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Zur ungarndeutschen Volkskunde

 

Einleitung

Die Volkskunde erforscht die traditionelle — materielle und geistige — Kultur der werktätigen Klassen und Schichten in ihrer historischen Entwicklung. Zum Bereich der materiellen Kultur gehören; Arbeit und Wirtschaft, Nahrung, Kleidung, Kunst und Wohnen des Volkes; die geistige Kultur — auch Folklore genannt — umfaßt die Teilgebiete: Brauchtum und Volksglauben, Sprache, Dichtung, Musik und Tanz eines Volkes.

Die Volkskunde der Nationalitäten, so auch die der Ungarndeutschen, weist die meisten Besonderheiten auf dem Gebiet der Folklore auf, verändert sich doch diese viel langsamer als die andere Ebene der traditionellen Kultur. Diese relative Beständigkeit ist auch durch die inselartige Lage der Nationalität bedingt, denn in einer fremden Umgebung pflegt eine Volksgruppe ihre eigenen kulturellen Überlieferungen besonders intensiv. Aus diesem Grund wurden für die vorliegende Zusammenstellung Themen aus der Folklore der Ungarndeutschen ausgewählt.

 

1. Die ungarndeutsche Volkskundeforschung

1.1. Zur Forschungsgeschichte

 

In der Forschungsgeschichte der ungarndeutschen Volkskunde lassen sich die folgenden Etappen abgrenzen;

  1. Die Periode der Einzelforschungen, die für die Anfänge charakteristisch waren. Die meisten Arbeiten dieser Etappe wurden durch die Ansätze in der Zips oder außerhalb Ungarns angeregt (z. B. durch die deutsche Mythologieforschung). Dominant war auch der volksbildnerische Aspekt, der in erster Linie die volkskundlichen Arbeiten der Priester charakterisierte.
  2. Mit der Gründung der Ungarischen Ethnographischen Gesellschaft kann man bereits über organisierte Forschungen sprechen. Die Gesellschaft setzte sich zum Ziel, auch die ethnischen Spezifika der nicht ungarischen Volksgruppen zu beschreiben. In diesem Rahmen der organisierten Forschungen erschienen regelmäßig Veröffentlichungen, die Teilfragen der Volkskunde der Ungarndeutschen behandeln.
  3. Einen wichtigen Einschnitt bedeutete die sogenannte „Sprachinselvolkskunde", die eine neue Betrachtungsweise in die Disziplin brachte: Das Suchen nach dem „Altdeutschen" bzw. „Altüberlieferten" in den ostdeutschen Sprachinseln. Walter Kuhn und Gustav Jungbauer waren die wichtigsten Vertreter dieser neuen Forschungsrichtung.
  4. Die Auseinandersetzungen mit der Sprachinselvolkskunde bzw. die Periode der so-ziologisch-dokumentativ ausgerichteten Forschungen. Es sind vor allem die ausgehenden 30er Jahre bis zum zweiten Weltkrieg, die sehr viele Einzeluntersuchungen aufweisen können.
  5. In der Nachkriegszeit geht die Forschung zwei Wege: Eine besondere Bedeutung hat die Volkskundeforschung der Ungarndeutschen bzw. Donauschwaben außerhalb Ungarns, die mit den Veröffentlichungen des Jahrbuches für Volkskunde der Heimatvertriebenen (später Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde) in der Bundesrepublik beginnt. In Ungarn bringen den Neubeginn der Forschung die ausgehenden 50er Jahre, der eigentliche Aufschwung ist auf die Zeit nach 1960 zu legen. Die Gründung der Nationalitätensektion der Ungarischen Ethnographischen Gesellschaft sowie die neuen Publikationsmöglichkeiten und die Arbeit an den verschiedenen Universitätsinstituten und Museen bereichern bedeutend die ungarndeutsche Volkskundeforschung.

Die Anfange der Forschung reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Johann Melczer (1782-1836) hat als erster in seiner Arbeit Der Ungarische Zipser Sachse in seiner wahren Gestalt (1806) auch den deutschen Sagenschatz der Zips der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der erste, der alle Volksgruppen Ungarns ins Auge faßte, ist Johann Csaplovics (1780-1847), der im zweiten Band seines Topographisch-statistischen Archivs des Königreichs Ungarn (1821) die Komitate auch ethnographisch beschreibt und auch über Sitten, Bräuche, Tracht und Sprache der Ungarndeutschen zu berichten hat. Weiterhin steht die Zips im Mittelpunkt der Forschungsinteressen von Christian Genersich und Georg Karl Rumy, die sich vor allem in die Sprache der Zipser Deutschen vertieften. Rumy veröffentlicht zuerst einen Beytrag zu einem Idiotikon der sogenannten gründnerischen Zipser Sprache (1804) und stellt dann ein umfangreiches Idiotikon des Oberzipsischen Dialektes zusammen. Es gelingt ihm auch anhand dieser Wörterverzeichnisse sowie durch die Anwendung des Prinzips der Lautwandlung die drei Hauptmundarten der Zips festzuhalten. Anderswo — Siebenbürgen ausgenommen — geschah nichts Besonderes auf dem Gebiet der ungarndeutschen Volkskunde. Im Gegenteil, im zweiten Vierteljahrhundert ein Rückgang der Volkskundeforschung zu beobachten. Zu diesem Rückgang trugen auch die politischen Verhältnisse bei. Der Germanisierungsversuch Joseph IL hatte zur Folge, daß alles Nichtungarische auf eine Zeit beiseite geschoben wurde.

Erst in den 50er Jahren kann man wieder eine Neubelebung der Forschung beobachten. Es hängt vor allem mit den Mythologie-Forschungen zusammen. D. Mednyánszky schreibt 1854 seine Ungarische Mythologie, die er Jacob Grimm widmet, und regt dadurch den Preßburger Forscher Karl Julius Schröer (1825-1900) zu seinem Beytrag zur deutschen Sittenkunde aus dem Volksleben derDeutschen in Ungarn (1855) an. Schröer liefert hier aufgrund west- und oberungarischer Sagen, Märchen, Sprüche und Spiele einiges zur deutschen Mythologie. 1857 verfaßte Karl Czoernig seine große dreibändige Ethnographie der österreichischen Monarchie (Wien). Der zweite und dritte Band bringen auch einiges über die Nationalitäten Ungarns, über ihre Sprache, Religion, Sitten und Bräuche usw. Es ist aber mehr eine Länderkunde als Volkskunde im heutigen Sinne des Wortes. 16 Jahre arbeitete er an dem Werk, versuchte alle Angaben zu sammeln, es unterliefen ihm aber einige Fehler, die dann u. a. Schröer zu neuen, präziseren Arbeiten veranlaßten. Schröer war sprachwissenschaftlich gut ausgerüstet und machte sich wieder an den Zipser Dialekt und an die Volkskunde heran. Er wendet sich auch den Volksschauspielen zu, sammelt in Oberufer, in der Zips und in Westungarn Material, und gibt es dann, Karl Weinhold gewidmet, in den Deutschen Weihnachtsspielen aus Ungern (Wien 1858, 1862) heraus. Aber bald wendet er sich wieder seinen sprachlichen Studien zu.' In Deutschland schreitet unterdessen die Volkskundeforschung mit großen Schritten vorwärts. Am Ende der 50er Jahre erscheint E. W. Förstemanns Altdeutsches Namenbuch (1859), das das Interesse der Forscher ganz besonders auf die Ortsnamen lenkt. Förstemanns Buch war auch für Ungarn bedeutend: Friedrich Pesty hat am Anfang der 60er Jahre eine großzügige Aktion zur Sammlung aller Ortsnamen in Ungarn eingeleitet und beabsichtigte, aus den Flur-, Straßen-, Gassen- und Platznamen für Ungarns Vergangenheit kulturgeschichtliche Folgerungen zu ziehen. Wie wichtig seine Bestrebungen und Sammlungen waren, das beweisen heute die Veröffentlichungen der geographischen Namen der einzelnen ungarländischen Komitate: man verwendet auch heute seine Sammlung mit Vorliebe. Auch für die Siedlungsgeschichte der Ungarndeutschen sind seine Angaben aufschlußreich (man denke nur an solche geographischen Namen wie Garten Ried, Ziegelfeld, Dreibrückenried, Kleine und Große Hutweide, Ungarfeld, Haidspitz Obere und Untere Haid, Obere und Untere Canalried, Marktplatz Viehmarkt, Maulbeergartenried, Kuisziget(Kuh in der Mundart Kui), Mühl- und Richterssziget, Rohrwiese, Neuriß, Hajthaacker, Steckenwald, Groß- und Kleinwälder, Hersäcker, Krautgärmenvälder, Hauptmannwiese, Uferwald, Schwarzenwinkelwälder, Maierhöfe, Winkelhaide, Große und Kleine Marktau u. a. aus Ungarisch Altenburg). Zu gleicher Zeit verfaßt auch der aus Pinkafeld (Westungarn) stammende und in Fünfkirchen wirkende Lyzeallehrer Michael Haas (1810-1866) eine Monographie über einen Teil der Schwäbischen Türkei (Baranya ismertetése ung.), und als er 1859 Sathmarer Bischof wird, da regt er die Pfarrer und Lehrer seiner engerer westungarischer Heimat zu volkskundlicher Sammelarbeit an, und läßt diesen auf seine Kosten Fachzeitschriften volkskundlicher Art zuschicken. In kurzer Zeit hatte er ein mächtiges Material von Liedern, Spielen, Sprüchen, Sitten und Bräuchen zusammengebracht. Herausgeben konnte er seine Sammlung nicht mehr, weil er gestorben ist. Um die Mitte der 60er Jahre gab des Bischofs Landsmann und Zeitgenosse, der Benediktinerpriester R. Sztachovics, seine Brautspriiche und Brautlieder auf dem Heideboden in Ungern (Wien 1867) heraus. In seinem Vorwort schreibt er:

Bald werdet Ihr auch Eure alten vollständigen geistlichen Gespiele in den Händen haben, als; das ganze Weihnachtsspiel samt allen Euren Weihnachtsliedern, und den Sterngesang mit Frag' und Antworten, das letzte Gericht, den reichen Prasser, die vier letzten Dinge und wenn möglich auch das schöne Passionsspiel.2

Was bisher auf volkskundlichem Gebiet geschehen ist, war die Aktion einzelner. An eine Organisation, die ein systematisches volkskundliches Forschen angesetzt hätte, hatte man nicht denken können.3 Am Ende des 19. Jahrhunderts wird erst die Ungarische Ethnographische Gesellschaft (Magyar Néprajzi Társaság) gegründet, die sich zum Ziel setzte, die Volkskunde aller ungarländischen Nationalitäten zu erforschen. In den 90er Jahren beginnt aber auch an der Budapester Universität eine neue Epoche der ungarländischen deutschen Volkskunde- und Mundartforschung.

Gideon Petz, der Schüler Hermann Pauls ... weist in seinen Vorlesungen auf die Wichtigkeit der lebenden deutschen Sprache im Munde des Volkes, besonders auf die Eigenart der ungarländischen deutschen Volkssprache hin, und spornt seine deutsch-ungarische Hörerschaft zur Erforschung ihrer heimatlichen Mundart an.4

Gideon Petz gründet die Reihe Ungarländische deutsche Mundarten,5 und von diesen Arbeiten angeregt erscheint 1913 das Odenburger deutsche Kinderlied von Friedrich Schwarz. Damit begann eine neue Periode, die das Studium der Kultur der Ungarndeutschen auf neue Wege leitete. Volkskunde- und Mundartforschung verflechten sich in den Arbeiten von E. Schwartz (1890-1962). Volkskunde und Sprachwissenschaft sind in seiner 1914 erschienenen Arbeit Lautlehre der Mundart zwischen der Raab und Lafnitz7 vereinigt. Es folgt danach eine ganze Reihe verschiedener Studien, die in den von Gideon Petz, Jakob Bleyer und. J. Heinrich Schmidt herausgegebenen Arbeiten zur deutschen Philologie8 veröffentlicht werden. Hier wird auch der Siedlungsgeschichte ein wichtiger Platz eingeräumt. Kurz vor dem ersten Weltkrieg wurde die Bibliothek der nationalen Minderheiten9 herausgegeben, in deren Rahmen auch zwei Bände dem ungarländischen Deutschtum gewidmet sind (Das Deutschtum in Westungarn und Südungarn). 1916 gibt die Ungarische Ethnographische Gesellschaft einen fast 600 Seiten starken Band heraus: Josef Ernyeys Volksschau-spiele aus Kremnitz.10 Im Rahmen der Arbeiten zur deutschen Philologie sind die Bände 7, 25, 38, 53 von volkskundlicher Bedeutung. Sie behandeln Teilfragen der ungarndeutschen Volkskunde (z. B. Ägidius Hermann: Das deutsche Volkslied in Bátaszék; Eugen Bon-omi: Das Kirchenjahr in Budaörs; u. a.). Siedlungsgeschichte behandeln die Bände 49 und 52 (E. Jenőfi: Geschichte der deutschen Zünfte in Szeged; Rogerius Schilling: Volkskunde und Siedlungsgeschichte von Dunakömlöd und Németkér). Facharbeiten an der Budapester Universität werden auch mit volkskundlichen Themen vergeben, besonders in den Jahren 1924-26. Leider sind die bedeutendsten dieser Sammlungen verschollen. Die ungarische Zeitschrift Ethnographia bringt auch ständig ungarndeutsche volkskundliche Abhandlungen. Einen Aufschwung der Forschung und der Publikation selbst bedeutet die Gründung der Deutschungarischen Heimatsblätter (1929-35), ab 1936 Neue Heimatblätter bzw. Deutsche Forschungen in Ungarn (bis 1944). Die Auswertung der hier publizierten volkskundlichen Arbeiten ist im Rahmen von Facharbeiten am Germanistischen Institut der Budapester Universität bereits im Gange. In den Zielsetzungen der genannten Zeitschriften heißt es u. a.:

Es gehört in den Rahmen unserer Vierteljahresschrift... das gesamte deutsche Leben in Ungarn in Vergangenheit und Gegenwart, also: alle Fragen der Siedlung, des historischen Entwicklungsganges, der geistigen, sittlichen, künsderischen, wissenschaftlichen und sozialen Kultur, der Sprache und des Schrifttums, der Sitten und Bräuche, des Glaubens und Aberglaubens, des Lieder-, Sagen- und Märchenschatzes, der Trachten und des Hausbaues, der Einichtung in Haus und Hof, der Arbeit auf dem Felde und in der Werkstätte, des Lebens in der Natur, der Feste und des Alltags.

Eine Zieletzung, die — wie wir sehen werden — auch unsere heutige Forschung charakterisiert.

1934 gründete Elanor Schwarz an der Budapester Universität das Intitut für deutsche Sprachwissenschaft und Volkskunde und gab die Schriftenreihen Arbeiten zur deutschen Sprachwissenschaft11 und Forschungen zur deutschen Volkskunde,12 beide in ungarischer Sprache, heraus. Besonders die Arbeiten von Anton Tafferner (über Vértesboglár) und Edit Fél (über Harta) waren bedeutend und auch Schule machend. In den Zeitschriften vermehrten sich auch ständig die ungarndeutschen volkskundlichen Arbeiten. Rudolf Hartmann und Johann Weidlein arbeiteten vor allem über die Schwäbische Türkei, Eugen Bonomi erforschte das Ofer Bergland. Rogerius Schilling und Karl Mollay befaßten sich mit historichen Themen, mit Siedlungsgeschichte (Mollay bearbeitete die mittelalterlichen deutschen Familiennamen in Ödenburg).

Auch komplexe Arbeiten entstanden in dieser Zeit, z. B. von Otto Isbert über das Südwestliche Ungarische Mittelgebirge.13

Der Sammlung und Veröffentlichung der Volksmärchen und Sagen sowie Lieder haben sich Anna Loschdorfer, Elle Zenker-Starzacher sowie Karl Haiding angetan. Ihre Tätigkeit sowie die Geländearbeit von Karl und Grete Horak, Anton Karasek, Erna Piffl hängt bereits mit der Methodik der Sprachinselvolkskunde zusammen.

Walter Kuhn veröffentlichte 1934 sein berühmtes Werk über Deutsche Sprachinselforschung und begeisterte damals eine ganze junge Studenten- und Forschergeneration.14 Nach Wolker Kuhn heißt es:

Sprachinsel ist eine Wortschöpfung von außerordentlich starker Bildkraft und Lebensnähe. Das Grundwort Insel macht eine Fülle von Lagebezeichnungen und Kraftwirkungen anschaulich. Dem Festland entspricht das geschlossene Sprachgebiet, von dem wieder der innere Teil durch die Dämme der Staatsgrenzen geschützt ist, während die davor liegenden Marschengebiete des Grenzdeutschtums den Angriffen des Meeres ausgesetzt sind. Draußen liegt nun eine Mannigfaltigkeit von Inseln, groß und klein, einzeln und in Gruppen zusammengeschlossen... Sie alle sind von dem Meere des fremden Volkstums umbrandet und bedroht... Der Begriff Insel enthält aber auch noch Gefühlswerte anderer Art: Das Abseitsliegen vom Fesdande und den großen Entscheidungen des Lebens... 15

Der Ausgangspunkt der Forschung dieser Richtung war, eine „gesamtheitliche Forschung" durchzuführen. Aufgrund der von Gustav Jungbauer zusammengefaßten Gesichtspunkte entstanden in den 30er und 40er Jahren viele Arbeiten.16 Interethnische und soziologische Gesichtspunkte wurden auch in den Arbeiten beachtet.

Eugen Bonomi, Karl Vargha, Anna Varga sowie Karl Horak haben bedeutendes Material gesammelt und teils auch veröffentlicht. Die Sammlung der Kinderlieder, Reime und Sprüche von Grete und Karl Horak wurde in Ungarn veröffentlicht. Trotz des allzusehr postulierten Sprachinsel-Gedankens hat diese Zeit wertvolle dokumentarisch wichtige Arbeiten aufzeigen können. (Auf dem Gebiet des Volkstanzes der Schwäbischen Türkei und des Volksliedes in Deutschpilsen von Karl Horak, Märchen- und Sagensammlungen von Anton Karasek).

Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war für die ungarndeutsche Volkskundeforschung nicht sehr geeignet. Durch den Abgang einer ganzen Forschergeneration sowie durch die Vertreibung der Deutschen konnte lange Zeit überhaupt keine volkskundliche Arbeit unter den Ungarndeutschen geführt werden. Eine einzige Arbeit entsteht in dieser Zeit, die sowohl volkskundlich als auch mundartkundlich wichtig ist, die Monographie über Nagytevel von Julius Gottfried Schweighoffer (handschriftliche Dissertation, vgl. Anmerkung 10 im Kapitel zur Mundartforschung). In seiner Untersuchung schenkte er dem Verkehr und der Ehegemeinschaft der Deutschen von Nagytevel große Aufmerksamkeit. Gewissermaßen war er bahnbrechend mit seiner Arbeit auf diesem Gebiet in bezug der Beobachtungen des Wandels der Kultur der Ungarndeutschen.

Der Neubeginn der ungarndeutschen Volkskundeforschung hängt mit der Tätigkeit der Ethnographischen und Germanistischen Institute der Hochschulen und Universitäten zusammen. In Fünfkirchen (Pécs) an der Hochschule für Lehrerbildung (heute Philosophische Fakultät) war der Inhaber des deutschen Lehrstuhles Karl Vargha, ein Spamer-Schüler, der sich in den 30er Jahren bereits mit seiner Arbeit über das Schellitz/Zselic hervorgetan hatte.17 Unter seiner Anleitung wurden zahlreiche volkskundliche Arbeiten, Kurzmonographien, Sitten- und Brauchbeschreibungen angefertigt. Seit 1975 werden die Arbeiten von Frau Katharina Wild, Professorin und Leiterin des Lehrstuhls für deutsche Sprachwissenschaft weitergeführt. Es sind mehr als 350 Titel, alle Arbeiten aus dem Bereich der ungarndeutschen Volkskunde. Das wertvolle an diesen Fach- und Diplomarbeiten ist die Materialsammlung, das Dokumentieren schlechthin. (Ein ausführliches Verzeichnis dieser Arbeiten wird in den Beiträgen zur Volkskunde demnächst erscheinen. Der Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen. Aufgrund unserer Unterlagen hat Anton Tafferner im Archiv der Suevia Pannonica, 10. Jahrgang, S. 77-81. das Verzeichnis veröffentlicht.)

In Debrecen wurden Arbeiten zur ungarndeutschen Volkskunde im Ethnographischen Institut der Universität unter der Leitung von Béla Gunda geführt. Er und seine Mitarbeiter erforschten vor allem die Volkskunde der Deutschen im Tokaier Bergland und in den ehemaligen Sathmarer Siedlungen. Gunda selbst rezensierte ständig ungarndeutsches Material in der Zeitschrift für Volkskunde. Zoltán Újvári war eine Zeitlang Chefredakteur der Reihe Beiträge zur Volkskunde der ungarländischen Nationalitäten (A magyarországi nemzetiségek néprajza.)

An der Budapester Universität wurden in den 50er/60er Jahren vor allem in damaligen Institut für deutsche Sprache und Literatur sowie in der inzwischen zum Lehrstuhl gewordenen Fachgruppe für allgemeine Germanistik (später Lehrstuhl für Germanistik und Romanistik) u.a. auch ungarndeutsche volkskundliche Arbeiten eingereicht. (Lehrstuhlinhaber waren Antal Mádl und Karl Manherz). Es waren meistens Diplomoder Promotionsarbeitten, die anfangs unter der Leitung von Karl Mollay und Claus Jürgen Hutterer zusammen mit den mundartlichen Arbeiten entstanden.

1992 wurde das Germanistische Institut der Philologischen Fakultät der Budapester Eötvös Universität gegründet, und im Rahmen der Forschungsprojekte des Instituts sowie im 1994 gegründeten Forschungszentrum werden auch volkskundliche Themen betreut und bearbeittet.

Am Lehrstuhl für materielle Volkskunde, ebenfalls in Budapest, wurden z.Z. des damaligen Lehrstuhlleiters István Tálosi ungarndeutsche Themen vergeben. Heute werden ähnliche Forschungen im Rahmen des Instituts für Volkskunde (Direktor: Prof Vilmos Voigt) gefördert.

 

1.2. Stand und Aufgaben der ungarndeutschen Volkskundeforschung

Ein Aufschwung der Forschung und auch der Veröffentlichungen läßt sich von den 70er Jahren beobachten. Eine äußerst wichtige Rolle spielte und spielt auch heute noch die Nationalitätensektion der Ungarischen Ethnographischen Gesellschaft, die in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen (bis 1994) Demokratischen Verband der Ungarndeutschen (heute Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen) und mit den genannten Universitätsinstituten die organisierte Forschung wieder ermöglichte. Die Leitung der organisierten Nationalitätenforschung übernahm damals Ivan Balassa, für die ungarndeutsche Forschung war Karl Manherz zuständig. 1975 kam es in Südungarn, in Békéscsaba zur ersten Konferenz zur Erforschung der Volkskunde der Nationalitäten. Dies veranlaßte I. Balassa zur Herausgabe der Beiträge zur Volkskunde der ungarländischen Nationalitäten (in vier Sprachen, für jede Volksgruppe: deutsch, südslawisch, rumänisch und slowakisch). Die Volkskunde der Ungarndeutschen wird in der Reihe Beiträge zur Volkskunde der Ungarn-deutschen behandelt. Der erste Band erschien zur Zeit der Konferenz, 1975, mit einer reichen Thematik: von der Siedlungsgeschichte über Kinderlieder bis zu Handwerksbeschreibungen war vieles im Band enthalten. Die internationale Konferenz in Békéscsaba bedeutete auch den Auftakt zu weiteren Forschungen. Namhafte ausländische Wissenschaftler äußerten sich zu den Fragen der Archaismen in den Sprachinseln, zu Interethnischen Processen zwischen verschiedenen Volksgruppen, zur Zweisprachigkeit und zum Sprachwandel, zur Forschungsgeschichte der Volkskunde einer Volksgruppe, zu einzelnen speziellen Fragen der Volkskultur der Nationalitäten, Berichte über die Erforschung der materiellen Kultur und der Folklore je einer Volksgruppe standen auch auf der Tagesordnung. Was die ungarndeutsche Wissenschaft betrifft, berichtete Marietta Boross über die Illustrationen der handschriftlichen Liederbücher der Deutschen auf dem Heideboden (in Westungarn), Georg Mester über Faschingsbräuche der Deutschen in Elek (Südostungarn, Komitat Békés), Karl Manherz über den Prozeß des Sprachwandels bei den Deutschen in Westungarn.

Seit dem Erscheinen des ersten Bandes der Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen sind weitere 17 veröffentlicht worden.18 Die Herausgabe der Beiträge übernahm bis 1989 die Nationalitätenredaktion des Budapester Lehrbuchverlages. Aufgrund der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Verlag kam es 1980 zur Gründung einer zweiten Schriftenreihe, Ungarndeutsche Studien (Hrsg. Karl Manherz), der erste Band ist bereits 1981 erschienen, und zwar über den Weinbau in Pußtawahn/Pusztavam. Gemäß den Zielsetzungen der ungarndeutschen volks- und mundartkundlichen Disziplinen sollten kürzere und längere Teilarbeiten zum Gesamtwerk, zum Ungarndeutschen Sprachatlas und zum Wörterbuch der Ungarndeutschen Mundarten führen. Diese beiden großangelegten Arbeiten können nur aufgrund von Einzelmonographien und einer planmäßigen thematischen Forschung verwirklicht werden.

Als in den 60er Jahren die Aufgaben der ungarndeutschen Mundart- und Volkskundeforschung festgelegt wurden, hieß es u. a., daß neben der Lautlehre der einzelnen Ortsmundarten auch Monographien von siedlungs- und volksgeschichtlicher Thematik zusammengestellt bzw. fachsprachliche Arbeiten mit bestimmter Thematik (Weinbau, Kleingewerbe, Viehzucht usw.) bearbeitet werden sollen. Da die Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen Studien von verschiedener Thematik veröffentlichen, war es angebracht, für die sogenannten Einzelmonographien oder längere Studien eine neue Reihe zu gründen. Von 1981 bis 1989 kam es zur Herausgabe der Ungandeutschen Studien. Auch erschien ab 1982 die dritte ungarndeutsche Reihe, Ungarndeutsches Handwerk. Die Reihen sollenten volkskundlich-dialektologische Arbeiten über Sprache und Volkskunde sowie Sozialgeschichte der Ungarndeutschen bringen. Der Herausgeber wollte mit diesen Reihen jene Arbeit fortsetzen, die in der Vorkriegszeit bedeutende Persönlichkeiten der ungarndeutschen Wissenschaft begonnen haben. Der erste Band der Reihe Ungarndeutsches Handwerk bringt zwei Studien: Marietta Boross beschreibt die Möbelmalerei der Deutschen in Hartau/ Harta, Maria Imre bearbeitete die Geschichte und Volkskunde der Töpferei in Südungarn. Herausgeber der Reihe ist Karl Manherz.

Thematisch läßt sich die Bestandaufnahme der Nachkriegszeit wie folgt gruppieren:

1. Folklore (Textsammlungen und Veröffentlichungen, Brauch- und Sitte-Beschreibungen): Vor allem wurden Volkslieder und Märchen sowie Sagen gesammelt und veröffentlicht.

Vargha, Karl - Rónai, Béla, 1973. Der schlaue Bergmannsknappe. Märchen der Bergleute aus dem Komitat Baranya. Budapest.

Manherz, Karl, 1975. Patsch Handel z'samm. Kinderlieder, Reime und Sprüche aus Westungarn. Budapest.

