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Anita Martin

Der Tod, das Begräbnis und die Friedhofskultur bei den Deutschen in Tarian/Tarján,

mit besonderem Hinblick auf die deutschen Grabinschriften

 

I.Einleitung

Das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit ist, die deutschen Grabinschriften von Tarian/Tarján, im Komitat Komorn-Gran/Komárom-Esztergom tiefgründig zu erforschen. Als Anknüpfung daran soll eine intensive Auseinandersetzung mit dem eng verbundenen Themenkreis der Sterbe-, Begräbnis- und Friedhofs kultur der hier lebenden Deutschen dargelegt werden.

Ich war schon von Kindesbeinen an stark ortsverbunden und heimatgeschichtlich interessiert, das Schicksal bzw. die Kultur der Tarianer Deutschen lag mir schon immer sehr am Herzen. So soll der Ursprung meiner Idee, die Aufmerksamkeit - durch die Wahl meines Diplomarbeitsthemas - auf den oben genannten Themenkreis zu richten, in erster Linie in den eigenen Interessen gesucht werden. In diesen wurzelt außer der Idee auch eine innere Motivation, einen Bereich zu erkunden, welcher in Tarian noch so gut wie unangetastet ist. Ich halte es für eine spannende, interessante Aufgabe und für eine ehrenvolle Herausforderung, etwas Eigenes zu leisten.

Meine Zielsetzung richtet sich in erster Linie auf die Erfassung des vorhandenen deutschsprachigen Grabinschriftenbestandes. Primär soll dies als Ausgangspunkt meiner Studie dienen, ferner ist es auch als eine Art Inventar gedacht, auf welches bei anderen Untersuchungen später zurückgegriffen werden kann. In zweiter Linie möchte ich die mit den Grabinschriften eng zusammenhängenden Bereiche der Riten und Bräuche rund um das Sterben, den Tod bzw. die Bestattung erkunden, soweit sie noch zu erkunden sind, und hinterher das Ergebnis schriftlich niederlegen.

Meines Erachtens ist es höchste Zeit, die entsprechenden Aufzeichnungen durchzuführen, denn das Material schwindet von Tag zu Tag, und somit verringert sich auch die Chance, der Nachwelt ein zur Orientierung in der direkten Umgebung dienendes Material erstellen bzw. festhalten zu können.

Aufgrund der Komplexität des Themas muss eine disziplinübergreifende Untersuchung durchgeführt werden.

So werden zum einen im Rahmen einer linguistischen Analyse die Grabinschriften nach Unkorrektheit, nach sprachlichen Besonderheiten untersucht; zum anderen wird im Rahmen einer ethnologischen Darstellung auf die Bestat-tungs- und Friedhofskultur der Deutschen in Tarian reflektiert. Dies soll unter diachronem Aspekt erfolgen, denn die in den verschiedenen Untersuchungs bereichen erscheinenden, von diversen Faktoren beeinflussten Veränderungen können am besten entlang des des zeitlichen Wandels dargestellt werden. Kon-trastivität weist die Arbeit insofern auf, dass bei den Untersuchungsergebnissen und deren Wertung, die im Kreise der Ungarndeutschen bisher durchgeführten ähnlichen Studien möglichst herangezogen werden um Parallelitäten bzw. Abweichungen zu erkennen.

Meine Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel und innerhalb dieser in weitere Unterkapitel. Im ersten Kapitel werden die Beweggründe der Forschung, die Zielsetzungen, der Handlungsplan, sowie die Untersuchungsmethode angegeben, ferner der Forschungsgegenstand und dessen einzelne Bereiche mit den jeweiligen Fragestellungen kurz erläutert. Der zweite Teil soll durch Darstellung der Orts-, Kirchen-, und Friedhofsgeschichte als eine Einbettung des Untersuchungsgegenstandes dienen und dadurch Hintergrundinformationen zum besseren Verstehen der Zusammenhänge liefern.

Im dritten Kapitel wird auf den zweiten Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit, nämlich auf die Thematik des Todes, des Sterbevorganges, der Bestattung und der Trauer eingegangen. Dies erfolgt anhand einer detaillierten Beschreibung der diesbezüglichen Sitten und Bräuche der Tarianer Deutschen.

Das vierte Kapitel soll die Ergebnisse der auf dem Friedhof in Tarian durchgeführten Untersuchung in Bezug auf die Grabmalkultur thematisieren. Hierbei werden die Grabsteine nach Material, Form und der als Verzier und gleichzeitiger Ausdruck der Religiosität dienenden Friedhofssymbolik geordnet.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit dem eigentlichen Thema, nämlich den deutschsprachigen Grabinschriften auf dem Friedhof in Tarian. Nach einer allgemeinen Charakterisierung werden die Inschriften aus inhaltlichem und strukturellem Aspekt unter die Lupe genommen.

Schliesslich wird eine sprachliche Analyse unternommen, wobei alle die im Bereich der Graphematik, der Morphologie, der Syntax sowie in der Lexik aufspürbaren Unregelmäßigkeiten und Besonderheiten angeführt und möglichst begründet werden sollen. Im sechsten, abschließenden Teil komme ich zur Bewertung meiner Untersuchungen, zur Schlussbetrachtung aller Ergebnisse und zur Anführung eventueller Fragen aufweiche ich durch meine Arbeit keine oder keine ausreichende Antwort finden kann.

Dem letzten Kapitel folgt ein Literaturverzeichnis sowie ein Anhang, mit einer Dokumentation zum Thema.

2. Geschichtliche Einbettung

2.1 Ortsgeschichte

Tarian, die 2800-Seelen-Ortschaft ist ein ungarndeutsches Dorf im Komitat Komorn-Gran/Komárom-Esztergom am Fuße des Gerecse Gebirges. Der Ort befindet sich in einem hügeligen Becken, umrahmt von Mittelgebirgen, Wäldern und Weinbergen. Nicht weit ist der Komitatssitz Tatabánya und auch die ehemalige Krönungsstadt Gran/Esztergom bzw. die Hauptstadt Budapest sind schnell zu erreichen.

Tarian ist eine Siedlung, die dank ihrer geographisch günstigen Lage schon zur Römerzeit bewohnt war, davon zeugen die bei Ausgrabungen aufgefundenen Münzen und verschiedenen Gegenstände. Die erste urkundliche Erwähnung der Siedlung stammt aus dem Jahre 1240, damals gehörte sie zu der Schambecker Pfarrei. In einer nächsten Urkunde aus dem Jahre 1426 wird sie schon als Bestandteil der Totiser Festung angeführt.

Das darauf folgende Jahrhundert, gekennzeichnet durch die Türkenherrschaft, war eine qualvolle Zeit in der Geschichte des Volkes. Im Jahre 1529 wurde auch Tarian - ähnlich den anderen umliegenden Dörfern - von den Türken heimgesucht und erobert. Die Bauern hatten in der Besatzungszeit doppelte Steuerlasten - Abgaben an den türkischen Lehnsherren, sowie an den ungarischen Grundherren - zu tragen, demzufolge entvölkerten sich die Dörfer in der Gegend.

Neubesiedlungsversuche wurden laut Überlieferungen in der Mitte des 17. Jahrhunderts sowohl von ungarischer als auch von türkischer Seite unternommen. Auf diese Weise kamen reformierte ungarische Familien nach Tarian. Bei der Steuererhebung von 1715 sollen 10 Fronbauern (Coloni) und 3 Sölder (In-quilini) mit ungarischem Namen verzeichnet worden sein. Fünf Jahre später erhöht sich die Zahl der ungarischen Bauernfamilien auf 29, die Herkunft dieser ist aber unbekannt. (Treszl, Anton, 1998:30-31)

Eine wirklich effektive Neubelebung des Ortes bzw. der Gegend und auch des Landes fand aber erst im 18. Jahrhundert statt. Man spricht über drei großen Schwabenzüge der nachtürkischen Zeit: der erste fand unter Karl III. statt (1723-26), der zweite unter Maria Theresia (1763-73) und der dritte unter Josef II. (1782-87).

Auf diesem Wege kamen aus den überbevölkerten, nach dem Dreißigjährigen Krieg verarmten Gegenden Deutschlands laut Angaben an die 100.000 Personen nach Ungarn. (Dr. Bernáth, József (Hrsg.): 1992:75)

Neben den staatlich organisierten Bevölkerungsbestrebungen kam es auch vielerorts zu durch Privatinitiativen von geistlichen und weltlichen Grundbesitzern durchgeführten Ansiedlungsaktionen. Auf diese Weise ist auch in Tarian wieder Leben eingekehrt. 1727 gelangte der Ort - gemeinsam mit Totis/Tata -in den Besitz des Grafen Esterházy, dank dessen erfolgreichen Ansiedlungspo-litik sich hier 1737 40 deutsche Bauernfamilien römisch-katholischen Glaubens ansiedelten. Da die aus diesem Zeitraum zur Verfügung stehenden Sterbematrikeln bezüglich des Herkunftsortes keine Angaben beinhalten, weiß man aus den Überlieferungen nur, dass sie im Schwarzwaldgebiet beheimatet gewesen sein sollen. Die Bezeichnung „Schwabe" erhielten die Siedler landesweit aufgrund der Tatsache, dass die ersten deutschen Einwanderer der nachtürkischen Zeit aus dem Schwabenland stammten. Demnach nannte man hierzulande alle weiteren Siedler, obwohl sie aus verschiedenen Gebieten - wie der Frankfurter und Mainzer Gegend, aus der Pfalz, aus Elsass-Lothringen, der Fuldaer Gegend und aus Österreich - kamen „Schwaben", wie sie auch heute in der ungarischen Umgangssprache genannt werden. (Bellér, Béla / Wild, Katalin / Szende, Béla /Szabó, János 1992:115)

Zur Überwindung der Schwierigkeiten und finanziellen Nöte der Anfangsjahre wurden den Neuankömmlingen Steuerfreiheiten und verschiedene weitere Privilegien patentiell zugesichert.

Der erste urkundlich belegte Hinweis auf die Existenz von Tarianer Deutschen ist den Aufzeichnungen des Kirchenbuches der Pfarrei des Nachbarortes Héreg zu entnehmen, wo die Taufe des ersten deutschen Tarianer Kindes namens Josepha Hadl für den 16. Januar des Jahres 1739 verzeichnet steht. Von hier an sind bis zum Jahr 1756 - als Tarian eine selbstständige Pfarrei wurde - Eintragungen bezüglich Tarianer Täuflinge auf nahezu allen Seiten des Kirchenbuches zu sehen. (Treszl, Anton, 1998:62)

Laut der Angaben der Volkszählung aus dem Jahr 1787 zählte das Dorf 241 Familien mit 1556 Personen, davon waren 405 reformiert (ebd.: 31.). Obwohl die nationale Zugehörigkeit der Einwohner hier nicht angegeben wurde, kann man an der Konfession sehr gut erkennen - da die Deutschen römisch-katholischen Glaubens waren -, dass das Dorf schon damals ein deutsches Mehrheitsdorf war. Obwohl die Ansiedler anfangs wegen ihrer fremden Sprache, Sitten und Bräuche, der Konfession, sowie den Begünstigungen die sie zur Unterstützung eines Neuanfanges in der neuen Heimat erhielten von den ortsansässigen Ungarn nicht gerade willkommen waren, haben sich die Zwistigkeiten der zwei Nationen im Laufe der Zeit gelegt.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden etwa zur gleichen Zeit eine katholische bzw. eine reformierte Kirche errichtet. Davor hatte man auch eine katholische Schule eingerichtet. 1828 lebten im Dorf 269 Bauern- und Häuslerfamilien. 1866 brach eine Choleraepidemie aus, die über 100 Todesopfer forderte. Daran erinnert das Rochus-Denkmal an der Hauptstrasse, welches von Andreas Werli und dessen Gattin Anna Beigelbeck gestiftet wurde.

Etwa in der Periode nach dem Ausgleich ist eine allseitige Entwicklung im Dorf zu beobachten: 1894 wurde das erste örtliche Kreditinstitut gegründet, 1896 errichtete man einen Kindergarten, 1899 rief man den St. Josef Leichenverein ins Leben. Um 1900 erhielt die Gemeinde ein Postamt mit Fernschreiber. 1906 nahm die lokale, freiwillige Feuerwehr seine Tätigkeit auf. 1910 wurde die römisch-katholische Kirche renoviert (ebd.:32-34). Auch die Einwohnerzahl zeigt einen konstant steigenden Zuwachs: 1784 waren im Dorf nur 1556 Einwohner verzeichnet, 1880 waren es schon 1958 und 1900 stieg es schon auf 2038. (Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.): 2006:105.)

Der Erste Weltkrieg führte zu einem baldigen Umbruch in der geschilderten Entwicklungstendenz. Aus Tarian mussten insgesamt 400 Männer in den Krieg ziehen, 85 von ihnen starben den Heldentod. Diesen gefallenen Soldaten zu Ehren wurde vor der römisch-katholischen Kirche ein Denkmal errichtet und 1928 eingeweiht. Zusätzlich sind auf dem Friedhof fünf Grabsteine mit einer Inschrift vorzufinden, durch welche die Familie dem im Weltkrieg verlorenen Vater oder Sohn gedenkt, wie zum Beispiel:

Hier ruhen in

FRANCZ

SCHNEIDER

geboren in Jahre 1854

den 30. Mirc

gestorben in Jahre

1933 den 24 August

Gottes namen

MARIA

SCHNEIDER

geborene Hollbauer

geboren in Jahre

1850 den 2 Júli gestorben in Jahre

1918 den 12nov

MICHAEL SCHNEIDER

Lédiger Sohn der eitern Franc und Maria

Schneider

Geboren in Jahre 1893 den 14 Maij

Gestorben in Jahre 1918 den 18 November

Felectvon einen Granate in Velt Kriege an

der Italienischen Front

STEFAN SCHNEIDER

Ehlicher Man der Anna Fernekhes

Geboren in Jahre 1880 den 4 Dec. Gefahlen in

Veitkriege an der Russischen Front

in Jahre 1914 in August

Herr gib ihnen die evige ruhe

Erihtet durh ihnen liebesohn Jozef Schneider.

Die Zwischenkriegszeit war erneut eine Periode, die als ereignisreich bezeichnet werden kann: 1930 wurde das erste Arzthaus fertig gestellt. 1937 begann in der ersten Klasse der Unterricht in ungarischer, 1944 in deutscher Unterrichtssprache. Ende der 30er Jahre wurde auch die Landstraße zwischen Tarian und Tatabánya ausgebaut, das Dorf wurde elektrifiziert. Nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im zivilen Bereich war ein Aufschwung zu beobachten: am 18. Oktober 1925 wurde die Ortsgruppe des Ungarnländischen Deutschen Volksbildungsvereins gegründet. 15 Jahre später, am 20. Oktober 1940 hat man die örtliche Organisation des Deutschen Volksbundes in Ungarn (VDU) ins Leben gerufen. Laut Angaben einer Aussiedlungsliste von 1948 soll die immer mehr unter den Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie geratene Organisation in Tarian 342 Mitglieder gezählt haben.

Die Bilanzen des Zweiten Weltkrieges sahen folgenderweise aus: von der Zivileinwohnerschaft starben 20 Personen infolge von Kriegsereignissen, an den Fronten sollen 69 Männer ihr Leben gelassen haben. An diese Helden erinnert ein im mittleren Bereich des neuen Friedhofes stehendes Denkmal (Abb. 1.). Ähnlich wie nach dem Ersten, findet man auch nach dem Zweiten Weltkrieg Grabinschriften, die dem im Krieg verstorbenen Familienmitglied gedenken, allerdings konnte nur noch ein einziges deutschsprachiges Beispiel gefunden werden.

Nachdem der Krieg zu Ende war, waren die Deutschen bekannterweise von den darauf folgenden politischen Ereignissen hart betroffen.

Die gesamte Nation wurde für mitschuldig am Zweiten Weltkrieg erklärt und musste die Konsequenzen tragen. Auch an den Deutschen in Ungarn sind diese Ereignisse nicht spurlos vorbeigegangen: „Die Deutschen sind mit einem Bündel gekommen, mit einem Bündel sollen sie gehen" - hieß es im ungarischen Parlament. Aufgrund der am 29. Dezember 1945 bekannt gegebenen Verordnung 12330/1945.M.E. hatten alle, die sich bei der letzten Volkszählung zur deutschen Nationalität oder Muttersprache bekannten, oder ihren madjari-sierten Familiennamen zurückveränderten bzw. Mitglieder des Volksbundes oder einer bewaffneten deutschen Einheit (SS) waren, in Kürze das Land zu verlassen und in die „Urheimat" zurückzukehren. Aus Tarian hätten laut der in dem Ungarischen Staatsanzeiger am 29. Januar 1946 veröffentlichten Liste der deutschbewohnten Gemeinden - bei einer Gesamteinwohnerzahl von 1820 Personen und einem 84%en Anteil an deutscher Bevölkerung - ca. 1300 Personen ausgesiedelt werden müssen (Bank, Barbara / Őze, Sándor, 2005:159-160).

Im Rathaus wurden an einem Aushängeschild die Namen der „Umsiedlungspflichtigen" - wie sie im Gesetzeswortlaut bezeichnet wurden - bekannt gegeben, die bis Ende März 1946 hätten ausgesiedelt werden müssen. Die Zahl dieser betrug laut einer veröffentlichten Aussiedlungsliste 856 Personen. Der Aussiedlungsbefehl der Tarianer Deutschen wurde aber rückgängig gemacht. Im Hintergrund dieser Umentscheidung stand vermutlich, dass sich die Westmächte weigerten weitere Vertriebene aus Ungarn in ihren Besatungszonen aufzunhemen, andrerseits benötigte das benachbarte Bergwerk in Tatabánya eine Grosszahl von Gruben- und Fabrikarbeitern.

Also durften die Tarianer Schwaben bleiben, doch kamen sie keineswegs ohne Strafe davon. Kraft des VI. Gesetzes des Jahres 1945 wurden sie enteignet, d.h. ihre Besitztümer wurden von heut auf morgen beschlagnahmt, man hat in ihre Häuser die sog. „Telepeschen" (Ansiedler) einquartiert, welche infolge von Binnenwanderungen und des slowakisch-ungarischen Bevölkerungsaustausches in den Ort kamen. Die erste Welle traf 1946 aus Egerlövő (Nordungarn) ein, die zweite 1948 aus dem Felvidék. Es kam zu Zwangszusammensiedlungen innerhalb des Dorfes. Mehrere Familien hausten in einem Zimmer, sogar die Küche wurde zwangsläufig als Wohnraum benutzt. Nun hat sich die deutsche Bevölkerung wieder aus dem Nichts eine Existenz aufbauen müssen, wie damals nach der Ansiedlung in der neuen Heimat.

Sie überwanden aber die Jahre des Mangels und des Verzichtens. Viele bauten sich im Laufe der Jahre neue Häuser oder kauften das eigene Elternhaus von den neuen Bewohnern zurück. Nach und nach hat sich das Leben wieder normalisiert, die Ansiedler assimilierten sich teils, teils verkauften sie die Häuser an die ehemaligen Besitzer und zogen weitergezogen.

Das erste Minderheitengesetz nach der Wende (Gesetz Nr. LXXVII des Jahres 1993) wurde als grundlegende Garantie in einem demokratischen Staat in Ungarn 1993 verabschiedet. Hiermit wurden als zahlenmäßig zweitgrößte Minderheit die Ungarndeutschen neben 12 weiteren Minderheiten gesetzlich anerkannt und erhielten dadurch persönliche sowie kollektive Rechte. Dank dieser gesetzlichen Regelung konnte auch in Tarian von 1994 an, in allen darauffolgenden Wahlperioden jeweils eine aus drei Personen bestehende lokale deutsche Minderheitenselbstverwaltung aufgestellt werden.

Da sich das o.g. Minderheitengesetz laut landesweiten Studien und Beobachtungen als lückenhaft erwies, hat man nach längeren Debatten ein neues Minderheitengesetz {Gesetz Nr. CXIV des Jahres 2005) verabschiedet, das am 25. Juli 2005 in Kraft getreten ist. Es sieht die Verwirklichung einer effektiven dreistufigen Vertretung (auf der lokalen, Komitats- sowie Landesebene) der Minderheiten vor, und bringt neue, schärfere Regelungen u.a. hinsichtlich der aktiven und passiven Wahlberechtigung. Gemäß diesem Gesetz wurde am 1. Oktober 2006 in Tarian durch die Stimmen der in das Wählerverzeichnis durch schriftliche Erklärung aufgenommenen 394 Wahlbürger eine deutsche Minderheitenselbstverwaltung - nach Gesetzesvorschriften aus 5 Abgeordneten bestehend - gewählt.

In der Grundschule wurde 1958 der Deutschunterricht eingeführt. Seit 1987 wird auch Nationalitätenunterricht angeboten. Neben der Aneignung eines Sprachwissens und Sprachkönnens wird auch auf die Pflege der Sitten und Bräuche der Ungarndeutschen im Unterricht bzw. im außerunterrichtlichen Bereich ein großer Wert gelegt. So besteht den Schülern die Möglichkeit sich im Jugend-Nationalitätenchor, in der Kinderkapelle, in der Tanzstunde oder in der Theatergruppe sowie diversen anderen deutschsprachigen Sitzungen zu betätigen.

Die Schule pflegt ferner Partnerschaftsbeziehungen zu der Schule der Partnerstadt Staufenberg und der Schule in Halle, so werden die Schüler zusätzlich auf diesem Wege im Rahmen von Austauschprogrammen sprachlich und kulturell bereichert.

Die Verbindungen der Gemeinde zum Mutterland bilden ein weit verzweigtes System. Um diese der Größe nach aufzuzählen: Es sind zum Ersten die internationalen Beziehungen des Komitates Komorn-Gran. Er ist seit mehr als zehn Jahren mit dem hessischen Main-Kinzig Kreis verschwistert. An dieser Partnerschaft nimmt Tarian mit großer Intensität teil. Eine weitere Basis sind die direkten Städtepartnerschaften der Gemeinde. Zu allererst wurde am 26. April 1991 die Partnerschaftsurkunde mit der hessischen Stadt Staufenberg unterzeichnet. Die Partnerschaft findet bis in unsere Tage mit großer Intensität statt: öffentliche Einrichtungen, diverse Vereine - von denen der „Freundeskreis Tarian" eine weitaus wichtige Rolle spielt - sowie Privatpersonen und Familien tragen zu deren erfolgreichen Bestehen bei.

Eine weitere offizielle Partnerschaft zu dem bayerischen Dorf Kirchberg wurde im Juni 2000 besiegelt. Auch im Rahmen dieser Partnerschaft finden gegenseitige Besuche der Vereine und der Gemeindevertreter statt. Zum Dritten gehen die ausländischen Kontakte Tarians aus den Partnerschaftsbeziehungen der Tarianer Vereine zu verschiedenen deutschen Vereinen hervor. Zum Vierten basieren die Kontakte zu Deutschland auf persönlichen Bindungen der einzelnen Einwohner. Einen beträchtlichen Teil machen hierbei die aus Tarian und seiner Umgebung stammenden Heimatvertriebenen und Spätaussiedler aus.

Zunächst möchte ich auf das Nicht-Institutionale zu sprechen kommen, was auch als ein stark prägendes Element im Erscheinungsbild der Gemeinde existent und mit dem Minderheitendasein eng verbunden ist. In Tarian findet dank des starken Gemeinschaftsgeistes ein reges Vereinsleben statt. Das musikalische Erbe wird ununterbrochen von Generation zu Generation weitertradiert, demnach sind hier mehrere Schrammelkappellen verschiedenen Alters tätig. Außerdem sorgten auch ein gemischter-Chor und eine Tanzgruppe im Rahmen des Musikvereins für die Pflege des alten Kulturgutes. Es gibt ferner den Deutschen Nationalitätenverein, genannt auch „Deutschklub", der 1999 von ehemaligen Tarianer Schülern des Deutschen Nationalitätengymnasiums in Budapest mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, die Sitten und Bräuche der ungarndeutschen Nation zu bewahren, die Muttersprache der Minderheit zu pflegen und ein bewegtes Gemeinschaftsleben zu führen.

An dritter Stelle nenne ich den Freundeskreis, der sich neben anderen Tätigkeiten für die Pflege der Partnerschaft zu Staufenberg stark einsetzt. Diese Vereinigungen sind unter anderem auch Organisatoren bzw. Mitgestalter von Bällen, Festen und anderen feierlichen Anlässen der Gemeinde. Ferner kommt diesen Vereinen seit dem In-Kraft-Treten des neuen Minderheitengesetzes eine weitere wichtige Rolle zu, nämlich als eingetragene, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Vereine, Kandidaten zur lokalen Minderheitenselbstverwaltungswahl zu stellen.

2.2 Kirchengeschichte

2.2.1 Die römisch-katholische Kirche

Die Anfänge der Geschichte der Tarianer Kirchen sind heute - aufgrund der von der Mitte des 18. Jahrhunderts an bearbeiteten Quellen - nur noch teilweise nachzuvollziehen, so wird an dieser Stelle ein Versuch unternommen anhand der wichtigsten Ereignisse einen Leitfaden darzulegen.

Die ersten Angaben stammen aus 1747, in welchem Jahr der Grundherr Esterházy am 5. Februar eine Verordnung erließ. Laut dieser hatten die Reformierten die damals von ihnen genutzte, ehemals aber den Katholiken gehörende Kirche an diese zurückzugeben. Hiernach soll sich eine große, lang andauernde Streitigkeit der beiden Konfessionen entfacht haben. Über die im Mittelpunkt dieser Streitigkeit stehende Kirche sind aber keine weiteren Angaben bekannt. (Treszl, Anton, 1998:31)

Laut Überlieferungen der Heimatbücher sollen später etwa zur gleichen Zeit zwei neue Kirchen errichtet worden sein: 1779-1785 wurde in der heutigen Rákóczi Straße im Hinterhof des Pfarrhauses die reformierte Kirche errichtet. Die Grundsteine der katholischen Kirche wurden 1778 gelegt und die Fertigstellung  -  bis auf den Turm - erfolgte 1783. Gebaut wurde die barocke Kirche nach den Plänen Jakob Fellners, des berühmten und vielschöpfenden Hofarchitekten der Esterházys. Am 25. Oktober desselben Jahres weihte man die Kirche ein, und zum Schutzheiligen der Kirche erwählte man den Heiligen Georg. Das Einseg nungsdatum und der Georgstag (24. April) markieren bis heute zwei wichtige Feiertage im Leben der Tarianer römisch-katholischen Kirchengemeinde, näm lich die zwei Kirchenweihtage {Kiridog).

