelsingen.
Das Fackelschwingen dauerte so lange, bis das Hutzelfeuer abgebrannt war.
In der Umgebung von Fulda wurde dieser Brauch genauso ausgeübt wie oben beschrieben, und er hatte auch dieselben Benennungen wie bei unseren Stiffollern (Mahr 1939:10-11). In der nordöstlichen Rhön, wie darauf schon verwiesen wurde, ist der Brauch des Hutzelfeuerab-brennens noch lebendig, aber um den Scheiterhaufen findet kein Fackelschwingen statt. Die Schulkinder gehen nach dem Hutzelfeuer mit selbstgebastelten Fackeln und Lampions von Haus zu Haus (s. Abb. 3) und singen das ortsübliche Hutzellied (DORSMANN 1990:4).
An diesen Brauch konnte man sich nur in 25 von unseren 38 Belegorten mit Feuerbräuchen erinnern. Er kam in den meisten Siedlungen schon in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts außer Übung. So verschwand er z. B. in den Ortschaften Bohl, Kernend, Nimmesch und Sier schon unmittelbar vor bzw. nach dem I. Weltkrieg, in Bawaz und Sewig in den 20er Jahren, in Wemend in den 30er Jahren, in Boden, Duwocke, Ketschinge und Lak erst unmittelbar nach dem II. Weltkrieg. In dem abgelegenen Dorf Altglashütten wurden noch am Ende der 70er Jahre brennende Hutzelräder vom Winterberg hinuntergelassen. Der Grund des frühen Verschwindens dieses Brauches in vielen Belegorten - im Vergleich zu den anderen Feuerbräuchen - konnte nicht erschlossen werden. Den Informanten waren zwar keine Feuerräderverbote bekannt, aber in einigen Ortschaften berichteten sie darüber, daß vom Berg herunterrollende Feuerräder Nebengebäude und Strohschober in Brand gesteckt hatten.
Die brennenden Räder wurden meistens Haalroot, Hoolroot, Hoolrad 'Hagelrad' genannt, weil sie in erster Linie als Abwehr gegen Hagelschlag galten. Die u. a. auch m Feked und Lak gebräuchliche Benennung Hellroot 'Hellrad' ist vermutlich eine abgewandelte Form von 'Hagelrad'. Diesen Namen bekam das Feuerrad nach der Volksetymologie deshalb, weil es hell ist, leuchtet (vgl. KUSZTER 1939:26). Das Radrollen nannte man m Lak Hellrätje schippein 'Hellrädchen schieben'. In Nimmesch und Sier wurde der Brauch der Feuerräder zwar sehr früh aufgegeben, aber seine Benennung Haalrätje bzw. Hellrätje auf die am Hutzelsonntag angezündeten Fackeln übertragen. Das Fackelschwingen hieß in diesen zwei Ortschaften Haalrätje- bzw. Hellrätjemache 'Hagel- bzw. Hellrädchenmachen'. In Lak wurde auch das Hutzelfeuer Hellrätje genannt. In Altglashütten, Duschau, Duwoke und Nadasch trug das Feuerrad den Namen Hutzelroot 'Hutzelrad'. In manchen Ortschaften hatte es zwei Bezeichnungen, außer dem dominierenden 'Hagelrad' fand man meistens noch den Namen 'Hutzelrad'. In Sewing und Wemend bezeichnete man es außer Hoolrad auch Schippelrood 'Schiebrad', in Bawaz außer Hoolroot auch Schaibroot 'Schiebrad'.
Im deutschen Hutzelsonntagsgebiet, in der Rhön und am Vogelsberg, nannte man in der Zwischenkriegszeit das Feuerrad meist schon 'Hutzelrad', die alte Benennung 'Hagelrad' wurde nur noch selten gebraucht (Mahr 1939:11). Bei den Ungarndeutschen war in der genannten Zeit der Name 'Hagelrad' allgemein gebräuchlich, und die Bezeichnung 'Hutzelrad' wurde nur in wenigen Ortschaften, meistens alternativ zu 'Hagelrad', verwendet.