Wild, Katharina - Metzler, Regina: Hoppe, hoppe Reiter. Kinderlieder, Reime und Spiele aus der Baranya. 1979. 1982.2

Mester, Georg: Kinderlieder, Sprüche und Spiele der Deutschen in Elek. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Osztheimer, Katharina - Manherz, Karl: Themen und Motive in den Bergmannsliedern aus St. Iwan bei Ofen/Pilisszentiván. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Hollós, Ludwig - Schweighoffer, Julius Gottfried; Schönster Schatz. Ungarndeutsche Volkslieder. 1979.

Osztheimer, Katharina: Lieder eines Bergmannsdorfes (St. Iwan bei Ofen/Pilisszentiván). In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 3, 1981.

Hajdú, Elisabeth - Peter Ulmann,: Der Volksliedbestand einer ungarndeutschen Bäuerin aus Schambeck/Zsámbék. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 4, 1982.

Vargha, Karl: Die Überlieferungen der ungarischen und ungarndeutschen Bergleute in der Umgebung von Fünfkirchen/Pécs. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Hesse, Axel: Dokumentation des ungarndeutschen Volksliedes. Sammlung von mehr als 1000 Texten und Weisen. Berliner Humboldt-Universität, Musikwissenschaftliches Institut.

Petermann, Kurt: Volkstanzdokumentation. Ungarndeutsche Tänze. Tanzarchiv-DDR — Leipzig. (Kopien in Budapest.)

Kiss, Elli: Deutsche Volkstanzüberlieferungen aus dem südlichen Transdanubien. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 2, 1979.

Fatuska, János: Volksschauspiele der Deutschen im Komitat Komorn/Komárom. Hs.

 

2.  Materielle Kultur (Bauwesen, Tracht, Handwerk, Kleingewerbe, Volkskunst u. a.): Die Forschungen begannen auf diesem Gebiet mit der Beschreibung einzelner Handwerke und der Volkstracht.

Domokos, Otto: Die Blaufärberei in Pápa. 1962.

Manherz, Karl: Beiträge zur Fischerei am Neusiedlersee und auf dem Heideboden. In: ALH 19 (1969). Manherz, Karl: Kerzengießen auf dem Heideboden. In: ALH 20 (1970).

Manherz, Karl: Beiträge zur volkskundlichen Beschreibung des Weberhandwerkes in Pula (Plattenseeoberland). In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Manherz, Karl: Die Terminologie der Flachsverarbeitung in den deutschen Mundarten in Westungarn. In: Annales Univ. Sc. Sectio Linguistica IV, 1973.

Szeitl, Eva: Die Volkstracht der ungarländischen Deutschen. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975. . Hentz, Ludvig: Die deutsche Volkstracht in Mezőberény. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Hambuch, Ida: Volkstracht der Fuldaer Siedlung Mutsching/Mucsi. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 3, 1981.

Major, Katalin: Die Volkstracht der Deutschen in Werischwar/Pilisvörösvár. Eine Dokumentation. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 5, 1983.

Krepsz, Maria: Die Volkstracht der Boschoker/Palotabozsok Deutschen.

Hajdú, Elisabeth: Der Weinbau in Schambeck/Zsámbék in Wort und Bild. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 2, 1979.

Imre, Maria — Manherz, Karl: Beiträge zur Töpferei in Nadasch/Mecseknádasd und Altglashütten/Obanya in der Baranya. In: Beiträge.. .2,1979; Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 3, 1981.

Ács, Anna: Holbein-Stickereien in St. Johann und St. Peter auf dem Heideboden. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 5, 1983.

Boross, Marietta: Die Illustrationen der handschriftlichen Liederbücher auf dem Heideboden. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 2, 1979.

Mihályi, Regina: Volksnahrung in der Baranya. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 3, 1981,

Manherz, Karl: Dorfmuseen der Ungarndeutschen in der Baranya. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 4, 1982.

Im Freilichtmuseum von St. Andrä/Szentendre wurden deutsche Häuser aus der Öden-burger Umgebung aufgebaut und traditionsgemäß eingerichtet. In Nadasch/Mecseknádasd und Ofalu in der Baranya wurden ehemalige deutsche Bauernhäuser zu Dorfmuseen umgestaltet. In Totis/ Tata im Komitat Komorn/Komárom befindet sich das zentrale Ungarndeutsche Museum (unter der Leitung von János Fatuska) mit einer weitgefächerten Materialsammlung zur Kultur der Ungarndeutschen. Ebenfalls sammelt und systematisiert volkskundliches Material die Ethnographische Abteilung des Fünfkirchner (Pécs) Janus Pannonius Museums unter der Leitung von Maria Imre. Reiches Material wurde auch zum Thema Volksnahrung sowie Handwerk in den ethnographischen Lagern für Volkskundler und Mundartforscher seit 1977 jährlich gesammelt und auf Tonbändern und in Fragebüchern festgehalten.

 

3.   Siedlungsgeschichte, Volksgeschichte

Auf diesem Gebiet sind folgende Arbeiten bedeutend:

Hutterer, Claus Jürgen: Die deutsche Volksgruppe in Ungarn. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Szabó, Ferenc: Ansiedlung und Geschichte der Deutschen des Komitats Békés im 18.-19. Jh. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Balassa, Iván: Zur Geschichte der deutschen Kolonisation im Tokaier Bergland. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, 1975.

Vargha, Karl: Zur Ansiedlung der Deutschen im Schellitz/Zselic. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 2, 1979.

Mollay, Karl: Bürgerliches Leben in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Öden-burg. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 2, 1979.

Manherz, Karl: Der Heideboden — Die Heidebauern. In: Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 2, 1979.

Bellér, Béla: Kurze Geschichte der Deutschen in Ungarn, (ungarisch) Magvető 1981.

Was die Einzelgebiete betrifft, ist übrigens dieser Teilaspekt der ungarndeutschen Volkskunde am wenigsten erforscht. Kurze Siedlungsgeschichten bzw. Einführungen sind auch in den einzelnen Fach- oder Promotionsarbeiten der Universitäten zu finden, aber eine komplexe Siedlungsgeschichte des Ungarndeutschtums wurde noch nicht geschrieben.

 

4.   Vergleichende Forschungen

Besonders die interethnisch ausgerichteten Arbeiten von

Andrásfalvy, Bertalan: Die Arbeitsbeziehungen zwischen ungarischen und deutschen Dörfern in der Umgebung von Budapest 1975; Volkskundliche Eigentümlichkeiten der deutschen und ungarischen Siedlungen des nördlichen Mecsek-Gebietes. Veröff. der Ung. Akad. der Wissenschaften, Transdanubien, Budapest 1972;

Gunda, Béla: Kulturströmungen und gesellschaftliche Faktoren. In: Acta Univ. Debr. de L. K. N. Tom VI, 1960. Debrecen;

Barna, Gábor: Anpassung und Traditionspflege in den deutschen Siedlungen des Sathmarer Komitates. In: Paraszti társadalom és műveltség a 18-20. században, 1974; sind wichtig.

Im Rahmen dieser Zusammenfassung konnten natürlich die einzelnen Arbeiten und Beiträge der Neuen Zeitung oder des Deutschen Kalenders sowie der einzelnen Komitatszeitungen, Zeitschriften, der Ödenburger Rundschau (Soproni Szemle ung.) und der Museumsjahrbücher u. a. nicht aufgezählt werden. Es ist ja hier nicht unser Ziel, die vollständige Bibliographie der ungarndeutschen Volkskunde zusammenzustellen, es geht uns vor allem darum, die Tendenzen der neueren Forschung aufzuzeigen, um die Orientierung zu erleichtern. Es wird an einer vollständigen Bibliographie der ungarndeutschen Wissenschaft - im Rahmen der von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften organisierten Forschungen - gearbeitet. Die Zentralstelle dafür ist die Budapester Gorki-Bibliothek, die Veröffentlichung ist in absehbarer Zeit zu erwarten.

Bedeutend sind auch die Arbeiten außerhalb Ungarns, vor allem in der Bundesrepublik Deutschland. Es sei hier nur auf die Untersuchungen von I. Weber-Kellermann,19 auf ihren Bericht über den Neubeginn,20 auf das Institut für ostdeutsche Volkskunde in Freiburg21 sowie auf die verschiedenen Dokumentationen hingewiesen.22

1980 wurde die II. Internationale Konferenz zur Erforschung der Nationalitäten, ebenfalls in Südostungarn, in Békéscsaba, veranstaltet.

Der Wordaut der Vorträge ist 1981 auch im Druck — in ungarischer Sprache — erschienen.

Hervorzuheben ist die Zusammenfassung von Vilmos Voigt über die ersten 10 Bände der Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeuschen. Im folgenden bringen wir den Wortlaut seines Aufsatzes.

 

Einleitung: Die ersten zehn Bände unserer Beiträge

 

Über die Volkskultur der Deutschen in Ungarn berichten nicht allein die Bände der Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen. Wissenschaftliche und populär- wissenschaftliche Bücher, Studien in deutscher und ungarischer Sprache, Schulbücher, Kalender befassen sich regelmäßig mit diesen Themen. Diese Studienreihe ist jedoch die wichtigste unter all den Ausgaben, einzig in ihrer Art hier in Ungarn, aber auch in internationaler Hinsicht.

Im Jahre 1975, als die erste internationale Konferenz zur Volkskunde der ungarnländischen Nationalitäten veranstaltet wurde, startete die Ungarische Ethnographische Gesellschaft ihre erste Volkskundereihe unter dem Titel „ Volkskunde der Ungarnländischen Nationalitäten ". Neben rumänischen, slowakischen, südslawischen Bänden erschien selbstverständlich auch einer zur Volkskunde der Deutschen. Die Anregung für diese Reihe kam noch von Akademie Mitglied Gyula Ortutay, der erste Band beginnt mit einem kurzen Vorwort aus seiner Teder, Chefredakteur der ersten vier Reihen für die Nationalitäten war aber schon Iván Balassa (später Vorsitzender der Ungarischen Ethnographischen Gesellschaft).

Da Mitherausgeber der deutschen Bände der Demokratische Verband der Deutschen in Ungarn war, hatte die erste Redaktion drei Mitglieder in der Person von Iván Balassa, Claus Clotz und Karl Manherz. Nach den ersten Plänen solltejährlkhje ein Band erscheinen, der zweite Band der Reihe verließ aber erst 1979 die Druckerei. Die nächsten erschienen dann in unregelmäßigen Abständen, der dritte Band 1981, der vierte 1982, der fünfte 1985, der sechste 1986, der siebte 1988, der achte 1989, der neunte 1991. Seit Anfang der achtziger Jahre ist der Redakteur Karl Manherz. Die Bände zeichnete weiterhin der Demokratische Verband der Ungarndeutschen, allerdings unter Mitwirkung der Ungarischen Ethnographischen Gesellschaft: der neue Ethnograph-Chefredakteur der vier Bücherreihen wurde Zoltán Üjváry, Folklore-Professor in Debrecen, gleichzeitig Vizepräsident der Ungarischen Ethnographischen Gesellschaft (siehe Band 7,8,9).

Auf den über 2000 Druckseiten erschienen bislang etwa 80 Studien, Tausende von Photos, Noten, Hunderte von Dialekttexten in den Beilagen. Die Thematik ist recht vielseitig: Ortsmonographien, Dialektstudien, Volksbräuche, Volkstracht, traditionelle Wirtschaft, Volkskunst, Volkslieder, sakrale Volkskunde, Ortsgeschichte folgen einander. Es gibt fast keinen bedeutenden Torscher, derauf irgendeine Weise an dieser Arbeit nicht teilgenommen hatte. In kurzer Zeit bildete sich jene vielseitige Gruppe der Autoren heraus, in der mehrere Generationen der ungarndeutschen Volkskundeforschung vereint waren. Hier wurden die Ergebnisse der in der Zwischenkriegszeit begonnenen Forschungen publiziert oder neu herausgegeben (Julius Schweighofer, Eugen Bonomi, Josef Banner, Georg Mester, KarlMollay, Karl Vargha), auch die Studien ausländischer Wissenschaftler (Alfred Eammann, Waltraud Woeller).

In diesen Bänden erschienen auch mehrere grundlegende Werke der beiden heutigen Klassiker ungarndeutscherForschung in Ungarn, Claus Jürgen Hutterer und Karl Manherz. Nur bei genauester Beobachtung wird einem gewahr, daß sie Dialektgeographen sind, und die Tätigkeit als Ethnograph bloß als Ergänzung ihres wissenschaftlichen Interesses betrachtet werden kann. Daß auch jüngere Forscher sowie Vertreter verwandter Fachgebiete öfter zu Worte kamen, ist ein Beweis dafür, wie die auch heute nicht leichten Untersuchungen fortgesetzt werden. Solche Autoren sind Katharina Oszfheimer, Maria Imre (Maria Lantos), Marietta Boross, Elisabeth Hajdú, Katharina Wild, Hans Fatuska, Anna Acs, Ibolya Hock und andere, um nur jene zu erwähnen, die öfter publiziert haben. Anfangs wurden auch Resümees in Ungarisch (oder in anderer Sprache) gegeben. Unter den Autoren sind auch führende Gestalten der ungarischen Volkskunde zu verzeichnen, so Gyula Ortutay, Iván Balassa, Béla Gunda, Bertalan Andrásfalvy, Lász/ó Kosa. Dies sei ein Beweis dafür, daß — den edelsten Traditionen der ungarländischen Volkskundeforschung folgend — hierzulande ohne die volkskundliche Erforschung der Nationalitäten keine lebensfähige ethnographische Öffentlichkeit vorstellbar sei. Es wäre wohl unangebracht, an dieser Stelle über die zehn Bände eine Bilanz, zu ziehen, da die Ausgabenreihe die ursprünglichen Zielsetzungen noch nicht erreichen konnte. Wir sind auch nicht dazu berufen, ihre Stellung im weltberühmten und mächtigen Ganzen der deutschen Ethnographie zu bestimmen. Mit Sicherheit ist jedoch zu behaupten, daß das glücklicherweise immer noch lebendige Deutschtum in Ungarn seine eigenständige Kultur aus dieser Reihe neu entdecken bzw. bekanntmachen konnte. Die Publikationen der aus ihrer Heimat Vertriebenen, die Erinnerungen der in die Ferne geratenen, aber auch die Studien über die heutige Wirklichkeit befassen sich fach kundig mit der volkskundlichen Beschreibung des Ungarndeutschtums. Es gibt freilich noch Themen zur Bearbeitung, auch Forscher im In- und Ausland, die als Autoren für diesen Auftrag gewonnen werden sollten. In den letzten Jahren hat sich die gesellschaftliche und bildungspolitische Lage in Ungarn grundlegend verändert. Die heiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen müssen jedoch nicht geändert werden, da die Zielsetzungen, die vor zwei Jahnzehnten vorgenommen worden, auch heute noch gültig sind, hei uns hat man nämlich (dafür stehen die Werke des Herausgebers und seiner Mitarbeiter als heispiel da) nicht erst jetzt und konjunkturartig die hedeutung der ethnographischen Erforschung der deutschen (und anderen) Nationalität erkannt, sondern bereits vor Jahrzehnten, als diese Untersuchungen noch viele Gegner hatten und die Arbeit mit Schwierigkeiten verbunden war, und die Deutschen hier in Ungarn noch Angst hatten, sich zu ihrer Sprache und Kultur zu bekennen. Zur Lösung dieser Angst trägt diese Bleibe auch heute viel bei. Ich bin davon überzeugt, dass auf diese ersten zehn hände sowohl die Deutschen in Ungarn als auch die ungarische Ethnographie berechtigt stolz sein können. In keinem der umliegenden Länder ist eine so wichtige und reiche Bücherreihe über die deutsche Minderheit erschienen. Die Fortsetzung (und vielleicht auch Beschleunigung) der Herausgabe erwarten wir von jenen, die auch bisher daran teilgenommen haben, vor allem vom Redakteur und Herausgeber, der durch seine Tätigkeit eine neue Epoche in der deutschen Volkskunde in Ungarn eingeleitet hat.

Nur so weiter!

VILMOS VOIGT

 

Um die reichhaltige Thematik zu schildern veröffentlichen wir hier die Titel der Publikationen in den bisher erschienen heiträgen zur Volkskunde der Ungarndeutschen:

 

Band 1.: 1975

Ortutay, Gyula

Vorwort

 

Hutterer, Claus Jürgen

Die deutsche Volksgruppe in Ungarn

A magyarországi német népcsoport

 

Szabó, Ferenc

Ansiedlung und Geschichte der Deutschen des Komitates Békés im 18.-19. Jahrhundert

A Békés megyei németek betelepítése és XVIII-XIX. századi története

 

Balassa, Iván

Zur Geschichte der deutschen Kolonisation im Tokaier Bergland

A tokaj-hegyaljai német telepítések történetéhez

 

Szeitl, Eva

Die Volkstracht der ungarländischen Deutschen

A magyarországi németek népviseletéhez

 

Hentz, Ludwig

Die deutsche Volkstracht in Mezőberény

A mezőberényi német népviselet

 

Mester, Georg

Kinderlieder, Sprüche und Spiele der Deutschen in Elek

Eleki német gyermekdalok, mondókák és szöveges játékok

 

Vargha, Karl

Die Überlieferungen der ungarischen und ungarndeutschen Bergleute in der Umgebung

von Fünfkirchen/Pécs A Pécs környéki magyar és német bányászok hagyományvilága

 

Osztheimer, Katharina - Manherz, Karl

Themen und Motive in den Bergmannsliedern aus St. Iwan bei Ofen/Pilisszentiván

A pilisszentiváni bányászdalok (téma és motívum)

 

Manherz, Karl

Beiträge zur volkskundlichen Beschreibung des Weberhandwerks in Pula (Plattenseeoberland)

A pulai takácsmesterség néprajzi leírásához

 

 

Band 2.: 1979

Reger, Anton

Vorwort

 

Mollay, Karl

Bürgerliches Leben in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Ödenburg (Die Geschichte der Familie Haberleiter)

Soproni élet a 15. század második felében (A Haberleiter család története)

 

Manherz, Karl

Der Heideboden — Die Heidebauern

A Mosoni-síkság németsége

 

Boross, Marietta

Die Illustrationen der handschriftlichen Liederbücher der Deutschen auf dem Heideboden

A Mosoni-síkság német kéziratos énekeskönyveinek illusztrációi

 

Hajdú, Elisabeth

Der Weinbau in Schambeck/Zsámbék in Wort und Bild

A zsámbéki szőlőművelés leírása

 

Vargha, Karl

Zur Ansiedlung der Deutschen im Schelitz/Zselic

Adatok a zselici németek betelepedéséhez

 

Imre, Maria - Manherz, Karl

Beiträge zur Töpferei in Nadasch/Mecseknádasd und Altglashütten/Óbánya in der Baranya

Adatok a mecseknádasdi és óbányai fazekasság néprajzi leírásához

 

Kiss, Elly

Deutsche Volkstanzüberlieferungen im südlichen Transdanubien

A dél-dunántúli német népi táncok

 

Band 3.: 1981

Vorwort

 

Mihályi, Rosina

Volksnahrung in der Baranya

Népi táplálkozás Baranya megyei vegyes nemzetiségű községekben

 

Hambuch, Ida

Volkstracht der Fuldaer Siedlung Mutsching/Mucsi

Mucsi népviselete

 

Imre, Maria - Manherz, Karl

Beiträge zur Töpferei in Nadasch/Mecseknádasd und Altglashütten/Óbánya in der Baranya

IL Adatok a mecseknádasdi és óbányai fazekasság néprajzi leírásához II.

 

Osztheimer, Katharina

Lieder eines Bergmannsdorfes (St. Iwan bei Ofen/Pilisszentiván)

Egy bányászfalu népdalai (Pilisszentiván)

 

Manherz, Karl

Bericht über die Forschungsarbeit der Volkskundler und Mundartforscher in Altglashütten/

Óbánya (1.-6. August 1977) Néprajzi tábor Óbányán

 

Gunda, Béla

In memóriám Georg Mester (1918-1977)

 

Banner, Josef - Mester, Georg

Brauchtum der Fasten- und Oster2eit bei den Eleker Deutschen

Az eleki németek nagyböjti és húsvéti néphagyományai

 

Banner, Josef

Deutsche Personennamen in Elek

Elek német személynevei

 

Band 4: 1982

 

Camman, Alfred

Erzählforschung — Feldforschung bei den Ungarndeutschen

Népmesekutatás a magyarországi németek körében

 

Woeller, Weltraud

Zur Problematik der Genres der Volksdichtung

A népköltészeti műfajok néhány kérdése

 

Hajdú, Elisabeth - Ullmann, Péter

Der Volksliedbestand einer ungarndeutschen Bäuerin aus Schambeck/Zsámbék

Zsámbéki német népdalok

 

Wild, Katharina

Sprichwörter in der Bawazer Mundart

Közmondások a babarci német nyelvjárásban

 

Manherz, Karl

Dorfmuseen der Ungarndeutschen im Komitat Baranya

A baranyai németség tájházai

 

Bonomi, Eugen

Die deutsche Bauernochzeit im Ofner Bergland

A Budai-hegyvidék németségének lakodalmi szokásai

 

Band 5: 1985

 

Manherz, Karl

Zur Geschichte der ungarndeutschen Volkskundeforschung

A magyarországi németek néprajzkutatásának története

 

Manherz, Karl

Die ungarndeutschen Mundarten und ihre Erforschung in Ungarn

A magyarországi német nyelvjáráskutatás

 

Klotz, Claus

Zur Lage der ungarndeutschen Volksbildung von 1973-1977

A magyarországi német közművelődés helyzete 1973-1977 között

 

Schmidt, Monika - Fatuska, Hans

„Graf und Nonne" Eine Ballade im Spiegel der Zeit

„Graf und Nonne". Egy ballada történeti vizsgálata

 

Schmidt, Monika - Fatuska, Hans

„Ewiger Wechsel" Ein Lied im Fluß der historischen Ereignisse

„Ewiger Wechsel". Egy népdal történeti vetületei

 

Ács, Anna

Holbein-Stickereien in St. Johann und St. Peter

Holbein hímzésű mintakendőkjánossomorjánn

 

Ács, Anna

Ein Neujahrsied in dem Sankt Johanner Kodex

Egy mosonszentjánosi újévi ének

 

Hadnagy, László

Beitrag zum Feuerweihen am Karsamstag in Sitsch/Bakonyszucs

Nagyszombati tűzszentelés Bakonyszűcsön

 

MiRK, Maria

Der Fachwortschatz der Bergmannssprache in der deutschen Mundart von St. Iwan bei Ofen/Pilisszentiván

A bányásznyelv szakszókincse a pilisszentiváni német nyelvjárásban

 

Heitler, Ladislaus

Bauernhäuser im Bakony: Landschaft und Bewohner

Bakonyi parasztházak: a táj és lakói

 

Major, Katalin

Zur Beschreibung der Volkstracht der Deutschen in Werischwar/Pilisvörösvár (Eine Dokumentation)

A pilisvörösvári németek népviselete (Dokumentáció)

 

Band 6: 1986

 

Karl Manherz

Das Christgeburtspiel und Paradeisspiel aus Zanegg/Mosonszolnok auf dem Heideboden

Betlehemes játék Mosonszolnokon (Mosoni síkság)

 

Maria Braunstein

Unterzemming/Alsószölnök (Geschichte und Brauchtum)

Alsószölnök története és hagyománya

 

Georg Mester

Alte Weihnachtsbräuche bei den Deutschen aus Elek

Az eleki németek régi karácsonyi szokásai

 

Katharina Wild

Kirmesbräuche der Deutschen in Südungarn

A dél-magyarországi németek búcsús szokásai

 

Johann Schuth

Wechselbeziehungen zwischen Bauernmundart und Stadtdialekt in Südungarn

A dél-magyarországi paraszti és városi nyelvjárások kapcsolatai

 

Maria L. Imre

Die Tradition der Fachwerkhäuser bei den Deutschen in Ungarn

A faszerkezetes házak építészeti hagyományai a magyarországi németeknél

 

Valéria Németh

Formen der Unterhaltung in Deutschgroßdorf/Vaskeresztes

A szórakozás formái a vaskeresztesi németeknél

 

Band 7: 1988

 

Bunker, Brigitte

Untersuchungen zum Erzählstil des Tobias Kern in J.R. Bunkers „Schwanke und Sagen in heanzischer Mundart"

Tobias Kern soproni mesemondó stílusának vizsgálata J.R. Bunker „Mesék és mondák heánc nyelvjárásban" c. kötete alapján

 

Wild, Katharina

Deutsche Kirmesbräuche in Südungarn IL

Német búcsú-szokások Dél-Magyarországon

 

Weber, Mária

Brotbacken in Großnaarad/Nagynyárád

A kenyérsütés néprajzi leírása Nagynyárádról

 

Karlon, Alexandra

Das deutsche Volkslied in Westungarn (Untersuchungsbericht)

A német népdal Nyugat-Magyarországon (Kutatási beszámoló)

 

Lantos, Mária

Interethnische Charakteristiken der behauenen Steindenkmälern der Ungarndeutschen

A magyarországi német kőfaragók alkotásainak interetnikus elemei

Zur Dokumentation: Ungarndeutsches Leben

 

Tefner, Zoltán

Identität und Sprachgebrauch der deutschen Nationalität in St. Andrä/Szentendre

Identitás és nyelvhasználat a szentendrei németek körében

 

Band 8.: 1989

 

Hauser, Josef

Beiträge zur geschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklung von Wudersch/Budaörs

Adatok Budaörs történeti és gazdasági fejlődéséhez

 

Szakály, Mathias

Lieder aus Wudersch/Budaörs

Budaörs dalai

 

Band 9.: 1991

 

Zum Geleit (Karl Manherz) Előszó

 

Hutterer, Claus Jürgen

Julius Gottfried Schweighofer. Sein Leben und sein Werk

Schweighofer Gyula élete és munkássága

 

Schweighofer, Julius Gottfried

Siedlungsgeschichte und Mundart von Deutschtewel/Nagytevel im westlichen Buchenwald in Mittelungarn

Nagytevel község településtörténete és nyelvjárása

 

Lővardi-Schützenberger, Alois

Begründung betreffs der Erhaltung des Deutschen als Sprache des Umgangs (Mit einer Einleitung von Claus Jürgen Hutterer)

A német nyelvnek, mint az érintkezés nyelvének megmaradását tartalmazó megokolás (Hutterer Miklós bevezetőjével)

 

Band 10.: 1993

 

Voigt, Vilmos

Einleitung: Die ersten zehn Bände unserer Reihe

Bevezetés: Kiadványsorozatunk első tíz kötete

 

Inhalt der Bände 1 -9 der Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen

A magyarországi németek néprajza sorozat 1.-9. köteteinek tartalomjegyzéke

 

Bertalan Andrásfalvy

Bäuerliche Lebensform-Modelle und deren ökologisch-gesellschaftliche Bedingungen im südlichen Teil Ungarns im 18. Jahrhundert

Paraszti életforma-modellek és azok ökológiai-társadalmi feltételei Dél-Magyarországon a 18. században

 

László Kósa

Bauernwirtschaft und Vorurteile

Paraszti gazdálkodás és előítéletek. Magyarok, németek és románok egy mezővárosban.