Einen Turm - der ebenfalls am 25. Oktober eingesegnet worden sein soll -  soll die Kirche 80 Jahre nach der Fertigstellung errichtet bekommen haben. In den Sterbematrikeln fand ich aber Hinweise auf einen Maurer namens KalabaJózsef- gebürtig und wohnhaft in Komárom, 38 Jahre alt - der am 19. Juli 1890 in Tarian ums Leben kam. Als Todesursache wurde Gehirnerschütterung ange geben, in der Rubrik der sonstigen Bemerkungen steht verzeichnet: „währendder Arbeit aus dem Fenster des Turmes gefallen und an der Stelle gestorben". Hinterher konnten sich auch die Gewährspersonen ins Gedächtnis rufen, die Geschichte des verunglückten Maurers von den Großeltern erzählt bekommen zu haben:

Der Mann soll das Kreuz an der Spitze eingesteckt haben wollen. Dabei soll ihm schwindlig geworden sein, er fragte nämlich die unten stehenden Dorfleute in welches der beiden Löcher das Kreuz kommen soll. Nach dieser Frage sahen schon die Untenstehenden das Schlimmste kommen. Tatsächlich lag der Maurer wenige Minuten später tot vor der Kirche - so berichten die Gewährspersonen. Aus diesen schriftlichen und mündlichen Hinweisen geht meines Erachtens hervor, dass die Bauarbeiten des Kirchturmes im Juli 1890 noch im Gange waren, und höchstwahrscheinlich in den Tagen zu Ende liefen. Demzufolge muss die Einsegnung - soll es zum 25. Oktober des Fertigstellungsjahres erfolgt sein -  allem Anschein nach erst im Herbst 1890 stattgefunden haben. Demnach soll es 107 Jahre gedauert haben, bis die Tarianer römisch-katholische Kirche ihr endgültiges äußeres Erscheinungsbild erhielt.

Die große Glocke der Kirche wurde 1917 zu Kriegszwecken geopfert, eingegossen und 1921 durch eine neue ersetzt. Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Dachstuhl der Kirche einen Schaden, den man in den Nachkriegsjahren - aufgrund wegen einer kirchenfeindlichen Politik mangelhaft zur Verfügung stehenden Finanzen - nur provisorisch beseitigen konnte. Anfang der 60er Jahre wurde unter der Federführung des damaligen Pfarrers Ottó Kormos die Innenbema-lung der Kirche neu angefertigt, bei der ein neues Altarbild und drei neue Deckengemälde entstanden.

Unter der Amtszeit des Pfarrers Gábor Vendrey erfolgte 1985-86 eine Außensanierung des Kirchengebäudes und die Fertigstellung eines neuen Dachstuhles. Hierzu haben außer den Mitgliedern der Tarianer katholischen Kirchengemeinde - die mit Geldspenden sowie unentgeltlicher Arbeitsleistung beitrugen - auch die in Deutschland lebenden Tarianer finanziell im grossen Maße Hilfe geleistet. Anfang der 90er Jahre wurden neue Kirchenbänke aufgestellt, welche von dem inzwischen verstorbenen, ortsansässigen Tischlermeister András Bachmann gefertigt wurden.

1998 wurde von János Izeli für die Restaurierung des alten Hauptaltarbildes der Kirche eine größere Geldsumme gestiftet. Dank deren konnte das ursprüngliche Altarbild, das Heiligen Georg, den Drachentöter, den Schutzpatron der Kirche darstellt - und laut der bekannten Angaben auf 1816 datiert wird - wieder hergestellt werden.

In der unmittelbaren Nähe des Pfarrers lebte früher seine Dienerschaft (Tienstleii). Die Zahl dieser Angestellten, welche im Pfarrhaus wohnhaft waren, betrug um die 3-4 Personen. Zu dem Pfarrhaus gehörten mehrere kleine Wohnungen, Wirtschaftsgebäude, ein großer Garten und auch ein Acker (Kirchafőda). In dem Haushalt des Pfarrers arbeitete eine Köchin (Keichin), eine Putzfrau (Zamrahmerin), eine Haushälterin {Wirtschoftsfrao / Haoswirt-schofterin) und ein Hausknecht (Haoskneicht), der für den Viehbestand zuständig war. Nicht unmittelbar dem Pfarrer, aber der Kirche diente der Glöckner (Leitna). Meine Gewährsleute erinnern sich an einen Glöckner namens Michael Eipl, der im Dorf nur „Leitna Mischka" genannt wurde. Er wohnte mit seiner Familie nicht weit von der Kirche, als man aber nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutschen enteignete, kam er auch im Pfarrhaus unter. Er verrichtete sämtliche Tätigkeiten um die Kirche herum: Putzen, Fegen, für frische Blumen sorgen, in den Wintermonaten den Schnee zu räumen. Bei der Beerdigung hatte er die Aufgabe, in der unmittelbaren Nähe des Pfarrers die Weihwasserschale {Weihwossa) sowie den Weihrauchschwenker {Kircharauga) zu tragen bzw. zu halten. Folglich mussten zur Beerdigung die Glocken von jemand anderem geläutet werden, hierfür waren die Familienangehörigen des Glöckners zuständig, die ihm auch bei anderen Tätigkeiten behilflich waren und zusätzlich wurden auch immer wieder Ministranten zum Läuten eingeteilt.

2.2.2  Die römisch-katholische Kirchengemeinde

Laut Erinnerungen der Gewährspersonen wurden in Tarian, in der römisch katholischen Kirche bis zur Ende des Zweiten Weltkrieges die Messen in Latein gelesen, der Predigt, die Gebete und Kirchenlieder hat man grundsätzlich in Deutsch, teils aber auch in Ungarisch gesagt bzw. gesungen. Die katholischen Pfarrer der Vorkriegszeit waren - so berichten die Gewährsleute - der deutschen Sprache alle mächtig, es waren auch welche unter ihnen die - vielen Dorfbewohnern ähnlich - eher mit dem Ungarischen Probleme hatten.

Der Pfarrer namens Imre Lezsánszky war während und auch nach dem Krieg in Tarian tätig. Er hielt seine Predigten bis zu seiner Versetzung (1947) zweisprachig. Da sein Nachfolger Imre Fütty aber nur Ungarisch konnte, hat man in der Kirche nur noch bei den Gebeten teilweise ein deutsches Wort gehört. Der Kantor soll im August 1945 auf der Beerdigung von György Martin (20 Jahre) zum letzten Mal ein deutsches Abschiedslied gesungen haben. (Mikonya, József, 1992:76)

So wurde die deutsche Sprache, bei gleichzeitiger Förderung des Ungarischen nach und nach aus allen Lebensbereichen verdrängt und der sog. Ent-deutschungsprozess herbeigeführt. Wie die Gewährspersonen berichten kamen die deutschen Lieder und Gebete zugunsten des Ungarischen an die zweite Stelle. Soweit es möglich war, hielt man aber daran fest. Auf der Beerdigung war das deutsche Abschiedslied nach wie vor noch anwesend. Davon zeugt ein vom örtischen Kantor namens Jósef Szerényi/Steinbacher - wie er auf der Rückseite mit seinem „madjarisierten" und deutschen Namen selber unterschrieb - für die Beerdigung von Frau Plett niedergeschriebene Abschiedslied (S. Abb 2a. und 2b.) Ein Lied das vom Kantor jeweils auf die Person umgedichtet wurde.

In unseren Tagen werden in der Kirche neben den ungarischen auch deutsche Lieder gesungen und monatlich einmal - jeweils am zweiten Sonntag - wird eine deutsche Messe gelesen.

2.2.3  Die Funktion der Kirche

Außer ihrer primären Funktion, die christliche Lehre zu vermitteln, kommt der Kirche eine weitere wichtige, praktische Funktion zu: Bekanntlich ist die Schriftlichkeit seit altersher mit der Kirche verbunden. Die wichtigsten Ereignisse im Menschenleben, wie etwa die Taufe, die Trauung und schlussendlich auch die Beerdigung, wurden im kirchlichen Rahmen begangen und wurden von der Kirche in den verschiedenen Matrikeln aufgezeichnet. Bis zum Oktober 1895, bis zur Einführung der staatlichen Immatrikulation aufgrund des Gesetzes Nr. XXXIII des Jahres 1894 war die kirchliche Immatrikulation daa einzig und alleinige offizielle Verzeichnnis, das die wichtigsten Angaben zum Leben bzw. Ableben eines Menschen dokumentierte und somit für die Nachwelt festhielt.

Nach wie vor hatte die Kirche die Aufgabe, als Immatrikulationsstelle zu funktionieren, verlor aber durch diese gesetzlich bewirkte Änderung ihren Ausschließlichkeitscharakter. Themenrelevant sind an dieser Stelle die Sterbematrikeln, die mir bei meiner Arbeit einerseits eine Reihe an Zusatz- bzw. Hintergrundinformationen lieferten, andererseits zur Überprüfung der Grabinschriften dienten, so möchte ich diesen hier im Rahmen der Kirche einige Zeilen widmen.

In Tarian wurden von 1756 an (als Tarian zur eigenständigen Pfarrei wurde) die Kirchenbücher geführt und mit großer Sorgfalt aufbewahrt. So können sie einem bei einem entsprechenden Zeitaufwand mehrere hundert Jahre Geschichte lebendig machen, und durch die Verbindung von Informationen auch Zusammenhänge besser erkennen lassen (s. Tabelle 1.) In den Anfangszeiten wurden die Matrikeln in Latein geführt, in Bücher, die noch nicht vorgedruckt oder vorgezeichnet waren, wurden das Sterbedatum das Alter, der Name des Verstorbenen und des beerdigenden Pfarrers angeführt. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschienen Bücher, in denen die Rubriken der einzutragenden Angaben (Sterbedatum, Name, Standeszugehörigkeit, dasselbe von dem Ehepartner oder den Eltern, Geburts- und Wohnort, Geschlecht, Alter, Krankheit oder sonstige Todesursachen, ob der Verstorbene die Sterbesakramente erhalten genommen hatte, Beerdigungsdatum, beerdigender Pfarrer und eventuell die „Bemerkungen") vorgedruckt waren. Geführt wurden diese Schriften durch eine der Bediensteten des Pfarrers - wie es an der jeweiligen Schrift zu erkennen ist - oder von ihm selbst. Wichtige Informationen sind dadurch in Erfahrung zu bringen z.B. bezüglich der damaligen Todesursachen, der durchschnittlichen Lebensdauer, der Geschlechter- und Altersverteilung der Verstorbenen. Unter den sonstigen Bemerkungen findet man Hinweise auf Besonderheiten in der Krankheit, im Sterbefall und in der Bestattung. Die aufgrund der erhobenen Daten angefertigten Statistiken zeigen 1866 im Jahr der Choleraepidemie einen enormen Sprung in der Zahl der Verstorbenen:

Wie nachgelesen werden konnte, starben in diesem Jahr insgesamt 160 Personen, davon 114 allein an Cholera. Das Interessante ist noch: die Epidemie wütete von Anfang September etwa 1,5 Monate lang und forderte in dieser kurzen Zeit über 100 Opfer. (S. Abb. 4.)

Blättert man im Kirchenbuch, sieht man in der Spalte „Todesursache" viele Seiten lang nur Cholera eingetragen (s. Abb. 3a. und 3b.). Da die Angaben dort auf den Tag genau eingetragen sind, ist eindeutig zu sehen, dass täglich durchschnittlich 3-4 Leute an der Seuche starben.

Da es zur Zeit der Epidemie oft der Fall war, dass man am gleichen Tage, vom gleichen Hause sogar vier Tote zu beerdigen hatte, hatte man aus Angst, dem Verstorbenen als Nächster folgen zu müssen, auch innerhalb der Familie verweigert, ihn einzukleiden. Nachdem die verheerende Seuche vorüber war, liess das Ehepaar Andreas Werli und Anna Beigelbeck, dessen Familie verschont blieb, ein Denkmal zu Ehren des Heiligen Rochus errichten (s. Abb. 5. und 6.) (Mikonya, József, 1992:43)

Ein anderes interessantes Phänomen, was den aufgrund der Sterbematrikeln angefertigten Statistiken entnehmen werden konnte, bezieht sich auf die Kindersterblichkeit. Aufgrund mangelnder hygienischer Bedingungen, ärztlicher Versorgung, wie zum Beispiel Geburtshilfe oder Impfungen, oder auch infolge von Unterernährung lag die Sterblichkeitsrate im Kindesalter sehr hoch, und es dauerte länger als man denken könnte, bis der Anteil an 0-10 Jährigen unter 50%

Bis es ganz verschwand, schrieb man schon das Jahr 1980.

Außer den Angaben, die diese Statistiken ergeben haben, ist in den Kirchenbüchern die Spalte der „Bemerkungen" sehr aufschlussreich: hier hatte man vermerkt, wenn jemand an einem Unfall starb, oder wenn man einen Mordfall im Hintergrund vermutete, wenn es sich um Auswärtige handelte, wenn es sich um Tarianer handelte, die aber nicht im Ort verstarben. Starb ein uneheliches Kind einer Frau, trug man in diese Rubrik „den vermeintlichen Vater" ein. Hier wurde auch auf die Geistesschwäche hingewiesen („nem volt épelmü", „hülye volt", „gyenge elméjű" - lauten die Bezeichnungen). Ob die Sterbesakramente erteilt wurden oder nicht, steht separat verzeichnet. Hier vermerkte man aber oft, wenn dies aufgrund der „Unterlassung der Pflichten der Familie" nicht erfolgte. Leichenvereinsmitgliedschaft, musikalische Beerdigung, Beerdigung an einer neuen Friedhofsstelle wurden u.a. auch vermerkt.

Eine besondere Gruppe der Eintragungen bilden die Selbstmordfälle. Man hört oft, diese Toten wurden im Friedhofsgraben begraben. Dies sollte aber nicht wortwörtlich verstanden werden: sie wurden am Rande des Friedhofes - was nahe am Graben gelegen war - auf jeden Fall ohne kirchliche Zeremonie bestattet. Man kennt aber Fälle, in denen mit einer Genehmigung von höheren kirchlichen Behörden die Beerdigung mit der Anwesenheit, nicht aber unter der Mitwirkung des katholischen Pfarrers erfolgte. In anderen Fällen wurde eine ärztliche Bescheinigung dessen beigefügt, dass die Selbsttötung infolge einer vorübergehenden Geistesstörung erfolgte, so wurde der Tote ohne weiteres von der katholischen Kirche beerdigt. Generell hat aber der römisch-katholische Pfarrer die kirchliche Beerdigung und auch die Anwesenheit verweigert, sodass der Tote vom reformierten Pfarrer aus Tarian oder Héreg, auf dem reformierten Friedhof beerdigt wurde. Ein Schreiben vom Schriftwechsel bezüglich eines solchen Falles konnte ich auffinden (s. Abb. 7.)

Die Gründe der geschilderten Besonderheiten im Falle der Bestattung von Suizidenten sind in der christlichen Lehre zu suchen, welche schon seit Menschengedenken der Selbsttötung gegenüber eine verachtende Haltung zeigte. Wer sich das Leben nahm, brachte nämlich durch seine eigene Tat die Ablehnung Gottes, die Ablehnung der christlichen Lehre zum Ausdruck, was nach der mittelalterlichen christlichen Vorstellung die Verdammnis nach sich zieht. In diesem Sinne verleugnen Suizidenten mit ihrer eigenen Tat die „Gemeinschaft der Heiligen". Somit war das Verbot einer kirchlichen Bestattung dieser Personen in geheiligter Erde eine klare Antwort der Kirche auf die ablehnende Haltung gewesen.

Bereits das Decretum Gratiani, die erste bedeutende Sammlung des kanonischen Rechts aus 1140, besagte, dass die kirchliche Beisetzung von einem Freitoten verboten war, ausgenommen, wenn der Sterbende nach der Begehung seiner Tat Buße tat. Da die Person somit innerhalb der Kirche starb, durfte die kirchliche Beisetzung nicht verweigert werden, musste aber schlicht und prunklos vonstatten gehen. Auch das erste große Gesetzbuch der katholischen Kirche, der Codex Iuris Canonici aus 1917 lehnte die Bestattung von „Selbstmördern" noch ab, erst 1983 wurde im aktuellen CIC die Verächtung des Selbstmordes mit einem kirchlichen Bestattungsverbot gestrichen. Die Verurteilung der be-wusst begangenen Selbsttötung bleibt jedoch weiterhin erhalten. (Szuromi, Szabolcs Anzelm, 2002:138-144)

2.3 Friedhofsgeschichte

Der heutige Friedhof befindet sich in Richtung Gyermely am Dorfende, in dem früher als „Nichtsbrot" (Nixprod) bezeichneten Viertel, oder „unten am Berg" (unt'n am Perg) - wie man es auch zu bezeichnen pflegte. Er besteht aus dem sog. „alten" und „neuen" Freidhofsteil bzw. als weiterer Teilbereich dieser, der Fläche des sog. „Kinderfriedhofes", sowie dem auf demselben Grundstück liegenden „Reformierten-Friedhof.

Obwohl man zahlreiche - teilweise auch widersprüchliche - Hinweise aus verschiedenen Aufzeichnungen kennt, war die genaue chronologische Geschichte des Tarianer Friedhofes bzw. der möglichen Stellen von Friedhöfen nicht eindeutig geklärt, so konnte ich in erster Linie nur die Aufzählung und Bewertung dieser Hinweise vornehmen.

Laut Josef Mikonya eröffnete ein Tarianer Bauer namens Johann Pilczinger - mangels konkreter Angaben lässt sich nur aus dem Kontext erschließen, dass es sich hierbei um die 1950er und 60-er Jahre handelt - auf seinem am Fuße des Feketekő/Weinberges befindlichen Acker eine Kieselsteingrube, wobei man auf aneinander gereihte Grabsteine gestossen ist, die einen Friedhof dort vermuten ließen, welcher etwa auf die Awarenzeit datiert werden kann.

1952 stieß man bei den Bauarbeiten des neuen Schulgebäudes - das der Kirche gegenüber steht - erneut auf Gräber eines einstigen Friedhofes und 1975 bei der Verlegung der Rohre des Wasserversorgungssystems auf zahlreiche Menschenknochen. (Mikonya, József, 1992:10.)

Die nächsten Hinweise auf einen Friedhof deuten laut Mikonya auf die Stelle unterhalb des heutigen Kalvarienberges hin, auf dem bis Anfang des 19. Jahrhunderts - bis er wegen Mangel an Grabstellen geschlossen wurde - Bestattungen durchgeführt worden sein sollen. Von dieser Zeit an soll man den Friedhof in der Gyermelyi Straße - wo er sich auch heute befindet - zu belegen angefangen haben. Auf demselben Grundstück befand sich damals bereits der reformierte Friedhof, der immer schon dort platziert gewesen sein soll. Die letzten Ruhestätten der beiden Konfessionen sollen durch einen Graben getrennt gewesen sein, wo man angeblich ungetaufte Säuglinge sowie Freitote begraben hatte (ebd.: 31).

Anton Treszl vermutet in seinem Heimatbuch aufgrund der o.g. Hinweise, dass der erste, unmittelbar nach der Ansiedlung der Deutschen in Tarian angelegte Friedhof sich mit höchster Wahrscheinlichkeit etwa anstelle der heutigen Grundschule befand. Belegt werden kann dies seines Erachtens durch die bei Bauarbeiten dort aufgefundenen menschlichen Knochen, sowie durch die Tatsache dass in Deutschland auch in unseren Tagen vielerorts noch Friedhöfe an den Kirchen vorzufinden sind. Daher lässt sich auch das Wort „Kirchhof ableiten, das die mittelalterliche Form des Friedhofes bezeichnet, welcher unmittelbar an der Kirche gelegen war.

Als nächste, zur Bestattung der Tarianer Katholiken dienende Stelle nennt er den vermeintlichen Friedhof am Kalvarienberg. Dies belegt er durch eine 1997 aufgefundene, den Federn des damaligen Ortspfarrers Ferdinand Drágffy entstammende, am 31. Mai 1858 anlässlich der Grundsteinlegung einer Kapelle niedergelegte Beschreibung der 1850er Jahre. In diesem Schreiben werden die damaligen Zustände bekannt gegeben, so heißt es unter anderem „[...] im darauf folgenden 1858 Jahre [...] — wo für die Katholischen [!] am Wege des Kalvarien Berges ein neuer Friedhof mit 3/4 Joch und eine Baumschule gleich neben ausgemessen wurde".

Wie aber auch Anton Treszl anmerkt, soll der alte Bereich des heutigen Friedhofes wahrscheinlich bereits vor und nach der Anlegung des Friedhofes am Kalvarienberg benutzt worden sein, was aus den Inschriften der beiden von ihm angeführten Grabsteine aus dem Jahre 1789 und 1834 eindeutig hervorgeht. (Treszl, Anton, 1998:71-76.)

Summiert man die bislang zur Verfügung stehenden Angaben bzw. Vermutungen, die durch Josef Mikonya und Anton Treszl in Schrift gefasst sind, geht daraus hervor, dass in Tarian die Katholiken im 19. Jahrhundert zur gleichen Zeit auf zwei verschiedenen Friedhofsstellen Verstorbene bestattet haben sollen. Ungeklärt bleibt jedoch, wieso bezüglich der Bestattungen auf angeblich zwei verschiedenen Friedhöfen zur gleichen Zeit in den Kirchenbüchern bei den sonstigen Bemerkungen nichts verzeichnet steht.

Als weitere Problematik bleibt im Raum stehen, dass die aus dem 18. Jahrhundert stammenden bei meiner Sammelarbeit erkundeten Grabinschriften eindeutig eine zeitliche Kontinuität aufweisen, sodass die auf 1858 datierte Anlegung eines neuen oder zweiten Friedhofes am anderen Ende des Dorfes, in der Nähe des Kalvarienberges, nicht ins Konzept zu passen scheint. Aus der 1858 vorangehenden Zeit stehen insgesamt 17 Grabsteine mit leserlichen - 15 deutschsprachigen bzw. 2 ungarischen - Inschriften, teilweise noch am Originalplatz bzw. teilweise in einer Reihe aufgestellt. Aus der Zeit nach 1858 (bis zum Jahrhundertende) konnten weitere 38 Grabsteine - 36 mit deutschsprachiger, 2 mit ungarischer Inschrift - erkundet werden. Diese Namen konnten nahezu ausnahmalos in den Sterbematrikeln des römisch-katholischen Pfarramtes nachgelesen werden.

Auch die zwei ältesten, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Grabsteine (s. Abb. 8. und 9.) werfen weitere Fragen auf. Unter dem einen liegen Iose-phus, Ioannes und Adamus Wiser, die drei Söhne des „herrschaftlichen Gastgebers" Ferdinand Wiser begraben (1774). Der zweite, der nicht mehr an seiner Originalstelle steht - da er bei dem Bau der neuen Leichenhalle mit anderen Grabsteinen zusammen, in eine Reihe aufgestellt wurde - zeugt von dem Vater, Ferdinand Wiser „herrschaftlichen Gastgeper" selbst (1789). Mag das wohl nur ein Zufall sein, dass die zwei ältesten Grabsteine, die auf dem Tarianer römisch-katholischen Friedhof aufzufinden sind, derselben Familie gehören? Oder hat das wohl einen besonderen Grund? Aus beiden Inschriften lässt sich entnehmen, dass Ferdinand Wiser in seinem 45. Lebensjahr verstarb („SEINES ALTERS 45 IAHR VERSTORBEN"), von seinem 18. Lebensjahr an als herrschaftlicher Gastgeber tätig war („GEWESTER 27 IAHR HERSCHAFTLICHER GASTGEPER"). 30 Jahre alt war er, als er 1774 innerhalb von 10 Tagen („INZEHEN TAGEN") seine vermutlich im Kindesalter befindlichen drei Söhne („DIE DREI IUNGE KNABEN") verlor.

Die schwer leserlichen Inschriften wurden durch die ebenfalls schwer zu entziffernden Aufzeichnungen der Sterbematrikel kontrolliert und bestätigt.

Weitere Hinweise auf die Familie Wiser sind nicht bekannt. Da dieser Familiename in Tarian weder in früheren Aufzeichnungen noch im Späteren auftaucht, könnte man vermuten es handelt sich hierbei um Zugezogene und nicht etwa um Mitglieder der zweiten bzw. dritten Generation der deutschen Siedler. Geht man von dem Beruf aus, lässt sich eine vermögendere Familie im Hintergrund vermuten. Könnte es eventuell möglich sein, dass zu damaligen Zeiten unter den Katholiken in Tarian einzig diese Familie in der Lage war, Grabsteine errichten zu lassen, welche mehr als 200 Jahre standhalten konnten? Dies sind alles nur Vermutungen und Fragen. Da aber an dieser Stelle auf die Familie Wiser nicht näher eingegangen werden kann und soll, kann hier nur festgehalten werden, dass die Geschichte dieser Familie einer tiefgründigeren Forschung bedürfe.

Erst während der schriftlichen Niederlegung meiner Diplomarbeit wurde mir bewusst, dass ich einer bislang unbeantworteten oder nur teilweise beantworteten Frage der Lokalisierung des Tarianer Friedhofes oder gar mehrerer Friedhöfe gegenüberstehe. Weder durch die Gewährspersonen, noch im Pfarramt konnte eine Antwort hierauf gefunden werden. Es war einzig bekannt, dass die heutige Friedhofsstelle im kirchlichen Eigentum steht.

Ausgehend von dieser Information habe ich im Rathaus die Liegenschaftsnummer des heutigen Friedhofes erfragt und mich hinterher an das Grundbuchamt gewendet. Auf diesem Wege habe ich in Erfahrung bringen können, dass die heute als Friedhof umzäunte Fläche laut Grundbuchauszug unter zwei verschiedenen Liegenschaftsnummern registriert ist, folglich handelt es sich in Wirklichkeit um zwei Grundstücke. Das unter der Tarianer Liegenschaftsnummer 127 verzeichnete Grundstück steht im Eigentum der Tarianer Reformierten Kirchengemeinde. Als Eigentümer des benachbarten, unter der Tarianer Liegenschaftsnummer 128 stehenden Grundstückes, steht im Grundbuch die Tari-aner Römisch Katholische Kirchengemeinde als Eigentümer eingetragen.

Aufgrund dieser Angaben habe ich beim Grundbuchamt weitere Anträge gestellt, um auch in die Eintragungen über die früheren Eigentumsverhältnisse Einsicht zu bekommen. Auf diesem Umweg ließ sich die Frage um die frühere Stelle des Tarianer Friedhofes allem Anschein nach beantworten:

Es konnten Grundbuchblätter ausfindig gemacht werden, die 1905 aufgenommen wurden (s. Abb. 11-15.), ferner originale Liegenschaftskarten, welche 1885 aufgezeichnet wurden. Diese ältesten schriftlichen Nachweise belegen Folgendes:

Der heute als alter Friedhof bezeichnete Teil stand bereits zu dieser Zeit im Eigentum der katholischen Kirche und der heutige reformierte Friedhof gehörte schon damals zu den Gütern der Reformierten Kirche. Aus dem Grundbuchblatt Nr. 811 (s. Abb. 16. und 17.) geht hervor, dass die benachbarten Grundstücke unter den Liegenschaftsnummern 158 und 159 dem Grafen Pál Eszterházy gehörten, welche er 1908 an die Tarianer römisch-katholische Kirche verkaufte. Mit diesem Kaufgeschäft erhielt der tarianer römisch-katholischer Friedhof seine Fläche, die mit der heutigen identisch ist.