Die Zahl der Feuerräder war von Dorf zu Dorf unterschiedlich, sie schwankte zwischen 1 und 15. Auf den verschiedenen Hutzelfeuerstellen eines Ortes wurden meistens mehrere (etwa 3-5) mit Brennstoff umwickelte Räder entzündet; in Boden und Lak betrug ihre Zahl manchmal 15. In Altglashütten, Duschau, Palkan und Wemend konnte man sich nur an ein Feuerrad erinnern.
Die Hutzelräder waren mit viel Stroh, Reisig und/oder unentlaubten Maisstengeln umflochtene alte Wagen- oder Pflugkarrenräder. In den meisten Dörfern benutzte man zum Umwinden der Räder Stroh. Dieses wurde von den größeren Mädchen zu Seilen gedreht, mit denen dann die Burschen die Speichen und den Radkranz umwickelten. In Boden band man um die Zündstelle, die Nabe des Rades, besonders viel Stroh, von hier aus konnte sich das Feuer gleichmäßig auf das ganze Rad verteilen. In Duwocke diente ein mit Stroh umflochtener Faßreifen als Hutzelrad. In Ortschaften, wo man zum Umwinden des Rades Reisig und/oder Maisstengel (z. B. in Ketschinge und Numjo) benutzte, flocht man mit diesen Materialien das ganze Rad ein.
Wenn das Hutzelfeuer schon gut in Brand war, wurden die Räder angezündet und zu Tal gerollt. In die Nabe des Rades steckte man meistens eine Stange, zwei Burschen faßten diese an, hielten das Rad ins Feuer und entzündeten es so. Das brennende Rad rollten sie dann denn Berg hinunter. Eine Schar von kleineren Jungen lief dem Rad hinterher, sie schwangen dabei ihre brennenden Fackeln und jauchzten bzw. schrien dazu. In Wemend begleitete rechts und links je ein Fackelträger das Rad; in Altglashütten liefen zwei Burschen mit Fackeln vor und zwei nach dem Rad. Noch bevor das Rad den Fuß des Berges erreicht hatte, zogen die Burschen die Stange aus der Nabe heraus, und das Rad mußte seinen Weg allein fortsetzten. Unten auf der Wiese oder im Bach ist es dann umgefallen, und das Feuer wurde gelöscht. Wo der Hang des Hutzelberges steil und relativ kurz war, ließ man das Rad von oben allein den Berg hinunterrollten.
Das rollende Feuerrad wurde in allen Ortschaften mit lautem Geschrei der Jugendlichen und dem folgenden Segensspruch begleitet:
Haalroot/Hoolrot, die Frucht soll geroot'!
'Hagelrad, die Frucht soll geraten!'
In Sewing lautete der Spruch folgenderweise:
Hoolrad, Schippelrad, die Frucht soll gerat'!
'Hagelrad, Schiebrad, die Frucht soll geraten!'
In diesem Ort wurde der Spruch, nachdem der Brauch des Feuerrades außer Übung gekommen war, auch beim Fackelanzünden gesprochen.
Vereinzelt warf man auch brennende Strohwische und kleinere Maisstengelbüschel dem Rad nach. In Sawer wurden von den Anhöhen keine Räder hinuntergerollt, sondern nur angezündete Strohwische gegen das Tal geworfen. In diesem Dorf wurde bei jedem Hutzelfeuer ein mit Reisig und Stroh umflochtenes Pflugkarrenrad am Ende einer etwa 4 m langen Stange befestigt und angezündet. Zwei oder drei Burschen hielten das brennende Rad hoch und liefen damit um das Hutzelfeuer bzw. über die Saatfelder.
In Nadasch war das Radrollen mit dem Heischegang der Burschen verbunden. Die Burschen rollten ein mit Stroh umflochtenes Hutzelrad beim Hutzelsingen von Haus zu Haus (vgl. Wild 1996:11).
Das Hauptverbreitungsgebiet dieses in Deutschland schon im 11. Jahrhundert belegten Feuerbrauches war der süddeutsche Raum, besonders das schwäbisch-alemannische Gebiet (Freudenthal 1931:239). Das Werfen glühender Holzscheiben von Abhängen bildete einen festen Bestandteil des südlichen Funkensonntagsbrauchtums, im Hutzelsonntagsgebiet wurde es nur in einigen südlichen Ortschaften ausgeübt (Mahr 1936:35). Bei den Stiffollern in Südungarn ist der Brauch vor allem in solchen Siedlungen belegt, die - wie siedlungsgeschichtlich und sprachlich nachgewiesen werden konnte - Kolonisten in größerer Anzahl auch aus der Mainz-Gegend (Willan und Umgebung) bzw. aus anderen südlichen Gebieten erhalten hatten (Altglashütten) (Weidlein 1952:223-227).