 

Elisabeth Hajdú

Volkstracht in Schambek

Zsámbéki népviselet

 

Ibolya Hock

Deutsche Hochzeitsbräuche in Bawaz/Babarc

Német lakodalmi szokások Babarcon

 

Zur Dokumentation

Csilla Kerényi

Deutsche Volkslieder aus Ungarn, 200 Jahre nach Goethe, Nicolai und Herder (1976-77) Német népdalok Magyarországon, 200 évvel Goethe, Nicolai és Herder gyűjtései után (1976-77)

 

Band 11.: 1994

 

Elisabeth Hajdú

Die Beschreibung eines ungarndeutschen Bauernhauses aus dem Jahre 1815

Egy magyarországi német parasztház 1815-ből

 

Judit Pintér

Veränderungen der Vornamengebung in dem ungarndeutschen Dorf Wolfs /Balf

A keresztnévadás változásai egy magyarországi német településen (Balf)

 

Mária Erb

Ortsneckereien als Quellen der Kontakt- und Zweisprachigkeitsforschung bei ethnischen Minderheiten (am Beispiel der Ungarndeutschen)

Falucsúfolók, mint a kétnyelvűség és a nyelvi kontaktuskutatás forrásai az etnikai kisebbségeknél (a magyarországi németek példája alapján)

 

Katharina Wild

Der Wiehbüchsel bei den Deutschen in Südungarn

Nagyboldogasszonyi virágszentelés a dél-magyarországi németeknél

 

Susanna Pfiszterer

Die Schelmlinger Wallfahrt

A vértessomlói búcsújáróhely; a téli ünnepkör szokásai

 

Eva Brettner-Szántó

Volksheilkunde und Volksheilmethoden in Sagetal/Szakadát und Ratka/Rátka

Népi gyógyászat Szakadáton és Rátkán

 

Band 12.: 1995

Katharina Wild

Der Hutzelsonntag in Südungarn (I). Hutzelsingen, Hutzellieder

Csonkavasárnapi népszokások Dél-Magyarországon

 

Elisabeth Hajdú

Kommunikaüonsmöglichkeiten zwischen zwei Ortschaften (Schorokschar/Soroksár und Schambek/Zsámbék) im Ofner Bergland

Nyelvi kommunikáció Zsámbék és Soroksár között

 

Elisabeth Knipf - Mária Erb

Die Rolle der deutschsprachigen Medien bei den Ungarndeutschen

Német nyelvű médiák a magyarországi németeknél

 

Josef Schäfer

Das Klumpenmacherhandwerk in Metschge/Erdösmecske

Klumpakészítő mesterség Erdősmecskén

 

Elisabeth Zwickl Blaufärberei in Bohl/Bóly

Kékfestő mesterség Bolyon

 

Zur Dokumentation

 

Barbara Faidt

Deutsche Vereine in Baderseck/Bátaszék

Német egyesületek Bátaszéken

 

Band 13.: 1996

 

Tefner, Zoltán

Kolonisationsgeschichte der hessischen Sekundärgemeinde in Kötsching/Köcse

Köcse településtörténete

 

Altbäcker, Edit

Volksnahrung in Werischwar

Népi táplálkozás a Pilis-hegység német nyelvjárásaiban

 

Szabó, Gyöngyi

Wollspinnhandwerk in Pécsvárad

Gyapjúfonás Pécsváradon

 

Kárpáti-Duka, Zsófia

Sitten und Bräuche des Kirchenjahres in Werischwar/Pilisvörösvár

Az egyházi év népszokásai Pilisvörösváron

 

Band 14.: 1997

Vorträge der Karl Vargha-Gedenksitzung am 6. Mai 1997 in Fünfkirchen/Pécs

Az 1997. május 6-i Vargha Károly-emlékülés előadásai

 

Eperjessy, Ernő

Begrüßung

Megnyitó

 

Báling, Josef

Erinnerung an Prof. Karl Vargha

Emlékezés Vargha Károly professzorra

 

Tímár, Irma

Kari Vargha — Heimatforscher der Branau und Verfechter der Heimatliebe

Vargha Károly — Baranya honismereti kutatója és a hazaszeretet ébresztője

 

J. Horváth, Gyula

Kari Vargha — Sohn der Schellitz/Zselic-Region

Vargha Károly — A Zselic szülötte

 

L. Imre, Mária

Interethnische Beziehungen des Kultes der Schutzheiligen in der Diözese Fünfkirchen/

Pécs A védőszentek kultuszának interetnikus vonatkozásai a pécsi egyházmegyében

 

Emmert Josef

Das deutsche Bauernhaus in Wemend/Véménd

A német parasztház Véménden

 

Márkus, Éva

Sprache und Gesellschaft in Edeck/Etyek

Nyelv és társadalom Etyeken

 

Band 15: 1998

 

Soltész, Katharina

Zu den Grabmotiven in den ungarndeutschen Friedhöfen des Komitates Branau/Baranya

Sírkő-motívumok Baranya megyei német temetőkben

 

Klug-Szkrajcsics, Edit

Beiträge zur volkskundlichen Beschreibung des Seifenhandwerks in Burjad/Borjad

A szappanfőző mesterség népi leírásához Borjádon

 

Kerner, Anita

Hutherstellung bei den Ungarndeutschen in Boschok/Palotabozsok

Kalapkészítés Palotabozsokon

 

Huszár, Bernadett

Die Tradition der Holzdrechslerei und Stuhlherstellung in Ohfall/Ofalu

Faesztergályos és asztalos hagyományok Ofalun

 

Schreiner, Elisabeth

Der Anfang und das Ende eines Menschenlebens bei den deutschen in Sawer/Székelyszabar

Az emberi élet kezdete és vége a székelyszabari németeknél

 

Szélig-Bessenyi, Éva

Gestickte Gegenstände und Sprüche in den Dörfern Sawer/Székelyszabar, Nimmesch/ Hímesháza und Wemend/Véménd

Hímzett mondások Székelyszabar, Hímesháza és Véménd községekből

 

Knipf, Elisabeth - Erb, Maria

Sprachgewohnheiten bei den Ungarndeutschen (Vorergebnisse einer Umfrage)

Nyelvi szokások a magyarországi németség körében

 

Gyivicsán, Anna

Berührungspunkte der traditionellen deutschen und slowakischen Kultur in den slowakischen Sprachinseln in Ungarn

A német és szlovák tradicionális kultúra találkozása a magyarországi szlovák nyelvszigeteken

 

Band 16.: 1999

 

Boross, Marietta

Bemalte Bauernmöbel aus Hartau/Harta

A hartai festett bútorok

 

Band 17.: 2000

 

Iván Balassa

Vorwort

Beköszönt

 

László Kosa

Dramatische Volkstraditionen aus Mittelstadt (Felsőbánya) und Oberufer (Főrév) auf der Bühne des Budapester Uránia-Theaters

A főrévi és felsőbányai német misztériumjáték a budapesti Uránia Színház színpadán

 

Vilmos Voigt

Noch einmal über den „Schorokscharer Faust"

Még egyszer a soroksári Faustról

 

Katharina Wild

Hutzelsonntag in Südungarn (II)

Csonkavasárnapi népszokások Dél-Magyarországon (II)

 

Ibolya Sax

Der Tod, das Begräbnis und die Friedhofskultur der Deutschen in Werischwar/Pilisvörösvár, mit besonderem Hinblick auf die deutschen Grabinschriften

A halál, a temetés és a temetkezési kultúra a pilisvörösvári némteknél, különös tekintettel a német nyelvű sírfeliratokra

 

Ernő Eperjessy

Nachwort

Utószó

 

Band 18.: 2001

 

Károly Manherz

Identität und Sprachgebrauch bei den Minderheiten

Identitás és nyelvhasználat a kisebbségeknél

 

Ágnes Aporfi

Das Bauernhaus und seine Einrichtung in Polan/Magyarpolány

A parasztház és berendezése Magyarpolányon

 

Marietta Boross

Beiträge zu der Herausgestaltung der herrschaftlichen Ziegelei deutschen Ursprungs in

Ungarn Adalékok a német eredetű uradalmi téglásmesterség kialakulásához Magyarországon

 

Tímea Eberling

Das deutsche Bauernhaus in Schomberg/Somberek (Eine Beschreibung)

A német parasztház Somberekén

 

Ágnes Szélig

Todes- und Bestattungsbräuche bei den Ungarndeutschen und bei den Szeklern in Wemend/

Véménd Halotti és temetkezési szokások a magyarországi németeknél és a véméndi székelyeknél

Anmerkungen:

  1. Hutterer, Claus Jürgen, 1960. Geschichte der ungarndeutschen Mundartforschung. Berlin.
  2. Sztachovics, Remigius, 1867. Brautsprüche und Brautlieder auf dem Heideboden. Wien.
  3. Schwanz, Elenor, 1930. Die deutschungarische Volkskundeforschung. In: Deutsche Volkskunde im außerdeutschen Osten, S. 34-35. ff. Berlin und Leipzig. Manherz, Karl, 1977. Sprachgeographie und Sprachsoziologie der deutschen Mundarten in Westungarn. (Mit einer ausführlichen Bibliographie zur Volkskunde der Deutschen in Westungarn.) Budapest.
  4. Schwartz, Elenor, a.a.O., S. 37.
  5. A hazai német nyelvjárások (Die ungarländischen deutschen Mundarten). 1905. In: Akadémiai Értesítő, Budapest.
  6. A soproni német gyerekdal (ung.)
  7. A rábalapincsközi német nyelvjárás hangtana. Budapest.
  8. Német Philológiai Dolgozatok
  9. Szabó, O., 1913. Nemzetiségi ismertető könyvtár. Budapest.
  10. Erschienen: Ernyey, József -Karsai (Kurzweil), Géza: Deutsche Volksschauspiele aus den Oberungarischen Bergstädten. Bd. 1-3. Budapest.
  11. Német Nyelvészeti Dolgozatok
  12. Német Néprajztanulmányok
  13. Langensalza-Berlin-Leipzig 1931. Fél, Edit beschreibt vielseitig die Volkskunde von Hartau/Harta, besonders wichtig sind ihre interethnischen Bemerkungen, auch was den Sprachgebrauch betrifft. Sie weist auch auf die Zweisprachigkeit hin, indem sie die Texte der Volkslieder analysiert. Sie meint, daß vor allem auf dem Gebiet des Volksliedes und der Kinderspiele die ungarische Sprache die Muttersprache verdrängte. Sie bringt auch Beispiele zur Zweisprachigkeit. Vgl. Fél, Edit, 1931. Harta néprajza (Die Volkskunde von Hartau). In: Néprajzi Értesítő (Hrsg. Györffy, István), S. 128-129.
  14. Vgl. die Auseinandersetzungen mit der Kuhnschen Auffassung bei Weber-Kellermann, Ingeborg, 1978. Zur Interethnik. Frankfurt, S. 69 ff.
  15. Vgl. Kuhn, Walter, a. a. O., S. 13-14.
  16. Jungbauer, Gustav, 1930. Die deutsche Volkskunde in der Tschechoslowakei. In: Deutsche Volkskunde im außerdeutschen Osten, S. 9 ff. Berlin- Leipzig.
  17. Vargha, Karl, 1941. A délkeleti Zselic (Das südöstliche Schellitz). Gebietskunde, Siedlungsgeschichte, deutsch-ungarische Wechselbeziehungen in Volksliedern und Volksweisen. Kaposvár. Csurgói Könyvtár, Bd. XVII.
  18. Bd. 1: 1975; Bd. 2: 1979; Bd. 3:1981. (Red. Klotz, Claus-Manherz, Karl), Bd. 4: 1982. Hrsg. ; Manherz, Karl Ungarndeutsche Studien 1; Hambuch, Wendelin: Der Weinbau in Pußtawahn. Der Wortschatz in der deutschen Mundart von Pußtawahn. Budapest 1981.
  19. Frankfurt 1978.
  20. a. a. 0.,S. 120 ff.
  21. Vgl. Künzig, Johannes., 1959/60. Institut für ostdeutsche Volkskunde. In: JbfoVkd 5, S. 273-275.
  22. Vgl. noch Künzig, Johannes - Werner, Waltraud, 1975. Volksballaden und Erzähllieder -ein Repertórium unserer Tonaufnahmen. Freiburg.
  23. A II. Békéscsabai Nemzetközi Néprajzi Nemzetiségkutató Konferencia előadásai (Vortrage der II. Internationalen Konferenz zur Erforschung der Volkskunde der Nationalitäten) 30.9.- 2.10. 1980. Bd. 1-3. Hrsg.: Eperjessy, Ernő- Krupa, A Budapest-Békéscsaba, 1981.

 

2. Sitten und Bräuche im Jahreslauf

Es ist allgemein bekannt, daß das heutige Brauchtum aller zivilisierten Völker eine Mischung von vorgeschichtlichen und geschichtlichen, d. h. heidnischen und chrisdichen Elementen, darstellt. Der Ursprung der meisten Bräuche geht auf die heidnische Zeit zurück. Nach der Entstehung des Christentums bemühte sich die Kirche, den überlieferten Bräuchen den heidnischen Charakter, das ausgeprägte Heidnische zu nehmen und ihnen einen neuen Inhalt zu geben. Deshalb tauchen im heutigen Brauchtum alte heidnische und neuere christliche Elemente, oft untrennbar miteinander verwoben, auf, so daß man den eigentlichen Sinn der meisten Bräuche gar nicht mehr kennt oder erschließen kann. Wo es möglich war, wurde in der folgenden Zusammenstellung auf den Ursprung der wichtigsten Bräuche hingewiesen.

Die Beschreibung der Jahresbräuche erstreckt sich auf die drei großen, von Deutschen bewohnten Gebiete Ungarns, darüber hinaus auch auf einige Streusiedlungen. Soweit es die Fachliteratur zuließ, wurde auch versucht festzustellen, welche Bräuche die Ungarndeutschen aus ihrer deutschen Heimat mitgebracht hatten und welche sie sich in der neuen Heimat von den anderen Nationalitäten - vor allem von den Ungarn — angeeignet haben.

Ein Teil der im folgenden dargestellten Bräuche wird auch heute noch unverändert gepflegt oder wurde in den letzten Jahren neu belebt; der größte Teil ist jedoch schon in Vergessenheit geraten bzw. lebt nur noch in der Erinnerung der älteren Leute. Mit dem differenzierten Gebrauch der Zeitformen Gegenwart und Vergangenheit soll darauf hingewiesen werden, welche die noch lebenden bzw. neu belebten und welche die schon ausgestorbenen Sitten und Bräuche sind.

Die Behandlung der Jahresbräuche erfolgte nach den Jahreszeiten, d. h. nach den Einheiten, den Arbeitsperioden des Wirtschaftsjahres.

 

2.1. Winter

Der Weihnachts festkreis

Die Weihnachtszeit, die mit der Andreasnacht (30. November) beginnt und bis zum Dreikönigstag (ó.Januar) dauert, spielte und spielt auch heute noch im Jahresbrauchtum eine sehr wichtige Rolle. An der Schwelle des neuen Jahres und zur Zeit der winterlichen Sonnenwende, wo die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind, schien die Natur voller Geheimnisse zu sein. Man glaubte, daß in diesen Tagen alle Geister los sind und ihr Unwesen treiben. Diesen Zeitabschnitt betrachtete man als die Hauptzeit für Weissagungen und Zauber; mit Hilfe verschiedener Handlungen versuchte man etwas über die eigene Zukunft zu erfahren, für das Vieh und die Wirtschaft ein gutes Gedeihen zu sichern, die bösen Geister zu vertreiben und fernzuhalten. Schon seit Urzeiten zieht sich durch diese Wochen auch der Glaube an den Sieg der Sonne über die finsteren Mächte des Winters.

Das heidnische Brauchtum des Hochwinters und der Jahreswende wurde auch nach der Christianisierung beibehalten, jedoch den christlichen Vorstellungen entsprechend umgestaltet und ergänzt.

Zusammengefaßt kann also festgestellt werden: „Im Weihnachtsfest ... vermischen sich seit alters vorchristliches Zauber- und Glaubensgut des Hochwinters mit Bräuchen des römischen Jahresbeginnes und christlichen Zutaten, Umgestaltungen und neuen Ausdeutungen" (Spamer; Sitte und Brauch, S. 129).

 

Die Adventszeit

Die Einleitung der weihnachtlichen Festzeit ist der Advent (atwent, apfent), der mit dem vierten Sonntag vor dem 25. Dezember beginnt. Innerhalb dieser Periode ist der Andreastag (30. November) der erste bedeutende Tag für die Zukunftsbefragung. In der vorausgehenden Nacht versuchen junge Mädchen ihren Zukünftigen durch Werfen von Schuhen und Pantoffeln, durch Bettrücken, durch Bleigießen usw. „auszuforschen".

 

Vom Wetter des Andreastages heißt es:
Andreasschnee tut Korn und Weizen nicht weh.

 

Auch der 4. Dezember, der Barbaratag, eignet sich für das Weissagen. Zu Mitternacht oder in der Früh gehen — vielerorts auch heute noch — die Mädchen und die Frauen in den Garten oder in den Hof hinaus und brechen sich einige — meistens drei — Zweige eines Aprikosen-, Apfel-, Mandel-, Kirsch- oder Pfirsichbaumes ab. Dies muß „unbeschrien" (unpsria) — ohne mit jemandem zu sprechen oder angesprochen zu werden — geschehen. Die sogenannten Barbarazweige (barbaratswait., lewatswait) werden in einem Einmachglas an einen warmen Platz gestellt. Wenn sie zu Weihnachten blühen, wird das Mädchen, das sie gepflückt und gepflegt hat, im nächsten Jahr heiraten. Wurden die Zweige von einer Frau gebrochen, erwartet sie im kommenden Jahr eine reiche Ernte. Das Nichterblühen der Zweige bedeutet Unglück. Dieser in Europa weit verbreitete Brauch wurde bei den Ungarn auch am Luziatag (13. Dezember) ausgeübt. Bei ihnen waren am Barbatatag auch zahlreiche Tätigkeiten verboten wie Spinnen, Nähen, Waschen, Fegen, Borgen, Schenken usw. Die Mehrzahl dieser Verbote galt auch für den 13. Dezember. Das Nähverbot fand man auch in einigen ungarndeutschen Dörfern wie in Elek, und SawerlSzékelyszabar.

Es ist bemerkenswert, daß die Bräuche an den denkwürdigen und Feiertagen der Weihnachtszeit viele verwandte Züge zeigen. Besonders ähnlich sind aber die Bräuche am Barbaratag mit denen am Luziatag.

In der hl. Barbara verehrten auch die Bergleute und das Militär ihre Schutzpatronin. Dieser Tag wurde in Ungarn bis 1945 auch staatlicherseits offiziell unterstützt und gefeiert.

Der Kult der Schutzpatronin Barbara hat sekundären Charakter, die magischen Bräuche dagegen sind primär.

Dasselbe kann auch von den Bräuchen am Nikolaustag (6. Dezember) gesagt werden. Das Tun des christlichen Adventsheiligen Nikolaus (Bischof von Myra bzw. Pinora) knüpfte an ältere Gestalten und Handlungen volkstümlicher winterlicher Bräuche an.

Auf deutschem Sprachgebiet tritt der Nikolaus als Gabenspender und Kinderfreund erst seit dem 16. Jahrhundert auf. Seit dieser Zeit ist der Brauch bezeugt, daß die Kinder ihre Schuhe vor die Haustür stellen, in die der Nikolaus dann nachts seine Gaben hineinlegt. Bald danach wurde auch von der Einkehr eines als Nikolaus verkleideten weißbärtigen Mannes berichtet, der die Kinder prüft, mit Geschenken belohnt, mit der Rute bestraft oder droht, sie in seinem Sack mitzunehmen. Nach und nach erscheinen als Begleiter des Nikolaus vermummte Schreckgestalten, von denen der Knecht Ruprecht und der Kram-pus die bekanntesten sind. Diese vermummten Begleitfiguren werden als Nachkörmmlinge vorchristlicher Winterdämone gedeutet. In evangelischen Gebieten Deutschlands wurde der Nikolaus bald vom Christkind abgelöst, das schon früher als Gabenspender aufgetreten war.

Im 19. Jahrhundert flössen Knecht Ruprecht und Nikolaus allmählich in der einen Gestalt des Weihnachtsmannes zusammen, der stärker den Geschenkbringer betont als den Kinderschreck. Die Gestalt des Weihnachtsmannes trat zuerst in Norddeutschland auf und wurde dann von anderen Gebieten übernommen.

Zu den ungarndeutschen Kindern kam der Nikolaus (nigb, nikhs, niklas, nikolas) in früheren Zeiten „persönlich". Er hatte meistens einen nach außen gekehrten Schafspelz und eine lange Leinenhose an. Auf dem Kopf trug er eine tief ins Gesicht gezogene Pelzmütze und an den Füßen große Stiefeln. Damit ihn die Kinder nicht erkannten, hatte er auch einen Schnurrbart und einen Bart aus Hanf.

Der Nikolaus erschien aber nicht überall als alter, gutmütiger Mann, sondern auch als Schreckgestalt. In den Dörfern des Ofner Berglandes trug er eine Teufelsmaske. In Hajós/ Hajosch, wo sich meistens Frauen als Nikolaus verkleideten und ihr offenes Haar über den Pelzmantel fallen ließen, hatte der Nikolaus auf seinem Kopf eine Pelzmütze mit zwei Federwischen.

Bevor der Nikolaus das Zimmer betrat, rasselte er draußen mit seiner Kette, die er entweder als Gürtel benutzte oder in der Hand trug. Die Kinder mußten dem Nikolaus Gebete und Verse aufsagen und Lieder singen. Die meisten dieser Verse und Lieder preisen den Nikolaus und fordern ihn zum Gabenspenden auf wie:

Nikolaus; Nikolaus, lieber Mann,

klopf an unserer Türe an!

Wir sind brav, drum bitte schön,

laß die Rute draußen stehn!

(Elek)

Nachdem die Kinder ihr Können gezeigt hatten, wurden sie vom Nikolaus mit Dörrobst (hutsein), Nüssen, Äpfeln, später auch schon mit Süßigkeiten beschenkt. Unter ermahnenden Worten nahm er die Geschenke aus seinem Sack oder Rucksack heraus und verstreute sie im Zimmer. Oft brachte der Nikolaus auch eine Rute (steke, kevta) und gab damit den Kindern, die die Geschenke voreilig vom Boden aufhoben einige Hiebe.

In manchen Dörfern Südungarns erschien der Nikolaus mit seinem Knecht, mit einem Krampus, der schwarz gekleidet war und sein Gesicht mit einem schwarzen Tuch verhüllt hatte. Der Nikolaus verteilte die Geschenke und der Krampus die Rutenschläge.

In der jüngeren Zeit kommt der Nikolaus nicht mehr persönlich; in die Häuser, sondern die Kinder stellen ihre geputzten Schuhe ins Fenster oder vor die Tür, die der Nikolaus dann mit Geschenken füllt. Unartige Kinder finden in ihren Schuhen oft nur Zwiebeln, Kartoffeln oder Ruten.

Heutzutage kommt der Nikolaus nur noch in die Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen. Er erscheint hier als weißbärtiger Mann in pelzbesetztem, rotem Mantel und roter Mütze.

Bei den Kroaten in Westungarn gehen am Vorabend des Nikolaustages (5. Dezember) als Krampus gekleidete Burschen im Dorf herum und erschrecken die Kinder. Der Nikolaus verteilt seine Geschenke erst in der Nacht.

Die Umzüge vermummter Gestalten sind auch bei den Ungarn bekannt und sind vermutlich älter als der Brauch der Gabenverteilung durch den Nikolaus, der sich erst im vergangenen Jahrhundert verbreitete.

Bis zum 16. Jahrhundert, zur gregorianischen Kalenderreform, galt der Luziatag (13. Dezember) als der kürzeste Tag im Jahr und die vorangehende Nacht als die längste Nacht des Jahres. So ist es verständlich, daß zur Zeit der winterlichen Sonnenwende der Licht bringenden Luzia, dem Symbol des wachsenden Lichtes, im Volksglauben große Bedeutung beigemessen wurde. Der Name Luzia geht auf lat. lux „Licht" zurück.

Luzia ist im Brauchtum und Volksglauben vieler Völker Europas bekannt. Bei einigen mitteleuropäischen Völkern — so auch bei den Ungarn und in manchen süddeutschen Gebieten (z. B. in Ostbayern) — erfuhr dieser Kalendertag eine Personifizierung. Die Luzia war meistens als häßliches Wesen gedacht, das die Kinder erschreckt und die Erwachsenen bestraft, wenn diese an ihrem Tag bestimmte Verbote unbeachtet ließen. Eine solche Personifizierung war auch bei den Deutschen im Ofner Bergland bekannt. Am Vorabend des 13. Dezembers ging die Luzia mit Weißpinsel und Kalktünche im Dorf herum und beschmierte die Vorübergehenden. In Edek/Etyek zogen verkleidete Burschen durch die Dorfstraßen und erschreckten die kleinen Kinder. In manchen Dörfern arbeitete man an diesem Tag überhaupt nicht, denn man fürchtete sich vor Luzias Strafe. In Hajosch sollte man mit dem Spinnrad (Uonkl) nicht in die Nachbarschaft gehen, denn der Luirnwind reißt das Spinnrad in die Luft und man findet es nicht mehr.

Die Luzia wurde auch als eine freundliche, Gaben spendende Frau vorgestellt. In den deutschen Dörfern Westungarns bekamen die Kinder am Morgen des 13. Dezembers von der Luzelfrau oder Pudelfrau allerlei Süßigkeiten. Bei den Kroaten in Horvátkimle findet dieses Beschenken am Barbaratag statt.

Nach dem Volksglauben haben in dieser Nacht, die bis zum 16. Jahrhundert für die längste Nacht des Jahres gehalten wurde, die Hexen eine große Macht. Um sie von Mensch und Tier fernzuhalten, verwendete man gegen sie verschiedene Abwehrmittel. Vielerorts wurden sie durch Räuchern der Wohnräume und Ställe „vertrieben". In Wudersch/Budaörs und Umgebung legte man auf eine Müllschaufel Glut, streute Weihrauch darauf und räucherte damit das ganze Haus aus. Während des Räucherns wurde in Budakalászz das folgende gesagt:

 

Die bösen Geister treib ich aus,

und das Christkindl soll einkehren ins Haus,

In der Baranya verwendete man angezündete Weihbüschelkräuter zum Räuchern.

Am 13. Dezember war männlicher Besuch gern gesehen, denn man glaubte, daß er Glück bringe.

Nur in wenigen Ortschaften war der Brauch des Luzia-Stuhls (lutsasamrb, lutsasti deh) bekannt. An diesem Tag begann man — genauso wie bei den Ungarn — aus 9 oder 13 Holzarten einen Stuhl zu fertigen, arbeitete sodann jeden Tag daran und beendete ihn am Weihnachtsabend. Mit diesem Stuhl ging man zur Christmette, stellte sich darauf oder schaute durch die im Stuhl befindlichen Löcher, und so konnte man die Hexen des Dorfes sehen — meinte der Volksglauben.

Die folgenden Bräuche, die auch bei den Ungarn weit verbreitet waren, sollten zur Förderung der Fruchtbarkeit dienen.

Der Brauch des Luzia- Weizens(lutsia-wäts) ist mancherorts auch heute noch lebendig. Am 13. Dezember legt man auf einen Teller oder in einen Blumentopf Weizen, Gerste oder Maiskörner und begießt sie jeden Tag. Im warmen Zimmer keimen die Körner schnell, und ihre Triebe sind zu Weihnachten etwa 15-20 cm hoch. Um dieses Grün bindet man ein weißes oder buntes Band und stellt es unter den Weihnachtsbaum. Nach den Festtagen wird es den Hühnern gefüttert, damit sie viel legen. Nach altem Volksglauben kann man aus der Länge der Triebe auf die Ernte des kommenden Jahres schließen.

Den Luziatag nannte man mancherorts auch Hühnertag, denn ein Großteil der abergläubischen Bräuche, die an diesem Tag ausgeübt wurden, hing mit der Hühnerhaltung zusammen. Diese Tatsache ist damit zu erklären, daß das Geflügel früher nicht nur bei der Ernährung der Bauern eine große Rolle spielte, sondern auch eine wichtige Einkommensquelle bedeutete.