Den alten Grundbuchblättern und Liegenschaftskarten kann ferner entnommen werden, dass am Anfang des 20. Jahrhunderts der Kalvarienberg bereits im Grundbuch registriert war. Unterhalb dieses Grundstückes steht auch ein weiteres Grundstück der Tarianer römisch-katholischen Kirche eingetragen, das als „Friedhof im Innenbereich" bezeichnet ist. In der unmittelbaren Nachbarschaft ist eine „Baumschule" zu finden, welche ebenfalls von Anton Treszl aus der 1858 niedergelegten Urkunde zitiert wird. Die Grundbuchblätter belegen aber ein weiteres Kaufgeschäft: die katholische Kirche verkaufte 1908 - im gleichen Jahr, als sie direkt neben dem alten Friedhof von der Grafenfamilie Eszterházy Grunsdstücke erworben hatte - die unterhalb des Kalvarienberges befindliche als Friedhof bezeichnete Fläche an das Ehepaar János Berendi -Magdolna Izing.

156 = Römisch-Katholischer Friedhof 157 = Reformierter Friedhof 158 = Acker (Eszterházy) 159 = Hof (Eszterházy)
 
6925 = Kalvarienberg (Rom-Kath Kirche)
    714 = „Friedhof im Innenbereich" (Rom-Kath Kirche) 715 = Baumschule     716= Baumschule
 
128 = Römisch-Katholischer Friedhof (früher: 156+158+159) 127 = Reformierter Friedhof (früher: 157)

 

945 = Kalvarienberg (früher: 6925)                  949 = Haus, Hof (früher: 714)

 

Ergänzt man die obigen detaillierten, von Josef Mikonya und Anton Treszl schriftlich festgehaltenen Informationen mit den hier angeführten Daten über die früheren Eigentumsverhältnisse, gibt dies folgenden Aufschluss: die heute als alter Friedhof bezeichnete Friedhofsstelle lässt sich von 1885 an schriftlich nachweisen, auf eine längere Geschichte dieses Friedhofes lassen die beiden, oben erwähnten, aus dem 18. Jahrhundert (1774, 1789) stammenden Grabsteine schließen. Die Problematik der Anlegung zweier Friedhöfe zur gleichen Zeit bzw. des Friedhofes unterhalb des Kalvarienberges ist aufgrund der hier angeführten Grundbuchblätter und Liegenschaftskarten jedoch auszuschließen. Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass die von Anton Treszl zitierte Kappelen-Grundsteinlegungsurkunde von 1858 lediglich von der Ausmessung eines neuen Friedhofes (und einer Baumschule) berichtet, nicht aber von der Anlegung eines neuen Friedhofes. Legt man all die zur Verfügung stehende Dokumente nebeneinander, kann daraus abgeleitet werden, dass 1858 der alte Friedhof wohl langsam seine Grenzen erreichte, so Hess die Tarianer Römisch katholische Kirche in der Nähe des Kalvarienberges einen neuen Friedhof ausmessen. 1908 aber erwarb sie die direkt an dem alten Friedhof grenzenden beiden Grundstücke von Eszterházy, wodurch die Bestattung hier, gleich in der unmittelbaren Nachbarschaft fortgesetzt werden konnte. Eine weitere Friedhofsstelle an dem Kalvarienberg war hiermit überflüssig geworden, so hat man wohl das hierfür vorgesehene Grundstück weiterverkauft. Da es laut Urkunden nur 50 Jahre (1858-1908) als Friedhof bezeichnet war, dann aber an ein Ehepaar verkauft wurde, kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass diese Fläche jemals als solcher diente. Auch im Kirchenbuch steht nichts Derartiges registriert und das Gesamtbild der Grabinschriften spricht auch dagegen.

Im Folgenden möchte ich auf die Anlegung des neuen Friedhofsbereiches des heutigen Friedhofes eingehen, die sich durch Grabsteine und Inschriften, sowie Kirchenbuchauszüge und Erzählungen von Gewährspersonen eindeutig dokumentieren lässt. Die letzte Grabstelle in dem alten Friedhofsbereich muss allem Anschein nach im Januar 1909 ausgehoben worden sein, als eine Frau namens Elisabetcha Götz (geb. Müller) hier bestattet wurde. Da es sich hier um ein Doppelgrab und einen Doppelgrabstein handelt, wurde hinterher 1914 ihr Ehemann Johan Götz ebenfalls hier begraben. Ähnliches erfolgte im Falle der Familie Bercsi:

Josef Bercsi wurde 1905 begraben, seine Frau Franziska Berendi wurde 1915 im selben Grab beigesetzt. Unter ihrem Namen steht aber im Kirchenbuch vermerkt: „Im alten Friedhof beigesetzt". Laut Gewährspersonen hat dieser Satz zu bedeuten, dass zu dieser Zeit schon im neuen Friedhofsbereich die Beerdigungen stattgefunden hatten, da aber die Grabstätte und die Inschrift der Frau Berendi im unteren, alten Friedhofsbereich bereits vorbereitet stand, legte man sie hier neben ihrem Ehemann zur letzten Ruhe. Ansonsten benutzte man schon von August 1909 an - wie davon die Inschrift an dem erstbeschrifteten Grabstein unter den aufgefundenen und leserlichen Inschriften zeugt - den neuen Friedhofsbereich. Man hat die Gräber von dem hinteren Zaun vorwärts kommend reihenweise angelegt. Ungefähr bis Ende der 50'er Jahre waren die zur Verfügung stehenden Stellen belegt, so hat man oberhalb dieses Bereiches neue Gräber angelegt, allerdings diesmal von dem vorderen, an der Strassen-seite liegenden Zaun anfangend, reihenweise nach hinten verlaufend. Der so genannte Kinderfriedhof, der sich seitlich des von August 1909 an belegten Friedhofes, zusammenhängend mit diesem sich befindet, wurde laut Gewährspersonen auch etwa zur gleichen Zeit eröffnet.

In Übereinstimmung mit den Erzählungen findet man hier den erstbeschrifteten Grabstein aus dem Jahr 1913. In diese Friedhofsecke kamen die im Säuglings- bzw. Kindesalter, d.h. im Alter von ein paar Tagen, Wochen, Monaten und Jahren Verstorbenen. Hierbei muss erwähnt werden, dass es sich um die getauften Kinder handelte. Totgeborenen und nach der Geburt kurz verstorbenen, nicht getauften Säuglingen stand die kirchlich zelebrierte Beerdigung nicht zu, diese wurden meistens im Erwachsenenbereich im Familiengrab beigesetzt.

Dies war allerdings nur selten der Fall, denn man war immer bestrebt den Pfarrer so schnell wie möglich herbeizurufen, oder die Säuglinge wurden Notfalls von der Hebamme getauft: „hot die Fraotaof kriagt" - wie man hier zu sagen pflegte. War man schon im Schulkindalter und erhielt man von den kirchlichen Sakramenten die der Taufe folgende Kommunion, wurde man im Erwachsenenbereich beigesetzt.

Die Verstorbenen wurden mangels einer Aufbahrungshalle bis in die 1960er Jahre in der Vorderstube des eigenen Hauses aufgebahrt. Auf dem Friedhof stand zwar ein kleines „Totenhäusel", dies war aber von seiner Größe her mehr nur ein „Schupfen". Wie Gewährspersonen berichten, wurden hier Obdachlose, Bettler, Fremde, die in Tarian den Tod fanden, vor ihrer Beerdigung aufgebahrt.

Auch die vorangehende Leichenbeschauung dieser Personen fand hier statt. Ist jemand unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, sodass man eine Straftat nicht ausschließen konnte, musste die Leiche zur Sicherheit vor der Freigabe zur Bestattung von dem Arzt obduziert werden („si harn ihn auf-kmocht"), was ebenfalls in diesem Häuschen durchgeführt wurde. Ferner wurden hier die Werkzeuge des Totengräbers aufbewahrt. Hinweise auf Bettler, Obdachlose, Händler oder andere auf der Durchreise in Tarian verstorbene bzw. auf der Straße tot aufgefundene Personen findet man in den Sterbematrikeln tatsächlich nahezu in jedem Jahr eingetragen, allerdings mit geringer Häufigkeit.

In den 60er Jahren wurde das „Totenhäusel" von der Gemeinde erneuert und erweitert, sodass von dieser Zeit an die Aufbahrung der Leichen von dem eigenen Hause, aus den Kreisen der Familie in den Friedhof, in den institutionellen Bereich verlagert wurde. Die Aufbahrungshalle (s. Abb. 18. und 19.) wurde sowohl von den Katholiken als auch von den Reformierten bis 1997 benutzt. 1997 wurde von der Gemeinde Tarian aus Mitteln der Eigenfinanzierung bzw. der Unterstützung des inzwischen verstorbenen deutschen Ehrenbürgers aus dem Main Kinzig Kreis, Herrn Helmut Hotz, eine neue zeitgemäße Leichenhalle (s. Abb. 20.) errichtet. Der am 1.10.2000 in Kraft getretenen Verordnung der lokalen Selbstverwaltung Nr. 15/2000 über den Friedhof bzw. der Bestattungsordnung ist zu entnehmen, dass die Leichenhalle unabhängig vom Friedhof Eigentum der Gemeinde Tarian ist.

Um die Instandhaltung des Friedhofes zu sichern, musste man früher von Seiten der Gemeinde keine Regelungen bringen. Der Totengräber und seine Familie sorgten für die stete Ordnung auf dem Friedhof. Sie haben das Gras gemäht und für die Versorgung der eigenen Tiere eingesammelt, ferner die Früchte der Obstbäume geerntet. Das Gras der grösseren Grünflächen wurde von dem Leichenverein gemäht, verkauft und der dafür erhaltene Betrag in die Vereinskasse einbezahlt.

In unseren Tagen hat - gemäß der oben genannten Verordnung - die Gemeinde Tarian für den Betrieb des Friedhofes - sprich für die Pflege und Unterhaltung der Grünflächen - Sorge zu tragen. Die Verwaltung obliegt dem Eigentümer, also der beiden Kirchengemeinden, die im Rahmen ihrer Kompetenzen selber Verordnungen verabschieden.

3. Todes- und Bestattungsbrauchtum

Die aus der Urheimat mitgebrachten Sitten und Bräuche um die wichtigsten Ereignisse von der Geburt an bis hin zum Tod, nahmen im Leben der traditionstreuen Tarianer Deutschen schon immer eine besondere Stelle eingenommen.

Zu der Darstellung dieser Thematik habe ich - da detaillierte Aufzeichnungen hierzu von früheren Zeiten bekanntlich nicht existieren - im Kreise der Ortsansässigen der älteren Generation Personenbefragungen durchgeführt. Mit vier Personen habe ich einzeln bzw. in Gruppen zu verschiedenen Zeitpunkten aufgrund von im Voraus zusammengestellten Fragen bzw. ungebunden Gespräche geführt.

Ihre Erinnerungen gehen erstaunlicherweise auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse, des Mangels an Schriftlichkeit, des Nichtvorhandenseins von Medien im heutigen Sinne, sowie des starken Zusammenhalts, der großfamiliären Lebensformes hatten sie Vieles auch von früheren Begebenheiten durch mündliche Überlieferungen schon von dem Kindesalter an vermittelt bekommen, bzw. Einiges auch selber miterlebt. Bei den einzelnen Überlieferungen konnte ich eine nahezu 100% Übereinstimmung feststellen. Abweichungen waren nur insofern zu entdecken, indem verständlicherweise auch familienspezifische Bräuche hier und da auftauchen.

3.1. Abergläubische Vorstellungen um den Tod

Als erstes möchte ich auf die mit dem Tod zusammenhängenden abergläubischen Vorstellungen zu sprechen kommen. Obwohl diese mit dem christlichen Glauben eigentlich in Widerspruch stehen, sind sie seit altersher im Volksglauben existent. Die Eule wurde als Totenvogel angesehen (Taudnwichtl), die als Vorbote eines baldigen Todesfalles am Haus derjenigen Familie erschien, die in den darauf folgenden Tagen einen Angehörigen verlieren würde. Sogar die Stimme dieses Vogels wurde gedeutet, man meinte sie würden „Komm mit, komm mit" („kumm mit, kumm mit") rufen. Heulte der eigene Hund oder der Nachbarshund die ganze Nacht hindurch, konnte man ebenfalls damit rechnen, dass in der unmittelbaren Umgebung am nächsten Tage jemand die Lebenden verlassen würde.

Unter den todankündigenden abergläubischen Vorstellungen kommt auch den verschiedenen, im Traum erscheinenden Gegenständen und Ereignissen eine wichtige Rolle zu. Träumte man von blauen Pflaumen oder blauen Trauben (plowi Pflame; plowi Traowe), war dies ein Vorzeichen des Todes. Wurde jemandem im Traum ein Zahn gezogen und verspürte er dabei starke Schmerzen, hieß es: derjenige würde einen nahen Angehörigen verlieren, dessen Verlust ihm ähnlich starke Schmerzen zufügen wird, wie die Entfernung des Zahnes. Wurde der Zahn jedoch schmerzlos gezogen, bedeutete es den Verlust eines fernen Verwandten oder gar eines Bekannten, was ihn nicht so sehr betreffen würde.

Sah man im Traum eine Wand einstürzen, prophezeite dies auch einen Todesfall in der Familie. Strich jemand die Wand weiß an (akstriche), hatte auch dies vielerorts bei den Ungarndeutschen den Tod bedeutet, in Tarian hingegen deutete man diesen Traum als Vorankündigung einer herannahenden großen Streitigkeit.

Über das Zerbrechen eines Spiegels wird in anderen Ortschaften berichtet es stehe mit einem herannahenden Sterbefall im Zusammenhang, die Taria-ner deuteten dies jedoch laut Erzählungen der Gewährspersonen als sieben bevorstehende Unglücksjahre. Zerbrach ein junges unverheiratetes Mädchen den Spiegel, hieß es: es würde sieben Jahre lang von einem Fluch besessen und in diesem Zeitraum nicht heiraten.

Lag jemand schon im Sterben und redete über eine Begegnung mit verstorbenen Familienmitgliedern bzw. über die eigenen Kleider, hatte dies zu bedeuten, der Schwerkranke würde in Kürze die Lebenden verlassen. Eine Gewährsperson berichtete von ihrer Schwägerin - die schon paar Tage im Sterben lag - Folgendes gesagt bekommen zu haben: „Kip me toch tes scheini kierl, i wü net tas te Muada mit m' schimpfe tuat wenn si me siagt' " - hiernach wusste sie, ihre Schwägerin bereitete sich auf ihre Sterbestunde vor und sah schon mit Freude einer Begegnung mit ihrer verstorbenen Mutter entgegen. Tatsächlich war die Schwägerin zwei Stunden später gestorben.

In vielen Familien deutete man die Geburt eines Kleinkindes als verhängnissvolles Omen dafür, dass das älteste Familienmitglied bald absterben müsste.

Auch von solch einem Fall wird von einer der Gewährspersonen berichtet: Der Uropa wurde 90 Jahre alt und hatte schon zehn Urenkel, alle im Schulkindalter. An dem Tag, als der Elfte - ein Junge - auf die Welt kam, fiel Uropa auf der Straße hin und danach ging es ihm nicht mehr gut. Er suchte das kleine Kind noch auf, das ihn im Schlaf anlächelte, danach wurde er bettlägerig und verstarb nach einigen Wochen. Die Familie deutete dies als Zeichen Gottes, der den alten Mann, der auf Erden ausgedient hatte zu sich rief und der Familie gleichzeitig ein neues Leben schenkte.

3.2 Die letzten Stunden

War der Verlust eines nahen Angehörigen auch schmerzhaft, nahm man als tiefreligiöser Christ die Unzertrennlichkeit vom Dasein und Dahinschreiten in der Hoffnung der Fortsetzung des diesseitigen Lebens im Jenseits und somit eines Wiedersehens, mit großem Gottesvertrauen hin.

In der damaligen Zeit verstorben die Leute, sei es an irgendwelchen Krankheiten oder infolge von Altersschwäche, in den eigenen vier Wänden. Das Sterben kam meist nicht rasch, es war üblicherweise ein Prozess, der mehrere Tage dauerte. So konnte man sich darauf bewusst vorbereiten.

Viele hatten bereits im Voraus bestimmt, wo sie bestattet werden möchten, von ihren Kleidern das Totengewand ausgesucht, die Liste derer zusammengestellt, die bei der Beerdigung die Bänder tragen sollten und dies alles den nahen Familienangehörigen mitgeteilt. Den Nachlass regelte man genauso noch zu Lebzeiten. Sobald die Familienangehörigen zur Kenntnis genommen hatten, dass die Todesstunde nahte, holte man den Pfarrer ins Haus, damit dieser dem Sterbenden ein letztes Mal die Beichte nahm bzw. ihm die letzte Ölung gibt. Gesagt werden muss an dieser Stelle noch: Es war strikt verboten den Geistigen einer anderen Konfession einem Katholiken an das Sterbebett zu bestellen. Die Erteilung der Sterbesakramente erfolgte nach dem vorgeschriebenen katholischen Ritual, zu welchem Zwecke in jedem Hause die entsprechenden Requisiten parat gestellt und jederzeit verfügbar waren.

Den Tisch bezogen man mit einem frischen, weißen, damastenen Tischtuch, das man ansonsten nur zu feierlichen Anlässen wie Ostern oder Weihnachten aus dem Schrank holte. Es wurden zwei Kerzenständer mit zu Maria Lichtmess am 2. Februar jeden Jahres in der Kirche gesegneten Kerzen aufgestellt. In die Mitte kam das Kruzifix oder mancherorts stattdessen ein Rosenkranz. Somit wurde praktisch ein kleiner Hausaltar aufgestellt, damit der Sterbende in angemessener Umgebung, ehrenvoll mit den Sterbesakramenten versehen werden konnte. Gesalbt wurden Stirn und Hände des Kranken, im Notfall reichte die Salbung an der Stirn oder irgendeiner Stelle am Körper. Laut Erzählungen der ältesten Gewährsperson stellte man früher dem Pfarrer auch noch ein Tellerchen mit Salz sowie ein kleines Stück Watte bereit, damit er seine Finger säubern konnte, nachdem er dem Sterbenden die Letzte Ölung gegeben hatte.

In manchen Familien war es üblich, dass sich die Angehörigen einzeln zum Sterbenden ins Zimmer begeben mussten, um von ihm Abschied zu nehmen bzw. um Verzeihung der ihm gegenüber begangenen Sünden zu bitten. Die Erfüllung dieser streng angesehenen Verpflichtung wurde auch von den Kindern der Familie verlangt, die in diesen Fällen das Zimmer ganz beängstigt betraten. Diese Momente behielten sie ein Leben lang in Erinnerung. Andere Familien wiederum hielten diesen Verzeihungs- und Verabschiedungsakt für überflüssig und als zusätzliche Belastung dem Sterbenden gegenüber sogar für völlig unangebracht. Aber in jedem Hause umstand man das Bett des Verstorbenen und betete für seine Seele. War er noch bei Bewusstsein, betete er mit und schied betend aus dem Leben.

3.3 Tätigkeiten um den Toten

Trat der Tod ein, zog man im Zimmer, wo der Tote lag die Vorhänge zu und bedeckte auch den Spiegel mit einem weißen Tuch. Auf die Frage, aus welchem Grunde man so gehandelt hatte, wurde von den Befragten der alte Aberglaube genannt, der mit der Angst verbunden war, dass die Seele des Verschiedenen wiederkehren und im Hause herumgeistern würde. Jedoch diente dieses Ritual in erster Linie praktischen Zwecken, nämlich der Abschirmung von der Außenwelt - der großen Hitze in den Sommermonaten, sowie von dem Tageslicht überhaupt -. Außerdem wollte man verhindern, dass die in das Zimmer eintretenden Trauernden durch den Anblick des Toten und gleichzeitig auch dessen Spiegelbild abgeschreckt werden. Bis der Verschiedene sich im Hause befand, wurden auch die Uhren angehalten, was zum Ausdruck bringen sollte, dass solange auch die Zeit stehen bleibt.

Wenn ein Dorfarzt im Ort tätig war, musste man ihm den Sterbefall umgehend melden, damit er nach der Beschauung die Leiche zur Bestattung freigeben konnte. In den Zeiten davor musste man den Leichnam mindestens 40 Stunden im Hause behalten, um zu verhindern, dass aus Versehen Scheintote beerdigt werden. Gleichzeitig teilten Familienangehörige auch dem örtlichen Pfarrer die Nachricht mit, damit dieser die Beerdigungsvorbereitungen treffen konnte. Zu diesen Aufgaben gehörte unter anderem die Benachrichtigung des Glöckners.

Starb ein Mann, wurden nach dem Mittagsgeläut in drei Abständen die Sterbeglocken geläutet, im Falle einer Frau hingegen ertönten zweimal die Glocken. Auf diese Weise konnte man also aus dem Glockenläuten auf das Geschlecht des Verstorbenen schließen. Im Gegensatz zu anderen Ortschaften oder Gegenden konnte man in Tarian bezüglich des Alters des Verstorbenen keine Informationen entnehmen.

3.4 Beerdigungsvorbereitungen

Der nächste wichtige Schritt war die Vorbereitung des Toten für die Beerdigung. Als erstes schließ man die Augen des Toten und band das Kinn mit einem weißen Tuch hoch. War der Leichnam nach ein paar Stunden erstarrt gewesen, entferte man das Tuch wieder. Nun wusch man den leblosen Körper. In den meisten Häusern geschah dies aus hygenischen Gründen mit Essigwasser, aber es gab auch welche, die einfach kaltes Wasser oder auch Weihwasser genommen hatten. Diese Aufgabe wurde von Familienangehörigen verrichtet, es sei denn, man war von dem Abgeschiedenen derart verfremdet gewesen, dass man eine fremde Person ins Haus holte, die dies gegen Belohnung machte. Aber laut Erzählungen, kennt man kaum solche Fälle.

Die Schüssel, in der sich das Wasser befand, zerbrach man hinterher, damit diese - auch nicht aus Versehen - jemals wieder benutzt werden konnte. Genauso schaffe man auch die Tücher weg, die man vorher zum Waschen des Leichnams bzw. zum Hochbinden des Kinns gebraucht hatte.

Anschließend hat man den Verstorbenen angemessen angekleidet. Im Allgemeinen hat man ihm oder ihr die Sonntagskleider angelegt. Handelte es sich um eine junge, das heißt unverheiratete Frau, bekam sie ein Brautkleid angezogen und einen weißen Kranz aufgesetzt. Jungen, unverheirateten Männern hat man einen Bräutigamsanzug an und Blumen steckte an die Jacke. Starb ein Kind, wurde ihm ein weisses Gewand angezogen. Um die gefaltenen Hände legte man dem Verschiedenen unabhängig von Alter und Geschlecht immer einen Rosenkranz. Eine Bibel oder ein Gebetsbuch (Messpiachl) (s. Abb. 21-23.) in den Sarg zu legen, war in Tarian keine gängige Erscheinung, es gab jedoch Familien, welche diese Requisiten dem Verstorbenen mit auf den Weg.

3.4.1 Die Aufbahrung

Bevor im Friedhof eine Leichenhalle errichtet wurde, fand die Aufbahrung im Hause des Verstorbenen, in der vorderen Stube statt. In jeden, Haus waren zwei breite Bretter {Lottri) zu diesem Zwecke bereitgestellt, die man in der Länge auf zwei oder vier Stühle legte und mit einem weißen Leintuch abdeckte.

Auf diesem Gestell lag der Tote mit einem Kissen unter dem Kopf, der Körper mit einem Leichentuch bedeckt. In den warmen Sommermonaten zog man zum Schutz vor der Hitze nicht nur die Vorhänge zu, auch wurde in Eimern Eis unter die Bahre gestellt, um den Leichnam von unten, aus direkter Nähe fortlaufend zu kühlen, damit dieser nicht vorzeitig zu verwesen begann. Das Eis holte man in Form von kleineren Eisblöcken von den Fleischern, die als einzige in der Vorkühlschrankzeit Eiskeller in ihren Häusern hatten.

Auf der Bahre lag der Verstorbene, bis ein Sarg (Truha) von der Familie besorgt wurde. Im Dorf war in der Vorkriegszeit der Handwerker namens „Prech Tischler" tätig, der mit seinen Angestellten vor allem in den Wintermonaten, wenn sie weniger Arbeit hatten, Särge vorgefertigt hatte, so dass er jeder Zeit welche in seiner Werkstatt stehen hatte. Grundsätzlich wurden die Särge aus weichem Nadelholz getischlert. Starb eine junge Frau, ein junger Mann oder ein Kind, bekam der Sarg einen weißen Anstrich, im Falle von älteren Leuten hingegen einen dunklen, meist dunkelbraunen. Auf die eine Seite der oberen Hälfte wurden der Name und das Geburts- sowie das Sterbejahr des Verstorbenen aus goldfarbenen Buchstaben und Ziffern angebracht, bestehend aus dickem Papier. Aus dem gleichen Material wurden ringsum am Rande der oberen Hälfte Ziermuster angeklebt. Der Sarg wurde innerlich mit einem, an den Seiten zugenähten und mit Holzspänen ausgefütterten weißen Betttuch gepolstert. Zusätzlich wurde er mit einem Kissen (Peüztl) und einem Leichentuch (Iwetao) aus dünner, weisser Seide ausgestattet. In der Nachkriegszeit, nachdem infolge der Verstaatlichung dem Tischler seine Werkstatt mitsamt Instrumentar abhanden gekommen war, musste man den Sarg aus der Stadt, nämlich aus Tatabánya bzw. Tata vom staatlichen Beerdigungsunternehmen mit dem Pferdewagen holen. Laut Gewährspersonen war die Person, die sich um den Sarg zu kümmern hatte, die zum Pfarrer gehen musste bzw. die den Totengräber mit der Aushebung der Grabstelle beauftragte, in Tarian nicht festgelegt. Sowohl männliche als auch weibliche Angehörige erledigten diese Aufgaben, je nach emotionaler Fassung und auch Kommunikationskompetenz.

Zum aufgebahrten Verstorbenen trafen die Verwandten, Nachbarn und Dorfleute - auch Kinder und Jugendliche - rund um die Uhr eingetroffen um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Man besprengte ihn, in dem von zwei Kerzen beleuchteten Zimmer mit dem bereitgestellten Rosmarinzweig, den man in Weihwasser eintauchte und man sagte ein Gebet.

3.4.2 Die Totenwacht

Auch in der Nacht ließ man den Abgeschiedenen nicht alleine. Am Abend, etwa gegen 8-9 Uhr begaben sich die engsten Verwandten und Nachbarn, die zur Beerdigung zum Bände- bzw. Fahnentragen geladen waren, mit etwa 10-15 Leuten zum Toten ins Zimmer und beteten für dessen ewige Ruhe. Dieses Ritual wurde dann jede volle Stunde wiederholt.