Für das Scheibenschlagen sind in unserem Untersuchungsgebiet folgende Bezeichnungen bekannt: Schaiweschiewe (Marok) 'Scheibenschieben', Schaiwewerfe (Maiesch) 'Scheibenwerfen', Schaiweschlooge (Duwocke, Lippowar, Willan, Wiragisch) 'Scheibenschlagen', Schindelwerfe (Altglashütten) 'Schindelwerfen'.
Der Brauch wurde meistens bei auf Anhöhen oder Wiesen angezündeten Hutzelfeuern ausgeübt. In Lippowar, Willan und Wiragisch fand das Scheibenschlagen auf den Saatfeldern statt, ein Scheiterhaufen wurde hier nicht entzündet.
Im deutschen Sprachgebiet waren bzw. sind die Scheiben in der Regel durch Abschneiden eines Baumstammes hergestellte runde oder viereckig geformte, in der Mitte durchlöcherte Holzplatten von 30-40 cm Durchmesser und etwa 5 cm Stärke (StrÖBEL 1961:1-2). Eine 80-100 cm lange Rute, der Schwingstock, wird in das Loch der Scheibe gesteckt und diese ins Feuer gehalten (Fritz 1967:132-133).
Solche traditionellen Holzplatten wurden in unserem Untersuchungsgebiet nur in Duwocke geschleudert. In dieser Ortschaft sägte man die Holzrädchen von einem trockenen Weichholzstamm ab und durchbohrte sie in der Mitte. Die Schwingstöcke, die Spieß 'Spieße', wurden aus grünen Ruten angefertigt, damit sie nicht zu leicht Feuer fangen konnten. Das eine Ende des Schwingstockes war so zugespitzt, daß man darauf eine durchlöcherte Scheibe stecken konnte. Die Requisiten des Scheibenschlagens wurden schon einige Tage vor dem Fest fertiggestellt. Die Scheiben wurden an Schnüren aufgereiht, an einem warmen Ort gelagert und das Schlagbrett, in Duwocke Pintschi genannt, auf dem Rasenberg aufgestellt. Das Schlagbrett bestand aus vier Pfosten, auf die ein langes Brett genagelt wurde. An einem Ende waren die Pfosten kürzer, so daß eine schräge, in Richtung des Dorfes ansteigende Bahn entstand. Auf diesem Schlagbrett schlugen die Burschen die glühenden Scheiben vom Stock ab, damit diese frei durch die Luft gegen das Tal fliegen konnten. Am Nachmittag des Hutzelsonntags, nach der Litenai 'Litanei', gingen in Duwok-ke die Schuljungen und Burschen mit dem Zubehör des Scheibenschlagens zum Hutzelloch auf dem Rasenberg. Jeder hatte eine Schnur aufgereihter Scheiben über die Achsel gehängt, einen Schwingstock und einige an Stangen befestigte Strohbüschel bei sich. Wenn das Hutzelfeuer schon gut brannte, wurden die auf Spieße gesteckten Scheiben ins Feuer gehalten und entfacht. Die glühenden Scheiben wurden in der Luft einigemal im Kreise geschwungen und kräftig auf das Schlagbrett geschlagen. Das Scheibenschlagen führte man parallel zum Feuerräderrollen durch.11
In Altglashütten wurden längliche Holzschindeln (Schindel) geworfen, die die Burschen aus alten Brettern und Faßdauben anfertigten und in Säcken auf den Winterberg zum Hutzelfeuerort trugen. Wenn das Feuer schon gut in Brand war, legten die Burschen die Schindeln auf das Feuer oder hielten diese mit der Hand einzeln ins Feuer. Die gut angebrannten Schindeln schwangen sie dann kreisförmig in der Luft und sagten dabei den Hutzelspruch 'Kum Silius, kum Lerijus ...12 Am Ende des Spruches - auf das Wort 'Vivat' - warfen sie die Schindeln gegen das Dorf (vgl. auch Schmidt 1992: 105-106). Das Schindelschlagen dauerte bis zum Abendgebetläuten. Dieser Brauch wurde in Altglashütten am Ende der 70er Jahre noch ausgeübt.13
In den Ortschaften Beiland, Marok und Palkan wurden statt Holzplatten entkörnte Maiskolben an lange Weidenruten gesteckt, diese im Feuer zum Glühen gebracht und in die Luft geschleudert.