An diesem Tag galt in vielen Ortschaften ein Näh- und Strickverbot, denn es wurde gesagt: Wer am Luziatag mit der Nadel arbeitet, der näht bzw. strickt den Hühnern den Hintern zu, und so können diese nicht legen. Die Hausfrau durfte das Haus nicht verlassen, sonst legen die Hühner in die Nachbarschaft. Aus diesem Grund war auch das Borgen verboten. Wollte die Hausfrau früh eine Glucke haben, so stand sie an diesem Tag als letzte vom Tisch auf.

In Elek glaubte man, daß die Hühner am 13. Dezember ihren Namenstag haben, deshalb wurden sie von der Hausfrau mit einem Spruch begrüßt, und sie bekamen den sog. Euziakuchen, der aus Maisschrot, Gerstenmehl, Weizen und Hafer gebacken wurde. Es war auch üblich, das Hühnerfutter in einen Reifen oder eine kreisförmig gelegte Kette zu streuen, damit die Hühner das Jahr über die Eier nicht verlegen.

Bei den Deutschen in Südungarn wurde vereinzelt auch der ungarische Brauch kotyoläs „Brüten" belegt. Dies war ein Heischegang von kleineren Jungen, die durch ihr „Brüten" die Hühner „verzauberten", damit sie viel legen.

Auch Liebesorakel knüpfen sich an diesen Tag. In Elek zündeten die Mädchen die verfilzten Teile des Hanfes oder Flachses an, um aus der Richtung, in die die Asche fiel, feststellen zu können, wo ihr Liebster wohnt. In vielen Ortschaften war an diesem Tag auch das Bleigießen üblich.

Auch die Thomasnacht, die Nacht auf den tatsächlich kürzesten Tag des Jahres (21. Dezember), galt als zauberkräftig und wurde für Orakelbefragungen genützt.

Vielerorts stießen die Mädchen vor dem Schlafengehen mit ihren Fußspitzen an den Bettfuß, oder sie rüttelten ihn um Mitternacht und sagten dabei einen Spruch, der in Hetfehel/ Hetvehely so lautete:

 

Bettstatt, ich trete dich,
heiliger Thomas, ich bitte dich,
sag mir in meinem Träumelein,
wer mein Ehemann soll sein.

 

Weihnachten

Der 25. Dezember war im Altertum der Festtag „der unbesiegbaren Sonne", der römische Wintersonnenwendtag, den man mit Feuern und Lustbarkeiten feierte. Erst im 4. Jahrhundert wurde das Geburtsfest Jesu Christi auf diesen Tag festgelegt.

Die Nächte zwischen Weihnachten (wainoxt, krestok) bis Dreikönig (6. Januar) werden im deutschen Brauchtum Zwölfnächte genannt. Zu dieser Zeit, besonders aber in der diese einleitenden Christnacht [hailigp noxt, krestoksnoxt) die Nacht auf den 25. Dezember -erreicht nach dem Volksglauben das Geistertreiben seinen Höhepunkt. Als Abwehr gegen diese feindlichen Mächte galten jetzt vor allem Peitschenknallen, Schießen, Blasen und Räuchern.

In einigen Dörfern Südungarns zogen die Hirten (halter) am Abend des 24. Dezembers (krestoköwad, hailigdöwad), Peitschen knallend und Viehglocken läutend, durch das Dorf. Von den Bauern bekamen sie an diesem Tag Lebensmittel und Wein als Geschenk. Auch bei den Ungarn wurde dieser Brauch vielerorts ausgeübt.

Bei den Deutschen in Westungarn war das sogenannte Waihnochtsainkkschn verbreitet: Burschen versammelten sich hinter den Häusern und knallten mit ihren Peitschen, wie es die Hirten in der Heiligen Nacht getan hatten. In Wirklichkeit geht dieser Brauch jedoch auf die germanische Zeit zurück.

Im Ofner Bergland stellten sich die Hirten (holdar) nach der Christmette (meta, kresmetä) dem Kircheneingang gegenüber auf und begrüßten mit Peitschenknallen (klein) und Horn-blasen (tudln) die Teilnehmer an der Christmette. In vielen Ortschaften dieses Gebietes war am Christabend auch das Schießen in die Luft und das Ausräuchern der Häuser und Ställe üblich.

Nach dem Volksglauben kann man in der Christmette die Hexen des Dorfes erkennen, wenn man sich auf den Luzia-Stuhl stellt oder die Barbarazweige bei sich hat.

Man glaubte auch, daß die Tiere zur Zeit der Christmette wie die Menschen reden können; vor Mitternacht bekamen sie deshalb noch einmal reichlich Futter, damit sie sich nicht über ihren Herrn beklagen.

Den Speisen, die am Christabend gegessen wurden, maß man eine besondere Bedeutung bei. Vielerorts wurden siebenerlei, neunerlei oder sogar dreizehnerlei sogenannte Fastenspeisen auf den Tisch gestellt wie: Äpfel, Dörrobst, Honig, Kastanien, Knoblauch, Kompott, Kürbis, Mehlspeisen, Mohngebäck, Trauben, Weinsuppe usw. Durch dieses reichliche Essen wollte man sich den Wohlstand für das kommende Jahr sichern. In Tscbiep/ Szigetcsép hob man die Reste der an diesem Abend verzehrten dreizehnerlei Speisen auf und gefütterte sie am 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, den Hühnern mit, damit diese das ganze Jahr hindurch viel legen.

Zum Weihnachtsfest gehört auch der Weihnachtsbaum (kristpäm, krespäm,päm), der fast auf der ganzen Welt als Symbol dieses Festes gilt. Dieses Baumaufstellen wird auf den alten Brauch zurückgeführt, zum Jahresbeginn das Haus mit Wintergrün zu schmücken, durch das man sich im Haus, Stall und auf dem Feld Gesundheit, Glück, Fruchtbarkeit und Wachstum sichern wollte. Dazu mochte sich zuweilen auch die Absicht des Geistervertreibens gesellen. Diesem Zweck dienten auch brennende Lichter. Aus ihrer Verbindung mit dem wintergrünen Baum ist schließlich der Christbaum, der Weihnachtsbaum entstanden.

Die erste überlieferte Beschreibung eines weihnachtlichen Tannenbaumes stammt aus dem Jahre 1605 aus dem Elsaß. Bei den häuslichen Weihnachtsfesten wurde er aber erst im 19. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. Zur gleichen Zeit hat sich dieser Brauch über das deutsche Sprachgebiet hinaus in benachbarte europäische Länder — so auch nach Ungarn — und schließlich auch in die Neue Welt ausgebreitet.

Bei den Ungarndeutschen wurde zu Weihnachten in der Regel ein Wacholderbusch (waxobrpäm, kraundwaitri) aufgestellt und mit Ketten aus buntem Papier, Dörrobst und Puffmais {keplatsfo kukrutz) sowie mit Nüssen — meist vergoldet oder versilbert -, Äpfeln, Feigen, Lebkuchenfiguren, Gebäck, später auch mit „Salonzucker" behängt. Auch Kerzen und Wunderkerzen wurden am Baum angebracht, und an seiner Spitze war der Morgenstern zu sehen. Die Spiegel und Bilder in der Wohnung schmückte man ebenfalls mit Wacholderzweigen.

Die Bescherung der Kinder geschah und geschieht auch heute noch am Abend des 24. Dezembers. Das Christkindl (kristka ndli, kresKenja), eine ganz in Weiß gekleidete Gestalt, brachte den Kindern früher außer dem Weihnachtsbaum oft auch noch selbstgefertigte Geschenke wie: gestrickte Schals, Socken und Handschuhe, aus Hefeteig gebackene Figuren, selbstgebastelte Puppen, Puppenwagen, Pferde und anderes Spielzeug. Auch von den Pateneltern (ist, godl und phetar, göd) erhielten sie zu Weihnachten Geschenke, meistens Lebkuchenfiguren, Äpfel, Nüsse und Dörrobst, gelegendich auch ein Kleidungsstück.

Die Bescherung zu Weihnachten dürfte auf die römische Sitte der Neujahrsbescherung zurückgehen. Teile dieses Brauches scheinen in einigen Dörfern erhalten geblieben zu sein. In Sier/Szür bekamen die Kinder auch zu Neujahr Geschenke, der Gabenspender hieß dann Neujahrsmännchen (najoasamenja). In Fekedwurden die Kinder von ihren Patenteltern nicht zu Weihnachten, sondern zu Neujahr beschenkt.

Zur Weihnachtszeit wurde in den ungarndeutschen Dörfern auch das Christkinndl- oder Bethlehemspiel aufgeführt. Schulmädchen und -jungen zogen von Haus zu Haus; sie stellten Engel, Hirten, Maria und Josef und auch einen Wirt dar und waren auch dementsprechend gekleidet. Sie hatten einen Weihnachtsbaum oder die Abbildung des Stalles von Bethlehem bei sich, stellten beides auf den Tisch und trugen das Spiel mit verteilten Rollen vor. Meistens wurde es gesungen, bestimmte Strophen aber auch gesprochen. Im Bethlehemspiel wird die bekannte Geschichte, die Geburt vom Jesulein, erzählt. In Südungarn hat man einen Teil des Bethlehemspiels — mancherorts auch das ganze — auch in der Christmette vorgetragen, deshalb mußte es genau einstudiert werden. In einigen Dörfern dieses Gebietes wurde das A.dam-und-Hva-Spiel; auch Paradiesspielgenannt, aufgeführt, das die Geschichte des ersten Menschenpaares in Paradies vorstellt. Beide Spiele haben auch bei den Ungarn ihre Entsprechungen.

Die Tage zwischen Weihnachten und Dreikönig sind nach Meinung der Alten für die Wetterprophezeiung bedeutsam; denn nach dem Wetter an diesen 12 Tagen gestalte sich das Wetter der einzelnen Monate im neuen Jahr. Mancherorts wird dies auch von der Zeit zwischen dem Luziatag und Weihnachten behauptet.

Allgemein bekannt sind die folgenden Regeln:

 

Auch zahlreiche die Fruchtbarkeit fördernde Handlungen führte man früher zu dieser Zeit aus.

In der Christnacht wurde in einigen Dörfern Südungarns der Zimmerboden mit Stroh belegt, als Gedenken an den Stall von Bethlehem. Dieser Brauch war auch bei den Ungarn, besonders aber bei den Serbokroaten sehr verbreitet; bei ihnen schliefen zu Weihnachten der Hausherr oder auch die ganze Familie auf dem Stroh.

Nach Weihnachten band man dieses Stroh um die Obstbäume, damit sie im nächsten Jahr reichlich Früchte tragen.

In Berkei/' Ceglédbercel'ging der Hirt am Tag vor Weihnachten in die Häuser und ließ die Kinder aus den mitgebrachten Weidenruten eine herausziehen. Mit dieser Rute schlugen die Kinder am ersten Weihnachtstag die Erwachsenen „frisch und gesund". In Kirwa/ Märiahalom, wo dieses Rutenziehen ebenfalls bekannt war, glaubte man: Je mehr Verzweigungen die Rute habe, desto größer werde die Vermehrung der Haustiere im nächsten Jahr. Bei den Ungarn und Serbokroaten wurde dieser Brauch mancherorts auch am Georg- (24. April) oder am Martintag (11. November) ausgeübt.

Am Johannistag (27. Dezember) fand in vielen ungarndeutschen Dörfern die Weinweihe statt. Vom geweihten Wein tranken alle Familienmitglieder, sie hofften dergestalt, daß sie so im nächsten Jahr keine Halsschmerzen bekommen. Man goß davon auch in die bereits gefüllten Fässer, damit es im neuen Jahr eine reiche Weinernte gebe. Der Rest des geweihten Weines wurde in einer kleinen Flasche aufbewahrt, er diente während des Jahres als Arznei gegen Halsschmerzen.

Der Brauch der Weinweihe war auch in den katholischen Gegenden Deutschlands sehr verbreitet.

Am 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder (Mintsa/tök, Meng/tök), gingen die Kinder und Burschen schon in der Früh mit einer Rute in der Hand zu den Verwandten und guten Bekannten. Mit der Rute schlugen sie zwei-dreimal jede Person, der sie begegneten, besonders aber die Mädchen und Frauen. Zu diesem Kindein, Fitzeln (Mengh, außindln, fitsh) benutzten sie die vom Nikolaus oder vom Christkindl gebrachte Rute oder die

Barbarazweige, mancherorts auch eine aus Weidenruten geflochtene Karbatsche. Beim Schlagen sagten sie folgendes:

 

 

Der eigentliche Sinn des Kindeins ist: Das Schlagen mit der Rute soll die Gesundheit und Fruchtbarkeit fördern.

Für die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr galten zahlreiche Arbeitsverbote. In Südungarn achtete man darauf, daß der Rocken zu Weihnachten abgesponnen sei, sonst komme die Hexe und verfitze alles. In vielen Ortschaften waren das Brotbacken, Waschen, Trocknen und allgemein die schweren Arbeiten verboten. Das Nichtbeachten dieser Verbote sollte sich auf die Gesundheit der Menschen und auf den Viehbestand des nächsten Jahres schädlich auswirken.

Die letzte Nacht des Jahres, die Silvesternacht, war für Liebesorakel günstig. In Südungarn holten die Mädchen aus dem finsteren Keller Holzstücke herauf und zählten sie in der Küche. Wenn die Zahl dieser Holzstücke gepaart war, d. h. eine gerade Zahl erreichte, bedeutete dies, daß das Mädchen im nächsten Jahr heiraten würde.

In Bogdan/Dunabogdány wandten sich die jungen Mädchen mit folgender Bitte an den Kalenderheiligen:

Heiliger Silvester,

laß mich nicht als Letzte.

Heuer bin ich übrig geblieben,

aufs Jahr wird es mir wieder so gehen.

In Elek schälten die Mädchen vorsichtig Äpfel ab, dabei darauf achtend, daß die Schale in einem Stück bleibt. Dann warfen sie die Schale über die Schultern nach hinten und dachten dabei an ihren Liebsten. Zeigte die auf die Erde gefallene Schale den Anfangsbuchstaben seines Namens, so war das ein Zeichen dafür, daß das Mädchen im neuen Jahr heiratet.

 

Neujahr

Alt und zahlreich sind die Bräuche zum 1. Januar, mit denen man das kommende Jahr begrüßt und sich gegenseitig ein gutes Jahr wünscht. Viele dieser Bräuche sind auch heute noch lebendig.

Das Begrüßen des neuen Jahres begann eigentlich schon am Silvesterabend, den die jungen Leute überall mit Lustbarkeiten verbrachten. In vielen Dörfern zog die Musikkapelle schon kurz nach der kirchlichen Jahresabschlußfeier von Haus zu Haus und spielte Neujahrsgrußlieder und andere Musikstücke. In Elek machten sich die Burschen eines Freundschaftskreises nach dem Abendessen auf den Weg und gingen unter Musikbegleitung zu den größeren Mädchen, um ihnen ein glückliches neues Jahr zu wünschen.

Nach dem letzten Schlag der zwölften Stunde wurde in vielen Dörfern das neue Jahr „angeläutet". In Wudersch verkündete früher der Nachtwächter durch Hornblasen den Beginn des neuen Jahres. In Kokosch/Kakasd verabschiedeten die Burschen mit selbstgebastelten Karbidbüchsen (kätsdäop) das alte Jahr und begrüßten zugleich das neue.

Am 1. Januar besuchen die Verwandten und Freude einander, um sich das neue Jahr „anzuwünschen". Dieses „Anwünschen" (ounwintsn, ouwinsd) war und ist auch heute noch besonders für die Kinder ein großes Erlebnis. Sie machen sich schon in aller Früh aus den Federn, denn es heißt: Wer am 1. Januar lange im Bett bleibt, wird das ganze Jahr hindurch faul sein. Das frühe Aufstehen hat auch noch einen anderen Grund: Der erste „Glückwünscher" des Hauses wird am reichsten beschenkt. Die Kinder gehen zuerst zu den Großeltern, dann zu den Pateneltern und Nachbarn und schließlich zu den anderen Verwandten und Bekannten und „wünschen das neue Jahr an", indem sie die meistens von den Großeltern gelernten Sprüchlein vortragen. Für ihre Glückwünsche wurden sie früher mit Äpfeln, Nüssen und Backwerk beschenkt, heute bekommen sie Geld dafür.

Der folgende wohlbekannte Neujahrsspruch wird von kleineren Kindern aufgesagt:

Ich wünsch, ich wünsch, ich weiß nicht was.
Greift in Sack und gebt mir was!
(Wudigeß/Budakeszi)

Schulkinder wünschen in Wieland/ Villány mit dem folgenden Spruch Glück zum neuen Jahr:

Ich wünsch euch allen aus Herzensgrund ein neues Jahr in dieser Stund, ein neues Jahr mit voller Freud, viel Glück und auch Glückseligkeit.

Die Erwachsenen gehen erst am Nachmittag oder am Abend zu ihren Verwandten und guten Bekannten; ihre Glückwünsche äußern sie meistens auch in Reimenwie:

Ich wünsch euch glückseliges neues Jahr,
Boden voll Körner, Stall voll Hörner, Keller voll Wein,
dann wird das Jahr recht lustig sein.
(Bawaz/Babarc)

An den ersten Tag des Jahres knüpfen sich auch einige abergläubische Bräuche, von denen die meisten auch bei den Ungarn anzutreffen sind. In der Früh des ersten Januars wünscht man sich zuerst eine männliche Person ins Haus, denn sie bringt Glück, Frauen dagegen bedeuten Unglück.

In Fekedhieß es: Wer auf Neujahr ein sauberes Hemd anzieht, bekommt im Laufe des Jahres Schwären.

Nach dem Volksglauben soll man am 1. Januar kein Hühnerfleisch essen, denn die Hühner „kratzen die Wirtschaft zurück". Bevorzugt werden dafür sogenannte quellende

Speisen wie Bohnen, Linsen und Erbsen, weil sie Fruchtbarkeit und Zuwachs zur Folge haben sollen. Unter den Neujahrsspeisen spielen auch die Gerichte aus Schweinefleisch und Fisch eine wichtige Rolle, sie sollen Wohlstand und Glück bringen.

 

Dreikönigstag

Mit dem Dreikönigstag (6. Januar) endet der weihnachtliche Festkreis und auch die damit verbundenen Jahreswendebräuche. Selbst den Weihnachtsbaum läßt man bis zu diesem Tag stehen.

Es sei bemerkt, daß die drei Feste - Weihnachten, Neujahr und Dreikönig - eng zusammenhängen, denn sie alle waren einmal Jahresanfänge. Daraus erklärt sich auch die Verwandtschaft bzw. Gleichheit vieler Bräuche an diesen Festtagen.

Im Volksglauben werden der Dreikönigstag (traikemXstök, traikäintXstag) und die diesem vorangehende Nacht für eine Wunderzeit gehalten. Die Dreikönige betrachtet man als Beschützer in allen Nöten. In den katholischen ungarndeutschen Dörfern fand früher schon am Vorabend ihres Kalendertages die Wasserweihe statt. Man ließ auch Kreide, Salz, Knoblauch, Brot, mancherorts auch Zucker und Äpfel weihen. Von dem geweihten Wasser nahm jede Familie eine Flasche voll mit nach Hause, dieses wurde dann im Laufe des Jahres zu verschiedenen Zwecken verwendet, wie Besprengen des Hauses, Stalles oder der Toten. Mit der Kreide schrieb man noch an demselben Abend die Anfangsbuchstaben der Dreikönigsnamen nebst zwei Kreuzen und der jeweiligen Jahreszahl an die Hausund Stalltür: 19 C + M + B 81, bei den Ungarn: G +M +B. In einigen Dörfern zeichnete man statt der Kreuze den Drudenfuß (trufofes) oder das Hexenkreuz [heksskraits) an die Türen zwischen die Anfangsbuchstaben der Könige. Man war der Meinung, daß diese Zeichen als Schutz gegen Hexen und andere das Haus bedrohende Mächte wirken. Dem Anschreiben der Dreikönigszeichen ging mancherorts das Ausräuchern der Räume, die Einweihung des Hauses voraus. Der geweihte Knoblauch wurde für Krankheitsfälle aufbewahrt, das Salz in der Küche verbraucht und auch unter das Viehfutter gemischt. Die anderen geweihten Lebensmittel wurden von den Familienmitgliedern gemeinsam gegessen.

Am 6. Januar fand auch ein Heischegang der Schuljungen statt. Drei als Könige aus dem Morgenland verkleidete Jungen zogen mit einem Stern von Haus zu Haus und trugen ihr Lied von der Geschichte der Dreikönige vor. Sie wurden dafür mit Nüssen, Süßigkeiten oder mit Geld beschenkt. Dieser Brauch ist sowohl auf deutschem Sprachgebiet als auch bei den Ungarn seit dem 16. Jahrhundert bekannt.

Die wichtigsten Tage in der zweiten Januarhälfte deuten schon auf die baldige Ankunft des Frühjahrs hin.

Am 20. Januar wird gesagt:

Nach Beobachtung der Alten ist ein gutes Weinjahr zu erwarten, wenn es am Vinzenztag, dem 22. Januar, taut:

Der 25. Januar, Pauli Bekehrugstag, gilt als Wintermitte. Es heißt:

 

2.2. Vorfrühling und Frühling

Die Zeit von Lichtmeß (2. Februar) bis Ende April, in der Winter und Sommer um die Herrschaft kämpfen, gilt im Brauchtum des Jahres als Vorfrühling. Diese Zeit ist reich an solchen Bräuchen, in denen die Freude über das Scheiden des Winters und das Wiedererwachen der Natur zum Ausdruck kommt.

Der 2. Februar wird zum Teil noch als Wintermitte aufgefaßt, deshalb soll der Bauer mit dem Viehfutter sparen. Man sagt:

Dieser Tag gilt aber auch, genauso wie die anderen Februarfeste, als Winterende. Die Frauen mußten früher das Spinnen, eine ausgesprochene Winterarbeit, von nun an unterlassen; es hieß:

Lichtmeß, Spinnen vergeß'.

Für den 2. Februar wird noch kein warmes Wetter gewünscht, sondern lieber Wind und Schnee. Man glaubt, daß an diesem Tag der Dachs - bei den Ungarn der Bär - aus seiner Höhle herauskommt, und wenn er seinen Schatten sieht, geht er wieder zurück. Es wird auch gesagt:

Lichtmeß im Klee, Ostern im Schnee.

Eine andere Erfahrung macht darauf aufmerksam

Nach Beobachtungen des Volkes soll auch der Matthiastag (24. Februar) über das Wetter der darauffolgenden Zeit entscheiden. Die allgemein bekannte Wetterregel lautet: .

 

Fasching

Fasching ist die süddeutsche, besonders in Bayern und Österreich übliche Bezeichnung für die der Fastenzeit vorangehenden Wochen. „Es ist eine Zeit tollen Treibens, unbändigen Lärmens, des Schabernacks und fröhlichen Spottes", schreibt der bekannte Volkskundler Adolf Spamer, der sich mit den Bräuchen der Frühlingszeit eingehend beschäftigt hat (Spamer, Sitte und Brauch, S. 35).

In den anderen deutschen Gebieten wird diese Zeit Fastnacht genannt. Die Erklärung dieses Wortes ist umstritten, die Deutungen schwanken zwischen Nacht vor Fasten und Narrennacht (faseln = sich närrisch, unsinnig benehmen). Ursprünglich benannte „Fastnacht" den Abend vor dem Beginn der Fastenzeit, seit dem 19. Jahrhundert meist die Zeit vom Dreikönigstag bis zum Aschermittwoch.

Bei den Ungarndeutschen wird dieser Zeitabschnitt fast überall als Fasching (fosing) bezeichnet; auch die ungarische Henennungfarsang stammt von diesem Wort. Die Bezeichnung Fastnacht (fasnat) ist nur in wenigen Dörfen bekannt.

Die Sitten und Bräuche der Faschingszeit gehen auf das uralte Fest der Wintervertreibung und des Frühlingserwartens zurück. Im Mittelpunkt dieses Brauchtums stehen Abwehr- und Fruchtbarkeitsriten, die sich zuweilen auch miteinander vermischen.

Den Höhepunkt der Faschingszeit bildeten auch bei den Ungarndeutschen die letzten drei Tage vor Aschermittwoch, vom Faschingssonntag bis Faschingsdienstag. Für die Bedeutung der drei Faschingstage spricht, daß früher zu dieser Zeit die Arbeit ruhte und in den Schulen der Unterricht ausfiel. Die Erwachsenen kleideten sich festlich und besuchten ihre Freunde und Bekannten. An jedem Abend der drei Faschingstage wurde ein Ball veranstaltet, der immer bis in die Früh dauerte. Am dritten Tag, also unmittelbar vor dem Beginn der Fastenzeit, ging der Ball bereits um 11 Uhr abends zu Ende. Mit dem Faschingstanz war früher die abergläubische Vorstellung verbunden, je höher man beim Tanzen springt, desto länger wächst der Hanf im nächsten Jahr. In Hajosch nannte man den letzten Tanz am Faschingsdienstag — bei dem man besonders hoch hüpfen sollte — deshalb auch Hanftanz.

An den letzten drei Faschingstagen gab es überall reichliche Mahlzeiten. Eine beliebte Faschingsspeise war das Kraut, das man mit Schinken oder Wurst kochte und als gefülltes Kraut zubereitete. Das übriggebliebene Kraut wurde am Aschermittwoch den Hühnern mit verfüttert, und zwar innerhalb eines Faßreifens oder eines kreisförmig gelegten Strik-kes, damit sie das ganze Jahr hindurch ihre Eier nicht verlegen. Das übliche Gebäck der Faschingstage waren und sind auch heute noch die Kreppel.

In vielen Dörfern begannen die Faschingslustbarkeiten schon am Donnerstag vor Faschingssonntag. In Arpad/Nagyárpád fand an diesem sogenannten schmutzigen Donnentag (smotsti durstik) — bei den Ungarn kövér csütörtök — im Wirtshaus ein Kindertanzfest statt.

Im Mittelpunkt des Faschingsbrauchtums steht der dörfliche Umzug dämonisch maskierter Gruppen, der auf deutschem Sprachgebiet schon seit dem Mittelalter (15. Jahrhundert) bezeugt ist. Die Maskierung galt als allgemein bekanntes Schutzmittel gegen feindliche Mächte, die den Menschen bedrohen. Nach abergläubischen Vorstellungen täuscht man den Dämon, wenn man sich verkleidet, und gewinnt seine Kraft, wenn man seine Züge annimmt. Die Maskenumzüge der Faschingszeit wurden von lautem Schreien, Peitschenknallen, Ratschen, Schießen, Trommeln, Kleppern u. a. begleitet. Dieses Lärmen und auch das absonderliche, schreckhafte Aussehen der Maskierten sollte die Verscheuchung feindlicher Mächte bezwecken (Spamer, Sitte und Brauch, S. 39-40.).

Die Faschingsumzüge fanden bei den Ungarndeutschen meistens am Faschingsdienstag statt.

In Elek versammelten sich früher die verheirateten Männer am Vormittag dieses Tages in etwa 4-5 Wirtshäusern. Die Grundlage für die einzelnen Männergruppen bildete im allgemeinen ein Freundeskreis. Hier verkleideten sie sich als Frauen oder zogen Tierkostüme an und beschmierten ihr Gesicht mit Ruß, Farbe oder Schuhcreme. Der Umzug der einzelnen Gruppen begann um 10 Uhr und hatte eine traditionell festgelegte Ordnung. An der Spitze des Zuges ritten zweimal zwei in ungarischer Tracht gekleidete Männer, ihnen folgte unmittelbar der Wagen zum Sammeln der Gaben. Auf diesem Wagen stand unter anderem ein Weinfaß, in das der gesammelte Wein hineingegossen wurde. An dem Wagen wurde auch die Stange jenes Rades angebracht, auf dem zwei Puppen - Hansl und Kredl- einander gegenüberstanden. Beim Fahren drehte sich dieses Rad.