Man betete traditionsmäßig dreimal das „Vaterunser" und anschliessend einmal das „Ich glaube an Gott, dem allmächtigen Vater" oder das „Mariagebet" (s. Abb. 24.). In den Zwischengebetszeiten unterhielt man sich im Zimmer nebenan, mancherorts spielten die Männer auch Karten. Waren die Männer vom Wein etwas angeheitert gewesen, kam es schlimmstenfalls auch vor, dass ein Lied ertönte, dies wurde aber als höchst abscheulich angesehen. Hat die Uhr 12 geschlagen, war es strengstens untersagt, das Zimmer des Toten zu betreten. Dieses Verbot war mit der abergläubischen Vorstellung verbunden, dass man um Mitternacht ganz ruhig sein sollte, denn um diese Uhrzeit würden nur der Teufel bzw. die Hexen verkehren. In dieser Zeit nahm man das Nachtmahl zu sich. Die Familie des Verstorbenen bereitete ein festliches Mahl zu und holte einen Wein aus dem Keller um die betende Gesellschaft zu bewirten. Nachdem die teuflische Stunde vorüber war, setzte man das Beten auf der gleichen Weise, meistens bis zwei Uhr in der Nacht fort. Lag der Tote ausnahmsweise mehrere Tage im Hause, hielt man in jeder Nacht Totenwacht (gwochtet).

3.5 Der Leichenverein

Vereinigungen dieser Art kennt man außer bei den Ungarndeutschen auch in Böhmen, Mähren, im Banat und in der Batschka. Auch in ungarnbewohneten Siedlungen sind solche von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt. So ist hier nicht etwa von einem nationalitätenspezifischen Phänomen die Rede. In Tarian wurde laut Überlieferungen der Heimatbücher 1899 der St. Josef Leichenverein gegründet. In den Kirchenbüchern konnte ich die erste Erwähnung des Vereins in einer Eintragung vom 1. Juni 1901 finden. Hier steht nämlich unter dem Namen der an diesem Tage verstorbenen Theresia Bachmann, verehelichten Schalkhammer, in der Rubrik der „sonstigen Bemerkungen" die Vereinsmitgliedschaft in dem St. Josef Leichenverein verzeichnet.

Diese Vereinigung war ein Verein für gegenseitige Hilfe im Todesfall. Man musste sich bei dem Schriftführer (Schriftfiere) einschreiben und einen Mitgliedsbeitrag zahlen (mitkliedsköt zoin miess'n). Zu Anfangszeiten sammelte man, wenn sich ein Sterbefall im Dorf ereignete, von den Dorfbewohnern einen festen Betrag an ein paar „Pengő" ein. Im Laufe der Zeit bildete sich eine feste Mitgliedschaft heraus, sammelte sich ein bestimmtes Vereinsgut an, und es wurde regelmäßig die Vereinskasse geführt.

Im Verein war ein Schatzmeister tätig, der jeden oder jeden zweiten Monat im Ort umherging und von den eingetragenen Vereinsleuten den festgelegten Mitgliedsbeitrag abholte. Der Beitrag wurde pro Person bestimmt, jede Familie hatte ihn nach der Anzahl der Familienangehörigen zu leisten. Laut Erzählungen hatten sich nach ein paar Jahren nahezu alle Dorfbewohner dem Verein angeschlossen. Von der Vereinskasse wurde die Instandhaltung eines Totenwagens finanziert, für die Bänder und die Vereinsfahne Sorge getragen.

Man hatte als Mitglied den Vorteil, vom Verein als eine Art Beerdigungshilfe das Leichentuch, das Kissen, das man unter den Kopf des Verstorbenen in den Sarg legte, und zusätzlich 5 Pengő finanzielle Unterstützung oder in manchen Zeiten Bretter zum Sarg erhalten zu haben. Ferner bekam man den Totenwagen und alle zur Beerdigung nötigen Requisiten zur Verfügung gestellt.

Über das Wahrzeichen des Vereins, über die Vereinsfahne, die ganz vorne am Trauerzug aufmarschierte, soll an dieser Stelle berichtet werden. Die älteren Gewährspersonen berichten von einem besonderen, feierlichen Akt aus dem Jahre 1926. In diesem Jahr fand nämlich die Weihe der Leichenvereinsfahne statt. Der Verein soll auch in der Zeit davor eine Fahne besessen haben, die jedoch schon abgenutzt und an vielen Stellen zerrissen war. Eine der vermögendsten Familien von damals, die Familie von Anna Salzinger, geb. Obele spendete dem Verein eine neue Fahne, so wurde ihr die Ehre zuteil, zur Fahnenmutter ernannt zu werden. Nach der kirchlichen Einweihung der Fahne soll ein lauter Zug mit den Dorfvorstehern, der Vereinsleitung und der Fahnenmutter an der Spitze, gefolgt von den Vereinsleuten und feierlich eingekleideten Kranzlmadl sowie den Musikanten der „Pleichmusi" an den Häusern vorbeigezogen sein. Der einem Hochzeitszug gleichende fröhliche Schar von Feiernden wurde am Hause der Fahnenmutter erwartet, wo sie an diesem Tag ein großes Fest ausrichtete. Es wurde zur Feier des Tages ein festliches Mahl zubereitet und mit der „Pleichmusi" bis in die Morgendämmerung gefeiert.

Es war ein Fest, das noch lange Zeit für Dorfgespräch sorgte. - So berichtet die damals 6 jährige Probandin Maria Kahn (geb. Stréhli), die von ihrer Mutter auf die Strasse geschickt wurde um dem großen Ereignis zuzuschauen („77 Muada hot mV aof ti Strossn kschickt, i seu zuschaoa").

Aufgrund des Berichteten habe ich die Enkeln der damaligen Fahnenmutter ausfindig machen können. Vom Ereignis selbst konnten sie mir keine weiteren Einzelheiten berichten, sie haben mir aber eine Urkunde, das sog. Ehrendiplom (s. Abb. 28.) zur Verfügung gestellt, das ihrer Großmutter damals anlässlich der Erinnerung zur Fahnenmutter verliehen wurde. Dieser Urkunde konnte das genaue Datum der Fahnenweihe entnommen werden: am 29. Juni 1926 fand sie statt, darüber hinaus wurden noch zur Person der Fahnenmutter nähere Angaben gemacht: sie wurde 1884 geboren - folglich war sie zur Zeit der Feier 42 Jahre alt - und war mit Georg Salzinger verheiratet. Im Namen der ganzen Vereinsmitgliedschaft wird für die Spende herzlichst gedankt. Am Ende des Schreibens sollten die Unterschriften des Schriftführers, des Vereinsvorsitzenden und des Schatzmeisters („Schriftfűhrer", „Präses", „Kassier") sowie der Vereinsstempel stehen, diese sind aber bis auf die vorgedruckte Stelle nicht vorhanden.

Ferner konnte auf dem Dachboden einer Frau, deren Großvater im Vorstand des damaligen Vereins tätig war, ein weiteres Schreiben aufgefunden werden (s. Abb. 29.) Hierbei handelt es sich um einen Brief vom 30. VIII. 1922, der an eine werdende Fahnenmutter gerichtet ist. Mit „Bitte und Anempfehlung" ist das Schreiben betitelt und bittet höflichst, in einem erhabenen Ton im Namen der ganzen Vereinsmitgliedschaft eine Frau die ehrenvolle Position der Fahnenmutter einzunehmen. Im Gegensatz zur vorherigen gedruckten Urkunde ist dieses Schreiben handgeschrieben und nicht an eine bestimmte Person gerichtet, die Stelle des Namens wird nämlich immer wieder frei gelassen. So könnte man darauf schließen, dass es sich hierbei höchstwahrscheinlich um eine Vorlage handelt, um ein Musterschreiben. Es könnte auch angenommen werden, dass es ein nicht verschicktes Exemplar von mehreren der gleichen Ausführungen ist. Aus dem Grunde jedoch, dass die Person der Fahnenmutter durch die gespendete Fahne gegeben war, ist die Bestätigungsrelevanz der Annahme, dass gleichzeitig mehrere Frauen angeschrieben wurden, relativ niedrig.

Im Dunkeln bleibt auch die Antwort auf die Frage nach den vier Jahren, die zwischen der Ausstellung dieses nicht genau bestimmbaren Schreibens und der Fahnenweihe vergingen. Mit Sicherheit lässt sich jedenfalls sowohl aufgrund der Urkunde als auch dieses Schreibens feststellen, dass die Fahnenmutterstelle eine ganz besondere und höchst ehrenvolle war, durch welche ihre Trägerin in der Geschichte des Vereins sowie der Kirchengemeinde und des Dorfes für „immerwehrende Zeiten" einen Ruhm und Gottes Segen erwarb.

3.6 Der Rosenkranzverein

Den Rosenkranzverein, die Gemeinschaft betender Frauen, gibt es in Tarian schon seit altersher. Im Verein waren mehrere „lebendige Rosen" mit je 15 Frauen tätig, denen jeweils eine sog. „Rosenmutter" (Rausnmuada) vorstand. Zu Monatsanfang verteilte sie an jedes Mitglied ein Kärtchen, auf dem jeweils ein Gesätz stand, das von dem jeweiligen Mitglied einen ganzen Monat lang, täglich gebetet werden musste. Zu Monatsende wurden die Kärtchen eingesammelt und wieder neu verteilt (Zeichl wechsln). Ferner zahlten die betenden Frauen auch immer einen Monatsbeitrag in die Vereinskasse, es war allerdings kein fester Betrag, die Höhe der Summe war jedem frei überlassen. Von diesen Einnahmen ließ man jedem verstorbenen Mitglied nach der von der Familie bestellten Trauermesse eine heilige Messe - genannt auch Rosenkranzmesse - lesen. Die Rosenkranzmutter besorgte neue Kärtchen, wenn die alten beschädigt wurden oder abhanden kamen, es wurde die Rosenkranzfahne im Friedhof instand gehalten, und sammelte man mal für die Renovierung, Restaurierung oder gar Fertigstellung irgendwelcher kirchlicher Objekte, wurde dies vom Rosenkranzverein auch wenn nur ganz bescheiden, aber in jedem Falle mitfinanziert.

Fand im Dorf eine Beerdigung statt, bat man eine Rosenmutter, am Hause des Verstorbenen - später in der Leichenhalle - vor Zeremoniebeginn als Vorbeterin der ganzen Trauergemeinde zu erscheinen. Die Vereinsmitgliedschaft vererbte sich in der Familie von Mutter zu Tochter weiter. Früher war es in den Großfamilien eine Selbstverständlichkeit, diese ehrenvolle Aufgabe auch von der Großmutter, von den Tanten oder anderen weiblichen Familienangehörigen zu übernehmen.

Erfreulicherweise lebt diese Tradition bis in unsere Tage fort, allerdings wird die Mitgliedschaft nicht mehr in jedem Falle im Kreise der Familie fortgesetzt. So hat eine Rosenmutter öfters die Aufgabe, anstelle eines schwer erkrankten oder gar verstorbenen Mitgliedes eine neue bereitwillige Person zu finden, damit die „lebendige Rose" von 15 Personen erhalten bleibt. Eine meiner Gewährspersonen nimmt die ehrenvolle Position einer Rosenmutter ein, die insgesamt 3 „Rosen" - sprich 45 Rosenkranzbeterinnen betreut. Außer ihr sind noch 2 weitere Frauen als Rosenmütter tätig, so zählt der Rosenkranzverein in Tarian heutzutage um die 100 Mitglieder.

An Beerdigungen haben die Rosenkranzfrauen in der Leichenhalle ihre festen Sitz- bzw. Stehplätze, nämlich zur rechten Seite des aufgebahrten Verstorbenen, genau den Familienangehörigen gegenüber. Die vorbetende Rosenmutter wird von der Familie beauftragt, mit den Rosenkranzfrauen eine halbe Stunde vor Beerdigungsbeginn zu erscheinen und bis zum Eintreten des Pfarrers und der Ministranten für die Seele des Verstorbenen den Rosenkranz zu beten. Genauso wie früher, werden auch heute noch die Finanzen von den Rosenmüttern verwaltet und zu gleichen Zwecken eingesetzt.

3.7 Die Beerdigung

Da der Leichnam - wie bereits erwähnt - anfänglich zu Hause aufgebahrt wurde setzte man - vor allem in den warmen Sommermonaten - alles daran, dass die Beerdigung möglicherweise am kommenden Tag stattfand. Geht man von den Kirchenbüchern aus, lässt sich feststellen, dass zwischen dem Tag des Sterbedatums und dem der Beerdigung in der Regel tatsächlich nur ein Tag vergangen war, und sie meist in den Morgen- bzw. Vormittagsstunden stattfand. Nur ausnahmsweise gab es einige Fälle, wo sich diese Zeit über mehrere Tage hinweg zog.

Zur Beerdigungsstunde trafen nach und nach die Verwandten, die Rosenkranzfrauen und die Dorfbewohner im Hofe des Verstorbenen ein. Vier Männer - von den Paten (Keidleit) und Nachbarsleuten (Nochporsleii) -, welche Träger (Treige) genannt wurden, hatten die Aufgabe, den Sarg, bevor er auf den Hof unter die Trauernden hingestellt wurde, zuzunageln.

Die Befragten berichten, im Kindesalter von der Angst besessen gewesen zu sein, der Tote würde durch die lauten Geräusche wieder zum Leben erwachen, aber von dem zugenagelten Sarg sich nicht mehr befreien können. Die vier Männer hatten nun den geschlossenen Sarg auf der Bahre auf den Hof zu tragen und auf die dort vorbereiteten Stühlen in der Länge hinzustellen (s. Abb. 30-31.).

Man trug den Toten auch in Tarian mit den Füßen hofwärts gelegt hinaus, aber dem wurde hier - im Gegensatz zu anderen Siedlungen, wo man die Rückkehr des Toten befürchtete - keine besondere, abergläubische Bedeutung beigemessen. Man soll außchliesslich aus praktischen Gründen so gehandelt haben: der Tote lag bereits mit den Füßen türwärts im Zimmer aufgebahrt, so lag es an der Hand, ihn auf diese Weise hinauszutragen, da man sich andernfalls im Zimmer mit dem Sarg hätte drehen müssen.

An weitere Stühle, die neben dem aufgebahrten Sarg standen, hängte man die Kränze. Zu früheren Zeiten waren der heutzutage weit verbreitete Blumen-und Kranzkult noch nicht bekannt. Der Verstorbene erhielt nur von den engsten Blutsverwandten einen Kranz, den man meist zu Hause eingehändig aus Ästen und Gartenblumen geflochten hatte. Kränzemacherinnen, die beruflich oder nebenberuflich diese Tätigkeit betrieben, kennt man nur erst aus der Nachkriegszeit, ab Ende der 1940er Jahre.

Anfangs bewahrte man all die zur Beerdigung gebräuchlichen Requisiten wie Fahne, Bänder, Kreuze, Windlichter in der Kirche auf. So trafen die von der Verwandtschaft, Nachbarschaft und vom Verein zum Tragen dieser Gegenstände geladenen Männer erst hier ein, um diese zu sich zu nehmen. Gemeinsam mit dem Pfarrer (Pfoarra), den Ministranten (Mistrierpuama), dem Kantor (Schuimaster), dem Glöckner (Leitna) bildeten sie einen kleineren Zug, und marschierten richtung Trauerhaus los. In dieser Minute ertönten die Glocken. Man läutete in zwei oder drei Absätzen (zwa owa trai Kseitzl klien) je nach dem ob eine Frau oder ein Mann verstorben war. Hiermit wurde der baldige Beginn der Beerdigung signalisiert. Man bezeichnete dies als „Zeichengeben". War man noch zu Hause - weil man sich etwa beim Arbeiten vergessen hatte - als es hieß „si tuan sch' Zacha' kern", musste sofort alles stehen und liegen gelassen werden, damit man noch rechtzeitig möglichst vor dem Pfarrer im Trauerhaus eintraf.

Als der Pfarrer mit seiner Begleitung dort ankam, fand er die Trauergemeinschaft schon betend vor. Der Pfarrer trat in den Hof ein und stellte sich dem Toten gegenüber, d.h. zur Fußseite dessen hin. Hinter ihm blieben die Fahnenträger und der Träger des großen Kreuzes stehen. Die Träger der Windlichter hatten auch ihren festen Platz: drei von ihnen, die von der rechten Seite anmarschiert kamen, machten einen kleinen Bogen um den Sarg und stellten sich an der linken Seite dessen auf und diejenigen, die von der linken Seite ankamen, haben sich zum Rechten des Toten aufgestellt. Die Träger der schwarzen Bänder blieben weiter hinten stehen. An der Kopfseite des Verstorbenen stand ein kleiner Tisch (klana Tisch) - der dem Verein gehörte - mit zwei brennenden Kerzen. In die Mitte des geschlossenen, hölzernen Sarges wurden keine Blumen gestellt oder gelegt wie heute, dort hatte der „Herrgott" seinen festen Platz. Der „Herrgott" war eine kleine gussiserne Statue, die immer das Firmkind bzw. einer der Patenjungen aus der Kirche mitzunehmen und zum Schluss zurückzubringen hatte. Die glatte, untere Seite der Statue war mit einer Schraube versehen, mit Hilfe derer man sie an dem hölzernen Sarg befestigte.

Laut Erinnerungen der Gewährspersonen wurde die Zeremonie vom Pfarrer bis zum Zweiten Weltkrieg grundsätzlich in lateinischer Sprache geführt. Auch vom Kantor wurde lateinisch gesungen. Einzig das „ Vaterunser" betete man in deutscher Sprache. Zum Schluss wurde zur Verabschiedung vom vertrauten Heim und von den Hinterbliebenen vom Kantor ein Lied ebenfalls in deutscher Sprache angestimmt. Hierzu mussten die Angehörigen dem Kantor eine Liste vorlegen, in der all die Personen aufgezählt waren, von denen der Verstorbene verabschiedet werden sollte. Der Kantor hatte ein Lied, das er immer aufgrund der erhaltenen Angaben auf die Person umdichtete, und diese beginnend mit den ganz nahen Familienangehörigen über die Verwandtschaft, bis hin zur Dorfgemeinschaft von allen verabschiedete. Der Tote wurde somit aus Haus und Hof hinausgesungen (ausgsunga), wie man in Tarian zu sagen pflegte.

Nun begaben sich die Trauernden mit dem Verstorbenen in feierlicher Prozession unter lautem Glockengeläut auf den Weg in Richtung Friedhof. Beim Trauerzug (s. Abb. 32-35.) war - ähnlich wie bei dem Hochzeitszug - die Reihenfolge der Mitmarschierenden strengstens bestimmt. Voran ging der Patensohn oder der Nachbarsjunge mit dem kleinen Kreuz (klani Kreizl), dem Holzkreuz - an dem ein kleines Blechschild mit Namen und Alter des Verstorbenen befestigt war - das am Ende der Zeremonie in den Grabhügel gesteckt wurde.

Ihm folgte das große Kreuz (krausi Kreizl), getragen von einem Paten oder einem Nachbarn, dahinter die große Vereinsfahne - getragen ebenfalls von einer männlichen Person aus der engeren Verwandtschaft oder Nachbarschaft. Fortgesetzt wurde die Reihe mit dem Pfarrer, den Ministranten und dem Kantor und gegebenenfalls den Sängern (Seinga). Hinter ihnen marschierten 10-15 Männer, die ein schwarzes Band (schwoazi Pandl) trugen. Diese gehörten der weiteren Verwandtschaft an und mussten zum Bändertragen (pandltrogn) von der Familie - meist durch einen Boten vom Verein - geladen (aokreidt) werden. Gefolgt wurden sie von all den männlichen Dorfbewohnern. Dahinter kam der Sarg mit dem Verstorbenen, begleitet an den zwei Seiten von jeweils drei Männern aus der engsten Verwandtschaft, die blaue Bänder (plovi Pandl) umgehängt hatten und je ein Windlicht (Liechta) in der Hand trugen. Hinterher folgten die Familienangehörigen und am Ende des Zuges die trauernde Schar der Frauen.

Wurden Kinder, Unverheiratete oder Rosenkranzweiber auf ihren letzten Weg begleitet, mussteman sich wiederum an eine etwas andere Ordnung halten. Handelte es sich um Unverheiratete, wurden die Windlichter von Brautjungfern (Kranzlmadl) in der entsprechenden weißen Kleidung getragen und auch vor dem Sarg lief in zwei Reihen eine ganze Schar dieser unverheirateten jungen Frauen bzw. Männer, welche in solchem Falle ein weißes Band (weissi Pandl) trugen. Wurde ein Kind zum Ort der ewigen Ruhe begleitet, wurde der Sarg von 4 oder 6 Brautjungfern in Kniehöhe auf der Bahre (Trog) getragen.

Beerdigte man ein Rosenkranzvereinsmitglied (Rausnkranzweiw), marschierten am Ende des Trauerzuges die Vereinsgenossinnen der Verstorbenen mit der Rosenkranzfahne (Rausnkranzfao), auf der die heilige Maria abgebildet war (Mariapütl) auf. Im Laufe der Jahre verlegte man den Platz dieser Fahne ganz nach vorne, neben die Vereinsfahne.

Erwähnt werden muss noch an dieser Stelle die unterschiedliche Beförderung zum Friedhof aufgrund der Leichenvereinsmitgliedschaft. War der Verstorbene zu seinen Lebzeiten Vereinsmitglied gewesen, wurde er auf dem Pferdewagen hingefahren, im entgegengesetzten Falle wurde der Sarg von 4 oder 6 Männern auf den Schultern (Ochsl) auf der Bahre hingetragen. In solchen Fällen wurden die Bänder und Fahnen auch nicht zur Verfügung gestellt.

Starben Unverheiratete, ertönte im Trauerzug auch der Trauermarsch und natürlich wurde man als Musikant oder Angehörige dessen ebenfalls mit der Mitwirkung der örtlichen Blaskapelle zur letzten Ruhestätte begleitet.

Am Trauerzug nahmen nahezu alle Dorfbewohner teil, laut Berichte kann man sagen, fast eine jede Familie war vertreten. Die Kinder waren bei diesem Ereignis meist nicht anwesend, sie schauten anstatt dessen - wie es im Falle eines Hochzeitszuges die ganze Dorfgemeinschaft zu machen pflegte - dem am Hause vorbeiziehenden Trauerzug von der Straße aus zu und beobachteten die schönen weißen Pferde mit der prachtvollen, schwarzen Pferdebekleidung mit besonderer Begeisterung. Bezüglich der Pferde hatte man die abergläubische Vorstellung, wenn sie sich während des Trauerzuges umdrehen und in eines der Höfe hineinschauen wurden, würde von diesem Hause von Gott die nächste Person aus dem Dorf geholt werden.

Von der Minute an, als sich der Trauerzug sich vom Hause des Verstorbenen auf den Weg machte, läutete man die Glocken, solange bis die Trauergemeinde im Friedhof eintraf. Es wurde mit den drei Glocken zusammengeläutet (zam-klien). Man soll aufgrund der Entfernung des Trauerhauses zum Friedhof die Dauer des Glockengeläuts in etwa eingeschätzt haben können, zusätzlich bao-bachtete man aber den Trauerzug auch vom Kirchenturm aus. Lag die Kirche genau am Weg, so dass der Zug daran vorbei ziehen musste, wurde derweil das Glockengeläut kurz eingestellt.

Man berichtete mir von einem Fall aus den 1930er Jahren, wo ein plötzliches Unwetter aufzog, und sich die Trauernden mitsamt des Sarges schnell in die Kirche begeben mussten. Ein ungeheurer Regen ging nieder. Ununterbrochen goss es den ganzen Tag wie aus Kübeln. Dass die Trauergemeinde noch am gleichen Tag in Richtung Friedhof weiterziehen konnte, war undenkbar. So musste der Tote in dem Gotteshaus nochmal „zwangsaufgebahrt" werden und es konnte erst am darauf folgenden Tag zur Beerdigung kommen. Dies kann tatsächlich in den Sterbematrikeln von 1932 nachgelesen werden, wo es in der Rubrik der „sonstigen Bemerkungen" verzeichnet steht.

Im Friedhof war das Grabloch von dem Totengräber und dessen männlichen Familienmitgliedern bereits ausgehoben. Dieser Tätigkeit gingen in Tarian immer Männer nach, die keinen richtigen Beruf erlernt hatten, Tagelöhner waren und so kein festes Einkommen hatten. Es waren meistens arme Leute (parmi Leit) - wie die Gewährspersonen berichten.

Bevor der Sarg von den sog. Trägern in die Tiefe hinuntergelassen wurde (s. Abb. 36.), sprach der Pfarrer noch ein Gebet und segnete ihn ein. Der Sarg verschwand langsam im kühlen Grab, es wurde Erde auf ihn gezogen, wobei die harten Klumpen auf der hölzernen Oberfläche laut polterten. Während dessen sang der Kantor ein Lied oder im Falle einer musikalischen Beerdigung ertönte der Trauermarsch. Schlussendlich formten die Totengräber von der Erde einen kleinen Grabhügel, steckten das vom Patenjungen getragene kleine Kreuz an der Kopfseite hin und hängten die Kränze daran. War seine Arbeit verrichtet sagte der Totengräber und die ganze Trauergemeinschaft mit ihm noch einen „Vaterunser" (s. Abb. 37.). Ein aufrichtiges Beileid zu wünschen, wie man es von unseren Tagen kennt, war zu damaligen Zeiten überhaupt nicht bekannt, die Befragten meinen: dies muss ein neuer Brauch der modernen Zeit sein.

Die Trauernden begaben sich in die Kirche, wo - wenn sie nicht bereits schon am frühen Morgen stattgefunden hatte - im Anschluss an die Beerdigung die Trauermesse (Rekvaim) gelesen wurde. Einen Leichenschmaus in feierlicher Gesellschaft gab es im Gegensatz zu den Bräuchen der hier lebenden ungarischen Bevölkerung bei den Tarianer Deutschen eindeutig nicht.

Betrachtet man die Bestattungsbräuche im Wandel der Zeit, kann man eine Vereinfachungs- bzw. Modernisierungstendenz beobachten. Eine wesentliche Veränderung vollzog sich in den 1960er Jahren durch die Erweiterung des „Totenhäusels" zu einer Aufbahrungshalle. Hiermit wurde die Verabschiedung vom Verstorbenen aus innigen Familienkreisen auf den Friedhof verlagert. An den Beerdigungsbräuchen wurde jedoch noch lange Jahre festgehalten. Liefen der Pfarrer und die eingeladenen Männer von der Kirche los, gab man durch Glockengeläut, wie früher „Zeichen" gegeben. Solang diese im Friedhof ankamen, war der Sarg offen, umstanden von Familienangehörigen bzw. der Rosenmutter und ein paar Rosenkranzfrauen.