In Willan und Umgebung nannte man in der untersuchten Zeit die brennenden Strohwische Scheiben (Schwaiwe) und ihr Schwingen bzw. Werfen war das Scheibenschlagen (Schwaiweschlooge).
Während des Schwingens und Abschleuderns der Scheibe wurde in den meisten Belegorten ein Spruch gerufen und am Ende des Spruches die Scheibe in die Luft geschlagen. Die Scheiben galten ursprünglich als Flurzauber, durch ihr Werfen sollten die Saatfelder fruchtbar gemacht werden. Die segenspendende Kraft der Scheiben wurde im späteren auch auf Personen ausgedehnt, indem diese im Spruch genannt wurden (Freudenthal 1931:240). Früher warf man die Scheiben sowohl im deutschen Sprachgebiet als auch in unseren Belegorten zu Ehren der Dorfhonoratioren, im späteren wurden sie Liebespaaren und/oder Freundinnen der Scheibenwerfer gewidmet.
In Beiland war folgender Scheibenspruch bekannt:
Schiewe, schiewe, Schaiwe!
Wem soll die Scheiwe sain?
Die Schaiwe soll der Mari un den Joschko sein.
'Schiebe, schiebe, Scheibe!
Wem soll die Scheibe sein?
Die Scheibe soll der Maria und dem Joschka sein.'
Das gute Gelingen des Scheibenwerfens hing von vielen Faktoren ab, so von der Geschicklichkeit des Werfers, der Beschaffenheit der Scheiben und des Stockes (vgl. auch Fritz 1967:133-134). Vermutlich um den eventuellen negativen Folgen eines mißlungenen Wurfes vorzubeugen, wurde der Spruch so fortgesetzt:
Fliecht se, noch kilt se.
Fliecht se net, so kilt se net.
'Fliegt sie, so gilt sie.
Fliegt sie nicht, so gilt sie nicht.'14
In Marok wurde folgende Variante des Spruches gerufen (FOLK 1968: 23):
Schiewe, schiewe, Schaiwe.
Wem soll die Schaiwe blaiwe?
Die Schaiwe soll der Mari blaiwe.
Fliecht se net,
so kilt se toch.
'Schiebe, schiebe, Scheibe!
Wem soll die Scheibe bleiben?
Die Scheibe soll der Marie bleiben.
Fliegt sie nicht,
so gilt sie doch.'
In zwei Ortschaften waren kürzere Varianten des Spruches bekannt; in Palkan:
Scheibe hin, Scheibe her,
mein Schätzlein zur Ehr'. (Blum 1992:84)
in Duwocke:
Die Schaiwe ghirt der Mari.
'Die Scheibe gehört der Marie.'
In Maiesch war das Scheibenwerfen mit Heiratsprophezeiung verbunden. Am Nachmittag des Hutzelsonntags versammelte sich die Jugend auf der Wiese am Lehmloch, wo getanzt, gesungen und gespielt wurde. Bei anbrechender Dunkelheit zündeten die Burschen einen Scheiterhaufen an, und bald darauf fand das Scheibenwerfen (Schaiwewerfe) statt. Die Mädchen bildeten entfernt vom Feuer einen Halbkreis; die Burschen standen um das Feuer, ließen je ein längliches Holzstück oder einen an einen Spieß gesteckten Maiskolben darin glühend werden, warfen diesen Gegenstand gegen die Mädchen und riefen dabei folgenden Spruch:
Schaiwe hier, Schaiwe her.
Wem soll die Schaiwe kher?
Kelt se net,
So fliecht se net.15
Kan andre kraikt se net.
'Scheibe hier, Scheibe her.