Diese Puppen tauchen auch beim Blochziehen in Südwestungarn auf und symbolisieren die Fruchtbarkeit. In Pula nannte man das Brautpaar des Maskenumzuges Hansl und Kredl. In einem Hutzellied der fuldischen Dörfer Südungarns wird das Hutzelkretje bzw. Hutzelkrelje besungen.

Im Eleker Umzug bewegten sich die Maskierten, Faschingsnarren genannt, in der Nähe des sogenannten Faßwagens. Sie gingen in ein jedes Haus hinein und ließen sich ihren Krug mit Wein füllen und auf ihren Spieß Kreppel stecken. Auch Eier wurden ihnen geschenkt. Die Faschingsnarren sorgten auch dafür, daß die Zuschauer in die Faschingsnarretein einbezogen wurden. Der laute, fröhliche Umzug ging am frühen Nachmittag zu Ende. Die am Tage gesammelten Gaben wurden am Abend auf den Binkelbällen (pingalisbal) der einzelnen Umzugsgruppen verzehrt. Seit 1960 werden diese Faschingsumzüge, mit kleineren Veränderungen, neubelebt. Heutzutage können nicht nur verheiratete Männer, sondern auch Burschen und Mädchen, ja sogar verheiratete Frauen daran teilnehmen. Früher zogen 4-5 Gruppen durch das Dorf, heute nur noch eine, und die gesammelten Gaben werden auf dem gemeinsamen Binkelball verzehrt (Mester, Faschingsbräuche in Elek).

In Südungarn fand der Umzug der Faschingsnarren (fosingsnovn) am Faschingsdienstag nachmittag statt. Verkleidete Mädchen und Jungen - ihre Kleidung hatten sie meistens untereinander getauscht, manche trugen auch Ziegen- oder Schafskostüme — gingen Peitschen knallend durch das Dorf und beschmierten die Zuschauer mit Ruß, Schuhcreme oder Wagenschmiere.

Im Ofner Bergland sowie in einigen Dörfern Westungarns und der Batschka kam es erst am Aschermittwoch zum Umzug der Faschingsnarren. Kleinere Gruppen von Burschen gingen in die Häuser, wo größere Mädchen wohnten und erbaten Eier, Würste, Zwiebeln, Fett und Brot, oft stahlen sie auch Hühner. Diese Speisen wurden am Abend im Wirtshaus gemeinsam gegessen.

In den Maskenumzügen der Ungarndeutschen traten und treten zum Teil auch heute noch sowohl gute als auch böse Gestalten auf. Der Bär, eine häufige Figur der Umzüge, soll den scheidenden Winter darstellen. Bei den Serbokroaten in Mohatschf Mohács haben alle Maskierten (Buschos) ein schreckhaftes Aussehen.

Die in West- und Südwestungarn bekannte Form des Faschingsumzuges, das Blochziehen (bloxtsoign, plouxtsiagn), ist zugleich auch ein Fruchtbarkeitsumzug. Da der Fasching die bevorzugte Zeit für Heiraten war, ließ man in deutschen Sprachgebieten schon seit dem 15. Jahrhundert die ledig gebliebenen Mädchen als scherzhafte Strafe einen Pflug, eine Egge oder einen Baustamm durch die Straßen oder über die Äcker ziehen. Eine Variante dieses Brauches, der in ganz Europa verbreitet war, ist das Blochziehen. Dieser Brauch wurde früher nur dann begangen, wenn in der Gemeinde ein ganzes Jahr hindurch keine Hochzeit stattgefunden hatte. Der Bloch ist ein großer, mit Bändern und Reisig aufgeputzter Stamm, der von den Burschen unter den Klängen der Musik durch das Dorf gezogen wurde. In der Umgebung von St. Gotthard/Szentgotthárd zogen noch um die Jahrhundertwende die unverheirateten Mädchen den Bloch. Sie wurden von den Burschen abgefangen und „als Strafe für ihr Ledigsein" vor den Bloch gespannt. Es bestand der Glaube, daß das Blochziehen eine baldige Heirat zur Folge habe. Im Volksglauben galt der Baum als Träger und Bringer der Fruchtbarkeit. Mit ihm sollte Fruchtbarkeit ins Dorf gebracht werden.

In Fidiscb/Rábafiizes setzte man den ältesten Burschen des Dorfes auf den Bloch, er wurde mit Wein getränkt und verspottet. In dieser Gegend ist das Blochziehen auch bei den Ungarn bekannt.

In der jüngeren Zeit wird der Bloch auf einen Pferdewagen geladen und von Maskierten und Lärm machenden Burschen durch das Dorf begleitet. Oft endet der Zug mit einer „Hochzeit", indem das „Brautpaar" meistens zwei verkleidete Burschen — im Wirtshaus von einem „Priester" getraut wird.

In Altglashütten/Óbánya war am Faschingsdienstag das Kukuruzstrohtreiben. Die älteren Burschen des Dorfes wurden zusammengeholt, und jeder bekam eine Kuhglocke umgehängt. Der Zug ging mit Schafgeende und Peitschenknallen zur allgemeinen Belustigung von einem Dorfende zum anderen. In Nadasch/Mecseknádasd'holten die Burschen die Mädchen zusammen und trieben sie auf die Ackerfelder.

Zu den Fruchtbarkeitsriten des Faschings gehörte auch der Schlag mit derljibensrute. In Westungarn wurden die Mädchen in der Tanzstube mit einer Rute, auch mit einem Kochlöffel oder mit der bloßen Hand „frisch und gesund geschlagen". In Kirwa übte man diesen Brauch zu Ostern aus.

Ein verbreiteter Brauch der Faschingszeit war auch das Hahnenschlagen. Ein Hahn wurde in einem Erdloch so tief eingegraben, daß nur noch sein Kopf herausguckte. Ein Bursche, dessen Augen mit einem Kopftuch verbunden waren, mußte den Kopf des Hahnes mit einer Sense abschlagen. Gelang es ihm nicht, so durfte es ein anderer versuchen. Der Sieger wurde gefeiert und der Hahn im Wirtshaus für die Burschen zubereitet.

Als ein Relikt alten Frauenrechts ist der Brauch des Weiberfaschings (waiwarfosing) zu betrachten. Am Faschingsdienstag gehörte in einigen deutschen Dörfern Südungarns der Kellerschlüssel den Frauen, d. h., sie hatten das Vorrecht in den Kellerreihen. In Marok/ Erdősmárok trafen sich nach dem Mittagessen die Spinnstubengruppen, und sie gingen von einem Kellerhaus zum anderen. Überall wurden das Backwerk der Hausfrau und auch ihr Wein gekostet.

Zu dieser Zeit durfte kein Mann in die Nähe der Frauen kommen. Wer es dennoch wagte, wurde strengstens bestraft. In Sawer hatten die Frauen das Recht, auf den Straßen die Sauberkeit der Männerkleider zu überprüfen. In Arpad hielten die Frauen am Faschingssonntag ihren Ball ab; dieser Tag wurde hier Weibertrunksonntag iwoibrtrunksuntik) genannt.

Ein wichtiger Bestandteil des Faschingsbrauchtums ist das Faschingsbegraben, das ursprünglich nichts anderes als das Eingraben, Verbrennen oder Ersäufen des Winters bedeutete. Es fand meistens kurz vor Mitternacht des letzten Faschingstages statt, nachdem die vorangegangene Tanzunterhaltung um 11 Uhr durch das Fastenläuten (fosfálaidd) beendet worden war.

Vielerorts wurde eine Strohpuppe im feierlichen Leichenzug herumgetragen und schließlich in einen Brunnen oder Bach geworfen. In Leinwar/Leányvár wurde vor Mitternacht ein Bursche, der den Fasching verkörperte, in einen Trog gelegt und mit einem weißen Tuch zugedeckt. Als Pfarrer, Schulmeister und Ministrant verkleidete Burschen trugen den „Toten" durch den Tanzsaal und sangen dabei ein scherzhaftes Lied. Schließlich wurde der Bursche durch einen deftigen Wasserguß aus seinem „Sarg" getrieben. In Wudersch symbolisierte noch um die Jahrhundertwende eine Flasche Wein den Fasching. Diese wurde um Mitternacht unter dem Parkett des Tanzsaales „begraben" und erst am Ende des nächsten Faschings wieder herausgenommen. Mit dem Begräbnis des Faschings und dem Schlag der Mitternachtsstunde nimmt die Fastenzeit ihren Anfang.

An die drei Faschingstage knüpfen sich auch einige Verbote. Es durfte kein Brot gebacken werden; weil sonst im laufenden Jahr jemand aus der Verwandtschaft stürbe. Verboten war auch das Kochen von Bohnen, weil man dann Geschwülste bekomme. Es durfte auch nicht genäht werden, weil die Hühner dann nicht gut legen.

Von den letzten Faschingstagen glaubt man, daß sie über das Wetter der kommenden Jahreszeiten entscheiden. Es wird gesagt: Wie der Faschingssonntag, so das Frühjahr; wie der Faschingsmontag, so der Sommer und wie der letzte Faschingstag, so der Herbst.

Es heißt auch: Wenn man die Faschingskrapfen in der Sonne ißt, muß man die Ostereier in der Stube essen.

Analogien zu fast allen genannten Faschingsbräuchen findet man auch bei den Ungarn.

 

Hutzelsonntag

Der erste Fastensonntag (Sonntag Invocavit) wird in einigen Dörfern der Baranya Hutzelsonntag {hutellsondoM) genannt, weil man an diesem Tag in jedem Haus Hutzeln (Dörrobst) aß. Die Jungen und Burschen gingen am Nachmittag oder am Abend von Haus zu Haus und sangen Hutzellieder, von denen das Lied „Komm, Siljus, komm, Erwus mit Hutzelbrüh geschmälzt" — mit geringfügigen Unterschieden — in fast allen diesen Dörfern bekannt war. Für das Hutzelsingen, denn so nannte man diesen Heischegang, bekamen sie Geld, Hutzeln, Krapfen oder Äpfel. Auf deutschem Sprachgebiet wurde dieser Heischegang in der Gegend von Fulda belegt.

 

Komm, Siljus, komm, Erwus

mit Hutzelbrüh geschmälzt.

Wenn ihr mir kein' Hutzeln

gebt soll euer Baum kein' Bim' mehr tragn!

Droben in der Scheuer

steht ein Korb voll Eier.

Gebt mir nur die frischen,

laßt die alten wischen!

Droben im First

hängt 'ne Stang' voll Wurst.

Gebt mir nur die langen,

laßt die kurzen hangen (hängen)!

Draußen auf dem Feld

steht ein Korb voll Geld.

Gebt mir nur die Silberzehner,

laßt die Kreuzer liegen!

Liebes Frauchen,

gebt mir Eier !

Seid ihr reich,

so gebt mir gleich!

Seid ihr arm,

soll Gott erbarm'!

 

Am Nachmittag dieses Tages gingen die Burschen auf einen Berg in der Nähe des Dorfes und trugen dort Holz, Reisig und leere Maisstengel zusammen. Wenn es dunkel wurde, zündeten sie das Hutzelfeuer und die mit Stroh umwickelten, an Fackeln erinnernden Stangen oder Maisstengel an. Mit diesen „Fackeln" liefen sie über die Saatfelder und schlugen mit ihnen Kreise und Schlangen in der Luft. Dies nannte man mancherorts Pläsprenne (Bläs=Fackel).

In einigen Dörfern wurden auch alte, mit Stroh umwickelte Räder angezündet und vom Berg heruntergerollt. Diese Hairäder— auch Hellrädergenannt — beendeten ihren Weg dann in einem unten vorbeifließenden Bach oder auf der Wiese. Am Abend war das ganze Dorf auf der Straße und schaute dem Hutzelfeuer zu, das bis in die späten Abendstunden dauerte.

In Altglashütten bánya gingen die Jungen erst am Abend nach dem Hutzelfeuer von Haus zu Haus und sprachen den Hutzelspruch. Anschließend trug ein Junge noch den folgenden Reim vor:

Der römische Kaiser werd ich genannt,

das Schwert führ ich in meiner Hand.

Mit dem Feind will ich ringen,

den Tod will ich schwingen.

Oh Herr, ich hab was vergessen,

eine Schüssel voll Essen,

ein Glas voll Wein,

soll der Herr und die Frau dabei lustig sein.

Vivat!

Auch in einigen mittel-, vor allem aber in den süddeutschen Gebieten wurden am ersten Fastensonntag Feuer und Feuerräder angebrannt, deshalb nannte man diesen Tag auch Funkensonntag. Dem Feuer am Funken- bzw. Hutzelsonntag wurde eine abwehrende und zugleich eine fruchtbarkeitsfördernde Kraft zugeschrieben. Man richtete die Feuer so an, daß sie einen großen Teil des Hotters beleuchteten, denn man glaubte, daß so weit wie Feuerschein und Qualm reichen, so weit auch das Land fruchtbar und vor Wetterschäden geschützt wird.

Auch der in einigen südlichen Gebieten Deutschlands verbreitete Brauch des Scheibenwerfens (saiwawerp, saiblslä; in Altglashütten: sindlslägd) war in manchen Dörfern Südungarns bekannt. Die runden Scheiben wurden aus Holz oder aus Brettern gemacht und hatten in der Mitte ein Loch. Durch dieses Loch steckte man einen Stecken und hielt die Scheibe so ins Feuer. Mit der glühenden Scheibe schwang man Kreise in der Luft, sagte dabei einen Spruch und warf sie dann von der Anhöhe in Richtung Dorf: In Marok lautete dieser Spruch folgendermaßen:

Hierbei wurde der Name der bzw. des Geliebten gesagt, denn die Scheiben wurden meistens für die Geliebten, aber auch für den Segen der Fluren geworfen. Am Ende wurde noch hinzugefügt:

In Hajosch, wo man diesen Tag „Scheibensonntag" (soibleuntek) nannte, schleuderte man nach dem Spruch auf Holzspieße gesteckte glühende Kartoffeln weg.

Das Scheibenwerfen kannten auch die Deutschen im Komitat Szatmár. Hier wurde dieser Brauch auch von den Ungarn übernommen und als sajbókozás bezeichnet.

 

Ostern

Das Ende der Fastenzeit bildet die Karwoche, die mit dem „Palmsonntag" (palmesondok, polmsuntox) beginnt. Dieser trägt seinen Namen nach der Palmenweihe der katholischen Kirche. Statt Palmen verwendet man sowohl bei den Ungarn als auch bei den Ungarndeutschen Weidenzweige mit Kätzchen (ketsja, polmkatsl, polmketsl), mancherorts auch Haselnußzweige, die meist zu einem Strauß zusammengebunden werden. In Hajosch banden früher die Schuljungen die Palmen an einen langen Stock und trugen sie so zur Kirche. Auch für die nahen Verwandten und Bekannten ließen sie je einen Palmenstock weihen, dafür bekamen sie dann Eier oder Geld. Diese Palmenstöcke wurden zunächst in einen Zaun gesteckt und erst am Karsamstag vormittag zum Aufbewahren auf den Dachboden getragen.

Nach dem Volksglauben besitzen die geweihten Palmen — ähnlich wie die Johannis-und Weihbüschelkräuter - Heil- und Abwehrkraft. Sie wurden früher im Haus und auf dem Hof aufbewahrt, damit sie Mensch und Tier vor Krankheiten und das Haus vor Gewitterschäden schützen; sie galten auch als Schutzmittel gegen Hexen. Im Ofner Bergland aßen nach der Palmenweihe alle Familienmitglieder - meistens auf nüchternen Magen - je drei Kätzchen der geweihten Palme, damit sie während des Jahres keine Halsschmerzen bekommen. In Südungarn und auch im Ofner Bergland steckte man am zweiten Ostertag zwei-drei geweihte Palmen zum Schutz gegen Blitz und Hagel in jedes Ackerfeld. Vielerorts werden an diesem Tag auch heute noch Palmen auf die Gräber der verstorbenen Angehörigen gelegt.

Der eigentliche Osterfestkreis beginnt mit dem „Gründonnerstag" (kriantunrstox, krind tonarstok). An diesem Tag ißt man gern etwas Grünes wie Grünkohl, Feldsalat, Spinat oder grüne Zwiebeln, obwohl er seinen Namen nicht von den grünen Speisen bekommen hat. In katholischen Dörfern verstummen am Gründonnerstag die Kirchenglocken, man sagt scherzhaft „sie fliegen nach Rom". Das Glockengeläute wurde früher bis Karsamstag vormittag durch Ratschen ersetzt. Etwa 4-5 Schuljungen gingen, wenn es Zeit zum Läuten war, mit Ratschen durch die Straßen des Dorfes. Von den Ratschen schreibt A. Spamer, daß sie einst wahrscheinlich Lärminstrumente zur Dämonenabwehr waren, und so reichen sie bis in die heidnische Vorglockenzeit zurück (Spamer, Sitte und Brauch, S. 59).

Am Karsamstag vormittag läuten dann alle Glocken, und das heißt, die Glocken kommen „zurückgeflogen". Während des Läutens schüttelte man früher in einigen Ortschaften die Obstbäume, damit es keine Maikäfer, wohl aber viel Obst gebe.

Am Nachmittag dieses Tages zogen die Schuljungen, die während der drei Tage geratscht hatten, mit einem Korb von Haus zu Haus und verlangten Eier oder Geld für das Ratschen. In Sawer sprachen sie dabei den folgenden Spruch:

Es klappert, es klappert um die Eier,
es klappert, es klappert um's Geld.

Die für das Eierk Pappern — so nannte man diesen Heischegang in Südungarn — erhaltenen Eier sammelte ein Junge in einem Korb. Die Eier und das Geld verteilten sie am Abend untereinander.

Um die Osterzeit errichtete man früher in vielen Teilen des deutschen Sprachgebietes ähnliche Feuer wie am Funkensonntag. Auch diesen Osterfeuern schrieb man fruchtbar-keitsfördemde und übelabwehrende Kraft zu. Die Ungarndeutschen hingegen können sich an den Brauch des Osterfeuers nicht erinnern.

Die kirchliche Entsprechung des Osterfeuers ist die Feuetweihe (saidelwaie, saitlwai) am Karsamstag vormittag. Das vor der Kirche angebrannte Karsamstagsfeuer, zu dem man früher im allgemeinen die morschen Holzkreuze vom Friedhof benutzte, wird auch Judas- bzw. Judenverbrennen (judasfepre,jütfeprene) genannt. In Westungarn verbrannte man in diesem Feuer eine Strohpuppe, die den Judas symbolisierte. Vielerorts brachten die Schuljungen Holzstücke zur Kirche mit, die sie im Feuer ankohlen ließen. In Kokosch gingen sie mit dem „Juden" (je l), einem etwa 50 cm langen, vom Vater geschnitzten Holzstück, zur Feuerweihe. In Hajosch ließen die Kinder mehrere auf Draht aufgefädelte Holzscheite verkohlen, die sie dann für erhaltene Gaben unter den Verwandten und Bekannten verteilten. Diese angekohlten Holzstücke wurden vielerorts bei Gewitter ins Herdfeuer gelegt, damit der Blitz nicht ins Haus einschlägt. In der Baranya nahm man sich aus dem geweihten Feuer ein kleines Stück Holzkohle mit nach Hause, und in der Walpurgisnacht schrieb man damit gegen die Hexen drei Kreuze an die Tür.

Stark war auch der Glaube an die Kraft des Osterwassers bzw. Ostertaues. Nach dem Volksglauben sollte es Gesundheit, Schönheit, Stärke und Glück verleihen. Wenn am Karsamstag die Glocken wieder läuteten, gingen die Leute schnell an ein fließendes Wasser und wuschen sich darin, damit sie keine Hautkrankheiten und Sommersprossen bekommen.

In Südungarn wurde dies auch am Gründonnerstag, beim „Abflug der Glocken" gemacht. In Jink/Gyönk wurde gesagt: Wer sich am Ostermontag mit klarem Bachwasser wäscht und dabei in die aufgehende Sonne schaut, der verliert seine Sommersprossen. In Tschiep ging man am Ostersonntag bereits vor Sonnenaufgang auf den Kalvarienberg und wusch sich im Ostertau, um sich so vor Krankheiten zu schützen. Dies mußte in völliger Stille geschehen, sonst verlor der Ostertau seine Zauberkraft. In vielen Dörfern wusch man sich auch im Ostertau des Hofes oder Gartens. In Elek gingen die Dorfbewohner am Ostermontag in der Früh auf den Friedhof, um den taufeuchten Rasen des Friedhofs zu betreten, damit sie gesund bleiben. Dieser Brauch war in vielen ungarndeutschen Dörfern bekannt. In Feked glaubte man: Wer sich im Ostertau wortlos wälzt, der bekomme kein Kreuzweh. In Wudersch wurden die Kühe und Schweine schon früh auf die Weide getrieben, damit auch das Vieh die heilsame Wirkung des Ostertaues erfahre. Die Burschen ritten auch mit ihren Pferden hinaus. Das im ganzen Land übliche Bespritzen (sitd, ouspretsd) mit Parfüm oder Wasser war früher bei den Ungarndeutschen nicht bekannt; dieser Brauch verbreitete sich erst in den letzten Jahrzehnten.

In vielen katholischen Dörfern fand am ersten Ostertag die Speisenweihe statt. Man schickte meistens die Kinder in der Früh mit gekochtem Schinken, Eiern, Brot, Kren und auch Kuchen in die Kirche zur Weihe. Auch den geweihten Speisen wurden besondere Kräfte beigemessen. So trug man die Speisenreste in Kischludt/Kislód auf das Weizenfeld, damit es eine gute Ernte gebe.

Mit dem Osterfest sind die gefärbten und verzierten Ostereier eng verbunden. Das Ei als Symbol der Fruchtbarkeit und des erwachenden Lebens ist schon seit altersher bekannt. Dem Volksglauben nach haben besonders die im Frühling, beim Wiedererwachen der Natur gelegten Eier eine besondere Kraft, deshalb verwendet man die Ostereier auf vielfältige Weise, und man beschenkt sich gegenseitig mit Eiern. In Osteuropa wurden lange die goldfarbenen, in Mittel- und Westeuropa die rotgefärbten Ostereier bevorzugt. Andere Färbungen kamen seit dem 17. Jahrhundert auf, zusammen mit vielfältigen Verzierungen in verschiedenen Techniken.

Bei den Ungarndeutschen benutzte man früher zum Färben der Eier buntes Krepppapier, die Brühe gekochter Zwiebel- und Nußschalen bzw. Baumrinde, später auch schon Eierfarbe.

Nach dem Kinderglauben legt der Hase die Ostereier. Die Verbindung des Osterhasen mit den Ostereiern ist noch nicht geklärt. Der bekannte Volkskundeforscher E. Fehrle schreibt darüber das folgende:

Die Ostereier sind für die Kinder etwas Besonderes und dürfen nicht wie gewöhnliche Eier von Hühnern gelegt sein. Um die Osterzeit treibt sich oft eine größere Zahl Hasen...in der Nähe der um das Dorf liegenden Gärten herum. Da es für die Zeit kein mythisches Wesen gibt, von dem die Eier stammen könnten, nennt man den Kindern den Hasen als Spender.

(Feste und Volksbräuche, S. 129)

Der Osterhase kommt im allgemeinen am Ostermontag in der Früh. Früher brachte er meistens nur gefärbte Ostereier, heute finden die Kinder schon vielerlei Schokoladenfiguren und Spielzeug im Nest. Das Nest für den Osterhasen wird entweder schon am Karsamstag oder erst am Ostersonntag aus frisch gerupftem Gras gebaut und mit Veilchen oder anderen Frühlingsblumen geschmückt. Zum Nestbauen benutzte man früher auch Stroh; in Murgau/Murga legte der Osterhase die bunten Eier in den sogenannten Hasenstall, den die Kinder in der Karwoche aus kleinen Pfahlchen angefertigt hatten.

In Südungarn rufen die Kinder den Osterhasen mit einem Lied oder mit einem Spruch, gehen danach ins Haus zurück und warten ungeduldig.

In Nimisch/Himeshaza lautet dieser Spruch wie folgt:

Heinz, Heinz, Has,
leg mir ein Ei,
ein grünes, ein rotes, ein blaues...!

In Nadasch ruft man den Osterhasen mit dem folgenden Lied:

Has, Has, leg mir ein Ei,
kriegst auch ein Veigelchen.
Has, Has, komm!

Den Osterhasen können die Kinder allerdings nie sehen, denn „er läuft immer weg", kurz bevor sie das Nest erreichen. Gleichzeitig wird ihnen gesagt, daß man den Osterhasen fangen könne, wenn man Salz auf seinen Schwanz streue.

In einigen Dörfern der Baranya kam der Osterhase früher nicht nur zu Ostern, sondern ab und zu auch schon in den letzten Fastenwochen; dabei brachte er den Kindern immer ein mit Zwiebelschalen gefärbtes Ei. Zu den Kindern in Elek kam der Osterhase früher nur am Gründonnerstag, wobei er sie mit gefärbten Eiern beschenkte.

Zu Ostern brachten auch die Pateneltern ihre Geschenke. Die kleineren Kinder bekamen Ostereier, Äpfel, Lebkuchenhasen bzw. Lebkuchenpuppen; die größeren Mädchen ein Kopftuch oder ein anderes Kleidungsstück, die Jungen meistens nur Geld. Früher brachten sie auch eine aus Brotteig gebackene Puppe oder einen Hasen mit.

An die Ostereier knüpfen sich viele Spiele, die meist von den Kindern, mancherorts auch von den Jugendlichen ausgeübt wurden. Diese Spiele waren größtenteils Wettspiele und gingen auf einen Gewinn aus.

Weit verbreitet war das Eierpicken (aiarstutsd, aiarpekd), das in den südlichen und westlichen Gebieten Deutschlands auch als Eierspecken bekannt war. Bei diesem Spiel hielt jeder Partner ein Ei in seiner zur Faust geballten Hand. Dann stießen beide mit der Spitze der Eier so lange aufeinander, bis die Schale eines Eies zerbrach. Das beschädigte Ei gehörte dem Sieger.

Weit bekannt war auch das Eierwerfen mit Geld, in Pula Eiereinhacken genannt. Dies geschah wie folgt: Der eine Partner hielt mit seinem Daumen und Zeigefinger ein Ei fest, der andere warf mit einem Geldstück nach dem Ei. Wenn das Geldstück im Ei steckenblieb, so gehörte das Ei dem Werfer, wenn nicht, so gehörte das Geld dem Besitzer des Eies. In Murgau warf man das Geldstück gegen ein auf der Erde liegendes geschältes Ei.

In Kokosch traf sich die Jugend am Ostermontag auf der Wiese. Hier warfen die Burschen die den Mädchen weggenommenen Eier in die Höhe, und andere Burschen versuchten diese aufzufangen. Auch Mädchen warfen Eier, meistens aber so, daß sie der Auserwählte auffangen konnte. Zu diesem Zweck wurden manchmal auch hölzerne Eier verwendet.

Zuletzt soll noch das Eierrollen, Eierschieben (abrroh, aiarsaibn) erwähnt werden. Bei diesem Spiel wurden die Eier von einem Hügel nach unten gerollt, und derjenige, dessen Ei während des Hinabrollens nicht zerbrach, wurde zum Sieger erklärt. Vor dem Rollen mußte man die Eier im Gras reiben, damit sie besser gleiten konnten. In vielen Dörfern war auch der Brauch Nach-Emmaus-Gehen ins Freie gehen — bekannt. Am Nachmittag des zweiten Ostertages ging einst in Bohl/Bóly groß und klein in die Weinkeller und verbrachte den Tag bei frohem Spiel, mit Trinken und Plaudern. In Hajosch tanzte die Jugend den ganzen Nachmittag in der Kellerreihe. In Feked nannte man den Besuch der Verwandten in den Nachbardörfern Emmaus-Gehen. Im Ofner Bergland wurde gesagt: in ostamauntok kei ma eim aus (eben aus, Emmaus), d. h., sie trugen die geweihten Palmen in den Weingarten und auf den Hotter. In Pula gingen die Frauen auch Emmaus, sie machten einen Spaziergang in die Nachbardörfer.