Aufgrund der Enge der ersten Aufbahrungshalle wechselten sich die Verwandten und Bekannten, die sich vom Verstorbenen verabschiedeten, bzw. auch die Rosenkranzfrauen ab. Als der Pfarrer eintraf, wurde der Sarg wie früher, von den vier Trägern zugenagelt und vor die überdachte Aufbahrungshalle hingestellt. Der Pfarrer verlas - zum Fuße des Verstorbenen stehend - die Zeremonie. Der Verstorbene wurde nun von der Aufbahrungshalle bis zur Grabstelle mit dem Pferdewagen befördert und von den Trauernden begleitet. Bis man zur Grabstelle ankam, wurde mit den drei Glocken zusammengeläutet. Der Trauerzug hielt genauso seine feste Ordnung: Frauen und Männer liefen getrennt, die Männer der Verwandtschaft und Nachbarschaft wurden zum Bänder-, Fahnen-, und Windlichtertragen geladen, das Patenkind trug das kleine Kreuz, genauso wurden die Rosenkranzfrauen zum Beten gerufen. Auch die Rolle der vier Träger- die den Sarg zunagelten, aus der Halle heraustrugen, auf den Pferdewagen setzten und zum Schluss in das Grabloch hinunterliessen - blieb erhalten. Bis in die 90er Jahre waren in diesem Bereich keine wesentlichen Veränderungen zu beobachten. Es wurde mir aus 1990 die Videoaufnahme von der Beerdigung Georg Stréhlis d.Ä. zur Verfügung gestellt (s. Abb. 39.). Laut Erzählungen der Familie und meiner Gewährspersonen war dies die letzte Beerdigung „nach alten Traditionen". Das Grabloch wurde hier noch von der Totengräberfamilie Wenczl ausgehoben und der Sarg wurde auf dem von den Pferden der Familie Iseli gezogenen Totenwagen zur Grabstelle gefahren. In dem Trauerzug sah man Männer und Frauen noch getrennt laufen, die Bänder- und Windlichter tragenden Verwandten und Nachbarn waren noch in der gleichen Anzahl wie früher anwesend. Dem Pfarrer und den Sängerinnen folgte eine Blaskapelle, deren Mitglieder dem Verstorbenen - der in der Weitertradierung des musikalischen Erbes in Tarian eine wichtige Rolle spielte - durch die Musik die letzte Ehre erwiesen.

Nach dieser Beerdigung soll die Totengräberfamilie ihre Tätigkeit eingestellt haben und auch der Pferdebesitzer Iseli soll zum Sargbefördern nicht mehr gerufen worden sein. In der Wendezeit erschien nämlich in Tarian das städtische Bestattungsunternehmen, das diese Aufgaben verrichtete. Hierdurch fiel das Organisatorische nunmehr in eine Hand. Das Unternehmen erledigte alle Einzelheiten, somit kann wiederum eine Funktionsentlastung der Familie beobachtet werden. Zum Bänder-, Fahnen-, Kreuze- und Windlichtertragen lud man durch die Beauftragung des Friedhofsmeisters weiterhin die Verwandtschaft und Nachbarn.

Sicherlich brachte auch die Errichtung einer modernen Leichenhalle (1997) wieder Veränderungen mit sich. In kurzer Zeit ließ man das Windlichter- und Bändetragen weg. Die Leute sollen es angeblich als umständlich und überflüssig empfunden und weggelassen haben. Durch die Stelle der neuen Leichenhalle und der zur Verfügung stehenden Grabstellen hatte man es meistens bis zum Grabe nicht weit. Aus dem Grunde ersetzte man auch das Glockenläuten bei der Beförderung des Sarges - mit dem Auto - zur Grabstelle durch Glockengeläut aus dem Lautsprecher. Bis in unsere Tage hat nur noch eine Mindestzahl von alten Requisiten und Bräuchen fortgelebt, diese scheinen sich jedoch noch konsequent zu halten (s. Abb. 40.). Die Rosenkranzfrauen werden zum Beten gerufen, zum Tragen des großen Kreuzes und der Fahne - bzw. im Falle einer Rosenkranzfrau zusätzlich der Rosenkranzfahne - werden Männer aus der Paten- und Nachbarsfamilien gebeten. Das kleine Holzkreuz mit dem Namen des Verstorbenen wird auch heute noch vom Patenkind oder einem Jungen aus der Verwandtschaft getragen. Stirbt ein ehemaliger Musikant, ein Angehörige eines Musikvereinsmitgliedes oder jemand der für sein Leben gerne auf den Ball ging, wird er mit Blasmusik auf seinen letzten Weg begleitet. Ebenso werden die alten Abschiedslieder vom Chor gesungen, wenn Mitglieder oder Angehörige beerdigt werden.

4. Grabsteine

Seit altersher werden die letzten Ruhestätten von Verstorbenen in irgendeiner Form markiert. Hinsichtlich der Relevanz zum Thema der vorliegenden Arbeit soll an dieser Stelle nur auf die Grabsteine näher eingegangen werden. Jedoch sind auch die einfachen Holzkreuze erwähnenswert, diese dienten mit eingeschnitzten Anfangsbuchstaben der Vor- und Nachnamen als provisorische Markierung der Grabstelle solange man einen Grabstein anfertigen ließ. Hier und da sieht man heute noch verwahrlost welche stehen. Wurde nämlich eine junge Mutter verwitwet, mit 5-6 Kindern war sie in erster Linie bemüht, der Ernährung und Versorgung der Familie nachzukommen, so konnte es leicht dazu kommen, dass ihr die Grabsteinsetzung wegen Mangel an Finanzen nicht möglich war. Oder kam es unter den hinterbliebenen Familienmitgliedern zu Erbstreitigkeiten, konnte es zur Folge haben, dass man sich hinterher kaum mehr um einen Grabstein bemühte - so berichten die Gewährspersonen. Aber da solche Begebenheiten eher selten vorkamen, möchte ich nun die nächsten Seiten dem eigentlichen Thema, nämlich den Grabsteinen widmen.

Grabsteine sind wie Bilderbücher, bei dem Besuch auf einem Friedhof machen sie einem durch verschiedene Formen, allgemeine und individuelle Inschriften sowie die ausdruckskräftigen Symbolen die Geschichte mehrerer hundert Jahre wieder lebendig. In der Regel gibt es keine zwei ganz gleiche Grabsteine nebeneinander, die Individualisierung erscheint also nicht nur im irdischen Leben, sondern auch auf dem Friedhof. Durch Angaben bezüglich des Verstorbenen halten die steinernen Grabmäler die Erinnerung an den Verstorbenen wach und führen ganz unheimliche Einzelschicksale dem Friedhofsbesucher vor Augen. Darüber hinaus wird durch die formalen Varianten und Verzierungen auch das religiöse Weltbild der Ortsansässigen von einst widerspiegelt.

4.1 Material der Grabsteine

Da das Steinmetzhandwerk in Tarian nicht vertreten war, ließ man die Grabsteine auswärtig anfertigen. Hinweise auf die in der Umgebung tätigen Steinmetze lassen sich im untersten Bereich der Grabsteinfläche, auf dem Sockel finden, wenn diese hier ihre Signatur hinterlassen haben und dies in unseren Tagen noch überhaupt leserlich ist. Zum Glück konnte man auf relativ vielen Grabsteinen die Herkunftsorte bzw. die Namen der Handwerker entziffern, welche die Folgenden waren: Juhász János (Tardos), Juhász Mihály (Tardos), Kahn Miklós (Zsámbék), Miskovics A. (Héreg), Stark F. (Piszke). Ferner findet man noch die Signaturen weiterer Steinmetze aus Tardos und Bicske an den Grabsteinen, diese sind aber bis auf den Herkunftsort leider nicht mehr lesbar. Durch die Ergänzung der Gewährspersonen ließen sich noch die Namen Benyőcs K. (Héreg) und Miskovics Béla (Héreg - Tarján) in Erfahrung bringen. Letztere war der Sohn des oben genannten Miskovics A. und führte dessen Handwerk weiter. Er heiratete die Tochter einer nach dem Zweiten Weltkrieg in Tarian angesiedelten Familie und zog auch ins Dorf. Seine berufliche Tätigkeit übte er aber weiterhin in Héreg im Betrieb der Familie, gemeinsam mit seinem Vater aus. Der heute über 70 Jahre alte Steinmetz ist noch teilweise in seinem Beruf tätig, indem er alte Grabsteine ausbessert bzw. zusätzliche Namen auf bereits beschrifteten Grabsteinen anbringt.

In zahlenmäßig größter Menge sind Grabsteine von Steinmetzen aus den beiden Nachbardörfern, Tardos und Héreg vorzufinden, was sich im späteren Verlauf meiner Arbeit im Zusammenhang mit den Inschriften noch als wichtiger Beeinflussfaktor erweisen wird.

Um das Material der Grabsteine (s. Abb. 41-45.) zu erkunden, habe ich außer persönlicher Beobachtungen den oben genannten, im Ort tätigen Steinmetz befragt. Demnach sind auf dem Tarianer Friedhof in dem untersuchten Grabsteinbestand nach Material grundsätzlich zweierlei Grabsteine zufinden. Diese sind zum einen der sog. „rote Marmor", zum anderen der weiße Sandstein, da man früher ausschließlich Natursteine zu Grabsteinen verarbeitete. Diese beiden Steinsorten wurden in der nahen Umgebung abgebaut, so waren die Steinmetze mit Herstellungsmaterial gut versorgt.

Die im Volksmunde als „roter Marmor aus Tardos" („tardosi vörösmárvány") bezeichnete und auch landesweit unter diesem Namen bekannte Steinsorte ist eine marmorähnliche Steinsorte, namens roter Kalkstein.

Genau das gleiche Material versteht man unter dem „Marmor aus Sütto" („süttői márvány"). Es handelt sich hierbei um eine harte, widerstandfähige, wetterbeständige Steinsorte, die auf dem Tarianer Freidhof eine weite Verbreitung fand. Ebenfalls „friedhofsbildprägend" sind die aus weißem Sandstein gefertigten Grabsteine, die zwar nicht so oft wie die vorherige, aber relativ zahlreich in Erscheinung treten. Diese Steinsorte wurde in Zsámbék abgebaut und war eine der Weichsteinsorten. Wie auch schon die Bezeichnung ahnen lässt war sie leicht bearbeitbar, nachteiligerweise war sie aber gegen Witterungseinflüsse weniger standhaft. So sieht man an vielen Stellen, dass diese Grabsteine im Laufe der Jahre weiß nachgestrichen wurden. Trotz Sanierungsversuche sind aber die Oberflächen abgebröckelt, so dass die Inschriften und Symbole kaum noch oder nur mit großer Anstrengung zu erkennen sind. Während die „Marmorgrabsteine" seit Menschengedenken in Tarian gebräuchlich sind, treten die sandsteinernen Gräber erst seit anfang der 1910er Jahre in Erscheinung und finden in den 1930er Jahren eine weite Verbreitung.

Als herausragende Beispielsfälle tauchen auch Grabsteine auf, welche in die Kategorie der Hartsteine einzuordnen sind. Solche sind die Granitgrabsteine, welche man schwer bearbeitet, dafür aber bei jedem Wetter und sonstigen Einflüssen standhaft sind. Nur die wohlhabendsten Familien waren finanziell in der Lage, ihren Angehörigen einen Granitgrabstein zu setzen. So zum Beispiel die Familie Mayer, die im hinteren Friedhofsbereich einen prachtvoll erscheinenden, schwarzen Grabstein aus Granit stehen hat. Meine Gewährsleute berichten, dass es sich um eine der reichsten Familien von damals im Dorf überhaupt handelt.

Als ortsspezifisch erwiesen sich die ganz schlichten, aus Zement angefertigten Grabsteine, die für Maurerfamilien typisch waren, die sich diese eigenhändig anfertigten, wie z.B. den Grabstein der 6 Monate alten Tochter der Maurerfamilie Szauer im Kinderfriedhof.

Anstatt der hier angeführten verschiedenen Natursteinen wurden mit der Zeit Grabsteine aus Kunststein gesetzt. Diese sind vom Material her flexibler, lassen sich leichter bearbeiten und wunschgerechter gestalten außerdem sind diese auch preisgünstiger als die Gräber aus Naturstein. Da diese aber in Tarian erst in den 1940er Jahren richtig Verbreitung gefunden haben, fallen sie nicht mehr unmittelbar in den Untersuchungsbereich meiner Arbeit.

4.2 Form der Grabsteine

Möchte man die Grabsteinformen (s. Abb. 46-48.) aufgrund der Vorkommenshäufigkeit darstellen, kann man das glatte Kreuz an erste Stelle setzen. Diese Art von Grabsteinen ist seit altersher gebräuchlich. Im unteren Friedhofsbereich, im sog. alten Friedhof findet man vom ausgehenden 19. Jahrhundert an fast ausschließlich nur diese Form von Grabsteingestaltung, nämlich aus rotem Kalkstein. Auch im „neuen Friedhofsbereich" sind diese zahlenmässig reichlich vorzufinden. Ähnlich, aber zierreicher sind Kreuze, an den Seiten mit gedrehten Säulen geschmückt, genannt Säulenkreuze, welche auf dem Tarianer Friedhof von den 1900er Jahren an aus verschiedenen Materialien relativ oft anzutreffen sind.

Von Permiten (säulenförmigen Grabsteinen, die an ihrer Spitze in einer Pyramidenform enden) findet man insgesamt fünf, aus rotem Kalkstein bzw. aus Granit. Diese sind durch die außergewöhnliche Form an sich schon herausragend, so werden an solchen Grabsteinen - außer vielleicht der Einmeißelung eines schlichten Motivs - keine besonderen Verzierungen vorgenommen.

Niedrige Grabsteine mit einer herzförmigen Schriftplatte und einem kleeblattförmigen Kreuz als Endung - datierbar etwa auf die Mitte des 19. Jahrhunderts - sind im unteren verwahrlosten Friedhofsbereich in drei Exemplaren zu finden. Grabmale in Form von Statuen wurden auf dem Tarianer Friedhof nicht gesetzt. Familiengrüfte sind ebenso nicht bekannt.

Von der Höhe her unterscheidet man grundsätzlich zwischen den Grabsteinen der Erwachsenen in normaler Höhe und der niedrigeren der Kinder. Innerhalb dieser beiden Kateogorien gibt es natürlich kleinere Abweichungen. Die oben genannten Permiten sind z.B. von der Normalhöhe abweichende, herausragende Ausführungen.

Von der Breite her gibt es Einzelgrabsteine, Doppelgrabsteine und Familiengrabsteine. Mit größter Häufigkeit kommen Einzelgrabsteine vor. Im unteren, alten Friedhofsbereich sind nur ausnahmsweise Doppelgrabsteine zu finden. Der Grund dafür liegt darin, dass früher viele Leute schon entweder im frühen Kindes- oder Jugendalter verstorben sind. Oder sind die jungen Ehefrauen mit mehreren Kindern verwitwet hinterblieben, so haben sich diese nicht den Bestattungsplatz am Grabe des ersten Mannes gekauft, denn in der Regel haben sie erneut geheiratet, aus finanziellen Gründen, im Interesse der Kinder sogar heiraten müssen.

Die wenigen Doppelgrabsteine wurden Eheleuten oder in jungen Jahren verstorbenen Geschwistern gesetzt. Diese sind von dem Erscheinungsbild her meistens horizontal zweigeteilt. Familiengrabsteine treten nur seltenerweise in Erscheinung, diese weisen kein besonderes Charakteristikum auf. Dass Mitglieder innerhalb einer Familie nebeneinander bestattet wurden, war in Tarian nicht üblich, da man den Friedhof nach zeitlicher Ordnung anlegte. Man findet jedoch sowohl im alten {Familie Faschko), als auch im neuen Friedhof {Familie Schalkammer) neben einander stehende, ähnlich gestaltete Grabsteine. (s. Abb. 49-50.)

4.3 Symbolik

Außer der Vielfältigkeit in Form und Material sei an dieser Stelle als prägendes Element des Erscheinungsbildes eines Friedhofes auch auf die Symbolik hingewiesen. Die Zeichen an einem Grabe besitzen die Eigentümlichkeit, neben dem Ziereffekt auch eine besondere Ausdruckskraft in sich zu tragen, einen tieferen, größtenteils religiösen Hintergrund anzudeuten. (s. Abb. 51.).

Sprachliche und nicht sprachliche Zeichen bilden nahezu in jedem Falle eine Kombination, da aber die sprachlichen Zeichen im Kapitel der Inschriften separat behandelt werden, wird hier nur auf die letzteren eingegangen.

Die allgemeine Charakterisierung der bei der Grabsteingestaltung in ungarndeutschen Friedhöfen häufigst verwendeten Symbole der christlichen Ikonographie werde ich hier - aufgrund des Aufsatzes von Katharina Soltész bzw. der Ergänzungen der Gewährspersonen - möglichst nach allgemeiner Vorkommenshäufigkeit geordnet aufzählen, und diese im Anschluss an Beispielen aus dem untersuchten, örtlichen Grabsteinbestand veranschaulichen.

Die Abkürzung IHS hat mehrere Deutungsmöglichkeiten. Zum ersten wird sie als Christusmonogramm verstanden, das sich von der Transkription der ersten drei Buchstaben des Griechischen Names Jesu ableitet. Zum zweiten ist eine der volkstümlichen Deutungen im Deutschen „Jesus, Heiland, Seligmacher" bekannt, und zum dritten die vielleicht meist verbreitete lateinische Lesart: „Iesus Hominum Salvator" - „Jesus, Erlöser der Menschen".

In der Abkürzung INRI sind die Initialen der Überschrift enthalten, welche den Grund der Bestrafung Jesus bezeichneten. Die Überschrift wurde von den Römern am Kreuz, über dem gekreuzigten Jesus befestigt. In vollständiger form lautete sie: Jesus Nazarenus Rexin deutscher Übersetzung als „Jesus von Nazaret, der König der Juden".

Das Kreuz - in verschiedenen Ausfertigungen auftauchend - lässt verschiedene Deutungsmöglichkeiten hervorbringen, um mich hier aber auf die allgemeingültigen und wichtigsten zu beschränken, nenne ich die Versinnbildlichung des Glaubens an Gott, die Hoffnung auf das ewige Leben im Sinne Jesu.

Die Trauerweide erscheint auf dem Grabstein in einer künstlerisch vereinfachten Darstellungsweise, oft auch symmetrisch gestaltet. Als Baum versinnbildlicht sie den Lebensbaum, andererseits steht sie, wie das sich bereits auch am Namen erkennbar macht, für die Trauer. Mit den kraftlos herunterhängenden Ästen werden die trauernden Angehörigen und deren ähnlicherweise gebrochene Körperhaltung und emotionale Verfassung assoziiert.

Das Herzmotiv ist meistens ein als komplexes Zeichen erscheinendes Motiv, indem es oft in von Flammen umringter oder von einer Kette oder einem Kranz umspannten Form bzw. mit einem Kreuz und einem Anker im Hintergrund anzutreffen ist. Als weitere Kombinationsmöglichkeit erscheint das genannte Motiv von Zweigen, Blumen oder Blüten einer Blume umgeben.

Die Deutung dieses Zeichens bereitet gerade wegen den vielfachen Kombinie-rungsmöglichkeiten Schwierigkeiten. Steht es flammenumringt an einem Grabstein, dürfte es die Liebe Jesus symbolisieren, ferner dürfte hiermit auch die allgemein bekannte Darstellung des Herzens Jesu als Ausgangspunkt in Verbindung gebracht werden. Das Kreuz steht für den Glauben, der Anker für die Hoffnung bzw. das Vertrauen auf den festen Halt, den man von Jesus erfahrt. Die gemeinsame Erscheinung von Anker, Herz und Kreuz bezieht sich auf die sog. theologischen oder katholischen Tugenden: Hoffnung, Liebe und Glaube, dem Menschen durch die Gnade Gottes verliehen wurden.

Eines der weniger bekannten Motive ist der Stern, welcher die Unsterblichkeit verkörpert.

Rosmarinzweige, welche in erster Linie an Grabsteinen von Jugendlichen zu entdecken sind, deutet man als Symbol der Unsterblichkeit.

Engelsfiguren sind hauptsächlich an Kindergräbern anzutreffen und sollen die Unschuld dieser zum Ausdruck bringen.

Der Myrtenkranz soll ebenfalls Unschuld und Reinheit symbolisieren, nämlich im Falle von Unverheirateten, und soll die nicht vollzogene irdische Heirat im Jenseits ermöglichen.

Auch ein Bild des Verstorbenen in Form eines braungetönten oder schwarzweißen Fotos diente als Grabverzierung, allerdings war dies nur für Grabsteine vermögender Familien charakteristisch, da das arbeitsaufwändige und demzufolge auch kostenspielige Verfahren der Anfertigung sich nicht ein jeder leisten konnte.

Der gekreuzigte Christus ist auch ein Motiv, das seltener an den Grabstein angebracht wird. Mal als Relief, mal mit skelettartigem Körper abgebildet in den Stein eingemeißelt, allerdings ohne das Kreuz im Hintergrund, wahrscheinlich aus dem Grunde, dass es an dem kreuzförmigen Ende des Grabsteines platziert ist. Es dürfte für die Teilung des Leidensweges Jesu bzw. für die Auferstehung stehen.

Der Palmzweig ist auch ein seltenes Grabsteinmotiv. Laut Bibel sollen die Menschen beim Einzug Jesus in Jerusalem vor ihm den Weg mit Palmzweigen bestreut haben. So symbolisiert der in der Friedhofskultur gebräuchliche Palmzweig die Nähe zu Jesus und den Einzug in das ewige Leben.

Seltener sieht man hier und da auch Handwerkszeichen, Gegenstände oder Instrumente, die auf den Beruf deuten, wie z.B. zwei Hämmer bei den Bergleuten, oder Axt bzw. Beil bei den Zimmermannsleuten, Geige bei den Musikern, Pflug oder Ähre bei den Bauern.

Auch mit geringer Vorkommenshäufigkeit erscheint an Grabsteinen ein Motiv, das reliefartig den Moment abbildet, wie eine linke und eine rechte Hand sich reichen. Oberhalb der beiden Hände erscheint zusätzlich eventuell ein Kreuz. Dies soll genau den Moment abbilden, als sich in der Trauungsmesse Braut und Bräutigam das Eheversprechen mit der allgemein bekannten Formel „bis dass der Tod uns scheidet" geben. In der Friedhofssymbolik soll dieses Motiv für die eheliche Treue stehen, bzw. zu verstehen geben, dass die Lebenswege der Eheleute durch den Tod geschieden werden.

Die Taube versinnbildlicht den Frieden.

Auch das dreieckige Auge taucht in der Grabsteinsymbolik auf und steht für das Auge Gottes, das auf die Menschen hinunterblickt.

Des Weiteren sind noch Maria, Christus und Engelköpfe als Verzierungen gebräuchlich.

Bekannt, aber eher für ungarische Friedhöfe charakteristische Motive sind die geometrischen Kreise, Kreisbogen, verschiedene aus der ungarischen Volkskunst bekannte, auch in der Verzierung von Gebrauchsgegenständen gängige Pflanzendarstellungen. Regelmäßige Erscheinung unter diesen, ist das Tulpen- und das Knospenmotiv als Verzierung des Grabmals junger Mädchen. Eichenblätter hingegen, deuten auf einen männlichen Toten hin. (Kunt, Ernő, 1983:66-71)

Aufgrund von Vorort angefertigten Digitalfotos und Aufzeichnungen war es mir möglich, die Grabsteine nach den oben angeführten Symbolen zu untersuchen bzw. zu ordnen. Hierbei ließ sich feststellen, dass Grabzeichen nur selten vereinzelt auf Grabsteinen erscheinen, zumeist werden sie nämlich verschiedenartig miteinander kombiniert, wobei sie nach einer bestimmten Ordnung jeweils an eine andere Grabsteinstelle angebracht werden.

An der Fläche eines herkömmlichen Grabsteines kann wie folgt horizontal eine Vierergliederung vorgenommen werden:

 

1. Mitte des an der Grabsteinendung befindlichen Kreuzes (Feld I.)
2. Übergangsbereich zwischen Kreuz und Schrifttafel, auch Gesims genannt (Feld II.)
3. Die Schrifttafel (Feld III.)
4. Der Sockel (Feld IV.)

Je nach Grabsteinfläche tauchen jeweils andere Motive auf. Ich versuche diese nach dem Erscheinungsfeld und nach der in Tarian beobachteten Vorkommenshäufigkeit an dieser Stelle darzulegen:

Im Feld L, d.h. in Kreuzesmitte erscheint mit größter Häufigkeit die Abkürzung IHS in verschiedenen Darstellungsweisen, wobei in jedem Falle ein Kreuz aus dem H emporwächst.

Mancmal ist hier in Kreuzesmitte der sich reliefartig vom Stein abhebende oder mit skelettartigem Körper in diesen eingemeißelte, gekreuzigte Christus zu sehen. Ferner erscheint seltenerweise in dem gleichen Feld ein schlichtes Kreuz.

An einem einzigen Grabstein ist genauso in diesem Feld ein Christuskopf aus Porzellan angeklebt. Die Initialen INRI sind in Tarian, im Gegensatz zu der relativ weiten Verbreitung auf anderen ungarndeutschen Friedhöfen, nicht vorzufinden.

Im Feld IL steht im Falle der meisten Grabsteine die Trauerweide, auf verschiedene Art und Weise, aber nahezu immer symmetrisch dargestellt. Entweder wird sie von einem die Schrifttafel umrandenden Bogen, Dreieck oder von einer bogenartig verlaufenden Anfangsformel der Inschrift wie etwa „Hier ruhet in Gottes Namen" von oben überdacht. Handelt es sich um einen Doppelgrabstein oder gar einen Dreiergrabstein, ist er vertikal immer zwei - bzw. dreigeteilt und so wird die Trauerweide zwei- bzw. dreimal nämlich unterhalb des umrahmenden Bogens bzw. oberhalb des Namen oder der Anfangsformeis eingemeißelt.

Im gleichen Feld kommt das Herz, in verschiedenen Kompositionen mit Flammen, dem Kreuz, dem Anker und der umringenden Kette mit weniger großen Häufigkeit vor. An dieser Stelle muss zusätzlich erwähnt werden, dass dieses Zeichen bzw. dieser Zeichenkomplex bei den untersuchten Grabsteinen mit wenigen Ausnahmen fast nur auf weiße sandsteinerne Grabmäler angebracht wurden, welche heute schon oft eine zersprungene Oberfläche aufweisen, sodass der Zeichenkomplex kaum oder nicht mehr genau entnommen werden kann. Genauso auf dieser Art von Grabsteinen sind die zwei verschlungenen Hände als Zeichen der ehelichen Treue anzutreffen.

Ebenfalls im Feld II. erscheint der die Unsterblichkeit verkündende Rosmarinzweig an zwei Grabsteinen im Kinderfriedhof in eingemeißelter Form.