Wem soll die Scheibe gehören?
Gilt sie nicht,
so fliegt sie nicht.
kein anderer kriegt sie nicht.'
Jenes Mädchen, vor dem die glühende Scheibe landete, sollte die zukünftige Frau des Werfers werden. In späteren Zeiten wurde kein Scheiterhaufen mehr angezündet, und statt glühender Holzstücke bzw. Maiskolben warf man brennende Strohwische (Mausz 1987: 19).16
Beim Hutzelfeuer wurden die im jeweiligen Dorf üblichen Feuerbräuche teils nacheinander, teils gleichzeitig ausgeübt. Es begann überall mit dem Anzünden des Hutzelfeuers, und wenn das Feuer schon hoch loderte, wurden die Fackeln angezündet; wenn es nicht mehr so hoch brannte, ließ man die brennenden Räder den Berg hinabrollen und/oder schleuderte glühende Scheiben gegen das Dorf. Die vielen Lichter (Feuer) beleuchteten nicht nur den Hutzelberg, sondern auch das Tal, bisweilen das ganze Dorf. Die zu Hause gebliebenen Dorfeinwohner - die Erwachsenen und Kinder - standen auf der Straße und bewunderten das Feuer.
Von den Anhöhen konnte man auch die Hutzelfeuer der Nachbargemeinden sehen, die zu gleicher Zeit aufloderten; die Jugendlichen der angrenzenden Dörfer begrüßten einander mit Fackelschwingen.
Die Feuerbräuche fanden meistens bis zum Abendgebetläuten statt, anschließend gingen die Jugendlichen einzeln oder im geschlossenen Zug ins Dorf hinab. In einigen Ortschaften - so in Altglashütten und Duwocke - zogen die Burschen bzw. Schuljungen erst jetzt von Haus zu Haus 'hutzelsingen'.
Der Hutzelsonntag mit seinen Bräuchen galt als großes Ereignis im Leben eines kleinen Dorfes und bedeutete für die Einwohner ein Erlebnis, über das noch wochenlang gesprochen wurde.
Die ursprüngliche Bedeutung des Hutzelfeuers als Abwehr- und Fruchtbarkeitszauber blieb erstaunlicherweise in allen Belegorten bis zur Gegenwart lebendig; die Befragten betonten überall die fruchtbarkeitsfördernde, abwehrende und heilende Kraft des Feuers.
Die auf Anhöhen und Bergen angezündeten Feuer richtete man so her, daß sie das Dorf und den Hotter oder zumindest einen großen Teil davon beleuchteten, denn man glaubte, so weit Feuerschein und Qualm reichen, werden die Ackerfelder fruchtbar und vor Wetterschäden geschützt.
Aus diesem Grunde liefen die Schuljungen mit ihren Blasen über die Saatfelder und schlugen mit ihnen Kreise in der Luft. Die meisten Bauern sahen dies gerne und gaben den Kindern oft auch ein wenig Kleingeld dafür. In Lak lockten die Kleinhäusler die Fackelschwinger mit Geldgeschenken auf ihre vom Hutzelplatz entfernt liegenden Felder, damit auch sie, nicht nur die reichen Bauern, auf deren Äckern das Hutzelfeuer entfacht wurde, eine reiche Ernte bekommen.
Größe und Brennart des Feuers ließen - nach Meinung unserer Informanten - auf die Ernte des kommenden Jahres schließen. In Sawer beobachtete man, wenn in der Kellerreihe hinter jedem Preßhaus Maisstengel angezündet wurden, wessen Feuer am höchsten loderte, denn nach dem Volksglauben hat jener die reichste Weinernte zu erwarten.
In Nimmesch, wo kein Scheiterhaufen, sondern nur Fackeln entzündet wurden, sagte man: Ten sai Haalrätje, wos klaa geprennt hot, der stirpt noch sei Joahr 'Dessen Hagelrädchen (= Fackel) klein gebrannt hat, der stirbt noch im selben Jahr'. Ruhiger Brand des Feuers sollte ein gutes Jahr, unruhiger Gewitter anzeigen (vgl. auch Mahr 1939: 243).
Das Fackelschwingen und -laufen sowie das Lärmmachen dabei sollte auch die Vertreibung der unheilbringenden Geister bezwecken.