Im Monat April sind noch zwei besondere Tage zu erwähnen. Der Georgtag (24. April) gilt als eigentlicher Frühlingsanfang. Früher wurde das Vieh an diesem Tag zum ersten Mal auf die Weide getrieben. Am 25. April dem Markustag, findet in den katholischen Dörfern die Fruchtweihe statt. Man sagt: Wenn an diesem Tag das Korn so hoch ist, daß sich ein Rabe darin verstecken kann, dann gibt es ein gutes Getreidejahr.

Vom Aprilwetter heißt es:

Nasser April und kühler Mai,
bringt viel Frucht und Heu.

 

Walpurgisnacht

Im Mai, dem fünften Monat des Jahres, feierte die Menschheit schon seit altersher den endgültigen Sieg des Frühlings über den Winter. Bevor aber am 1. Mai der Sieg des Frühlings endgültig entschieden ist, versuchen sich — nach dem Volksglauben — in der vorausgehenden Walpurgisnacht die. Hexen noch einmal mit aller Macht zu betätigen. Diese Hexennacht ist deshalb auch die bekannteste. In dieser Nacht versuchte man ihr böses Treiben mit besonders vielen Mitteln von Haus und Hof fernzuhalten. Als Schutz gegen sie galten das Kreuzschlagen oder an die Türen malen, geweihte Palmen, grüne Zweige, Lärm, auch Erde, Feuer, Brot, Metalle und Geräte aus Metall wie Messer, Sichel, Axt, Mistgabel, weiterhin der verkehrt aufgestellte Besen und Kräuter.

Auch bei den Ungarndeutschen wurden in der Walpurgisnacht zahlreiche Abwehrmittel verwendet. In manchen Ortschaften Südungarns machte man mit einem Stück geweihter Kohle drei Kreuze an die äußeren Türen, damit Mensch und Vieh nicht behext werden. Vielerorts stellte man am Vorabend des 1. Mai zwei Besen über Kreuz in die Tür, steckte in alle Schlüssellöcher, Ritzen und an die Fenster, vor allem an die Stallfenster, grüne Birken- und Holunderzweige, um so den bösen Geistern den Eingang zu verwehren. Zu diesem Zweck streute man auch verschiedene Körnerfrüchte wie Erbsen, Mais, Bohnen und Wicken auf die Treppen und Türschwellen. Man glaubte, die Hexen rutschen auf diesen Körnern aus und können so nicht ins Haus gelangen.

Auch das in Westungarn verbreitete sogenannte Mai-Anknallen war ursprünglich ein Abwehrmittel. Am Vorabend des 1. Mai versammelten sich die Burschen auf den Straßen und veranstalteten einen Wettkampf im Peitschenknallen. Dieser Lärm sollte die Hexen und andere böse Geister vertreiben.

Die Walpurgisnacht wurde auch als eine Nacht betrachtet, in der man ungestraft allerlei derbe Scherze machen durfte. In dieser Nacht hängten die Burschen Türen und Tore mancher Häuser aus, verschleppten sie samt anderen Gegenständen wie Schubkarren und Pflüge in die Nachbarschaft oder stellten sie auf die Hausdächer bzw. Strohschober.

In Südungarn brachten die Burschen ihre Abneigung einem Mädchen gegenüber der gestalt zum Ausdruck, daß sie ihm eine Vogelscheuche aufs Dach steckten oder an einen Baum aufhängten. Das Bestreuen des Hofes oder der Straße vor dem Haus mit Stroh, Spreu, Reisig, Reben oder Maisstengeln verfolgte dasselbe Ziel. Der letztgenannte Brauch wurde mancherorts auch in der Osternacht ausgeübt.

Auch diesen Sitten mag ursprünglich eine magische Bedeutung zugrunde gelegen haben, nämlich die Täuschung der Hexen.

Weit verbreitet war und ist auch heute noch der Brauch des Steckens bzw. Setzens von Maien, sowohl in der Form von grünen Zweigen als auch von großen Maibäumen. Unter Maien versteht man im allgemeinen den Grünschmuck bei Frühlings- und Frühsommerbräuchen und bei sonstigen festlichen Anlässen wie Kirmes, Ernteschluß und Dachbau. Das frische Grün galt nicht nur als Abwehrmittel gegen Hexen und als Zeichen der wiedererwachenden Natur, sondern nach altem Volksglauben auch als Verkörperung des Wachstumes und der Fruchtbarkeit. Die Maien sollten auch Gesundheit und Glück bringen.

Zum 1. Mai, mancherorts zu Pfingsten, wurden die Häuser und Wohnungen mit grünem Laub - meistens mit Holunder- und Fliederzweigen - geschmückt, es wurden „Maia ksteckf.

Der Maibaum (maipäm), der in der Walpurgisnacht aufgerichtet wird, ist unter anderem auch ein Sinnbild der Liebe. Deshalb wird er vor allem dem geliebten Mädchen gesetzt, aber auch besonders geachtete Persönlichkeiten des Dorfes bekommen je einen geschmückten Baum. Da der Maibaum auch als Lebensbaum und Segenspender gilt, stellt man ihn auch auf Dorfplätzen auf. Er wird am Vorabend des 1. Mai aus dem Wald geholt. (Früher wurde er meistens aus dem Wald eines Nachbardorfes gestohlen.) Man wählt dazu einen besonders hochgewachsenen Baum und befreit seinen Stamm bis auf einen kleinen Wipfel von den Ästen. Dieser Wipfel wird dann mit Papierbändern, Blumen, Flaschen, Gebäck und mancherorts auch mit verschiedenen Geschenken geschmückt. Der Maibaum muß in aller Stille und möglichst schnell aufgestellt werden, damit es die Bewohner des Hauses nicht bemerken. Bis heute ist es noch üblich, den Maibaum in der ersten Nacht zu bewachen, damit ihn andere Burschen nicht beschädigen oder gar stehlen, denn das ist eine große Schande für die Betreffenden.

Statt eines Maibaumes wurde in Sier ein mit bunten Bändern geschmückter Strauß am Gartenzaun oder Hoftor des geliebten Mädchens befestigt.

Am letzten Maisonntag, gelegendich auch zu Pfingsten, wird der Maibaum „ausgetanzt", d. h. in Begleitung von Musik und Tanz gefällt.

Der Brauch des Maibaumes und der des Maiensteckens ist seit dem hohen Mittelalter bei vielen Völkern Europas bezeugt. Auch bei den Ungarn blickt dieser Brauch auf eine mehrhundertjährige Vergangenheit zurück.

 

Pfingsten

Das Wort Pfingsten (pfinksto, phinkstd) geht auf griech. pentekoste zurück, das den 50. Tag nach Ostern bedeutet. An dieses Fest knüpfen sich bei den Ungarndeutschen vor allem der Brauch des Pfingstlümmels, auchl Pfingstkatze genannt, und der des Pfingstkönigs. Sowohl Pfingsdümmel als auch Pfingstkönig galten als Personifizierung des siegreichen Frühlings, der Lebenskraft der Natur.

In Südungarn tauchte der Pfingstlümmel' (pfinkstlimel, phinkstlimel) in mehreren Formen auf. Mancherorts bezeichnete er einen Langschläfer, dem man am Pfingsttag einen Brennesselkranz um den Kopf legte oder ihn mit Wasser bespritzte, damit er erwacht.

In einigen Dörfern der südlichen Baranya gehörte der Pfingsdümmel bzw. die Pfingstkatze (phinkstMats) zu einem Umzug durch das Dorf- zum Pfingstreiten, auch Pfingstlümmel-reiten, Pfingstkorbumfahren oder Putzreiten genannt. Dieser Umzug lief in Bawaz und Umgebung folgendermaßen ab: Am Nachmittag des zweiten Pfingsttages versammelten sich die Burschen im Zentrum des Dorfes und gingen von dort aus durch das Dorf. An der Spitze des Zuges ritten auf geschmückten Pferden die jüngeren Burschen, ihnen folgten die Pfingstburschen — diejenigen Burschen, die noch im selben Jahr zum Militärdienst einberufen wurden -, sodann die Musikkapelle und am Ende des Zuges auf einem Wagen unter dem sogenannten Pfingstkorb (pbinkstRudtp) die Pfingstkatze. Dieser Pfmgstkorb wurde in der Früh des zweiten Pfingsttages aus grünem Rohr oder aus Ästen mit Laub geflochten und mit bunten Bändern geschmückt. Er war etwa 3-5 m hoch und lief oben in einer Spitze aus. Man stellte ihn auf einen Pferdewagen, und die Pfingstkatze - ein kleiner Junge oder ein Zigeuner — mußte unbemerkt unter diesen Korb schlüpfen.

In der oben geschilderten Aufstellung zogen sie dann durch das Dorf. Zuerst wurde bei den Gemeindevorgesetzten haltgemacht, anschließend auch vor den Häusern, wo größere Mädchen wohnten. Überall mußte erraten werden, wer unter dem Korb steckt. Das war aber nicht leicht, denn die Pfingstkatze durfte nicht reden, sondern nur pfeifen, miauen oder schreien. Wer es dennoch erraten hatte, bekam nach Beendigung des Umzugs den Pfingstkorb, mußte dafür aber einen „Aldemasch" (Kauftrunk) zahlen. Auch wer falsch geraten hatte, mußte einige Münzen geben. Der Umzug dauerte bis zur Fütterungszeit und endete vor dem Wirtshaus bzw. Kulturhaus. Hier wurde der Pfingstkorb vom Wagen heruntergestürzt, und die vielen Neugierigen konnten erfahren, wer die Pfingstkatze gewesen war. Dem Umzug folgte der Tanz im Wirtshaus.

Ähnliche Bräuche, bei denen ein Bursche in Laub, Grün und Blumen eingekleidet und umhergeführt wurde, waren auch im deutschen Sprachgebiet weit verbreitet.

Nur in wenigen Dörfern Südungarns war der Brauch des Pßngstlümmelsingens, ein Heischegang von Schulmädchen, bekannt. Am Pfingstmontag gingen etwa 8-10 festlich gekleidete Mädchen von Haus zu Haus, bildeten im jeweiligen Hof einen Kreis und sangen ein Lied. In der Kreismitte stand ein weißgekleidetes Mädchen mit einem Schleier und einem Blumenkranz auf dem Kopf - mancherorts war ihr Kopf auch mit einem weißen Tuch bedeckt -, sie stellte den Pfingstlümmel dar. In Metschke/ErSsmecske hatten die Mädchen eine selbstgefertigte, in der dortigen Volkstracht gekleidete Puppe bei sich. Mit dieser Puppe ging ein Mädchen - in jedem Haus ein anderes - in die Kreismitte und tanzte mit ihr dort. Die anderen sangen dazu das folgende Lied:

Da kommt der Pfingstlümmel geflogen,


hat gelbe Pantoffel an.
Schaut an, ihr liebe Leute,
wie der Pfingstlümmel schön tanzen kann.

Mit dem Brauch des Pfingstlümmelsingens war auch ein Fruchtbarkeitszauber verbunden: Nachdem die Mädchen Eier, Geld oder andere kleinere Geschenke bekommen hatten, hoben sie mancherorts den Pfingstlümmel hoch und riefen: sö höx sol aier hoanuf woks (So hoch soll euer Hanf wachsen).

Bei den Ungarn war ein ähnlicher Heischegang der Mädchen unter dem Namen pünkösdölés bekannt. Auf deutschem Sprachgebiet wurde dieser Brauch vor allem in mitteldeutschen Gebieten belegt. Die Führerin des Mädchenumzugs nannte man bei den Ungarn Pfingstkönigin, bei den Deutschen in der alten Heimat Maibraut oder Pfingstbraut.

In DörötschkelSomogydöröcske war auch ein Heischegang der Burschen, der Pfingstländkr, bekannt. Am Pfingsttag in der Früh gingen etwa 12-15 Burschen von Haus zu Haus, trugen einen Spruch vor und bekamen dafür Eier oder Geld. An der Spitze dieses Zuges ritt der schwarz gekleidete Pfingstkönig, der von den anderen Burschen gewählt wurde. In seiner Hand hielt er eine große Fahne, sein Hut war mit einem langen Band und mit einem Strauß geschmückt. Zur Gefolgschaft des Pfingstkönigs gehörten sowohl Reiter als auch Fußvolk. Die Reiter waren wie die ungarischen Räuber — betyárok — gekleidet, ihr Gesicht war mit einem weißen Tuch verdeckt. Auch die Fußgänger, die das Pferd des Pfingstkönigs führten und die Gaben einsammelten, waren maskiert. Zum Umzug gehörten auch ein sogenannter Laubfrosch, ein Junge unter einem mit grünem Laub umflochtenen Korb, und ein Schweinehirt, der mit seiner Knallpeitsche die Kinder von den Pferden fernhielt.

Die Gestalt des Laubfrosches war auch in mitteldeutschen Gebieten bekannt und wurde dort Pfingstquack genannt. Es wird vermutet, daß er den Regenzaubergeist verkörpern sollte {Spamer, Sitte und Brauch, S. 84-85).

Das Pfingstkönigreiten war auch in den Dörfern des Ofner Berglandes bekannt. Diesem Heischegang ging das Pfingstköniglaufen voran, ein Wetdauf der Burschen auf der Hauptstraße oder dem Dorfplatz, dessen Sieger mit einem Blumenkranz zum Pfingstkö-nig gekrönt wurde.

Auch im Mai gibt es einige besondere Tage. Zunächst soll der Floriantag (4. Mai) erwähnt werden, an dem in Westungarn große Feuerwehrfestlichkeiten stattfanden, weil man im hl. Florian, den Patron gegen Feuergefahr, verehrte. In der Gegend von Wudersch arbeiteten früher an diesem Tag die Schmiede, Schlosser und Schornsteinfeger nicht. Allgemein verbreitet war am 4. Mai das Bespritzen der Häuser mit Wasser, es sollte als Schutzmittel gegen Feuergefahr dienen.

Wichtige wetterbestimmende Tage dieses Monats sind die Tage der drei Eisheiligen: Pankratius, Servatius und Bonifatius (12.-14. Mai). Nach überlieferten Beobachtungen ist es an diesen Tagen meist kalt, und es gibt große Regen, oft auch Fröste. Es heißt:

Pankraz, Servaz und Bonifaz ohne Regen, sind für die Winzer große Segen.

Am 25. Mai feierten die Weinbauern den Namenstag ihres Patrons, des heiligen Urbans. Nach dem Volksglauben soll dieser Tag über den Ausfall der Weinernte entscheiden. Im Hotter mancher Dörfer wurde dem Weinheiligen auch eine Statue errichtet. Wenn das Wetter am 25. Mai schön war, bespritzten die Weinbauern die Statue mit Wein und schmückten sie reichlich mit Blumen. Bei schlechtem Wetter wurde sie als Strafe mit Wasser begossen. Der Grund dafür ist, daß die Weinstöcke Ende Mai schon blühen, und wenn es zu dieser Zeit regnet, gibt es wenig Wein.

Ansonsten war der Regen im Mai sehr erwünscht. Diesbezüglich kennt der Volksmund einige Wetter- und Bauernregeln wie:

 

2.3. Sommer

Mit dem Monat Juni beginnt der sommerliche Brauchtumskreis, der viel ärmer an Bräuchen ist als die behandelten. Die wesentlichen Entscheidungen über das Schicksal des bäuerlichen Jahres scheinen bis zu dieser Zeit schon gefallen zu sein, und die bevorstehende schwere Arbeit, die Ernte, lenkt die Aufmerksamkeit der Bauern von den überirdischen Mächten ab.

 

Johannistag

Am Anfang dieses Brauchtumskreises gibt es aber noch eine Nacht und einen Tag, die nach altem Volksglauben von gespenstischem Treiben erfüllt sind: die Johannisnacht und der Johannistag am 24. Juni. Dieser Festtag beinhaltete zahlreiche, z. T. sehr alte Bräuche zur vorangegangenen sommerlichen Sonnenwende. Wie bekannt, fällt die astronomische Sommersonnenwende auf den 22. Juni, die damit verbundenen heidnischen Bräuche werden aber seit der Christianisierung am 24. Juni, dem Johannistag, ausgeübt.

Das wichtigste Ereignis dieses Festes war das über ganz Europa verbreitete }ohannis-oder Sonnenwendfeuer. Von diesem Brauch wird auf deutschem Sprachgebiet schon seit dem 12. Jahrhundert berichtet, in Ungarn, wo es s^entiváni /^genannt wird, seit dem 15. Jahrhundert. Bei den Deutschen in Südungarn scheint dieser Brauch schon um die Jahrhundertwende im Schwinden zu sein, denn nur bejahrte Leute können sich noch aus ihrer Kindheit an das Anzünden des Sonnenwendfeuers auf den Anhöhen, an das Herabrollen der mit Stroh umwickelten Feuerräder und an das Überspringen der Flammen erinnern. Besonders in den Dörfern mag dies der Fall gewesen sein, wo auch am ersten Fastensonntag, am Hutzelsonntag, ein Feuer angezündet wurde.

Um den 24. Juni blühen die meisten Heilkräuter und Blumen, vermutlich deshalb wurde der Johannistag zu einem Kräutertag. Nach dem Volksglauben sollten die am Vorabend des 24. Juni gepflückten Blumen und Kräuter reich, glücklich und gesund machen, gegen Verhexung und Zauberei schützen und sich auch zu allerlei Orakeln benutzen lassen. Die gepflückten Feld- und Wiesenblumen wie Kornblumen, Klatschmohn, Kamillen, wilde Margaretenblumen u. a. wurden zum Kranz bzw. Strauß gebunden, oder man fädelte die Köpfe der Blumen auf einen langen Faden auf und machte eine Girlande daraus. Diese Kränze, Sträuße und Girlanden nannte man Johlannis-kränze, in manchen Ortschaften der Baranya auch Khans- bzw. Hanskränze. Die Blumen, aus denen sie angefertigt wurden, hießen hier Khansblumen. Den am Vorabend gefertigten Johanniskranz mußten die Mädchen oder die Frauen in der Früh des 24. Juni „unpsria" (unberedet) über die Eingangstür hängen. Man ließ ihn solange dort, bis er dürr wurde oder bis ihn Wind und Wetter zerstört hatten. Wenn es im Haus eine Braut gab, legte man in Potsch/Pócsa den dürren Kranz unter ihren Strohsack, und wenn ihre Hochzeit war, wurden kleine Stücke von diesem Kranz in ihre Schuhe getan, damit sie nicht verhext werde. Auch Weihbüschelkräuter wurden zu diesem Zweck verwendet. Der Brauch des Johänniskranzes war besonders bei den Serben Südungarns verbreitet. Auch die Ungarn banden aus Wiesenblumen Kränze und hängten sie als Abwehrmittel gegen Feuerbrände über die Eingangstür.

Am 15. August {maria, widtswai, maria kraidaiPaiX) hatte die Kirche ihren Kräutertag. Die aus verschiedenen Feld- und Wiesenblumen sowie heilkräftigen Kräutern gebundenen Sträuße, Weihbüschel oder Kräuterbusch {waipisl, kraiddpusn) genannt, wurden an diesem Tag in der Kirche geweiht. Auch den Weihbüschelkräutern schrieb man geheimnisvolle, segenspendende und unheilvertreibende Kräfte zu, deshalb wurden sie sehr vielseitig verwendet. Unter den Strohsack gelegt oder im Stall aufbewahrt, sollten sie Mensch und Tier vor Hexen und Krankheiten beschützen. Übers Fenster oder über die Tür gehängt, dienten sie als Abwehrmittel gegen Blitz und Feuer. Auch als Räuchermittel wurden sie gegen Blitzschlag und böse Geister verwendet. Kranken Menschen und Tieren kochte man aus Weihbüschelkräutern einen heilsamen Tee. In Bauazwurde den kleineren Kindern ein kleines Kissen, gefüllt mit Weihbüschelkräutern, einer Zehe Knoblauch und einer Münze, um den Hals gehängt oder unter ihren Strohsack gelegt, damit sie nicht verhext werden.

Der Brauch der Kräuterweihe, der in Deutschland seit dem 10. Jahrhundert nachweisbar ist, war bei den Ungarn nicht bekannt.

 

Ernte

Peterund'Paul'machen dem Korn die Wurzeln faul- heißt es am 29. Juni, und dies bedeutet, daß die Erntezeit gekommen ist. Früher galt die Ernte {fr Mt) als die schönste, zugleich aber auch als die schwerste Bauernarbeit. Während der Erntezeit gab es keine Lustbarkeiten, denn alle Kräfte mußten für das schnelle Einbringen des Getreides eingesetzt werden. Es gab demzufolge auch wenig Bräuche zu dieser Zeit.

Nur der Abschluß der Ernte wurde gefeiert, vor allem aber nur auf den Großgrundbesitzen. Die Erntearbeiter (Jniter) banden aus Ähren einen Kranz oder eine Krone, diese wurde dann auf einem geschmückten Wagen oder in einem feierlichen Zug zum Hof gebracht und dort dem Gutsherrn überreicht. Am Ende der Ernte — gewöhnlich am Wochenende — gab der Gutsherr seinen Schnittern auch ein Festessen, und darauf folgte der Schnitterball.

Auch die einzelnen Bauernfamilien fertigten am letzten Erntetag Kränze oder Kronen aus Ähren an, die dann im Haus, Stall oder auf dem Dachboden bis zum nächsten Jahr aufbewahrt wurden. In Kokosch flocht man aus Ähren ein Kreuz, das dann das ganze Jahr über an der Decke über dem Küchentisch hing.

Auch in solchen Familien, wo außer den eigenen Familienmitgliedern noch einige Tagelöhner in der Ernte beschäftigt waren, wurde ein kleines Erntefest, verbunden mit einem Schmaus, gehalten. In Arpadnannte man dies Sichelhenke, denn nach der Ernte wurde der aus Ähren gebundene Kranz an die Sense, früher an die Sichel gehängt und so nach Hause getragen.

In einigen fuldischen Dörfern der Baranya wurden die heimkehrenden Schnitter mit vollen Wassereimern erwartet und beschüttet, d. h. vom Staub der Ernte befreit.

In Sawer feierte das Dorf gemeinsam den Abschluß der Ernte; die Jugend veranstaltete einen Festzug durch das Dorf. An der Spitze des Zuges trugen einige Burschen eine aus Ähren geflochtene große Krone, hinter ihnen gingen festlich gekleidete Mädchen, die je eine Schüssel Obst und eine Sichel bei sich hatten. Den Zug beschlossen Burschen mit geschmückten Sensen auf ihren Schultern.

An den Sommer knüpfen sich auch einige denkwürdige Tage, die vorwiegend mit Wetter und Ernte in Zusammenhang stehen.

Das Wetter am Medardtag, dem 8. Juni, soll für die darauffolgenden 40 Tage bestimmend sein. Die Volksweisheit meint:

Was Medárd für Wetter hält, solch Wetter in die Ernte fällt

Regnerisches Wetter am Barnabattag (11. Juni) soll sich auf den Weinertrag ungünstig auswirken. Es heißt:

Am 15. Juni sagen die Alten: sankt vitprenkt tifige mit (Sankt Vit bringt die Fliegen mit), denn zu dieser Zeit erscheinen die Fliegen und Mücken schon in größerer Zahl. Wollte jemand früh aufstehen, so wandte er sich an St. Vit mit der folgenden Bitte:

Ende Juni, Anfang Juli wird mit der Ernte {Mt) begonnen, dies spiegelt sich in den Bauernregeln wie folgt wider:

Ladislaus, such die Schnitter aus! (27. Juni) Kilián stellt die Schnitter an. (8. Juni)

Nach überlieferten Beobachtungen wird die große Hitze der Erntezeit Ende Juli durch große Regen unterbrochen. Man sagt: Magdalena weint gern, und es bedeutet, daß der 22. Juli oft ein regnerischer Tag ist. Er galt mancherorts auch als Unglückstag, so durfte man z. B. in Bogdan an diesem Tag nicht baden, denn es wurde gesagt, daß Magdalena die Badenden ins Wasser zieht.

Regnete es aber nicht, so bat man die heilige Anna (26. Juli) um Hilfe. In Wudersch und Umgebung ist im Zusammenhang mit diesem Tag auch ein Spottvers bekannt:

Der 10. August ist der Tag des als Feuer- und Wetterpatron verehrten heiligen Laurentius. Da die Tage zu dieser Jahreszeit bereits wieder kürzer geworden sind, ißt man von nun an keine Jause mehr bei der Feldarbeit. Die Alten sagen:

Lorenzi, der steckt das Essen ins Ränzje (in die Tasche).

Der Bartholomäustag, der 24. August, gilt als Herbstbeginn. Die folgenden Arbeiten müssen jetzt zügig verrichtet werden:

Wer Korn hat, sät


wer Grummet hat, mäht.

 

2.4. Herbst

Mit dem September beginnt der herbstliche Brauchtumskreis, in dessen Mittelpunkt das Einbringen der Früchte und die Vorbereitung des nächsten Wirtschaftsjahres stehen.

Anfang September machen sich auch die Zugvögel auf den Weg nach Süden; am 8. September wird gesagt:

Maria Geburt

fliegen die Schwalben fiat (fort).

Wenn sie aber bis Ende September, bis zum Michaelitag (29. September) bleiben, so ist ein schöner, langer Herbst zu erwarten.

 

Kirmes

Nach dem Ernteschluß, wenn in der Feldarbeit eine gewisse Ruhepause eintritt, steht das Kirchweihfest, im mitteldeutschen Sprachgebiet vorwiegend Kirmes, in den ungarndeutschen Mundarten Kirmes, KArwai, Kilbik, Kirito genannt, vor der Tür.

Die Wörter Kirchweih und Kirmes bedeuten zunächst die Einweihung einer Kirche, das Kirchenweihfest, sodann auch das jährliche Erinnerungsfest an die Kircheneinweihung. Diesem Jahrestag schlossen sich jedoch schon im Mittelalter vielfach ein Markt und mit diesem verbundene weltliche Belustigungen an. Im Laufe der Zeit wurde die kirchliche Bindung dieses Festes immer lockerer, und die Kirmes entwickelte sich zu einer weltlichen Feier, zu einem Volksfest. Als Termin der Kirmes wird der Herbst bevorzugt, so daß sie vielfach mit der Erntefeier zusammenfällt. Die bekanntesten Kirmestage bei den Ungarndeutschen sind die folgenden: 29. Juni, 26. Juli, 15. August, 12., 14. und 29. September, 11. und 19. November.

In vielen ungarndeutschen Dörfern feiert man im Jahreslauf zwei Kirmessen, eine im Sommer und eine im Herbst. Während die Sormmerkirmes auch früher nur einen Tag lang dauerte, erstreckte sich die Herbstkirmes, die Hauptkirmes, über drei, mitunter sogar über acht Tage. Die Herbstkirmes galt nicht nur als Abschluß der Sommer- und Herbstarbeiten, sondern auch als Fest der Verwandtschaft und der Gemeinde, zu dem die auswärtigen Verwandten und die einstigen Dorfbewohner zusammenkamen. Die gute, erfolgreiche Arbeit der Bauern wurde mit reichlichem Essen und Trinken gefeiert, deshalb nannte man diese Kirmes auch Freßkirmes. Vielerorts schloß sich acht Tage später eine Nachkirmes an, an deren Lustbarkeiten nur die Dorfbewohner teilnahmen.

Die Vorbereitungen zur Kirmes begannen im allgemeinen eine Woche vorher, denn das ganze Haus mußte von innen und außen getüncht und aufgeräumt werden. Auch für Essen und Getränke mußte man rechtzeitig sorgen.