Auf dem Tarianer Friedhof findet man unter den untersuchten Grabsteinen auf einigen Wenigen ovalförmige, bräunliche Fotos von den Verstorbenen. Der erste mit einem Foto verzierte Grabstein stammt laut Sterbejahr des Erstverstorbenen aus 1917 oder des Zweitverstorbenen aus 1922, doch eine Verbreitung fand diese Art von Verzierung erst in den 1930er bzw. 40er Jahren, da alle weiteren - geht man von einer Übereinstimmung mit dem am Grabstein angeführten Sterbedatum aus - in dieser Zeit erst errichtet wurden. Leider sind nur noch wenige im Originalzustand erhalten, die restlichen sind bis zur Unkenntlichkeit verblasst oder es ist nur mehr die Stelle des Fotos zu erkennen.

In Feld III., also an der sog. Schrifttafel erscheinen bis auf einige wenige Ausnahmen - wie z.B. die als Trennungslinie zwischen den Angaben zweier Verstorbenen eingemeißelten astähnlichen Ziermotive - ausschließlich sprachliche Zeichen.

Im untersten Bereich des Grabsteines, im Feld IV. sind üblicherweise, wenn überhaupt, dann nur sprachliche Zeichen vorzufinden, solche sind z.B. Abschlussformel wie „Jesus sei ihm/ihr/ihnen barmherzig" oder es wird hier auf die Angehörigen hingewiesen, die den Grabstein errichten ließen oder aber werden hier wegen Platzmangel Späterverstorbene der Familie angeführt und dies ist auch die Stelle, wo der Steinmetz seine Signatur zu hinterlassen pflegt.

Erwähnenswert ist die Tatsache, dass auf der unteren Friedhofsfläche, also im sog. „alten Friedhof Verzierungen überhaupt nur ganz selten anzutreffen sind und wenn, dann nur vereinzelt, in Form von ganz schlichten, Kreuzen, Trauerweiden oder Initialen IHS, welche aber auch erst von der Jahrhundertwende des 19. zum 20. Jahrhundert stammen. Der Grund dessen liegt höchstwahrscheinlich darin, dass die Dorfsteinmetzen in der Zeit davor noch ein wesentlich einfacheres Instrumentium zur Verfügung stehen hatten, das zum Aushauen von komplizierteren Zierelementen noch nicht geeignet war.

Bertrachtet man die Grabsteine in ihrer Ganzheit, kann festgestellt werden, dass in der untersuchten Periode an den untersuchten Exemplaren die Kombination des IHS-Zeichens mit der Trauerweide die weiteste Verbreitung fand, alle anderen Motive erscheinen mit geringerer Häufigkeit.

Als Einzelbeispiele möchte ich hier drei zugedeckte Grabsteine nennen, auf deren Abdeckplatten sich in der gesamten Länge reliefartig ein Palmenzweig befindet, als wäre er auf die Platte hingelegt. Anscheinend wird auf diese Weise der Eingangsbereich zu Jesus bzw. ins ewige Leben markiert. Zwei von diesen befinden sich unterhalb der neuen Leichenhalle und sind die Gräber von einstigen Dorfpfarrern namens Drágfy Nándor und Tocsek János, die im 19. Jahrhundert im Ort tätig waren. Bei dem dritten Grab handelt es sich um einen 1938 Verstorbenen.

Da aber bis in die 1940er Jahren ausschließlich einfache Grabsteintafeln anzutreffen sind, und Abdeckplatten erst von dieser Zeit an üblich werden, handelt es sich bei den oben genannten Grabsteinen eindeutig um spätere Anfertigungen. Aus diesem geht hervor, dass der als Abdeckplattenverziermotiv dienende steinerne Palmenzweig erst etwa zu dieser Zeit in Erscheinung tritt.

Entgegen der Annahme, dass man im Bereich des Kinderfriedhofes Engelfiguren antreffen würde, sind hier im Kreise der untersuchten, deutschbeschrifteten Grabsteine keine zu finden (s. Abb. 55.). In dem alten Friedhofsbereich ist in der Reihe der separat aufgestellten Grabsteine einer mit Engelsfigur zu sehen (s. Abb. 54.). Da aber die gesamte Oberfläche der Schriftplatte abgebröckelt ist, kann man nicht mal mehr die Spuren einer ehemals dagewesener Inschrift erkennen. So kann nur vermutet werden, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Kindergrabstein aus dem 19. Jahrhundert handelt. Bei Ruhestätten von Späterbegrabenen erscheint allerdings verschiedenartig das Engelmotiv. Da diese aber schon mit ungarischer Beschriftung versehenen Grabsteine sind, sind diese nicht Gegenstand meiner Untersuchung.

Im untersuchten Bereich des Kinderfriedhofes sind bis auf den an zwei Stellen gefundenen Rosmarinzweigen keine Verziermotive zu sehen, die einem ins Auge Fallen würden. Auch hier verwendet man wie bei den Erwachsenen die meistverbreiteten Motive des Kreuzes, der Trauerweide und der IHS Abkürzung.

Obwohl man in Tarian wegen der Nähe des Bergbauortes Tatabánya die zwei Hämmer als Berufsbezeichnung an den Grabsteinen vermuten würde, findet man unter den untersuchten Grabsteinen dieses Motiv überhaupt nicht vor. Da auch keine anderen berufsbezeichnenden Grabsteinmotive zu sehen sind, kann man darauf schließen, dass es im Ort nicht üblich war, solche auf Grabsteine zu setzen. Zum anderen lässt sich das Fehlen an Bergwerkszeichen damit erklären, dass die untersuchten Grabsteine fast ausnahmslos aus der Vorkriegszeit stammen, zu welcher Zeit nur wenige Tarianer dieser Tätigkeit nachgegingen. Erst in der Nachkriegszeit stieg die Mobilität der Dorfleute, was nicht nur durch die bessere Infrastruktur, sondern auch durch die Enteignung ihres Ackes zu erklären ist. Ein Bergwerkszeichen ist jedoch aus der späteren Zeit auch nur auf dem Grabstein eines bei der Arbeit tödlich verunglückten Mannes zu finden.

5. Grabinschriften

Ein uraltes Bestreben der Menschheit ist es, das Gedenken an Verstorbene lebendig zu erhalten. Dies geschah bereits in frühester Zeit in allen Kulturkreisen mit Hilfe figürlicher Darstellung, wobei die Schrift weitere Möglichkeiten bot. Durch die Erscheinung und Verbreitung der Schrift in der Grabmalkultur wurde es möglich, den Verstorbenen zu individualisieren und ihm eine langwährende Erinnerung zu setzen. Grabinschriften bringen nämlich mehrere hundert Jahre Geschichte zurück, sie geben einem Auskunft über das Leben und Sterben der Menschen von früher, ferner thematisieren sie den Tod, die ewige Ruhe und die Trauer bzw. das damit verbundenen Gottesvertrauen der hinterbliebenen Angehörigen.

Ich habe als Grundlage meiner Arbeit eine Sammlung deutscher Grabinschriften in Tarian erstellt, indem ich diese - soweit noch leserlich waren - Graphem für Graphem, das an dem Grabstein zu sehende Erscheinungsbild nachzeichnend originalgetreu aufgezeichnet bzw. zusätzlich digital fotografiert habe. Glücklicherweise überwiegen auf dem Friedhof meiner Untersuchung die aus rotem Kalksteine errichteten Grabsteine, welche im Gegensatz zu den sandsteinernen Grabmälern durch ihre Widerstandsfähigkeit in einer relativ guten Fassung erhalten geblieben sind.

5.1 Aufbau der Grabinschriften

Die an der Schriftplatte der Grabsteine angebrachte Beschriftung wird von Experten, die ausgehend von Gemeinsamkeiten ihre Untersuchungen durchführen, im Allgemeinen dreigeteilt: an erster Stelle steht die sog. „Anfangsformel", am Ende die „Schlussformel" und der in diesem Rahmen befindliche Textteil wird als „Zwischenbereich" bezeichnet. (Puntigán, József / Puntigán, Tünde, 2003:41.) Demnach habe ich die Erstellung verschiedener Prototypen vorgenommen, die ich auch durch Beispiele veranschaulichen möchte.

Eine Grabinschrift ohne einleitende Anfangsformel habe ich in dem untersuchten Material nicht entdecken können.

Das Fehlen einer Schlussformel kann hingegen bei den Grabinschriften des alten Friedhofsbereiches aus dem 19. Jahrhundert als gängig bezeichnet werden. So ist die Anführung des Namens, des Alters und des Sterbedatums als Minimum an Grabinschrift zu betrachten:

HIR RUHET

KATERINA HOZENFRAC

IRE ALTER 3 JAR

GESTORBEN IN 25 FEBER 1865

 

HIR RUHET

JOHAN SEILER

GEB TEN 3 JULI 1819

GEST TEN 26 FEBRUAR 1865

Auch aus dem 20. Jahrhundert lassen sich vereinzelte Beispiele hierfür finden, typisch ist jedoch das Vorhandensein einer zusätzlichen Schlussformel:

Hier ruhet in Gottes

namen

Elisabet Kranz

gestorben ten 19 feber 1929

alt 22 Jare

Ruhe Sanft!

Eine relativ große Vorkommenshäufigkeit in den 1930er Jahren weist die sog. „doppelte Anfangsformel" auf:

Gelobt sei Jesus Christus!

Hier ruhet

Maria Iseli

gestorben den 29 Jannar

1934

Alt 33 Jahr

Ruhe sanft!

In vielen Grabinschriften werden im Zwischenbereich zusätzlich die trauernden Hinterbliebenen bzw. die den Grabstein errichtenden Familienangehörigen aufgezählt:

Hier ruhet unser liebe

Tochter

Maria Reiner

gest. den 28 Sept 1932

alt 14 Jahr

Betrauert von ihre Eltern

und Geschwister

Ruhe sanft

Im Gegensatz zu den Grabinschriften anderer ungarndeutscher Siedlungen erscheinen in der deutschen Inschriftensammlung aus Tarian nur selten Grabgedichte, hier in diesem Beispiel als Abschluss gedacht, so am Ende platziert:

Hier ruhet

Elisabeth Pilzinger

gestorben den 24. Dezemb 1919

alt 44 Jahre

betrauert von ihre zwei

Töchter Schwiegersöhne

und Enkeln

 

Hier ruhe ich und muß verwesen

Nach der Erde Weh und Leid,

Doch folgt ein Auferstehen

Zur unvergänglichen Herrlichkeit.

Manchmal wird auch das persönliche Schicksal in der Grabinschrift wiedergegeben, wie hier ein Verkehrsunfall aus 1918:

Hier ruhet das durch den

eh

in gott

banverunklikli

par

 

Johan Salzinger

alt 73 jähr beite plözlich in 24 april

 

Teresia Ising

alt 68 jahr gestorben in 1918.

 

Hier in tisen da virt auf kinder u.

rosen garten unsere liebe engeis kinder ten

Ruhe

Sanft

 

Im Folgenden möchte ich die einzelnen Grabinschriftenbereiche und deren mögliche Inhalte untersuchen.

5.1.1 Anfangsformel

Die häufigst verwendete Anfangsformel lautet:

„Hier ruhet/ruhen" - welche in unterschiedlichster Weise erweitert weden.

* auf die Art und Weise hindeutend:

„Hier ruhet/(n).... in Gott/in Gottes Namen I'in Frieden I im Herrn/ sanft /selig / in Gottes Ruhe"

*auf die Rolle des Verstorbenen in dessen Familie hinweisend:

„Hier ruhet/(n)..... zwei Schwestern I das Ehepaar/Mutter und To chter"

*auf die Beziehung der hinterbliebenen Familienmitglieder zum Verstorbenen hinweisend:

„Hier ruhet/(n)....unser lieber Sohn/unser treier Sohn/unser unvergeßlicher Sohn

unsere liebe Tochter/

unser liebes Kind/unser unvergeßliches, libes Kind/

unsere Liebe Mutter/

unser lieber Vater/

unsre dreie Eltern/

mein lieber Eheman"

Hier soll noch die archaische, aus dem 18. Jahrhundert stammende Form („All-hier ruhet") dieser Anfangsformel genannt werden, welche an den zwei ältesten Grabsteinen des Friedhofes aus dem 18. Jahrhundert anzutreffen ist.

Als Anfangsformel steht ferner an zahlreichen Grabsteinen die katholische Grussformel:

„Gelobt sei Jesus Christus"

Als herausragende Einzelbeispiele sind folgende Formulierungen zu nennen:

„Hier unter diesem Grabesstein liegt begraben der..." „In diesem Grabe morschen die Gebeins des..."

5.1.2 Schlussformel

In der Kategorie der Schlussformel wird eine wesentlich größere Auswahl dargeboten als im Falle der Anfangsformel, erstere können nämlich von zweiwor-tigen Abschiedssprüchen über kürzere Grabverse bzw. längere, künstlerisch gestaltete Gedichte bis hin zu ganzen Bibelzitaten reichen.

Die untersuchten Grabinschriften weisen - nach Vorkommenshäufigkeit bzw. Länge geordnet- folgende Schlussformen auf:

Kurze Schlussformeln zeigen - wahrscheinlich unter anderem auch wegen ihrer geringen Buchstabenzahl - :

„Ruhe Sanft" / „Ruhe Sanft seine Asche" / „Sanft ruhe seine Asche" /

„Ruhe in Frieden" / „Ruhe sanft in Jesu Namen" / „Schlummere süß" /

„Friede seiner Asche" / „Herr gib ihnen die ewige Ruh"

Man findet aber auch verschiedene, längere Schlussformen, die sog. Zweizeiler:

„Hier in diesen trauer Garten /wil ich meinen Gatten warten"

Dies ist der häufigst erscheinende Zweizeiler, der in all möglichen Variationen auftaucht. Der in der ersten Zeile euphemisierte Bezeichnung für den Friedhof wird in anderen Inschriften als „Trauergarten", „Rosengarten", „Friedengarten" oder „Gottes Garten" dargestellt. In der zweiten Zeile werden je nach Hinterbliebenen in der jeweiligen Familie die Angaben variiert: „meine muter und Bruten warten", „mein egatin und Kind warten", „meine Eltern und Bruder Worden".

Dieser Zweizeiler ist nicht nur in Tarian gängig, auch in Grabinschriftensammlungen anderer ungarndeutscher Siedlungen und Gegenden - wie u.a. in Werischwar, in der Tolnau - ist er aufzufinden, so scheint hier von einer landesweit verbreiteten Schlussformel die Rede zu sein.

Ein weiterer häufig erscheinender Zweizeiler, der am Ende von Grabinschriften steht:

„Milder Jesu schenke Du / seiner Seele ewige Ruh"

In diesem Falle wird nur ein geschlechtspezifischer Austausch des Personalpronomens in der abschließenden Zeile als Variationsmöglichkeit entdeckt.

Folgende Schlussformeln konnten noch - in einer inhaltlich unveränderten Form - aufgefunden werden:

„Ruhe sanft in Stille / in deiner Grabeshülle"

„Knidih nider und betfir mih/So bit i auh bei Gottfir dih"

Ist keine Schlussformel vorhanden, die den Abschiedsgedanken zum Ausdruck bringen würde, so wird anstelle dessen oft eine Aufzählung der trauernden Familienangehörigen oder derer die den Grabstein dem Verstorbenen widmeten gesetzt, wie:

„Tief betrauert von...." / „Erichtet durch..." / „Gewidmet von..."

Handelt es sich um eine besonders wortkarge Inschrift - was eher in unseren Tagen der Fall ist, und früher im 19. Jahrhundert öfters auftauchte - endet der Schriftteil meist mit den Ziffern des Sterbejahres, wie z.B.

HIR RUHET

JOHAN SEILER

GEB TEN 3 JULI 1819

GEST TEN26 FEBRUAR

1865

5.1.3 Der Zwischenbereich

In dem zwischen den Anfangs- bzw. Schlussformeln befindlichen Zwischenbereich der Grabinschriften stehen in erster Linie die allerwichtigsten Angaben über die verstorbene Person, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Der Vor- und Nachname

Im Falle von Männern gibt es keine Besonderheiten, hingegen im Falle von verheirateten Frauen sind mehrere Varianten gebräuchlich. Liegen die Ehepartner in einem Doppelgrab begraben, wird die Frau oft unter ihrem Mädchennamen angeführt.

„Hier ruhet in Gott Anna Endres (....)/ Michael Pilzinger..."

Ist die Ehefrau unter dem Nachnamen ihres Gatten angeführt, wird zusätzlich ihr Mädchenname genannt:

„Hier ruhet Francz Schneider (...)/ Maria Schneider/ geborene Hollbauer.."

Ist eine verheiratete Frau in einem Einzelgrab bestattet, wird ihr Name in den meisten Fällen wie im vorherigen Beispiel angeführt bzw. im 18. Jahrhundert ist die Entwicklung zu beobachten, dass Frauen mit dem Mädchennamen und der Anmerkung des Familiennamens oder auch des vollständigen Namens des Ehepartners, manchmal zusätzlich der Anzahl der Ehejahre am Grabstein verewigt stehen:

„HIER RUHET/ GEPORNE MARGERETA / WAERLI VEREHLICH-TE/STRAUBINGER..."

 

„HIER RUHET / IN GOTTES NAMEN / ANNA GÖTC / FER-ELINGT MIT / SCHMID ANTON / 2 JAHRE ..."

Aufgrund der Grabinschriftensammlung waren die häufigsten in Tarian vorkommenden deutschen Familiennamen: Iseli, Prech, Salzinger, Schneider, Werli, Goldschmidt, Utto, Bachmann, Hartegen, Huj, Kranz, Schalkhammer, Schmidt, Stréhli, Utto, Weiss, Eichhardt, Götz, Huber, Pilczinger, Hartman, Hasenfratz, Reiner, Tressl, Weiler.

Diese Familiennamen sind nahezu alle bis in unsere Tage im Dorf erhalten geblieben. Weitere an den Grabsteinen stehende Tarianer Familiennamen sind: Adam, Andorfer, Antretter, Auer, Bachtahler, Baudendistel, Baumgartner, Beigelbeck, Berendi, Bercsi, Bruder, Brunner, Burghardt, Civis, Dantmann, Ditschi, Eipl, Endres, Erlein, Fail, Fachbach, Fernekes, Fetter, Filips, Fisher, Fleischacker, Faschko, Glas, Gröschl, Grosmann, Harman, Hoffmann, Heidt, Hodap, Hollbauer, hing, Kahn, Klaus, Klausenberger, Krautsieder, Kölmel, Kupfer, Leber, Maier, Martin, Marx, Meixner, Mikonya, Moter, Müller, Molen-ta, Niederecker, Niedermann, Oberle, Paling, Perkl, Pertl, Plett, Pratz, Reinhart, Riez, Rising, Ritsmann, Sandner, Sauer, Schaller, Scheffer, Schlegl, Seiler, Sentner, Singer, Skosa, Sommer, Speier, Steinbacher, Stekmeir, Straubinger, Struphart, Super, Swab, Számvéber, Viha, Weimess, Wenczl, Wiser, Wittmann, Wolf, Wolfrau.

Die letzteren Familiennamen sind etwa zur Hälfte in Tarian - wenn auch nur vereinzelt - noch anzutreffen. Es gibt hingegen viele deutsche Nachnamen, welche nicht mal an Grabsteinen vorzufinden sind, mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind, d.h. sie leben nur noch in den Erinnerungen einiger älterer Personen oder auf den verstaubten Blättern der Kirchenbücher fort. Aus dem Grunde halte ich es für wichtig, hier einige festzuhalten. Ich habe aufgrund der im Pfarramt vorfindbaren Sterbematrikeln eine Liste zusammengestellt, bei der ich - falls es sich um durch Heirat in Tarian Zugezogene handelt - den Herkunftsort angebe: Berger, Bihakker, Brandt, Burgermeister, Czimmermann, Debele, Eberhardt, Eberszkorn, Fleckenstein, Fleischman, Hajdinger (Zsám-bék), Hammer, Kepfler, Laib, Lottenberger, Nekernusz (Kozma), Oberszhau-ser, Reichenbach, Roszman, Schunder (Bajj, Schenkengel, Stokbauer, Szin-reich, Tittmajer, Trombosch (Kecskéd), Tummelshauser, Unferdorben, Waibert (Kis Torbágy), Weiszwasser, Zantleitner (Agostyán).

Die in der Grabinschriftensammlung am häufigsten vorkommenden männlichen Vornamen sind: Johan, Josef, Franz, Georg, Andreas, Anton. Ferner erscheinen auch: Gaspar, Martin, Michael, Stefan und vereinzelt noch: Jakob, Simon, Peter, Mathias, Karl, Gregor, Sebastian, Ferdinand, Lorenz, Kilian.

Unter den weiblichen Vornamen hat man Folgende am meisten verwendet: Anna, Katharina, Maria, Teresia, Elisabeth, Franziska. Mit einer relativ großen Häufigkeit kommen auch Magdalena und Barbara vor und vereinzelt sind noch Rosalia, Cecília, Eugenie, Ewa, Gizela, Johanna, Jozefa, Marianna, Margarete anzutreffen.

Die männlichen, sowie die weiblichen Vornamen erscheinen in den Grabinschriften in ihrer Grundform. Man kennt aber Untersuchungen von Friedhöfen, wo auch Koseformen der Vornamen in den Grabinschriften vorzufinden sind und in erster Linie auf Kindergräben erscheinen. In Tarian hingegen waren bei der Beschriftung von Grabsteinen Kosenamen weder bei Erwachsenen, noch bei Kindern gebräuchlich. Ein einziges Gegenbeispiel ist in dem alten Friedhofsbereich aus dem 18. Jahrhundert anzutreffen: „Maria Subera / Gattin des Kasbi Huj." Es lässt sich erkennen, dass diese Koseform für den männlichen Vornamen Kasper steht, und nachgewiesen werden kann auch durch das Kirchenbuch, dass es sich in dem Falle tatsächlich um einen Kasper Huj handelt, der mit der 1866 verstorbenen Maria Supera verheiratet war. Da aber in Tarian nur dieses Einzelbeispiel zu erkunden war und in den weiteren auf ungarndeutschen Friedhöfen - so u.a. in Pilisvörösvár und Tscholnok durchgeführten Untersuchungen - darauf keine Hinweise zu finden sind, so kann festgestellt werden dass es im Kreise der Ungarndeutschen mit größter Wahrscheinlichkeit nicht üblich war, Kosenamen auf Grabsteine setzen zu lassen.

Das Alter der Verstorbenen

Im Zwischenbereich der Grabinschrift wird - abgesehen von einigen Ausnahmefällen, wo das anscheinend vergessen wurde - nach dem Namen des Verstorbenen direkt oder indirekt auch das Lebensalter angegeben. Also entweder wird das Geburts- und das Sterbedatum genannt, anhand dessen man das Alter errechnen kann, oder es wird dirkek angegeben. Bei der Angabe des Alters handelt es sich - mit Ausnahme der im Kleinkindes- oder Säuglingsalter verstorbenen Personen, bei denen auch Monate, Wochen oder gar Tage angeführt werden - immer um eine volle Zahl.

Hinsichtlich der Angabe des Geburts- bzw. Sterbedatums des Verstorbenen ist das deutsche Format vorherrschend, d.h. an erster Stelle steht der Tag, dem folgt der Monat und an letzter Stelle das Jahr.

Unterschiede weisen sich nur insofern auf, dass neben der zumeist gebräuchlichen sog. alphanummerischen Schreibweise, also mit ausgeschriebenem Monatsnamen („7 Jäner 1938") auch die nummerische Schreibweise („20. IL 1893" / „21/1.1921") an manchen Stellen auftaucht. Hierbei werden in den in Tarian gefundenen Beispielen zur Bezeichnung des Monats römische Ziffer benutzt. Gängig ist ferner die heutzutage als schwedische Schreibweise bezeichnete Jahr-Tag-Monat Reihenfolge („1925 8 Mai").

Von der Nennung des genauen Geburts- bzw. Sterbedatums und des Alters ging man mit der Zeit zur alleinigen Angabe des Geburts- und des Todesjahres über („1878-1949"). Die Tendenz zu solcher Vereinfachung wird vor Ende der 1930er und Anfang der 1940er Jahre an beobachtbar, und ist in unseren Tagen die ausschließliche Bezeichnungsform.

Abkürzungen

Die in Grabinschriften gebräuchlichen Abkürzungen kommen größtenteils im Datum, bei der Abkürzung der ausgeschriebenen Monatsnamen durch einen Punkt („1938 den 6. Sep." / „7. Nov.1933") oder einen Doppelpunkt („1855.16. Feb:" / „26 ten Deze: /1882") vor.

Wahrscheinlich um Grabsteinfläche einzusparen, gebraucht man die Abkürzungen „geb." für geboren, „gest." für gestorben, „u." für und, „d." im Datum anstatt „den" vor dem Tag stehend, „gr.eltern" für das mehrsilbige Wort „Großeltern".

Wegen Platzmangel werden sogar ausnahmsweise ganze Sätze voller Abkürzungen gebraucht wie z.B. „Will ich aufm: eld: u: gesch: wart:" für „Will ich auf meine Eltern und Geschwister warten". Man musste beim Steinmetz nach Buchstaben für die Inschrift bezahlen, was als weiterer Grund der Benutzung von Abküzungen angesehen werden kann.

Da die örtlichen Ungarndeutschen bekanntlich keine Adelstitel innehatten und die Ehrenberufe früher - soweit man sich erinnert, bzw. es durch die Kirchenbücher belegt werden kann - von zugezogenen Personen ausgeübt wurden, die auch nur teilweise bis zu ihrem Lebensende hier im Dorf blieben, sind abgekürzte Adelstitel, amtliche bzw. gesellschaftliche Titel - welchen man auf städtischen Friedhöfen häufig begegnet - im Untersuchungsgegenstand nicht zu finden.

Grabgedichte

Grabgedichte sind die auf dem Grabstein befindlichen sprachlichen Zierelemente, die oft durch Hinweise auf den Verstorbenen den Grabinschriften auch einen persönliches Charakter verleihen. Grabgedichte sind meistens auf Pfarrer, Kantoren, Lehrer oder bäuerliche Gelegenheitsdichter zurückzuführen, so wurden sie im Laufe der Zeit zu einer Spezialgattung der Volkspoesie. Die Grabgedichte vieler ungarndeutschen Friedhöfe entstammten - wie man es in den Untersuchungen nachlesen kann - Vorlagebüchern, welche beim örtlichen Steinmetz hinterlegt und für die eintreffende Kundschaft verfügbar waren. Hierbei handelte es sich zumeist um Friedhöfe größerer Siedlungen bzw. Orte, welche unmittelbar in der Nähe der Stadt - sogar direkt an der Hauptstadt - lagen, wodurch sie mehr mit äußeren Einwirkungen in Berührung kamen. Aus Tscholnok, Werischwar und auch aus der Tolnau wird über Vorlagen berichtet. Das reichliche Material kommt auch in den Inschriftensammlungen dieser Ortschaften sichtlich zur Geltung. In Werischwar konnte sogar aufgrund eines solchen Buches die Klassifizierung der Gedichte nach Länge, Erzählperspektive und Familienstatus bzw. Alter des Verstorbenen vorgenommen werden. In Tarian hingegen gab es weder ein Vorlagebuch noch einen örtlichen Steinmetz, demzufolge war man bei der Wahl des Grabgedichts wesentlich eingeschränkter. Grabsteine ließ man - wie schon erwähnt - hauptsächlich in den Nachbarortschaften Tardos und Héreg anfertigen, die beide nichtdeutschbe-wohnte Ortschaften waren.