Der Asche des Hutzelfeuers und den im Feuer angekohlten Holzstangen schrieb man ebenfalls Zauberkraft zu. In Boar und Sawer mußten die Schuljungen beim Hutzelsingen eine angekohlte Stange - als Zeichen ihrer Teilnahme am Bläsebrennen - bei sich haben und mit dieser an die Haustür klopfen, ansonsten wurden ihnen die Geschenke versagt.
Auch die Feuerräder sind als Flurzauber aufzufassen. Wohin sie rollten, sollten sie die Flur vor Hagelschlag schützen und die Fruchtbarkeit wecken. Ihre mundartlichen Bezeichnungen Haalroot, Hellroot gehen vermutlich auf 'Hagelrad' zurück und deuten auf ihre unwetterabwehrende Funktion hin. Ihre Fruchtbarkeitswirkung wurde auch durch die beim Radrollen gerufenen Segenssprüche unterstützt. In Altglashütten war die Laufrichtung des talabwärts gestoßenen Hutzelrades bedeutungsvoll. Wenn es dem Oberdorf zu gelaufen ist, dann glaubte man, daß im neuen Jahr die Oberdörfler mehr Hutzeln bekämen als die Unterdörfler und umgekehrt.
In Lak und Nimmesch kennt man auch eine christliche Deutung des Feuerradbrauches. Man meint, daß die Räder zu Ehren der Märtyrerin Katharina von Alexandrien gerollt wurden, weil diese durch das Rad getötet wurde. In Lak erläuterte man den Zusammenhang zwischen der hl. Katharina und dem Radrollen folgenderweise: Die hl. Katharina war ein sehr schönes Mädchen. Die Jugendlichen wollten sie fangen, es gelang ihnen aber nicht. Deshalb umflochten sie ein Rad mit Stroh, stießen ihr das brennende Rad nach und wollten sie auf diese Weise erreichen. Als aber das Rad am Bergfuß angekommen war, war die hl. Katharina schon verschwunden.
Die Scheiben warf man in unserem Arbeitsgebiet in erster Linie zum Wohl von Menschen, aber auch zum Segen der Fluren. Die Feuerräder und glühenden Scheiben wurden schon in älteren Zeiten als Symbole der täglich höher steigenden und den Winter vertreibenden Sonne angesehen, die von nun an ihre Strahlen und somit ihren Segen immer reicher auf Menschen und Fluren ergießt (Fehrle 1955:78, Hauler 1978:103-104).
Die Bewohner der untersuchten Dörfer gingen am Abend des Hutzelsonntags auf die Straße und schauten dem Feuer zu, im Glauben, daß sie so das ganze Jahr hindurch gesund bleiben. In einigen Ortschaften meinte man, wer kein Hutzelfeuer sehe, der sterbe bald, noch in demselben Jahr (Wild 1991:463-464).
Die Verbrennung des Winters wird in den Feuerbräuchen nur schwach angedeutet. Die angezündeten Fackeln erinnern zwar an eine Strohpuppe, die auch in manchen ungarndeutschen Ortschaften außerhalb unseres Arbeitsgebietes als Symbol des Winters verbrannt bzw. ertränkt wurde. In jenen Dörfern, wo die Fackeln Hutzelkretje 'Hutzelgretchen' genannt werden, liegt die Vermutung am deutlichsten auf der Hand, daß die Fackeln ursprünglich Strohpuppen gewesen seien und wie in anderen, hauptsächlich süddeutschen Gegenden, den scheidenden Winter haben symbolisieren müssen. Diese Funktion der Strohpuppen mußten in späteren Zeiten die Fackeln übernommen haben.17
Im deutschen Hutzelsonntagsgebiet zündete man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mancherorts noch statt Scheiterhaufen eine Strohpuppe, den sog. Hutzelmann, an (Mahr 1939:12). Nach HEßLER (1904:35) bestand dieser Hutzelmann um die Jahrhundertwende aus zwei mit Stroh umwickelten Stangen in Form eines Kreuzes und wurde gleichzeitig mit den Fackeln angezündet.