Die Reihe der Lustbarkeiten nahm in vielen Dörfern Südungarns schon am Sonnabend mit dem Ausraben der alten Kirmes (auskröwe tr alte kirmes) ihren Anfang. Die Kirmesburschen (krmesdjound , tseXpmst, Knlbikpd wa), die die eigentlichen Veranstalter der Kirmes waren, gingen mit den Musikanten zu dem Ort, wo sie voriges Jahr oder am Vortag die Kirmes, symbolisiert durch eine Flasche Wein, begraben hatten. Mit dem feierlichen Ausgraben der Flasche wurde die Kirmes eröffnet. Darauf folgte die Aufrichtung des Kirmesbaumes (Mirmesapäm) vor dem Dorfwirtshaus. Dieser Brauch war auch in Westungarn bekannt, der Baum hieß hier Buschbaum (punspäm, puspäm). Der Kirmesbaum, in dem eigentlich der Maibaum wiederkehrt, war entweder eine lange Stange, ein Heubaum, oder ein bis zum Wipfelbusch entästeter und entrindeter hoher Baum, dessen Stamm mit grünem Rohr oder grünen Ästen umwunden und von unten nach oben mit Bändern und Blumengirlanden umwickelt war. An den Baum befestigte man in gleicher Entfernung drei bänderbehängte Faßreifen unterschiedlicher Größe, die wie Räder aussahen. Der kleinste befand sich unter dem Wipfelbusch, der größte ganz unten am Baum und der mittlere zwischen den beiden. Am mittleren Reifen hing eine volle Weinflasche, die nach dem Niederlegen des Baumes als Symbol der alten Kirmes eingegraben wurde.

Den Baum schmückte man in einem Hof oder am Dorfende, und unter großem Jubel trugen ihn die Burschen auf ihren Schultern vor das Wirtshaus. Nach der Aufrichtung des Baumes spielte die Musik drei Stücke, dies nannte man die Kirmes anspielen (ti Kirmas ouspih). Anschließend tanzte die Jugend bis Mitternacht unter dem Baum. Dieser Abend wurde mancherorts auch Antan^abend (putantsörmd) genannt. In Dörfern, wo keine Kirmesbäume aufgestellt wurden, geschah sowohl das Ausgraben als auch das Anblasen der Kirmes erst am Sonntag gegen 11 Uhr. In Arpad spielte die Musik im Hof des Wirtshauses drei Reigen, danach zogen die Kilbikbuben unter Musikbegleitung in vier oder fünf Höfe, um das Kilbikglas auszugraben, das sie am Vorabend mit Erlaubnis des Hausherrn vergraben hatten. Die gefundene Weinflasche schmückte der Hausherr mit Bändern und einem Rosmarinkränzchen, und er gab auch ein Geldgeschenk. In Feked war das Anblasen der Kirmes mit einem Heischegang der Burschen verbunden. Sie gingen mit der ausgegrabenen Flasche zu den Gemeindevorstehenden und zu den größeren Mädchen, wo sie Geld bekamen und mit Gebäck und Wein bewirtet wurden.

Der Wein in der ausgegrabenen Flasche wurde entweder gleich nach dem Ausgraben oder während des Heischeganges getrunken. In Arpad hängte man die Flasche an der Dek-ke des Tanzsaates auf, und sie wurde erst am Ende des Festes von den Burschen ausgetrunken.

Am Sonntag nachmittag gegen drei Uhr begann der Tanz, dazu gab die Musik mit drei Märschen das Zeichen. An diesem Ball, der oft bis in die Früh dauerte, nahm groß und klein teil.

Gegen Abend dieses Tages kam es in vielen Dörfern Südungarns meistens in solchen, wo kein Kirmesbaum aufgestellt wurde - zur Verlosung eines Kaschmirhalstuches, das die Burschen im voraus gemeinsam gekauft hatten. Schon während des Mittagessens gingen die Kirmesburschen, die mit Bändern und Rosmarin geschmückte Hüte trugen, von Haus zu Haus und verkauften Losnummern. In einer Tanzpause wurde dann das Tuch folgenderweise ausgelost: Ein Kirmesbursche stellte sich einen Hut oder einen Teller voller Maiskörner, unter denen auch ein rotes war, auf seinen Kopf und warf sodann unter Abzählen die einzelnen Körner auf den Boden. Derjenige Zuschauer, auf dessen Nummer der rote Kern fiel, bekam das Halstuch, und er mußte anschließend die Kirmesburschen im Haus oder im Keller bewirten. Statt eines Halstuches verloste man in einigen Dörfern wie Petschwar/Pécsvárad, Altglashütten und Berkei ein bzw. zwei Lämmer. Aus dem Erlös dieses Loskaufes wurden die Kosten bestritten.

Die Kirmes wurde im allgemeinen am Montag mit einem Ball beendet. Den Kirmesbaum ließ man bis zum nächsten Sonntag, zur Nachkirmes, stehen. Am Nachmittag dieses Tages wurde der Baum unter Musikklängen gefällt und die Weinflasche, als Symbol der Kirmes, in das Loch des umgekippten Kirmesbaumes eingegraben. Dies nannte man Eingraben der Kirmes (Kirmes eikröwe), es bedeutete das Ende dieses Festes.

Die Kirmes, dieses alte Volksfest, hat sich zwar bis auf den heutigen Tag erhalten, aber sie hat von ihren alten Bräuchen sehr viel verloren. In einigen Dörfern wie Agendorf, Brennberg, Großnarad/Nagynyárád werden die alten Kirmesbräuche seit einigen Jahren wieder neubelebt, ihre Dauer ist aber nur auf einen einzigen Tag, auf den Sonntag, zusammengeschrumpft.

 

Weinlesefest

Das Weinlesefest, auch Winzerfest genannt, gehörte auch zu den Erntefesten. Es wurde in den Weingegenden am Sonntag nach dem Abschluß der Weinlese veranstaltet. Auch bei diesem Fest spielte die Jugend die führende Rolle, und sie veranstaltete in vielen Dörfern einen Festaufzug.

In Bogdánhatte der Festzug die folgenden Bestandteile: Auf einem geschmückten Wagen (leswagn) wurden ein großer Bottich und andere bei der Weinlese verwendete Geräte gefahren. Hinter diesem Wagen gingen in landesüblicher Tracht gekleidete Buttenträger, Weinleserinnen und Weingartenhüter. Die größte Sehenswürdigkeit des Zuges war die Riesentraube (ri zenwaipe), die vier kräftige Burschen mit Hilfe zweier Stangen auf ihren Schultern trugen. Diese aus vielen großen und schönen Weintrauben gefertigte Riesentraube war mannesgroß und hatte ein beträchtliches Gewicht. Der Festzug ging zum Dorfwirtshaus, wo die Riesentraube in der Mitte des Tanzsaales aufgehängt und gegen Mitternacht versteigert wurde. An der Decke des Tanzsaales hingen außer dieser Traube noch zahlreiche Weintraubengirlanden, von denen die Burschen während des Tanzes immer wieder zu stehlen versuchten. Jeder Weintraubendieb, der von den Weingartenhütern erwischt wurde, erhielt eine Geldstrafe.

Ähnliche Festzüge waren bzw. sind auch in Westungarn bekannt; besonders in Öden-burg/Sopron haben die Lesefeste eine lange Tradition. In manchen Dörfern wurde das Winzerfest ähnlich wie bei den Ungarn gefeiert, hierbei handelt es sich um eine Übernahme dieses Brauches von den Ungarn: Einige in ungarische Volkstracht gekleidete Paare fuhren auf geschmückten Kutschen durch das Dorf. Vor ihnen ritten in Schambeck Husaren, Betyárén oder Tschikoschen. In der letzten Kutsche saßen der Richter und die Richterin — ein Junge und ein Mädchen —, die für diesen Tag gewählt wurden. In Warkon/ Zengővárkony machte der Zug in bestimmten Abständen halt, und der Richter las dem Publikum einen humorvollen Brief vor. Zum Festzug gehörten hier auch noch zwei Possenmacher, die die Zuschauer, besonders aber die Kinder mit Schuhpaste einschmierten oder ihr Gewand mit Mehl bestreuten. Den Festzug beschloß eine Zigeunerkapelle.

In vielen Weinbaudörfern Südungarns verknüpfte sich mit dem Weinleseball (traiwalpäl) kein Festzug.

Im letzten Monat des herbstlichen Brauchtumskreises, im November, gibt es noch zwei wichtige Tage. Am Martinitag, dem 11. November, feierte man früher noch einmal den Abschluß des wirtschaftlichen Arbeitsjahres, deshalb haben viele Dörfer an diesem Tag ihre Kirmes. Die Aussage Martini kommt auf dem Schimmel geritten deutet nicht nur darauf hin, daß an diesem Tag gewöhnlich der erste Schnee fiel, sondern vor allem darauf, daß die kirchlichen Bilder den Heiligen so darstellen.

Am 25. November, dem Katharinatag, wurde die letzte Lustbarkeit vor dem Advent, der Katharinaball (kotraipäl), veranstaltet. Von diesem Tag an bis zum zweiten Weihnachtstag gab es keine Tanzunterhaltungen. Es hieß: Kothraischließt die Geige ein mit ihrem großen Rosmarein.

Nach dem Katharinatag nimmt der Advent und damit auch der winterliche Brauchtumskreis seinen Anfang.

 

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Müller, T., 1961. Angaben zur Siedlungsgeschichte und Volkskunde aus dem Dorf Gara. Pécs (Facharbeit).

Papp, Gy., 1960. Volkskundliche Beobachtungen im Dorf Hetvehely. Pécs (Facharbeit).

Petz, A., 1979. Kirmesbräuche. In: Neue Zeitung XXIII, Nr. 45:

Putz, Á., 1971. Angaben zur Siedlungsgeschichte und Volkskunde der Deutschen in Csolnok Pecs (Facharbeit).

Sarosácz, Gy., 1974. Baranyai délszláv népszokások (Südslawische Volksbräuche in der Baranya) III. In: Janus Pannonius Múzeum Evkönyve XI-XV Pécs.

Schwanz, E., 1949. Ein altes Neujahrslied aus Rümpfungarn. In: DUHB1. -1930. Neujahrswünsche aus Rumpfungarn. In: DUHB1.

Spamer, A., 1940. Sitte und Brauch. In: Peßler, W. (Hrsg.), Handbuch der deutschen Volkskunde, Band 2. Potsdam.

Szendi, J., 1972. Siedlungsgeschichtliche und volkskundliche Angaben über das Dorf Pula. Pécs (Facharbeit).

Vargha, K., 180. Sitte und Brauch im Jahreslauf. In: Neue Zeitung (Artikelserie).

Weidlein, J., 1935. Jahrzeitbräuche in der mittleren Tolna. In: DUHB1.

Werkli, E , 1981. Von der „Polmkätzl"-Wetterstange bis zum Ostereierwerfen. In: Neue Zeitung XXV, Nr. 16.

 

Verwendet wurden weiterhin die Tonbandaufnahmen des Verfassers aus den Dörfern: Bawaz/Babarc, Lack/Geresdtak, Hajosch/Hajós, Nimesch/Himesháza, Lantschuck/Lánycsók, Nadasch/ Mecseknádasd, Großnarad/Nagynyárád, Altglashütten/Óbánya, Ofall/Ófalu, Potsch/Pócsa, Sier/ Szür und Willan/Villány.

 

3. Kinderreime und Kinderlieder

Die Kinderreime und Kinderlieder (im weiteren nur Kinderreime) wurden — genauso wie die Volkslieder und Märchen — jahrhundertelang von einer Generation der anderen mündlich weitergegeben. Ihre systematische Aufzeichnung begann auf deutschem Sprachgebiet erst am Ende des 18. Jahrhunderts. Die erste Sammlung deutscher Kinderreime erschien im Anhang zum dritten Band der großen Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn", veröffentlicht zwischen 1806-1808. Die Kinderreime haben verschiedenen Ursprung. Unter ihnen finden wir Kunstlieder, die der kindlichen Mentalität besonders entsprechen, genauso wie alte Volkslieder, Scherzfragen oder Rätsel. Viele Kinderreime gehen auf Studenten-, Soldaten- und Tanzlieder sowie Schlager zurück, die mit der Zeit, der kindlichen Vorstellungswelt entsprechend, umgeformt wurden. Selbst die Kinder sind Schöpfer von Reimen. Aus ihrem Vergnügen am Spielen mit der Sprache entstanden viele Abzähl- und Spottreime, die für die Erwachsenen oft unverständlich sind. Andere Arten von Reimen wie Wiegenlieder, Kniereiter- und Schaukelreime wurden wiederum von Erwachsenen erfunden.

Die Kinderreime sind beweglich, sie können erweitert und verändert werden. Selten sind Reime nur in einer Fassung lebendig: meist kennt jede Gegend eine eigene Variante, nicht selten hat derselbe Reim sogar innerhalb eines Ortes zwei oder mehrere Varianten.

Bei den Ungarndeutschen gehören die Kinderreime zu den heute noch relativ lebendigen Bereichen ihrer Volkskultur. Hier waren diese Überlieferungen länger als auf dem deutschen Sprachgebiet, und zwar bis ins 20. Jahrhundert, fast ausschließlich aufs Weitersagen angewiesen. Ihre Weitergabe geschieht auch heute noch vorwiegend mündlich, meist durch die Generation der Großeltern, obwohl seit einigen Jahren schon gut brauchbare Sammlungen vorliegen {Patsch Handelz'samm..., RingelringelReibe, Hoppe, hoppe Reiter).

Der größte Teil der ungarndeutschen Überlieferungen ist auch in anderen deutschsprachigen Gebieten, oft mit abgewandelter Form und Melodie, bekannt und nicht als ursprünglich ungarndeutsch anzusehen. Auch wenn sie nicht hier entstanden oder gar aus der alten Heimat mitgebracht worden sind, bilden sie ein Stück Kultur der Ungarndeutschen. Sie enthalten - wie alle Kinderreime - die Erfahrungen vieler Jahrhunderte und geben diese weiter. Deshalb sind sie geneigt, dem Kind beim Kennenlernen seiner Umwelt zu helfen und das Erlernen der Sprache zu unterstützen.

Die Texte der bei den Ungarndeutschen bekannten Kinderreime lassen sich auf Grund ihrer sprachlichen Fassung —wie es den bereits vorliegenden Sammlungen zu entnehmen ist — in drei Gruppen einteilen:

a) Der überwiegende Teil der Reime ist in der Mundart überliefert. Dabei handelt es sich vermutlich um solche Texte, die aus der alten Heimat stammen oder die hier bei den Ungarndeutschen entstanden sind.

b) Ein beträchtlicher Teil der Überlieferungen ist in einer umgangssprachlichen Form lebendig. Bei den meisten dieser Texte ist nachweisbar, daß sie erst in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts durch Schulbücher und Kalender bekannt geworden sind.

Liebe, liebe Sonne,

komm ein wenig runter!

Laß den Regen oben,

dann wollen wir dich loben!

Einer schließt den Himmel auf,

da guckt die liebe Sonne raus.

c)  Gering ist die Zahl der gemischtsprachigen Texte, in denen neben der dominierenden Umgangssprache auch mehr oder weniger mundartliche Wörter und Wortformen enthalten sind. Auch bei diesen Texten handelt es sich wahrscheinlich um spätere Überliefe rungen.

Hopp hopp hopp,

Pferdchen, lauf Galopp,

iwar Stock und iwdr Stein:

Gib nur acht und brich kein Bein!

Hopp hopp hopp,

jetztfov mr in die Stodt!

Die Gruppierung der Kinderreime erfolgt in den größeren Sammlungen meist nach Inhalt und Gebrauch der Reime. Im folgenden sollen diese Gruppen auf Grund ungarndeutscher Überlieferungen kurz vorgestellt werden.

Die Mundarttexte der Kinderreime in unserer Zusammenstellung wurden auch in eine Sprachform übertragen, die sich nach dem Gebrauch im heutigen Hochdeutsch richtet.

 

Wiegenlieder

Wenn die Mutter ihr Kind einschläfern will, singt sie ihm lustige oder stimmungsvolle Lieder vor. Die ruhigen Melodien dieser Lieder passen sich dem Rhythmus des Wiegens an.

 

 

Schaukel- und Kniereiterreime

Der Erwachsene setzt das kleine Kind auf seine Knie und läßt es im Rhythmus eines Reimes „reiten" und am Ende „in den Graben fallen". Das Nachahmen des Gehörten erleichtert dem Kind das Erfassen der Worte. Manche dieser Reime sind auch als Lieder bekannt.

 

Reime mit erzieherischem Inhalt

 

Reime über die Natur

Besonders die Kinder auf dem Lande kommen sehr eng mit der Natur in Verbindung. Sie erleben den Wechsel der Jahreszeiten und des Wetters, sie kennen Tiere und Pflanzen, und zu vielen Gelegenheiten können sie einen Reim sagen oder ein Lied singen, zum Beispiel, um ein Tier anzurufen, um den Frühling zu begrüßen oder auch, um den Regen fort- und die Sonne hervorzuwünschen.

 

Spottreime

Die meisten dieser Reime sind von Kindern erfunden worden. Wenn es während ihres gemeinsamen Spieles zu kleineren Meinungsunterschieden kommt, wird die so entstandene Spannung mit Reimen, die auf Namen „gedichtet" sind, gesteigert und schließlich aufgelöst. Die Kinder wiederholen solche Reime zuerst immer schneller und lauter, nach kurzer Zeit hören sie aber mit dem Spotten auf und spielen friedlich und einträchtig weiter. Manche dieser Reime haben auch eine Melodie.

Mit dem folgenden Lied werden Mädchen, die einen Freund oder sogar schon einen Verlobten haben, verspottet:

Man kann auch über Zungenbrecher lachen und sie zum Anlaß nehmen für neuen Spott:

 

Hintern Herrn, hintern Häuschen

hackt der Hans Holz.

Hätte Hännchen hübschen Hannchen

Holz hacken hören,

hätte Hännchen hübschen Hannchen

Holz hacken helfen.

 

Abzählreime

Die Abzählreime sind mit dem Spiel aufs engste verbunden. Sie können als wichtiges Mittel, als Einleitung des Spiels, betrachtet werden, denn durch sie werden die Verteilung der Rollen und die Ordnung im Anfangen bestimmt.

Der überwiegende Teil dieser Reime entstand auch unter den Kindern aus Freude am Spiel mit dem Reim, deshalb sind Wörter, Zeilen, sogar ganze Reime unverständlich.

 

 

Ringelspiele

Schon die ganz kleinen Kinder haben Freude an einem einfachen Ringelspiel, bei dem sie, an den Händen gefaßt, im Kreise gehen und sich zuerst noch der Melodie anvertrauen, die von den Erwachsenen vorgesungen wird. Sobald sie mitsingen können, machen sie es mit Begeisterung. Bei der letzten Zeile der Ringelspiele gehen sie meistens in die Hocke.

Ringel ringel Reschen,


Bauer hat ein Häschen.
Hockt das Häschen hinterm Busch,
machn wir alle husch, husch, husch!
(Lack)

Die Spiele der größeren Kinder enthalten schon solche Elemente, die in den Tänzen der Erwachsenen wieder erscheinen:

 

Spielbeschreibung:

Zeile 1-2:            Die Kinder stehen paarweise einander gegenüber und führen die im Lied genannten Bewegungen aus.

Zeite 3 und 5:   Je zwei Kinder drehen sich zueinander und drohen sich zuerst mit dem rechten, dann mit dem linken Zeigefinger.

Zeile 4 und 6:    Die Paare fassen sich an den Händen und drehen sich umeinander.

 

Andere Spiele

Außer den Spielen, die nach einer Melodie gespielt werden, gibt es auch zahlreiche solche, die Schnelligkeit, Geschicklichkeit oder auch geistige Beweglichkeit fordern.

 

Spielbeschreibung: Auf der einen Seite des Spielfeldes stehen die „Gänse", auf der anderen der Bauer" und in der Mitte der „Fuchs". Zwischen den „Gänsen" und dem „Bauern" findet das Zwiegespräch statt. Am Ende laufen die „Gänse" auf die andere Seite, der „Fuchs" versucht dabei, ein Kind zu fangen, und das gefangene Kind muß sich hinter den"„Fuchs" stellen. Das letzte Kind, das nicht gefangen wurde, wird der neue „Fuchs".

 

Literatur

Bischof, A., 1984. Kinderlieder, Reime und Spiele der Deutschen in Nadwar/Nemesnádudvar. Pécs (Facharbeit)

Gabrisch, A. (Hrsg.), 1970. Ich will euch was erzählen... Deutsche Kinderreime. Leipzig.

Manhetz K, 1975. Patsch Handel z'samm... Budapest.

Mester, G., 1975. Kinderlieder, Sprüche und Spiele der Deutschen in Elek. In: Beitrage zur Volkskunde der Ungarndeutschen 1, S. 165-208.

Talabér, T., 1980. Kinderlieder, Spiele und Reime aus Wandorf/Sopronbanfalva. Pecs (Facharbeit).

Wild, K. -Metzler, R., 1979. Hoppe, hoppe Reiter. Budapest.

 

4. Das Volksschauspiel

Die Erforschung der Volksschauspiele stand besonders in der Vorkriegszeit im Mittelpunkt der Forschungsinteressen. Rudolf Hartmann und Karl Horak haben in grundlegenden Werken die wichtigsten Spiellandschaften und Spielarten der Ungarndeutschen zusammengefaßt. Hartmann hat die Schwäbische Türkei, Horak das Ungarische Mittelgebirge bearbeitet. Wir bringen Auszüge aus ihren Arbeiten, damit wir Grundsätzliches über dieses Thema näher beleuchten können.

 

4.1. Bedeutung für die Volkskunde

Die Schwäbische Türkei war in volkskundlicher Sicht - und das hat sie mit anderen außerdeutschen Sprachinseln gemein - für die Forschung, sowohl als Ort der Beharrung als auch der Angleichung, bedeutungsvoll.

Isoliert weit ab vom Mutterland und lange unbeobachtet von der Wissenschaft, hat sie über Jahrhunderte hinweg älteres Volksgut in wenig gestörter Überlieferung bewahrt. Das erweist sich vor allem bei Sitten und Bräuchen, Märchen und Sagen, in der Sprache und im Lied, beim Hausbau, in den Trachten und in besonderer Weise beim Volksschauspiel.

Mannigfach sind weiterhin die Angleichungsabläufe, die bereits von der Ansiedlungs-zeit her durch das Bevölkerungsgemisch - selbst innerhalb eines Dorfes - zu beobachten sind. In ihnen spiegelt sich das gesamte südwestdeutsche Auswanderungsgebiet wider. Langsam, erst nach Generationen, wachsen die verschiedenen Dialekte zu einer neuen, gemeinsamen Mischmundart zusammen. Freilich waren sprachliche Eigenheiten bei Bewohnern verschiedener Herkunft innerhalb eines Dorfes selbst noch bis in die Gegenwart festzustellen: Die verschiedenen Trachten aus dem Ansiedlungsjahrhundert wandelten sich in den Gemeinden und glichen sich einander an. Auch das Haus entsprach nicht den heimischen Vorstellungen der Ansiedler, denn es war der Typ eines neuen Kolonistenhauses. Trotzdem blieb eine Bezeichnung wie die des hessischen „Ern", die hier Vorraum bedeutet, bis in die Gegenwart erhalten...

 

4.2. Die Spiellandschaft und ihre Erforschung

Die Schwäbische Türkei besaß — ähnlich wie bei den Volkstrachten — einmaligen Reichtum an lebendigen Volksschauspielen, die vom Volk getragen und gespielt, für dieses gedacht und vor ihm aufgeführt wurden. Sie waren über das gesamte Siedlungsgebiet verbreitet, besonders geballt in der Baranya, wurden mündlich von einer Spielgeneration — den „Kameradschaften" — zur nächsten weitergegeben, kannten eigene Spieltrachten und neben gesprochener Prosa und gebundener Rede auch viele gesungene Texte. Literarisch waren sie nicht anspruchsvoll und häufig zersprochen und zersungen. Die Spiele — es sind an die 150 vollständig aufgezeichnet worden — führten ein vielfältiges, ungebrochenes Dasein. Häufig gab es VeqDflanzungen ganzer Spiele und Wanderbewegungen einzelner Spiele, sei es eines Liedes, eines Textstückes oder auch eines Spielgerätes. In ganz seltenen Fällen durchbrach die Spielbewegung - meist im Zusammenhang mit dem Einfluß des Ungarischen — die Sprach- und Volksgrenzen. Die interethnische Begegnung fiel kaum ins Gewicht. Das mag daher kommen, daß die Schwäbische Türkei bei aller mehrvölkischen Auflockerung doch überwiegend eingeschlossenes Ganzes dargestellt hatte (bis 1945!, der Red.). Durch Herkommen gebunden, waren die Aufführungen — eine Aneinanderreihung bestimmter, weitgehend in Formelhaftigkeit erstarrter Szenen — fest im dörflichen Jahreslauf verankert und hatten enge Berührung mit kirchlicher und volksfrommer Tradition.

Die Blütezeit der Spiele, ausgehend von ihrer Häufigkeit, dürfte um die Jahrhundertwende liegen. Ein Abgleiten vom literarischen Vorbild muß allerdings schon Generationen vorher eingesetzt haben. Denn die heute noch faßbaren Spiele stellen ja nur stark verkümmerte Reste ihres Gehaltes dar. Der erste Weltkrieg bedeutet einen merklichen Einschnitt. Die Abwesenheit der wehrfähigen Männer, ihre Begegnung mit einer städtischen Kultur und der starke Einsatz der Frauen und Mädchen in der bäuerlichen Männerarbeit wirken sich auf die Brauchtumspflege lähmend aus.

Während der 20er und 30er Jahre stellt die Schwäbische Türkei die umfassendste und dichteste Volksschauspiellandschaft dar und verkörpert eine besondere Überlieferungswelt, in der Spielfreudigkeit bestehen bleibt. Aber auch ein Aufhören und Abbröckeln ist zu beobachten.

Nach 1945 bricht die Spielpflege zusammen. Nur noch Spuren der früheren Spieltraditionen sind aufzufinden.

Unter dem Einfluß von Karl Weinholds 1853 erschienenen Werk „Weihnachtsspiele und Lieder aus Süddeutschland und Schlesien" gab es in den folgenden Jahrzehnten einige Arbeiten über das deutsche Volksschauspiel in Ungarn: Karl Julius Schröer, Marcus Heinzel, Remigius Sztachovics, August Hartmann, J. R. Bunker. Alle diese Veröffentlichungen befaßten sich jedoch ausschließlich mit Spielen aus Westungarn (sog. Oberuferer Spielkreis!) bzw. Ofen und dem Ofner Bergland. Die Gebiete nördlich und südlich des Plattensees, auch das Schildgebirge westlich des Donauknies, waren unerforscht und eine unbekannte Welt bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.

1925 begann Rudolf Hartmann die Entdeckung der Spiele, vor allem in der Tolna und Baranya. Seit 1928 erschienen die ersten Veröffendichungen.

1931 begann Alfred Karasek in der Schwäbischen Türkei seine Forschungen, die bis zum Kriegsbeginn dauerten. Seine Mitarbeiter waren bis 1935 Karl und Grete Horak, denen viele Aufzeichnungen mit Melodien zu danken sind. In den folgenden Jahren wurde Karasek in seinen Bemühungen durch Walter Kuhn, Egon Lendl, Erna Piffl, August Prettl, Irma Steinsch und Johann Weidlein unterstützt. Außer der Aufzeichnung von Spieltexten konnte man sich noch stärker als bisher der Beobachtung der Spielpraxis zuwenden, der Entwicklung, Wanderung, Verkümmerung der Spiele, ihren Überlieferungsträgern und konnte vergleichende Studien treiben.