Demzufolge waren die Steinmetze der in Tarian gebräuchlicher deutscher Mundart verständlicherweise nicht mächtig. Wie der in Tarian zugezogene, gebürtige Héreger Steinmetz Béla Miskovics berichtete, stand in der Werkstatt seines Vaters nicht einmal ein ungarisches, geschweige denn ein deutsches Vorlagebuch zur Verfügung. Wollte man also außer den wichtigsten Angaben einen längeren Text oder gar ein Gedicht in den Grabstein einmeißeln lassen, sagte man es entweder dem Steinmetz vor, sodass der sich dies notieren konnte, oder man legte ihm den selbst aufgeschriebenen Wunschtext zu Händen. Eine weitere Möglichkeit war, mit dem Steinmetz auf dem Friedhof Absprache zu halten und Vorort von den fertig gestellten Grabsteinen eine beliebige Formen, Symbole und auch Inschriften auszusuchen. War die Inschrift an dem ausgesuchten Grabstein fehlerhaft, so wurde es in den nächsten natürlich genauso falsch eingemeißelt. Wurde eine Inschrift auf diese Weise kopiert, sind im Laufe der Zeit immer wieder erneute Fehler unterlaufen, sodass sie am Ende mit der Originalinschrift nicht mehr viel gemein hatte.

Den gegebenen, hier geschilderten Umständen zufolge gab es in Tarian eine sehr kärgliche Auswahl an Grabgedichten, was sich an den untersuchten Grabinschriften auch sichtlich widerspiegelt.

Am häufigsten sind es prototypische Grabinschriften, mit einer Anfangsbzw, einem Schlussformel und den persönlichen Angaben im Zwischenbereich. Findet man individuelle Noten, die z.B. auf einen Heldentod oder Unglücksfall hinweisen, werden diese weniger in Gedichten, sondern viel mehr im fortlaufenden Text wiedergegeben. Von künstlerischem Charakter zeugen die Zweizeiler (siehe oben die Abschlussformeln), welche man größtenteils in der Abschlussformel gebrauchte, behandelt man diese aber separat, findet man Grabgedichte nur in einer beschränkten Anzahl vor. Da es mir wegen Mangels an Material nicht möglich wäre, eine Kategorisierung von Grabgedichten darzulegen, wie man es von anderen o.g. Studien kennt, werde ich anstatt dessen die wenigen vorhandenen Gedichte hier einzeln anführen und typische Merkmale hervorheben.

Im vorliegenden Gedicht ist der Verstorbene die angesprochene Person. Der Schmerz und das Leiden („im tiefsten Schmerz", „verwaist uns steh'n") der Hinterbliebenen, was ihnen durch den Verlust des geliebten Angehörigen zugefügt wurde, wird thematisiert. Zum Schluss wird aber mit der Hoffnung des Wiedersehens („Nur ein Trost", „ein Wieder seh'n ") Abschied genommen:

Du schiedest schnell im tiefsten Schmerz

Läßt du verwaist uns steh 'n

Nur ein Trost bleibt dem armen Herz

Es gibt ein Wieder seh 'n

In den folgenden Gedichten macht der Verstorbene den Lebenden - als würde er wiederkehren und diese aufklären wollen - die Vergänglichkeit des Menschen ausdrücklich bewusst. Dies erfolgt in einem einfachen, nüchternen, sachlichen Ton, durch eine bildhafte Darstellung: dem Leser wird das Bild des sich auflösenden menschlichen Leichnams vor Augen geführt. Hiernach erscheint aber in beiden Fällen das Jenseitige („Gott", „ein Auferstehen", „unvergänglichen Herrlichkeit") als Gegenpol des minderwertigen, vergänglichen, irdischen Lebens („nach der Erde Weh und Leid").

Hier ruh ich verwesen der

Du bist bin ich einst auch

gewesen knie nieder bette

für mich so bitte ich auch bei

 

Hier ruhe ich und muß verwesen

Nach der Erde Weh u. Leid;

Doch folgt ein Auferstehen

Zur unvergänglichen Herrlichkeit

Bei den letzten beiden Gedichten macht das Inhaltliche eindeutig erkennbar, dass es sich hier um für Kinder bestimmte Grabgedichte handelt („Vater,Mutter gudinaht" bzw. „In meinen kurcen / Lebenz lauf). In beiden Fällen ist der Verstorbene die sprechende Person, die ihre Worte an die Hinterbliebenen - im ersten Gedicht namentlich an die beiden Elternteile - richtet. Der Tod wird euphemisiert, d.h. mithilfe von sprachlichen Mitteln (Verabschiedungsformel ,gudinaht" bzw. „Vekec mih Ja niht nur auf) als Schlafzustand dargestellt:

Vatter, Mutter gudinaht

1h gé und sau

Vaz Jézuz mah

 

Khomet oft cu meinem grab

Vekec mih Ja nur niht auf

Tenkc vas ich gelitten hábe

In meinen kurcen

Lebenz lauf

Darstellung des persönlichen Schicksals

Grabinschriften weisen unterschiedliche, von paar Worten bis hin zu mehreren Sätzen reichende Länge auf. Ist eine Inschrift wortkarg, werden nur die wichtigsten personenbezogenen Angaben des Verstorbenen angeführt, wie Nachname und Vorname (bei Frauen eventuell auch Mädchenname), Geburtsdatum, Sterbedatum und Alter - verschieden kombiniert:

HIR RUHET

JOHAN SEILER

GEB TEN 3 JULI 1819

GEST TEN 26 FEBRUAR

1865

Hier ruhet in Gott Anna Heidt

ihres alters 16 Jahr gestorben

den 24 April 1816.

Wie es sich anhand der Untersuchungen beobachten lässt, ist die Vorkommenshäufigkeit dieser kurzförmigen Inschriften eher für das 19. Jahrhundert charakteristisch, aber natürlich sind aus dem darauffolgenden Jahrhundert auch Beispiele vorzufinden:

Hier ruhet in Gott

Franz Schmidt

1851 + 1930

Magdalena Andorfer

1859 + 1927

 

Ruhe Sanft

Längere Inschriften hingegen beinhalten auch individuelle Noten, führen dem Friedhofsbesucher interessante Einzelschicksale wie Unfälle, Krankheiten oder Heldentod als Todesursachen vor Augen:

(...)

MICHAEL SCHNEIDER

Lediger Sohn der eitern Franc und Maria

Schneider

Geboren in Jahre 1893 den 14 Maij

Gestorben in Jahre 1918 den 18 November

Felectvon einen Granate in Veit Kriege an

der Italienischen Front

STEFAN SCHNEIDER

Ehlicher Man der Anna Fernekhes

Geboren in Jahre 1880 den 4 Dec. Gefahlen in

Veitkriege an der Russischen Front

in Jahre 1914 in August

Herr gib ihnen die evige ruhe

Erihtet durh ihnen liebesohn Jozef Schneider.

rosen garten unsere liebe

engeis kinder ten Sanft

Hier in tisen da virt auf kinder u. var

Ruhe

In diesem Fall handelt es sich um Ehepaar, das mit dem Pferdewagen nach Tata in die Mühle fuhr. Als sie über die Gleisen fahren wollten, wurden sie mitsamt Pferden und Wagen von dem Zug überfahren und waren auf der Stelle tot - so berichten die Gewährspersonen.

Selten werden auch die Berufsbezeichnung sowie der Name des Ehepartners bzw. die Anzahl der gemeinsamen Ehejahre angegeben:

Hier ruhet

Frau

Eugenie Weimess

geb. Wolfrau

Oberingenieurs Witwe

1860-1936

RUHE SANFT

Errichtet durch Familie NIEDERMANN

 

Hier ruhet der in

dem herrn selig entschlaffene

Simon Faschko

durch 47 Jahre Schullehrer

in TAR JAN

gestorben den 28 ten Juni 1866

in seinem 83 ten Lebens Alter.

Sanft ruhe seine Asche

 

Hier ruhet das durch den eh

Johan Salzinger

alt 73 jähr

beite plözlich

in 24 april

in gott

banverunkhkli

par

Teresia Ising

alt 68 jähr

gestorben in 1918.

 

HIER RUHET MICHEL MOLE

NTA GESTORBEN DEN 24 TEN

DECEMBR1820 SEINES

ALTERS. 53. IAHR BECKER

MEISTER

 

Hier ruhet in Gott

Johan Supera starb in seinem

57 ten Lebensalter den 28 ten Sepem

1866 war verheurathet 28 Jahre

sanft ruhe seine Asche

 

HIER RUHET

IN GOTTES NAMEN

ANNA GÖTC

FERELINGTMIT

SCHMID ANTON

2 JAHRE GESTOR

BEN DEN 8 OKTOBER

1905 IN IHREN

20 LEBENSJAHRE GOTT

GEBE IHR DIE EVIEGE

RUHE

5.2 Sprachliche Analyse der Grabinschriften

5.2.1 Die deutsche Minderheit in Ungarn und ihre Mundarten

Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung in Ungarn wurde in der nachtürkischen Zeit im 18. Jahrhundert hier angesiedelt. Wie bereits angedeutet, waren die ersten Siedler Schwaben, aus diesem Grunde bezeichnete man später all die deutschen Siedler als „Schwaben" . Da aber die Ansiedlung tatsächlich aus verschiedenen Herkunftsgebieten ausgehend stattfand, ist heute bekannt, dass die meisten Ungarndeutschen in der Tat Nachkommen von Franken und Bayern sind und nur etwa zu 2% auf schwäbischen Ursprung zurückblicken. Demzufolge kann bezüglich ihrer Sprache festgestellt werden, dass die in Ungarn gesprochenen Mundarten in ober- und mitteldeutschen Mundarten wurzeln.

Die ungarndeutschen Mundarten sind sog. Siedlungsmundarten, d.h. ihre heutige Form bildete sich erst in der neuen Heimat heraus. Zwei sog. Ausgleichsprozesse führten dies herbei: zum ersten fand ein „Ausgleich erster Stufe" statt, d.h. die aus der Usprungslandschaft mitgebrachten Mundarten haben gegenseitig Einfluss auf einander genommen, wodurch sich eine homogene Ortsmundart herausbildete; zum Zweiten vollzog sich im Späteren der sog. „Ausgleich zweiter Stufe", was die gegenseitige Integration der Ortsmundarten benachbarter Ortschaften bedeutete. Bis auf wenige isolierte Fälle bezeichnet man alle in Ungarn vorfindbaren deutschen Mundarten als Mischmundarten. Mehrheitlich handelt es sich hierbei um bairische, fränkische und schwäbische Mundarten, wobei ausdrücklich zu betonen ist, dass diese landesspezifischen Varianten jener deutschen Dialekte sind. (Bellér, Béla / Wilde, Katalin / Szende, Béla/János, Szabó, 1992:114-122.)

Die in Tarian gesprochene Ortsmundart wird den donaubairischen „ua-Mundarten" {Mutter - Muoda, Bruder - Pruada, Bub - Pud) zugeordnet, als „bairisch-österreichisch" bezeichnet.

Als weiteres prägendes Phänomen bezüglich der ungarndeutschen Mundarten ist an dieser Stelle noch die sog. zweifache Überdachung zu erwähnen, d.h. sie werden von der deutschen und der ungarischen Hochsprache zugleich überdacht.

5.2.2 Die Sprache der Grabinschriften in Tarian

Studiert man das Material der in Weischwar, Tscholnok und in der Branau gesammelter Grabinschriften, kann ein überwiegendes Anstreben der deutschen Schriftsprache beobachtet werden. Nimmt man die in Tarian vorfindlichen deutschen Grabischriften unter die Lupe, kann eher das Vorherrschen des Einflusses der ungarischen Sprache, sowie eine starke mundartliche Färbung festgestellt werden. Der starke Einfluss der ungarischen Sprache darf meines Erachtens nicht als Spiegelbild der allgemeinen Sprachverhältnisse angesehen werden. Dieses Phänomen ist mehr - so denke ich - auf zwei Tatsachen zurückzuführen. Zum einen darauf, dass die Tarianer mangels örtlicher Steinmetzen ihre Grabsteine, somit auch die Inschriften - worauf sich durch die Signaturen schließen lässt - größtenteils in den umliegenden nicht deutschbewohnten Ortschaften anfertigen ließen, wo die Steinmetze weder der deutschen Hochsprache noch der Ortsmundart von Tarian mächtig waren, und auch nicht über ein deutsches Vorlagebuch verfügten. Zum anderen kann - wie ich denke - die ungarische und auch die mundartliche Färbung auch daraus resultieren, dass die Tarianer in relativer Abgeschiedenheit von deutschbewohnten Städten bzw. grösseren Siedlungen lebten und demzufolge in geringen Maßen mit deutschsprachigen Schriftprodukten sowie der deutschen Hochsprache allgemein in Berührung kamen. Die Kirche war lange Zeit das einzige Forum, wo man die deutsche Hochsprache gebrauchte, dies bedeutete aber noch lange kein aktives Sprachvermögen. Man hat die Predigten angehört, die Lieder mitgesungen und einzelne Formeln nachgesprochen, bzw. die Gebetsbücher - welche allerdings oft aus dem 18 - 19. Jahrhundert stammten, als noch keine einheitliche, deutsche Orthographie existierte -. Auf diesem Wege bildete sich lediglich eine, rezeptive Sprachkompetenz aus. Produktivität wurde auch nicht im schulischen Rahmen angestrebt. So war in Tarian in erster Linie die nur in mündlicher Form existente Ortsmundart prägend.

Ferner war das im institutionellen Bereich gebrauchte Ungarisch anwesend, und mit Sicherheit nahm auch die unmittelbare Nähe sämtlicher nichtdeutscher Siedlungen einen Einfluss auf die allgemeinen Sprachverhältnisse und somit indirekt auch auf die Beschriftung der Grabsteine in Tarian.

Im Folgenden möchte ich zur Veranschaulichung der starken mundartlichen sowie der ungarischen Färbung Beispiele anführen.

Lernte man Anfangs- bzw. Abschlussformeln und die Angaben durch die jahrelange Praxis auch in fehlerfreier oder nahezu fehlerfreier Form schreiben, kam jedoch im Falle längerer Texte die Färbung der ungarischen Sprache, sowie der Mundart zum Vorschein:

Hier ruhet in Gottesz

Namen

FRANCZISKA SZAJIER

gestorben 1910 23. Febr

Alt 58 jahre

 

Ruhe Szamft!

 

Hier ruhet in Gottesnamen

unzer libes kind

ELIZABETA HARTEGEN

gestorben im Jahre

1927 den 10 Feber

Hier in dizentrauer

Garten.ver.ih meine.liebe

Eltern. Gesvistern

und GrosEltern ervarten

 

Vatter Mutter gudinaht

1hgé und sau

Vaz Jézuz mah

 

Hier ruhet in Got

Josef Werli

geboren in 1863

gest. 1918. 8. nov

 

Hier in tisen trauer

garten vil ih auf

meine kinder varten

 

Ruhe Sanft!

An folgender Stelle sollen Gegenbeispiele angeführt werden, die von einem nahezu korrekten Gebrauch der deutschen Hochsprache zeugen:

Hier ruhet in Gott

unsere hebe Tochter

Anna Uttó

gest am 29 Juh 1915

im 18 Lebensjahre

Friede Ihrer Asche!

 

Hier in Diesen Trauergarten

Werde ich auf meine heben Eltern

Und Geschwister warten

Ruhe sanft in Jesu Namen

In diesem Falle ist kein Hinweis in Form einer Signatur auf den Steinmetz vorhanden.

Gelopt sei Jesus Kristus

Hier ruhet

Unser liebes Kind

Josef Schneider

Alt 7 Jahre

gestb. den 7 Jäner 1938

Ruhe Sanft

 

Tief beweint von den Eltern

Bruder u. Großmutter

 

Jesus sei ihm barmherzig

Im Himmel werden wier uns

Wiedersehen

Du liebes unvergeßliches Kind

Hierbei handelt es sich um die Anfertigung des Steinmetzen namens Stark F. aus Piszke (bei Süttő/Schitte). Wie auch der Nachname und Herkunftsort ahnen lassen handelt es sich um einen deutschstämmigen Handwerker, was sich auch in der Sprachverwendung der Grabinschrift zu widerspiegeln scheint. Ferner soll hier angeführt werden, dass in der Grabinschriftensammlung von Tscholnok der gleiche Steinmetz bei zahlreichen auch längeren, teilweise mit Grabgedichten verzierten Grabinschriften aus den 1930er Jahren in Erscheinung tritt.

Geloht sei Jesus Christus!

Hier ruhet mein lieber Eheman

Johann Adam

gestorben am 23 Januar 1936 alt 67 Jahr

Tief betrauert von seinen Eheweib

Kinder und Freund

Hier erwarte ich mein liebes Eheweib

Katharina Adam

geb. Schalkhammer

gestorben am (--) 1954 alt 83 Jahr

 

Du schiedest schnell im tiefsten Schmerz

Läßt du verwaist uns steh 'n

Nur ein Trost bleibt dem armen Herz

Es gibt ein Wieder seh'n

 

Ruhe im Frieden

Im Anschluss an diese Grabinschrift ist die Signatur des - dem Namen nach -ebenfalls deutschstämmigen Handwerkers „Káhn Mih." aus der nahe gelegenen größeren deutschbewohnten Ortschaft angeführt, was in meinen Augen für den Sprachgebrauch und auch das Vorhandenseins eines in Tarian nur vereinzelt vorkommenden Grabgedichtes eine Erklärung gibt.

Zum Andenken an

meinen lieben unvergeßlichen

Ehemann

Johann Schneider

Er gab im fernen Rußland

sein teures Leben für das

Vaterland

geb. 15. Okt. 1903

gefallen 26 Mai 1942

 

Unvergeßlich bleibst Du

in unseren Herzen

Schneider Ferenc

(1912-1973)

Andorfer Teréz

(1906-1984)

Letztere Grabinschrift ist mit höchster Wahrscheinlichkeit - da die Anfangsformel und die unten in ungarischer Sprache und Form angeführten Verstorbenen darauf schließen lassen - eine 70er Jahre Anfertigung, was den fehlerfreien Gebrauch der deutschen Hochsprache zu begründen scheint.

Die Verbreitung ungarischer Grabinschriften ist auf dem Tarianer Friedhof von Anfang der 1940er Jahre zu beobachten. Dies ist kein ortsspezifisches Phänomen.

Hier spricht man von der Phase einer Entdeutschung bzw. einer Assimilierung der Deutschen. Durch die zunehmende Industrialisierung, die staatliche Förderung der ungarischen Hoch- und Umgangssprache, die Entdeutschung der Volksschulen gewann die ungarische Sprache gegenüber Ortsmundarten bzw. der deutschen Hochsprache immer mehr an Wichtigkeit. Wollte man in einem prestigeträchtigen Beruf arbeiten, war es erwünschenswert seinen Namen zu madjarisieren. Die Assimilierung zeigte sich aber langsam in allen Lebensbei-chen. Auch auf dem Friedhof wurde etwa von 1936 an vereinzelt die Anfangsformel „Hier ruhet" durch „Itt nyugszik" ersetzt. (Mikonya, József, 1992:89) Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Assimilierungsprozess noch stärkere Ausmaßen an, es wurde sogar auf eine Verdrängung des Deutschen hingearbeitet. So verschwanden auch die deutschsprachigen Grabinschriften vom Friedhof- zumindest einige Zeit lang - gänzlich.

In späteren Jahrzehnten erscheinen vereinzelterweise Grabinschriften mit deutschen Grabgedichten. Diese sind Familien bzw. Personen zuzuordnen welche bis zum heutigen Tage einen besonderen Bezug zur ungarndeutschen und mittlerweile zur deutschen Kultur und Sprache haben und dem auch auf diese Weise Ausdruck verleiehen. Solche Einzelbeispiele sind: Bachmann András 1942-1990

 

Wenn Liebe könnte Wunder tun

Und Tränen Tote wecken

dann würde dich gewiss nicht hier

die kühle Erde decken

 

PRIVIGYEI ANDREA

1970-1989

PRIVIGYEI JÓZSEF

1946-1992

NEJE

BERENDI TERÉZ

1949-

DU BLEIBST IN EWIGER ERINNERUNG DEINER ELTERN

 

 

ELTüNNEK A BOLDOG

KÁPRÁZATOK MINDEN

MI AZ ÉLETNEK SZINT

ADOTT KIALSZIK A

REMÉNYEK CSILLAGA

S A LÉLEK VAN

A PUSZTÁBA MAGA

/JUHÁSZ GY/

DEM VATER UND DER

MUTTER MEIN WAR

ICH EIN LIEBES

TÖCHTERLEIN GOTT

ABER DEM ICH LIEBE

WAR NAHM MICH AUF

ZUR ENGELSCHAR

Hinter den Zeilen der letzteren Grabinschrift steht eine Familientragödie. Die junge Frau, die im Alter von 19 Jahren bei einem Autounfall vestarb, hatte eine besondere Vorliebe für die deutsche Sprache, sie wollte Dolmetscherin werden. Drei Jahre nach ihrem Tod, nahm sich auch der Vater das Leben. So lebt heute nur noch die Mutter, die aber aus Tarian weggezogen ist.

Bei den oben angeführten Grabinschriften spricht man aber nicht mehr von einer reinen deutschen Grabinschrift, wie es die früheren waren. Denn sind innerhalb einer Inschrift Elemente beider Sprachen - sei es nur eine Datums -oder Namensangabe in der jeweils anderen Sprache - nachweislich vorhanden, so ist diese als zweisprachige Inschrift anzusehen. Von den 80er Jahre an kann man eine Tendenz zur Wiederverwendung, zur Wiederfindung der deutschen Sprache beobachten.

5.2.3 Sprachliche Erscheinungen in den Grabinschriften

Zunächst möchte ich auf die einzelnen sprachlichen Phänomene der Grabinschriften im Bereich der Graphematik, Morphologie, Syntax sowie der Lexik eingehen. Die Grabinschriften in Tarian - betrachtet man sie in ihrer Ganzheit - weisen einen hohen Grad an Fehlerhaftigkeit, Unkorrektheit auf.

5.2.3.1. Graphematische Besonderheiten

d.h. im 19. Jahrhundert zwei verschiedene Schrifttypen erwähnen. Einerseits haute man die Inschriften in ganz schlichter Blockschrift aus, gleichzeitig schien aber auch die Frakturschrift anwesend zu sein, die sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, bis zur Verbreitung der ungarischen Inschriften, gehielten hatte. Die Antiquaschrift war schon von den 1920-er Jahren an vereinzelt auffindbar, eine weite Verbreitung fand sie jedoch erst mit der Verbreitung des Ungarischen. In kurzer Zeit wurde sie von der Blockschrift abgelöst (s. Abb. 52.)

Nun möchte ich auf die einzelnen graphematischen Besonderheiten in den Inschriften zu sprechen kommen. Es muss im Voraus gesagt werden, dass in zahlreichen Fällen eine geballte Fehlerhaftigkeit vorkommt, solche Fälle werden an der Stelle des jeweiligen Phänomens erneut aufgezählt.

Als ein überaus starker Enfluss erweist sich in der deutschen Grabinschriftensammlung aus Tarian - wie bereits erläutert - die ungarische Sprache. Die daraus resultierenden häufigsten Phänomene realisieren sich im Konsonantenbereich, in der Verwendung ungarischer Grapheme. Die Beispiele sollen hier nach Graphemen geordnet, jeweils mit der korrekten Form in Klammern aufgelistet werden:

v-w

Vill (will), virt (wird), ver (werde), Vekec (weckt's), Gesvistern (Geschwistern), var (war), evige (ewige), ervarten (erwarten), beveind (beweint), Veitkriege (Weltkrieg), geviedmet (gewidmet), Veib (Weib), varte (warte), vaz (was), Sch-vieger Sohn (Schwiegersohn)

Diese Erscheinung tritt auch als Hyperkorrektion auf, d.h. bei einer übermäßigen Anstrebung des korrekten Gebrauchs der deutschen Sprache werden Fehler erzeugt, welche auf diesen Anpassungsdrang zurückzuführen sind: Werehe-lichten (verehlichten), Nowember (November), won (von)

f-v

Fereliht (verehlicht), unfergesliche (unvergeßliche), Felect (verletzt), Fater (Vater) banverunklikli (durch die Bahn verunglückte)

h-ch

ih (ich), mih (mich), niht (nicht), auh (auch), durh (durch), mah (macht), erihtet (errichtet), gudinaht (Gute Nacht), Knidih (knie dich), vereliht (verehlicht),

k-ck

bahnverunklikli (durch die Bahn verunglückte),

s/sh - sch

gesvister (Geschwister), Shalkamer / Salkammer (Schalkammer), italienishen

(italienischen), sau (schau), ASSE (Asche)

c - z / ts

cu (zu), kurc (kurz), Franc (Franz), Tenkc ( denkt's), Vekec (wecket's)

Auch hier erscheinen die sog. „hyperkorrigierten" Formen, wie: Marcz (März),

Franczischká (Franziska)

z- s

Lebenz lauf (Lebenslauf), rozen Garten (Rosengarten), vaz (was), tizen (diesen), unzere (unsere), Jézuz (Jesus)

s- z

Hersen (Herzen)

sz- s

szeine (seine), isz (is), szeptember (September), szamft (sanft), Gottesz (Gottes)

Aus der Abweichung der gesprochenen und geschriebenen Sprache, bzw. den mangelnden Kenntnissen der Schriftsprache ergibt sich die Problematik der fehlenden Konsonantenverdopplung in den Inschriften: vil (will), Eheman (Ehemann), erihtet/erichtet (errichtet), egatin /ehgatin /egatin (Ehegattin), Gatin (Gattin), Gate (Gatte), muter (Mutter), schlumre (schlummere), Got (Gott), rus-land (Russland), Gros muder (Grossmutter), desen (dessen), aufgestelt (aufgestellt), Khomet (kommt), Shalkamer (Schalkammer).

Diese Erscheinung taucht auch häufig in der entgegengesetzten Form auf, d.h. nicht zu verdoppelnde Konsonanten werden verdoppelt, so entstehen auch hier „hyperkorrekten" Formen: Vatter (Vater), Brutten (Bruder), entschlaffene (entschlafene), Ruche (Ruhe), spez. Gefahlen (gefallen), betted (betet).