Die untersuchten Ortschaften waren vor dem II. Weltkrieg entweder rein deutsche Siedlungen oder deutsche Mehrheitsdörfer mit einer ungarischen und/oder kroatischen Minderheit. Die vor 1945 in diesen Ortschaften lebenden Ungarn und Kroaten übernahmen.
Die Bräuche nicht, sie waren aber jedes Jahr als Zuschauer anwesend. Die nach dem II. Weltkrieg angesiedelten Ungarn aus der Slowakei und aus Rumänien beteiligten sich wiederum aktiv an den Hutzelsonntagsbräuchen, hauptsächlich an den Feuerbräuchen, solange diese nicht außer Übung kamen.
Die Bräuche des Hutzelsonntags - so wie sie oben beschrieben wurden - findet man nicht mehr. Am längsten haben sie sich in Altglashütten erhalten (bis Ende der 70er Jahre). In den 80er Jahren zündete man mancherorts in den Kellerreihen noch kleinere Feuer an. Erfreulicherweise nimmt von Jahr zu Jahr die Zahl jener Siedlungen zu, in denen am Hutzelsonntag auf Anhöhen oder vor den Kellern Feuer auflodern. Im Jahre 2000 wurden in Duwocke alle Feuerbräuche ausgeübt (s. Abb. 5, 6, 7).
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1996 Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen Budapest S. 7-20
Abb. 1: Holzstöße für das Hutzelfeuer in Otzbach/Rhon (1988) |
Abb. 2: Das Hutzelfeuer in Otzbach (1988) |
Abb. 3: Das Hutzelsingen der Kinder in Otzbach (1988) |
Abb. 4: Requisiten der Feuerbräuche am Hutzelsonntag (angefertigt von Andreas Bauer, Duwocke) |
Abb. 5: Die Scheiben werden im Hutzelfeuer glühend gemacht (Duwocke 2000). |
Abb. 6: Das Anzünden des Hutzelrades (Duwocke 2000) |
Abb. 7: Das Bläseschwingen in Duwocke (2000) |
1. Der erste Teil der Arbeit über die Hutzelsonntagsbräuche erschien im 12. Band der Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen (1996: 7-20), in dem das Hutzelsingen und die Hutzellieder behandelt werden.
2. Die Stiffoller siedeln in etwa 40 Dörfern zwischen Fünfkirchen/Pécs und Mohatsch/Mohács. Ihre Vorfahren sind im 18. Jahrhundert in überwiegender Zahl aus der Fuldaer Gegend eingewandert. Für die Benennung dieser Siedlungen gebrauchen wir die Ausdrücke 'Stiffoller-Ortschaften' bzw. 'fuldische Siedlungen/Dörfer'.
3. Benannt nach der ersten Zeile des im Dorf bekannten Hutzelliedes.
4. Die Liste der Belegorte s. im ersten Teil der Arbeit über die Hutzelsonntagsbräuche (Wild 1995: 8-9).
5. Mündliche Mitteilungen von Andreas Bauer. "
6. Mündliche Mitteilungen von Johann Wolfart sen.
7. Mundliche Mitteilungen von Johann Wolfart sen.
8 Die Fackeln wurden sowohl nach ihrer Form (Kauder) als auch nach dem Ort ihres Entzündens (Lehmgrube des Dorfes) benannt.
9. Mündliche Mitteilungen von Eva Heil.
10. Mündliche Mitteilungen von Katharina Keller.
11. Mündliche Mitteilungen von Andreas Bauer.
12. Die Fortsetzung des Spruches ist identisch mit dem fast in allen fuldischen Siedlungen bekannten Hutzelspruch (vgl. dazu Wild 1996: 11-17).13
13. Mündliche Mitteilungen von Johann Kovács
14. Mündliche Mitteilungen von Margaretha Vitényi. Zeile 3 und 4 wurden wohl vertauscht
15. Zeile 3 und 4 wurden wohl vertauscht.
16. Mündliche Mitteilungen von Anton Mausz..
17. In süddeutschen Gebieten betrachtete man den in den Holzstoß gesteckten Strohpopanzen als weibliches Wesen und nannte ihn Hexe, Winterhexe, Funkenhexe. Die Hexe galt überall als Wintersymbol (Strobel 1961: 1-3, 1963: 6-7).