Ebenfalls der abweichenden Schriftsprache zuzuschreibende Unkorrektheiten treten im Bereich der Markierung der Vokallänge - nämlich durch das Fehlen verschiedener Dehnungszeichen - auf:

Dehnungs-h

ser (sehr), Eweib (Eheweib), egatin /egatin (Ehegattin), jare (Jahre), ire (ihre), im (ihm)

Nicht nur die fehlende, sondern auch die überflüssige Markierung durch das Dehnungs-h tritt in den Grabinschriften in Erscheinung: Nahmen (Namen), ge-bohrene (geborene)

Vokalverdopplung

Hierfür konnte nur ein einziges Beispiel gefunden werden: ehepar (Ehepaar).

durch Dehnungs - e

Nider (nieder), hir (hier), libt (liebt), nochvil (noch viel), tif (tief), Schwi-gertöchter (Schwiegertöchter), Fride (Friede), disen (diesen). Auch an dieser Stelle konnten zahlreiche Beispiele für eine Hyperkorrektion gefunden werden: gieb (gib), dier (dir), ewiege (ewige), gewiedmet (gewidmet), wier (wir), wierst (wirst).

durch Akzente

Auf einen relativ starken Einfluss des Ungarischen weist die häufige Verwendung der inm Ungarischen gebräuchlichen Akzentzeichen zur Markierung der Vokallänge auf: hábe (habe), Franczischká (Franziska), Jähre (Jahre), éhgat-tin / éhégattin (Ehegyttin), éhémann (Ehemann), Júli (Juli), Lédiger (lediger), Dénkmal (Denkmal), járe (Jahre), (geh), Jézuz(Jesus), Vor- und Nachnamen : Préch (Prech), Hartégen (Hartegen), Andreás (Andreas)

In der Großschreibung von Substantiven ist keine Einheitlichkeit zu beobachten, das wiederum aus der generellen Kleinschreibung von Appellativa im Ungarischen resultiert: heltentod (Heldentod), gott (Gott), grab (Grab), garten (Garten), rosengarten (Rosengarten), erde (Erde), name (Name), alter (Alter), lebensjahr (Lebensjahr), jare (Jahre), monat (Monat), andengen (Andenken), februar (Februar), marcz (März), august (August), szeptember (September), nov. (Nov.), ruhe (Ruhe), familie (Familie), muter (Mutter), gr.eitern (Gr.eitern), kinder /khinder (Kinder), engelskinder (Enkelkinder), eitern (Eltern), gesvisten (Geschwister), gate (Gatte), eh par (Ehepar), egatin / ehgatin (Ehegattin), weib (Weib), friede (Friede), asche (Asche).

Aber auch im Falle von Eigennamen taucht Kleinschreibung auf: bezkerek (Becskerek), rusland (Russland).

Als entgegengesetzte Erscheinung ist die Großschreibung von Nicht-Substantiven zu beobachten. Dies liegt entweder an den mangelnden Kentnissen der Schriftsprache, wie z.B. im Falle von Großschreibung der Verben: Gestorben (gestorben), Ruhet (ruhet), Erichtet (errichtet), Warten (warten), Felect (verletzt). Genauso gut kann es aber in vielen Fällen auf eine appellative Funktion hinweisen, nämlich auf die Markierung von Wichtigkeit. Solche sind z.B. Personalpronomen: Ihr (ihr), Ihnen (ihnen), Sein (sein), Seiner (seiner), Unser (unser), Du (du), Einander (einander) oder

Starke dialektale Einflüsse treten durch Konsonantenschwächung (Lenisierung) auf, d.h. stimmhafte Konsonanten werden - meistens im In- und Anlaut, selten auch im Auslaut - stimmlos ausgesprochen:

b-p

Im Inlaut: geporne (geborene), Novenper (November)

g-k

Im Inlaut: Rosenkarten (Rosengarten), banverunklikli (durch die Bahn verunglückt),

d-t

Im Anlaut: Tenkc (denkt's), turch (durch), tizen (diesen), ten (den) Im Inlaut: werten (werden), Brutten (Bruder), gewitmet (gewidmet), beite (beide), heltentod (Heldentod), Goltschmit (Goldschmidt), Friete (Friede), Im Auslaut: virt (wird), unt (und),

Die entgegengesetzte Form der vorherigen Erscheinung ist auch anzutreffen, indem stimmlose Konsonanten stimmhaft ausgesprochen werden (Konsonantenverstärkung/ Fortisierung):

k-g

Im Inlaut: andengen (Andenken), Engel (Enkel), Engelskind (Enkelskind)

Im Auslaut: scheng (schenk)

t-d

Im Anlaut: dun (tun), den (ten) du (tu), dreie (treue)

Im Inlaut: Eidern (Eltern), Worden (warten), Gros muder (Grossmutter)

Im Auslaut: betted (betet), Ruhed (ruhet), tud (tut), beveind (beweint)

Bei der gesprochenen Form von Dialekten erscheint auch eine generelle Tendenz zur Nasalisierung, was hier auch in der schriftlichen Form gebraucht wird: z.B. wird das K im Anlaut nasalisiert: Khomet (kommt),), khind (Kind), Khinder (Kinder). Auch andere Konsonanten werden nasal ausgesprochen; verheurathet / verheirathet (verheiratet)

5.2.3.2 Morphologie

Eine gängige Erscheinung im morphologischen Bereich ist der Gebrauch des für die Mundarten typischen, sog. „Akkudativs", d.h. Akkusativ und Dativ fallen zusammen: der Gebrauch des Dativs fällt zugunsten des Akkusativs weg. Am häufigsten anzutreffen ist dies in den Schlussformeln, bei der Auflistung der trauernden Hinterbliebenen: „Tief betrauert von Ihren Eheman", „Betrauert von Ihren Gatten"; oder auch im meistverwendeten Zweizeiler: „in diesen trauer Garten", „hier in den rosengarten"; in der Anfangsformel: „seine Seele den lieben Gott zurückgegeben" in Grabgedichten: „cu meinen Grab" bzw. „in meinen kurzen Lebenz lauf"; bei der Angabe des Alters: „in ihren 59 Lebens Jahre". Die richtige Verwendung ist aber auch anzutreffen: „Tief beweint von den Eltern, Bruder und Großmutter", „zum Andenken an meinen lieben unvergeßlichen Ehemann", „unter diesem Grabesstein ruhet".

Bei der Konjugierung der Verben erscheint in der dritten Person Singular an manchen Stellen ein zusätzliches, sog. prothetisches e - was dem Geschriebenen eine archaische Form verleiht: „ruhet", „Khomet", „Vekec", „Kniet"

Weitere Unregelmäßigkeiten weisen sich noch durch verkehrte Präpositionenverwendung, bzw. durch das Fehlen einer Präposition auf: „Hier warte ich mein ehgatin", „vill ich auf meine übe Eltern gesvistern und gros Eltern ervarten".

Für das vorangestellte Genitivattribut konnte folgendes Beispiel gefunden werden:,, der Erde Weh und Leid", „ihres Alters 59". Das als Attribut verwendete, dem Substantiv nachgestellte Possesivpronomen ist vor allem für Grabgedichte charakteristisch und da diese in Tarian nur in geringen Maßen zu finden sind, kann für diese Erscheinung ein einziges Beispiel -  allerdings von einem später gesetzten Grabstein - angeführt werden: „DEM VATER UND DER MUTTER MEIN"

5.2.3.3 Syntax

Im Bereich der Syntax wird kaum Unkorrektheit vorgefunden, die Kongruenz von Prädikat und Subjekt ist nahezu in jedem Fall vorhanden: „Hier ruhet" -  wird im Singular, „Hier ruhen" - im Plural verwendet. Eine Ausnahme bil den jedoch Fälle, wo später eine zusätzliche Beerdigung in derselben Grabstelle stattfand hatte und dies im Voraus nicht beachtet wurde. Eine mangelhafte In terpunktion ist zu beobachten, was aber wahrscheinlich der schweren Lesbar keit der Inschriften zugeschrieben werden kann.

5.2.3.4 Lexikologische Besonderheiten

Eine relativ große Vorkommenshäufigkeit zeigt in diesem Bereich, dass die Getrennt- bzw. Zusammenschreibung nicht konsequent durchgeführt wird. Oft erscheinen Gelegenheitszusammensetzungen, wie z.B.: Knidih (knie dich), nochvil (noch viel), Friedeihrer (Friede ihrer), liebesohn (lieber Sohn), banfe-runklikli (durch die Bahn verunglückt), vilich (will ich), Gottesnamen (Gottes Namen), gudinaht (Gute Nacht), unvergeßlichelibe (unvergeßliche, liebe). Diese Unregelmäßigkeiten resultieren zum größten Teil aus dem starken Einfluss des „Schreib wie du sprichst"- Prinzips. Zum anderen lassen sich aber praktische Zwecke im Hintergrund vermuten: man war bestrebt Worttrennungen zu vermeiden, da aber die Fläche der Schriftplatten der Grabsteine gegeben war, musste man sich dieser anpassen, so wurden oft auch gezwungenerweise Leerzeichen weggelassen, dies konnte u.a. zu o.g. Zusammensetzungen führen.

Oft werden die zwei Glieder von Komposita getrennt geschrieben: Beispiele sind hierfür: Lebenz lauf (Lebenslauf), Lebens Jahre (Lebensjahre), e gatin (Ehegattin), eh par / Ehe Paar (Ehepaar), rozen Garten (Rosengarten), Engel Kinder /engeis Khinder (Enkelkinder), Schieger tohter (Schwiegertochter), gros Eltern (Grosseltern), Gros muder (Grossmutter), Schlacht Feld (Schalachtfeld), Rosen Garten (Rosengarten), Grabes hülle (Grabeshülle), trauer Garten (Trauergarten), Wieder seh 'n (Wiedersehen), Veit Kriege (Weltkrieg), Ehlicher Man (Ehemann).

Als lexikalische Besonderheiten erweisen sich mundartlich geprägte Lexeme wie z.B. : Weib (Frau), Jäner (Januar), Feber (Februar), seini (seini), ihner (ihnen).

6. Zusammenfassung

Durch diese Arbeit habe ich mir zum Ziel gesetzt, die Sitten und Bräuche der Tarianer Deutschen bezüglich ihrer Beziehung zum Sterben, Tod und ihrer Begräbnis- bzw. Friedhofskultur im Wandel der Zeit zu beobachten. Die Funktion der Familie schwindet und wird allmählich in den institutionellen Bereich verlagert. Diese Veränderungstendenz ist kein ortsspezifisches Phänomen, es wurde durch eine allseitige Entwicklung und Werteverschiebung herbeigeführt. Festgestellt werden können in Tarian zwei markante Punkte, welche diesen Pro-zess beschleunigen: Zum einen ist es die Erweiterung des „Totenhäusels" zu einer Aufbahrungshalle in den 60er Jahren, wodurch die Beerdigungszeremonie von dem eigenen Hause im Wesentlichen auf den Friedhof verlagert wird. Zum anderen ist es die Erscheinung von städtischen Bestattungsunternehmen unmittelbar nach der politischen Wende, welche durch die Abwicklung des Organisatorischen die Familien im großen Maße entlasten. Durch das Zusammenwirken dieser Faktoren ist eine zunehmende Vereinfachung der Bestattungsbräuche zu beobachten. Bis in unsere Tage konnte nur ein Bruchteil dieser symbolisch fortleben, eindeutig festgestellt werden kann jedoch, dass an diesen nach wie vor festgehalten wird.

Im Bereich der Friedhofskultur konnte ich eine vollständige Anpassung an die entwicklung der Grabmalkultur der jeweiligen Zeit bzw. an das jeweilige Angebot der Steinmetze beobachten. Anstelle der früheren kalk- bzw. sandsteinernen Grabsteine finden in Tarian von den 1940er Jahren an die Grabmäler aus Kunststein eine Verbreitung. Die früher auch zum Ausdruck von bestimmten religiösen Inhalten dienenden Symbole haben im Laufe der Zeit an Vielfalt verloren und haben sich entleert, so dienen sie heute primär eher zur Verzierung. Im Bereich der Formen ist auch eine Vereinfachung zu beobachten, von den 60er Jahren an sieht man die massenproduzierten viereckigen Grabsteine nur die Verzierung ändert sich nach dem Trend der jeweiligen Jahre. Von den 80er-90er Jahren werden die viereckigen Grabsteine ganz schlicht und einfach, ohne herausragende Verzierung bevorzugt, nur im Material, in Farbe bzw. der Qualität der Ausfertigung sind Änderungen anzutreffen.

Das zweite Hauptanliegen meiner Arbeit war die Grabinschriften meines Heimatortes aufzuzeichnen und im Anschluss diese nach sprachlichen Phänomenen zu untersuchen. Dank der relativ guten Fassung des Großteils der Grabsteine konnten nahezu alle deutschen Grabinschriften gelesen und dokumentiert werden. Im Rahmen der Analyse waren hauptsächlich im Bereich der Orthographie Abweichungen von der heutigen deutschen Schriftsprache zu erkennen, welche aus dem Vorherrschen der gesprochenen Sprache und dem starken Einfluss des Ungarischen resultieren. Als überwiegend erwies sich die Widerspiegelung des letzteren Einflussfaktors, was nicht zuletzt auch auf die nicht-deutschen Steinmetze der umliegenden Ortschaften - bei welchen die Tarianer ihre Grabsteine anfertigen ließen - zurückzuführen ist. Auch das spärliche Vorhandensein von Grabgedichten dürfte aus dieser Tatsache erfolgen. Demzufolge zeugen die deutschen Grabinschriften in Tarian von keiner grossen Vielfalt und Kreativität. Im Bereich der Anfangs- und Abschlussformeln sind 4-5 gängige Variationen bzw. an manchen Stellen auch Kombinationen dieser zu beobachten, so ist im Großen und Ganzen eine Einfachheit festzustellen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wird die ungarische Sprachverwendung der deutschen auch im Bereich der Grabinschriften überlegen. Parallel setzt durch die Beschränkung der Angaben auf den Namen, das Geburts- und Sterbejahr inhaltlich gesehen eine Vereinfachung der Grabinschriften ein. Dies bringt eine allgemeine Entpersonalisierung des Verstorbenen mit sich.

Aufgrund der Komplexität des Themas meiner Arbeit wären - so denke ich - in allen einzelnen Teilbereichen weitere Forschungen und Untersuchungen -eventuell unter Einbeziehung weiterer Aspekte - möglich und auch begrüßenswert. Ich denke jedoch ein Material zusamengestellt zu haben, das wichtige Momente, Zustände und Ereignisse der Todes-, Bestattungs-, und Friedhofskultur der Tarianer Deutschen in einer Zeit dokumentiert, wo das alte Brauchtum mit seinen Werten mit jedem Tag schwindet, sogar vom Aussterben bedroht ist. Sicherlich kann man diesen Prozess nicht stoppen. Ich hoffe jedoch, durch meine Arbeit die Aufmerksamkeit in Tarian auf die Wichtigkeit der Erhaltung der alten Werte der Friedhofs- und Bestattungskultur zu lenken und auf diese Weise zu einer gewissen Entgegenwirkung anzuregen.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Gewährspersonen:

Bibliographie

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Abb. 1 Denkmal-Zweiter Weltkrieg
 
Abb. 2a. Abschiedsrede - Özv. Plettné/Originaltext Seite 1.
 
Abb. 2b. Abschiedsrede - Ozv. Plettné/Originaltext Seite 2

Originaltext von Abb. 2.:

Özv. Plettné

1958. XI.13.

-1-

Mein liebe Kinder in der Weite

Ihr wist es nicht was heut geschiegt!

Hört nicht die Glocken traurig tönen?

Weil ich muss heut zum Grabe hien.

Wenn ihr wirf kommen, kommt zum Grabe

Wo die Trägern mich tragen hien,

Vergießet dort ein Wemutsträhne

Wo eu 'r Mutter ruht sanft und still.

-2-

Umsonst streck ich nach euch die Hände,

Es hilft nichts ich mus wandern ein.

Bis ihr zurück kommt, ist vermodert

Schon villeicht lange mein Gebein.

Mein Geist wird bringen ihr mein Liebe

Ein Abschiedskuß in ferne Land.

Nun lebet wohl! Es soll euch schützen

Das treuen, guten Gottes hand.

-3-

O mein einziger Sohn du guter

Komm maneksmol hin zu meinem Grab.

Und bett' innigst für deine Mutter

Die Heute sinket dort hinab.

Du liebe Stieftochter du gute

Und ihr alle ihr Kindskinder,

Auch ihr mein liebe Enkelskinder

Gott soll eur' Leben reuch segen

-4-

Liebe Schwiegerseltern und Freunde

Gefattersleit und Nachbarsleit

Wier werden froh uns wiedersehen

Dort oben in die Ewiegkeit

Jetzt tönt ihr Glocken, tönt ihr traurig

Eur'Stimm ruft über Berg und Thal.

Tönet ihr Glocken lieblich und Laut

Bekleidet mich im Himmelauf.

 

Ich wollte auch teilnähmen

Von Eur große Schmerzen

Und grüße Euch Beiden

Von innigsten Herzen

 

Jósef/.Szerényi./Steinbacher

 

Abb. 3a Hinweise aufdie Choleraopfer von 1866
 
Abb. 3b. Siehe die Spalte vor Seitenmitte
 
Abb. 4. Todesursache Cholera (1866)
 
 
Abb. 5 Denkmal - Erinnerung an die Choleraopfer (1866)
 
Abb. 6. Denkmal - Erinnerung an die Choleraopfer (1866)
 
7 - Ein Schreiben über die Beerdigung eines
Freitoten durch den reformierten Pfarrer

Originaltext von Abb. 7.:

Római Kath. Plébániai Hivatal

Tarján

Az ottani halálozási anyakönyvbe való bejegyzés végett

az alábbi adatokat van szerencsém tisztelettel átvenni

 

A meghalás éve s napja 1934 április hó 21

A meghalt neve, felekezete Prech Márton, rom. kath. kocsmáros

Származási és lakhelye Tarján, Ujvilág

Neme férfi

Életkora 62 év

A halál oka agyvérzés /Feljegyzés: agyonlőtte magát/

Gyógy Kezelő orvos Dr. Deutsch Dávid

Temetés helye s napja Tarján, 1934 április 23

Eltemető neve s hivatala László Géza héregi ref. lelkész

Jegyzet Az eltemetést a rom Kath plébános

megtagadta s felek kérelmére temette

el a helybeli lelkész hivatalos úton távolléte

miatt a héregi lelkész. Az adatokat a tar

jáni rom. Kath. lelkészt hivatalhoz bejegy

zés végett áttetettik.

 

Tarján, 1934. 04. 24.

Tisztelettel: Besse Lajos ref. lelkipásztor

ALL HIER
RUHEN DIE DREI JUNGE
 KNABEN VELCHE UER
SCHIDEN.SEIN. IN ZEHEN
 TAGEN
 IOSEPHUS
lOANNES
ADAMUS
WISER
GEWESTT HERRSCHAFTLICHEN GAST
GEBER S SOHN GESTORBEN DEN
18: XBER 1774

Abb. 8. lohannes, losephus, Adamus Wiser(gest 1774)

ALLHIR RUHET (...)
 GOTTSELIG UERSCHIDENE
FERDINAND WISER.
GEWESTER 27 IAHR HER
SCHAFTLICHER GASTGEPER
SEINES ALTERS 45 IAHR
GESTORPEN DEN2
AUGUSTI ANNO 1789 GOT
GEPIN DIE EWIGE RUH

Abb. 9. Ferdinand Wíser (gest. 1789)

   
Abb. 10. Sterbematrikelauszug 1789-90
   
Abb. 11-12. GrundbuchblattNr. 75/Seite 1 und 2
(Grundstucke der Tarianer Römisch-Katholischen Kirche)
   
Abb. 13-14. Grundbuchblatt Nγ 75 Seite 3 und Nr 809 Seite 1
   
Abb. 15-16. Grundbuchblatt Nr 809 Seite 2 und Nr 811 Seite 1
   
Abb. 17 Grundbuchblatt Nr 811 Seite 2 Abb. 18 Leichenhalle früher
   
Abb. 19 Leichenhalle früher Abb. 20 Leichenhalle heute
   
Abb. 21 Gebetbuch (Messpiachl) aus 1783         Abb. 22. Gebetbuch (Messpiachl) aus 1895
   
 Abb. 23 Gebetbuch (Messpiachl) aus 1903 Abb. 24. Mariagebet
   
Abb. 25. Ein Gebet für die verstorbenen Kriegssoldaten, zu Allheiligen von
der ältesten Rosenmutter im Friedhof vorgelesen - seit dem ersten Weltkrieg
   
Abb. 26. „Rosenkranzlieder"'- d.h inTarian nur für Rosenkranzfrauen gesungenzum Abschied am Grabe oderin der Trauermesse Abb. 27. wird an Allheiligen im
Friedhof als Gedenkenan die verstorbenen
Kriegssoldaten gesungen - seit dem ersten Weltkrieg
EHRENDIPLOM
Zur Ehre unserer Fahnenmutter
ANNA OBELE
Geboren in Jahre
 1884.
Den Sianct-Josef Leichenverein ein höchstfreundliches Opfer die
Fahnenmutter zeichen.
Sanct Josef
 
zur Ehre hinspendet wo sie als Fahnenmutter undzwar als Ehrenmutter
ernannt wurde.
Sämtliche Vereinsmitglieder geben Ihr einen höchstfreundlichen
Dank für ihre Spende
Der liebe Gott segne Sie samt ihren getreuen Gemahl
Geirg Salzinger
Unf ihre ehrsamme Familie Gott erhalte Sie
Tarján, am 29-ten Juni 1926
Schriftführer
               Präses                 Kassier
Abb. 28. Ehrendiplom zur Ehre der Fahnenmutter des Sanct Josef Leichenvereins (1926) Abb. 29. „Bitte und Anempfehlung" - An die/eine Fahnenmutter gerichtet (1922)

Originaltext von Abb. 29.:

„Bitte u. Anempfehlung"

Des Tarjáner Szanct Josef Leichenvereins.

An

Ihre Wohlgeborene Hochverehrte Frau

N.N. ............................  geb. N.N.

Ihre Wohlgebohrene gütigkeit gegen alle die

Jenigen welche die gelegenheit haben, selber

Bittlichst in Anspruch zunehmen, gibt uns

der Tarjáner Szant Josef Leichenvereinsleitung

das Vertrauen, Dass sie Hochverehrte Frau

N.N............................ geb. N. ........... unser gegen

Wetige bitte nicht übel aufnehmen werden,

durch obenbenante Vereinsleitung und

dessen Mitbrüder u. Schwäster gegenseitiges

besprechen sind sie Vererteste Frau N.

................ die einzige Deren Vertrauen wier

in diesen stände zu hoffen glauben.

 

Nämlich da der Tarjáner Szant Josef Leichen-

Verein im begrifist, den Verein seine gebűhrende

Ehre zugeben, folgedessen ist es auch unsere

pflicht nach gebűhr u. sitte unser Vereins

Fahne eine Báttin u. Mutter zugeben.

Deren Name zum Ewigen Andencken der

Sämtlichen Vereins mitglieder in das Tarjáner

Sz. Josef Leichenvereins Protocol buch, für

immerwehrende Zeiten Als Ehren mitglied

eingetragen wierd, daher ersuchen wier die

geehrte Frau N............... im Namen

der sämtlichen Vereins Mitglieder mitt aller

höflichsten gruss, sie möchtten die gűthe haben

 

Die Stelle einer Fahnen Mutter zufertretten

Wier hoffen auf dass allerhőflichste. Die

Annahme unser bitte zubeantworten,

wodurch sie sich durch ihr Korporatives

auftretten in den Verein so auch duch

főrderung der Religeon u. Ausübung der

nächsten Liebe für jetzt so auch für immer=

wehrende zeiten ein ewiges Andenken

zubewahren.

 

Mitt Hochachtungsvollen Gruss

Die Vereinsleitung

 

Tarjan 1922 VIII. 30

Abb. 30-31. Aufbahrung zu Hause
 
Abb. 32-33. Trauerzug
 
Abb. 34-35. Beerdigung eines Jugendlichen Trauerzug von der Leichenhalle zur
Grabstelle/ mit den Klassenkameraden als KranzImadI und Panditrager
 
Abb. 36. Auf dem Friedhof Die Trager lasst ? den Sarg ins Grab hinunter
 
Abb. 37. Auf dem Friedhof - Der Totengräber sagt das letzte „Vaterunse
 
Abb. 38. Auf dem Friedhof- Familienfoto am Grabe der Oma
 
Abb. 39. Die letzte Beerdigung nach alten Brauchen (Georg Stréhli d.ä. -58 1990)
 
Abb. 40. Beerdigungfotos aus 2004
 
Abb. 41-42. Material der Grabsteine-roter Kalkstein und weißer Sandstein
 
Abb. 43-44. Material der Grabsteine-Weiß angestrichener
Sandstein und Zementgrabstein
 
Abb. 45. Material der Grabstein - Granitgrabstein
 
Abb. 46. Grabsteinformen
 
Abb. 47-48. Grabsteinformen
 
Abb. 49. Grabsteine der Familie Faschko (alter Friedhof)
 
Abb. 50. Grabsteine der Familie Schalkhammer (neuer Friedhof)
 
Abb. 51. Symbole - Abkürzungen IHS und Christuskopf aus Porzellan
 
Abb. 52. Schrifttypen  Blockschrift, Frakturschrift und Antiqua
 
Abb. 53. Neuer Friedhof
 
Abb. 54. Alter Friedhof
 
Abb. 55. Kinderfriedhof

Martin Anita: A tarjáni németek halotti, temetkezési és temetői kultúrája, különös tekintettel a német nyelvű sírfeliratokra

A tanulmány célja, a tarjáni németek halotti, temetkezési és temetői kultúrájának történeti áttekintése valamint az ahhoz kapcsolódó hagyományok és szokások bemutatása. Mi más adhatna mindezekről kétség nélküli, örök tanúságot, mint maguk a fennmaradt temetői sírfeliratok. A vizsgálódás során azonban többre, egész társadalomtörténeti folyamatokra derül fény.

A kutatás kiindulópontja, a település történeti áttekintése. Ezt követi a tarjáni római katolikus egyházközség valamint a tarjáni temetők múltjának részletes bemutatása. A szerző ezután átfogó fejezetet szentel a halotti és temetkezési kultúrához kapcsolódó témaköröknek, így a hiedelmek, az utolsó óra valamint a halál beállta utáni teendők, a felravatalozás, a halottvirrasztás, a temetési előkészületek ill. magának a gyászszertartás ismertetésének. Figyelme ezután a sírkövekre és sírfeliratokra irányul, amelyek emberi sorsokról, családok történetéről árulkodnak. A sírköveken található feliratok és sírversek részletes tartalmi és nyelvi elemzését a tarjáni temetőben fellelt emlékek segítségével szemlélteti. Kétségtelen érdeme a munkának az a terjedelmes példatár és függelék, ami méltó emléket állít az ősöknek, és fontos értéket közvetít az utókor számára.

 

  
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