 

4.3. Die Spiele in der Schwäbischen Türkei

Das donauschwäbische Volksschauspiel (der Verfasser gebraucht auch die Bezeichnung donauschwäbisch, was sich auch auf das Deutschtum der Batschka und des Banats bezieht) ist von eigener Art. Es hat nichts mit gedruckten, landschaftsfremden Texten zu tun, mit Theaterstücken, mit Laien- oder Volkstheater. In seinen Ursprüngen dient das Spiel nicht der Unterhaltung, sondern ist in den dörflichen Jahreskreis eingebettet.

Als charakteristisch für die gesamte donauschwäbische Spiellandschaft ist folgendes herauszustellen:

  1. Der Besitz an meist mündlich überlieferten Spielen, die in bedeutendem Maße durch Wanderungen verpflanzt werden, bleibt bis in das 20. Jahrhundert bewahrt.
  2. Die Umzugsspiele gehören überwiegend zum Jahresbrauch, insbesondere der Weihnachtszeit.
  3. Die Träger der Spieltradition sind meist Altersgruppen, die „Kameradschaften" der Mädchen oder Burschen.
  4. Die dörflichen Spiele und ihre Gestaltung zeugen von einer barocken Grundhaltung; spätmittelalterliche Formelemente und solche der Renaissance fehlen.
  5. Der Aufführungsraum sind die dörflichen Stuben, die Spielende und Zuschauer eng umschließen.
  6. Es gibt eine eigene Spielkleidung, deren Grundlage die ortsübliche Tracht darstellt.
  7. Das reiche Spielzubehör trägt vielfach besondere Züge echter Volkskunst.

(Aus Rudolf Hartmann: Das deutsche Volksschauspiel in der Schwäbischen Türkei [Ungarn] Marburg, 1974)

 

4.4. Das Ungarische Mittelgebirge

Die Spiellandschaft

a) Forschung

Alle bisherigen Veröffentlichungen über die Volksschauspiele in donauschwäbischen Teillandschaften bezeugen eine außerordentlicln große Spielfreude, ja geradezu eine Spielleidenschaft. Das gilt in gleichem Maß für Mittelungarn. Bis zum zweiten Weltkrieg war die Tradition ungebrochen lebendig, flackerte nach den schlimmsten Kriegs- und Nachkriegsjahren noch einmal auf und begann Mitte der Fünfzigerjahre auszusterben. Letzte Lebenszeichen können aber jetzt noch festgestellt werden.

Die Erschließung der Spiellandschaft erfolgt in vier Phasen. Die ältesten Aufzeichnungen deutscher Volksschauspiele in Mittelungarn machte 1876 August Hartmann in und um Ofen. Sie werden zwar oft zitiert, konnten aber nicht zu weiterer Forschung in der spielfreudigen Umgebung anregen, weil er keine innigere Verbindung mit den Schwaben aufnahm. Die Veröffentlichung von Emerich Stodola 1887 bildet eine bemerkenswerte Ausnahme. Trotz ihrer Bedeutung für die Forschung können diese Arbeiten nur als Zufallsfunde und nicht als Ergebnis systematischen Suchens gewertet werden.

Erst nach dem ersten Weltkrieg begann die Phase der intensiven Forschung. Die Entdeckung der deutschen Kolonistendörfer im Osten als volkskundliche Rückzugsgebiete führte junge Forscher aus dem Mutterland dorthin. Sie wanderten von Dorf zu Dorf und nahmen in planmäßiger Feldforschung den Bestand überlieferungsgetreu auf. Ihrer Zähigkeit, auch im Kampf gegen die feindliche Haltung der örtlichen Behörden (Notare, Gendarmen, Lehrer, Geistlichkeit), verdanken sie große Erfolge. Der Überlieferungsreichtum führte selbstverständlich zu starker Spezialisierung. Ihre Schwächen waren Mangeln des Vertrautseins mit örtlichen Problemen und Unkenntnis der madjarischen Sprache und der in ihr veröffentlichten einschlägigen Literatur.

Das aufbrechende Deutschbewußtsein bei den Donauschwaben ermunterte diese, sich der Erforschung ihrer Heimat zuzuwenden. Hier sind zu nennen: Eugen Bonomi, Elfriede Buch, E. Maenner, Anna Loschdorfer und Elmar Schwartz u. a. Sie begannen mit der Mundartforschung, gefördert durch den Germanisten Jakob Bleyer; sie schlossen meist auch volkskundliche Forschungen ein.

Die ersten Ergebnisse wurden in Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern veröffentlicht, erst später erschienen wissenschaftliche Buchreihen. Der Hang nach wissenschaftlicher Bearbeitung einer einzigen Gemeinde, in der Art von Ortsmonographien, engte den Blick nach Zusammenhängen mit der Umwelt ein. Die Wahl der Orte war dem Zufall der Herkunft der Studenten überlassen, so daß das Forschungsnetz sehr unterschiedlich dicht war, dafür gewannen die Arbeiten durch die besonderen Ortskenntnisse.

Die Veröffentlichungen sind zum Teil recht verstreut und schwer zu erfassen; die wichtigsten sind im Literaturverzeichnis angeführt. Sie machen im wesentlichen Sammelergebnisse bekannt, zeigen die starke Verankerung im Dorfbrauch, die Einbindung in das kirchliche Leben, sagen aber noch wenig über die weite Verbreitung und Verpflanzung in die Umgebung und den dadurch bedingten Veränderungen aus.

Als für unser volkskundliches Teilgebiet wichtiges Beispiel kann die Arbeit über das Kirchenjahr in Budaörs von Bonomi angeführt werden. Außer der vollständigen Wiedergabe der Herbergsuche und des Dreikönigsspieles finden sich darin noch Hinweise auf die Dreikönigsspiele in Budakeszi, Pilisvörösvár und Budafok und auf die Herberg-such ein Zsámbék, Pomáz, Budakalász, Békásmegyer, Pilisborosjenő, Üröm, Biatorbágy, Törökbálint und Vértesacsa.

Leider ging durch die Kriegsereignisse der größte Teil des Sammelgutes aus etwa 45 Ortschaften verloren. Der Verlust ist vor allem deswegen so schwerwiegend, weil man den Schwerpunkt der Arbeit auf die Aufsammlung legte und die wissenschaftliche Bearbeitung und Auswertung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollte.

Gleich nach 1945 setzte die dritte Phase ein. Alfred Karasek und auf seine Anregung hin Eugen Bonomi, Ida Knirsch, Editha Langer, Josef Lanz, Josef Lutz, Konrad Scheierling, Heinz Schmidt-Ebhausen und Anton Tafferner suchten die Rückwanderer in den Auffanglagern und in ihren neuen Wohnorten in Deutschland auf und schrieben auf, was diese noch aus lebendiger Erinnerung vorspielen und erzählen konnten. Moderne technische Hilfsmittel wie Tonband, Farbfoto u. a. erlaubten Einzelheiten festzuhalten, die zu erfassen früher kaum möglich war. Volkskundliche Forschungsstätten und ihre Studenten halfen beim Einbringen der Ernte, Sammelaufrufe in den Heimatzeitungen der Ungarndeutschen brachten auch Einsendungen, die zum Teil in diesen und in Heimatkalendern veröffentlicht wurden. Die Verluste der Kriegszeit konnten damit mehr als wettgemacht werden.

In den Sechzigerjahren setzte die vierte Phase ein: Feldforschung in den noch vorhandenen deutschen Siedlungen. Angeregt durch Frau Prof. Dr. Dömötör widmeten sich ungarische Volkskundler der Erfassung volkskundlicher Erscheinungsformen nicht nur im eigenen Volkstum, sondern auch bei den Minderheiten in Ungarn.

b) Spielgut

Die Volksschauspiele, jene Spiele, deren Texte und Aufführungen vom Volke getragen werden, stehen in fester Beziehungen zum Brauchtum. Die Einbindung in die Jahres-, Lebens- und Arbeitsbräuche ist Ursache, daß diese Spiele über lange Zeiten lebendig bleiben. Die meisten Spiele sind an Jahresbräuche gebunden, wobei geistliche Spiele über einzelne Punkte im Leben Jesu überwiegen.

Die Formelhaftigkeit ist ihr besonderes Kennzeichen; sie übt ihre Herrschaft nicht nur über den Text, sondern auch über Spielbrauch, Gestik, Kleidung und Requisiten aus. Die Formeln sind wie Bausteine, die von den Spielträgern in wechselnder Zahl und abweichender Reihenfolge aneinandergereiht werden, und damit die Vielzahl von örtlichen und zeitlichen Varianten bilden. Textstellen und Handlungsteile, die sich der Formelhaftigkeit entziehen, weisen fast immer auf bewußte individuelle Gestaltung durch eine Person hin, die meistens der Oberschicht angehört. Am auffallendsten ist die Formelhaftigkeit des Textes. Wortschatz und Stil weichen sowohl von der Umgangssprache als auch von der Hochsprache ab, werden aber vom Volk als ihm eigentümlich empfunden. Die Formelhaftigkeit bezieht sich sowohl auf einzelne Wörter als auch auf Verse und Verspaare und umfaßt manchmal längere Partien.

Schon der Anfang eines Spiels ist sprachlich fest gestaltet. Mit den Eintrittsversen entbietet man dem Zuhörer seinen Gruß.

Gelobt sei Jesus Christus.

Jetzt sein wir schon gekommen an. . .

 

man stellt sich vor

 

Ein schön guten Abend geb euch Gott,

ich bin ein ausgesandter Bot

 

oder

Ich bin ein Bot vom Himmel,

die Wahrheit euch zu bringen

 

und gibt sein Attribut bekannt

 

von Gott, von Gott bin ich gesandt,

die Kerze, die trag ich in meiner Hand.

 

Das Hereinrufen des nächsten Spielers verstärkt den revueartigen Charakter des Volksschauspieles.

 

O Jungfrau rein, komm auch herein,

von Gott wird's dir erlaubt sein.

 

Das Ausfragen der Kinder wird mit feststehenden Versen eingeleitet

 

Wenn die Kinder fleißig beten und singen,

werd ich ihnen große Gaben bringen,

 

wenn sie aber nicht fleißig beten und singen,

werd ich ihnen eine Rute bringen.

 

Die Bitten Mariens werden immer mit der gleichen Formel ausgesprochen. Als Beispiel etwa die Bitte um eine Windel

 

Josef, herzliebster Josef mein,

verschaff dem Kind ein Windelein.

Schiare (= Schleier) soll die Windel sein.

Ei so sei' s, Jungfrau rein,

Schiare soll die Windel sein.

 

Ebenso ist der Schluß mit festen Formeln verbunden

 

Wir kommen daher so hoch und so spat,

wir wünschen euch allen eine geruhsame Nacht,

eine geruhsame Nacht, eine fröhliche Zeit,

wo Christus, der Herr, vom Himmel 'rabsteigt...

 

Die Gestik der Spiele, etwa das Herumgehen während des Sprechens, oder das Hinwerfen der Hirten ist ebenso als formelhaft zu bezeichnen wie die Kleidung der Spieler, die keineswegs der biblischen Tradition entspricht, sondern aus der ortsüblichen Festtags- und Arbeitskleidung abgewandelt wird.

Ältere Spiele fehlen in Mittelungarn. Die Vorbilder der vorhandenen Spiele sind nach-reformatorisch, ihre Form ist deutlich vom Barock geprägt.

Ein Vergleich der Nachrichten von August Hartmann aus dem Jahre 1876 und den Beobachtungen aus der Zeit um den zweiten Weltkrieg zeigt einen deutlichen Schwund auf wenige Spieltypen.

Das Spielgut der deutschen Siedler in Mittelungarn umfaßte schon vor hundert Jahren vor allem die Umzugsspiele. Ihr Merkmal ist der Zug der Darsteller von Haus zu Haus. Dadurch werden alle Angehörigen der Dorfgemeinschaft erfaßt. Die Spieler sind Gebende, weil sie alle am Spiel teilnehmen lassen und mit den jahreszeitlichen Glückwünschen beteilen. Die gespendeten Gaben werden als gerechter Lohn empfangen. Der Heischecharakter des Brauches wird damit nicht als Bettelei empfunden.

Die verbreitetsten Spiele sind die des Weihnachtskreises. Da alle anderen Arten des Volksschauspiels bald abgelegt und auch die Paradies- und Dreikönigsspiele nach und nach nicht mehr gespielt wurden, waren die Christkindlspiele zuletzt alleinherrschend.

Dafür konnte aber bei der Nachlese in den letzten Jahren festgestellt werden, daß in jedem Ort das Christkindlspiel lebendiger Bestandteil des Weihnachtsbrauches geworden war. In größeren Orten zogen unter Umständen auch zwei oder mehr Spielgruppen von Haus zu Haus. Diese Tatsache und auch die lang andauernde Tradition ließen dann mehrere Varianten entstehen, die nebeneinander gespielt wurden.

Wie in den anderen donauschwäbischen Landschaften wurden die Christkindlspiele immer mehr ein Benefiz für die Kinder ärmerer Bevölkerungsschichten: der Kleinbauern, landwirtschaftlichen Arbeiter und Nebenberufslandwirte (Handwerker, Bergleute). Damit wurde der Heischecharakter immer stärker betont, die Spieltexte wurden zusehends kürzer, um möglichst viele Häuser besuchen zu können. Trotzdem empfand die Bevölkerung das Christkindlsingen fast nie als Bettelei. Durch die Einbindung in den Festbrauch und die Weihnachts- und Neujahrswünsche sah man die Gaben als Entgelt und nicht als Almosen an.

Noch stärker wirkte der Schrumpfungsvorgang bei den Dreikönigsspielen; er führte zum gemeinsamen Absingen eines einzigen Liedes und schließlich zum völligen Verschwinden. Während das Christkindlspiel hauptsächlich von Mädchen gespielt wurde, war das Dreikönigssingen ein Vorrecht der Buben.

Die Dreikönigsspiele waren den Madjarisierungsbestrebungen der Geistlichkeit und der Lehrerschaft schneller zum Opfer gefallen; sie wurden durch Umzüge mit madjarischen Liedern ersetzt.

Die Stubenspiele sind an den Spielort, meist ein größerer Raum, gebunden; die Leute müssen dorthin gehen, wenn sie zusehen wollen. Sie waren in Mittelungarn anscheinend unbekannt. Was in früheren Zeiten in Gasthaussälen gespielt wurde, muß als Truppenspiel bezeichnet werden. Reisende Schauspielergruppen haben aber schon lange die überwiegend bäuerlichen Orte im Bakonywald, im Schild- und Gereschgebirge und im Ofner Bergland gemieden. Lediglich die industrialisierten und zur Verstädterung neigenden Orte wurden gelegentlich besucht. Hier war am ehesten ein finanzieller Erfolg zu erhoffen. Das Spielgut stand kaum mit dem Brauchtum im Zusammenhang. Was hier an rührseligen Stücken geboten wurde, kann aber nicht dem Volksschauspiel zugerechnet werden.

Auch die Passionsspiele müssen den Truppenspielen zugerechnet werden, doch waren in diesem Fall Einheimische die Akteure. Da es sich um individuelle Dichtung handelte, bestehen ernstliche Zweifel, sie als Volksschauspiel anzuerkennen.

Die Schrumpfung der Umzugsspiele führte zu einer Angleichung an die spielähnlichen Bräuche, die an mehreren Terminen des Jahresablaufes üblich wurden. Viele Forscher wollen den Spielcharakter solcher Bräuche nicht erkennen, da ihnen oft kein streng überlieferter dramatisierter Text und keine vorgeschriebene dramatische Handlung zugrunde liegen. Man darf aber nicht außer acht lassen, daß die Darsteller alle Entfaltungsmöglichkeiten im Text, in der Gestaltung und in der Gestik ausnützen und daß das bäuerliche Publikum den Ablauf des Brauches als schauspielartige Bindung zwischen Akteuren und Zuschauern erlebt.

Das Herbergsuchen ist ein dramatischer Brauch, der sich bis heute lebendig erhalten hat und in seiner deutschen Art lediglich durch die Umwandlung in das Madjarische bedroht ist. Forschungen über Alter und Herkunft des Herbergsuchens bei den Donauschwaben stehen noch aus. Die Bindung an religiöse Gemeinschaften, etwa Rosenkranz-Bruderschaften, und die Beeinflussung durch Klosterfrauen und Geistliche weisen auf ein geringeres Alter dieses Brauches hin.

Weitere Bräuche, die zwischen der Stegreifgestaltung und dem Fehlen jeglicher dramatischer Handlung pendeln, von der Bevölkerung aber als Spiel empfunden werden, sind im Jahreslauf das Neujahrsingen und die Faschings-, Mai-, Pfingst- und Kathreinumzüge, im Laufe des menschlichen Lebens die Namenstagsumzüge und Teile des Hochzeitsbrauchtums und im Verlauf des Arbeitsjahres manche unterhaltende und scherzhafte Handlung, die während des eintönigen Arbeitsvorgangs - Federnschleißen, Kukuruzschälen u.a. — und besonders nach dem Ende der Arbeit dargeboten werden.

(Aus K. Horak; Das deutsche Volksschauspiel in Mittelungarn. Marburg 1977, S. 19ff.)

 

5. Das Volkslied

Das grundlegende Werk über die ungarndeutschen Volkslieder stammt aus der Feder von Emerich Krammer (Keszi) aus den 30er Jahren de 20. Jahrhunderts. Er bearbeitete einige theoretische Probleme über die deutsche Volksmusik in Ungarn und versuchte, die verschiedenen Schichten des deutschen Volksliedes in Ungarn auszuarbeiten. Auch Monographien wurden veröffentlicht, in denen der Volksliedbestand einer deutschen Siedlung in Ungarn bearbeitet wurde, z. B. Ä. Hermann: Die Deutschen in Baderseck und ihre Volkslieder (ung. = A bátaszeki németek és népdalaik). Hermann vergleicht die hiesigen Volkslieder mit denen in verschiedenen Sammlungen des geschlossenen deutschen Sprachgebietes, gruppiert auch den Liedschatz: Historische Lieder, Balladen, Lyrische Lieder, Lieder des Familienlebens, Abschieds- und Wanderlieder, Handwerkerlieder, Soldatenlieder, Lieder der Natur, Streitspiele, Lehrreiche Lieder, Lieder des Humors und der Lustigkeit u. a. sind die einzelnen Gruppen.

In der Literatur wird auch sehr oft darüber diskutiert, was für Lieder zum mitgebrachten Liederschatz gehören und welche hier, in der neuen Heimat, entstanden sind. Über diese Fragen bringen wir einen Auszug aus dem Aufsatz von I. W. Kellermann (Zur Frage der interethnischen Beziehungen in der „Sprachinselvolkskunde". In: Zur Interethnik, Frankfurt 1978, S. 125 ff.).

Am Beispiel des Liedbestandes in einem aus verschiedenen ethnischen Gruppen zusammengesetzten Dorf im ungarischen Komitat Tolna sei auf die Fragen der interethnischen Beziehungen näher eingegangen.

Das Dorf Mözs entstand wie viele andere der sogenannten „Schwäbischen Türkei" in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts, erst durch private grundherrliche Anwerbung und später durch die Kameralsiedlungen des Wiener Hofes. Es hatte im Jahre 1930 genau 2314 Einwohner, von denen die Hälfte Deutsche, die andere Hälfte Slowaken und Ungarn waren. Alle überspannte der große Bogen des gemeinsamen katholischen Glaubens und religiösen Brauches, der in mancher Hinsicht bestimmender war als Fragen der Nationalität und Sprache. An zwei Sonntagen im Monat wurde deutsch gepredigt, an einem ungarisch und an einem slowakisch; die Schulverhältnisse wechselten, im allgemeinen war die Unterrichtssprache Ungarisch mit Deutsch als Unterrichtsgegenstand. Die Sozialstruktur des Dorfes stellte sich als überwiegend bäuerlich dar, wobei der Besitz von Weingärten am nahen Szekszárder Berg eine große Rolle spielte.

Wenn sich also in diesem Dorf mit seinen verschiedenen ethnischen Gruppen wie in einem Verkleinerungsspiegel die Voraussetzungen der Berührung zeigen, die in größerem Maßtab und z. T. mit veränderten Relationen für die Donauschwaben im gesamten gelten, so muß man mit erneuter Skepsis dem Begriff „Sprachinsel" begegnen, der ja nur einen Teilaspekt, nämlich die sprachliche Isolierung, erfaßt, dafür aber die für den Volkskundler so notwendige offene Sicht auf die Gesamtheit der Lebensumstände weitgehend verdeckt. In diesem beschränkten Sinne der Isolierung verlief auch oder gerade die Volksliedsammlung in den „Sprachinseln", die bei den dort vorgenommenen volkskundlichen Untersuchungen an hervorragender Stelle stand: Es waren die „altartigen", „wertvollen" Gesänge, die man zu finden trachtete, vor allem Balladen und Legendenlieder, die die Sprachinseldeutschen einst aus ihrer „Urheimat" mitgenommen und sich nur durch die Jahrhunderte hindurch erhalten hätten. Ohne Zweifel gibt es noch solche Lieder, und verständlich ist die Freude des Sammlers über ihren Fund. Doch kann die Frage, ob sie allein typisch für den Volksgesang der deutschen Gruppen im Ausland sind, bei näherem Zusehen nicht bejaht werden. Die wenigen Fälle, in denen ohne Ansehen des „Wertes" das gesamte Liedrepertoire einzelner Sänger oder einer ganzen Dorfgemeinschaft aufgezeichnet wurde, geben ein völlig anderes Bild. Im ganzen wurden aus Mözs bisher etwa 300 Liedtexte gefunden, davon etwa 90 mit Melodien. 186 Lieder stellen den Inhalt handschriftlicher Liederhefte dar, die in den einzelnen Familien geschrieben und aufbewahrt werden, das älteste von 1895.

Eine Analyse des gesammelten Liedbestandes ergibt folgende Verteilung :

87 Liebeslieder und 3 Schlager
40 Soldatenlieder (meist Soldatenklagen)
35 Scherz- und Tanzlieder
26 religiöse Lieder
9 Balladentypen mit 30 Varianten
21 erzählende moritatenhafte Lieder
14 Hochzeitslieder
5 Wander- und Handwerkerlieder
2 „Almlieder"
4 gemischtsprachige Scherzlieder
25 ungarische Lieder

Ein Blick auf die Liedanfänge 2eigt, daß es sich bei diesem Bestand keineswegs um vorwiegend älteres Liedgut, etwa aus dem 18. Jahrhundert, handelt, sondern vielmehr um die typischen Liedverhältnisse des 19. und 20. Jahrhunderts, wie sie, abgesehen von regionalen Besonderheiten, gleichzeitig auch in deutschen Landschaften auftreten.

Eine derartige Liedsituation in ihrer Komplexität wird nicht in Erstaunen versetzen, wenn man den Kreis der Sänger und Überlieferer ins Auge faßt: Das war — wie überall so auch bei den Donauschwaben - vor allem die Jugend. Insbesondere war es die Altersgruppe der Schulentlassenen, die das Singen im Dorfe pflegte und auch sonst den gesellschaftlichen Verkehr regelte, Sitten und Bräuche weitgehend bestimmte und auch ausübte: In Mözs trat hier in erster Linie die sogenannte „Reih" der schulentlassenen Mädchen in Aktion, die sich straßenweise an den Sonntagnachmittagen und bei sonstigen festlichen Gelegenheiten zum Singen trafen. Beim Singen in der Gruppe fiel die führende Rolle der „Vorsängerin" zu, die zuweilen noch eine Sekundantin für die 2. Stimme zur Seite hatte. Sie mußte nicht nur das gesamte Repertoire mit sämtlichen Texten im Kopf haben und jeweils in der richtigen Tonhöhe anstimmen können, sondern von ihr wurde auch die ständige Erweiterung des Bestandes durch neue, noch unbekannte Stücke erwartet. Diese aber sollten möglichst „modern" sein, wenn sie den Geschmack der jugendlichen Gemeinschaft treffen wollte.

Welche Quellen standen nun für die Erweiterung und Erneuerung des deutschen dörflichen Liedbestandes zur Verfügung? Das war einmal der überlieferte Uedbestand, zum anderen war es die Militär^eit, vor allem vor dem ersten Weltkrieg, von der die Burschen eine große Reihe von Liedern aus den Garnisionstädten heimbrachten und im Liedleben des Dorfes verfestigten: zum dritten bezog man während des ganzen 19. Jahrhunderts und bis zum ersten Weltkrieg unzählige Stoffe aus den volkstümlichen Flugblattdrucken, vor allem aus österreichischen und Budapester Kleinverlagen. Gerade solche, häufig auf bekannte Melodien gesungene „ganz neue" Lieder waren es, die bei der Jugend der Volksgruppe begeisterte Aufnahme fanden, deren billige Faltexemplare sie sorgfältig zusammenhefteten und aufbewahrten. So sind im Mözser Liedbestand nicht weniger als 100 Stücke direkter oder indirekter Flugblattverbreitung zuzuschreiben. — Eine weitere Quelle waren die Tanzkapellen. Dazu kam ein gewisser Liedzuwachs durch Wanderburschen und reisende Besucher.

Diese Tatsachen zeigen, daß die teils sentimentalen, teils ideologisch gefärbten Feststellungen mancher Sprachinselforschet, es hätte sich hier besonders viel „altartiges" Liedgut erhalten, kaum zutreffen. Richtig ist vielmehr, daß die Jugend „modern" singen wollte und deshalb stets das „neue Lied" ohne Ansehen seines künstlerischen oder nationalen Wertes bevorzugte. Woher aber kam es dann, daß die jugendlichen Gruppen in den deutschen Dörfern nicht den kürzesten Weg beschritten und bei den direkten Nachbarn ungarisches bzw. slowakisches Liedgut entlehnten oder sich durch Übertragung aneigneten? Diese Frage ist keineswegs vom Standpunkt des Nationalbewußtseins aus zu beantworten, sondern führt darüberhinaus in andere Regionen. Die Slowaken galten bei den Mözser Schwaben als sozial nicht gleichwertig; ihr ethnisches Selbstverständnis neigte zu den Ungarn; eine Übernahme ihrer geselligen Lieder fand nicht statt. — Anders war es mit den ungarischen Liedern. Auch hier hielt man sich weniger an die im Dorf ansässigen Ungarn, sondern bemühte sich vielmehr um die Aneignung des volkstümlichen Kunstliedes, wie es das ungarische Kleinbürgertum pflegte, weil man diese Schicht als sozial erstrebenswert empfand, und bis etwa 1935 wurde von der deutschen Jugend auf Märkten und auswärtigen Tanzereien besonders gern dieser Liedbereich erlernt und gesungen (alle ungarischen Lieder aus Mözs sind solche volkstümlichen Kunstlieder, Csardaslieder u. a.). -Diese Übernahmen waren also sozialpsychologisch bedingt. Wohl gibt es einige Necklieder mit ungarisch-deutschen Wortspielen, aber eine Vermischung älterer Volksliedschichten, etwa auf dem Boden des Volksliedes im 18. Jahrhundert, hat nicht stattgefunden.

Die Gründe hierfür mögen verschiedene sein. Einmal waren es zweifellos die unterschiedlichen Sprachgesetze, die grundsätzliche Betonung im Ungarischen auf der ersten Silbe, die sich auch im Lied ausdrückt, während das deutsche Lied den Auftakt bevorzugt. — Zum anderen aber scheint man hier nun tatsächlich an die Scheidegrenzen ethnischer Verschiedenheit zu stoßen, die eine Vermischung verbieten (wie sie doch zwischen slawischem und deutschem Lied z. B. so vielfach stattgefunden hat). Rhythmus und Tona-lität sind zu grundverschieden, um zusammenfließen zu können. So sang und singt man also deutsch und ungarisch nebeneinander, und zwar mit der gleichen Freudigkeit. Hierfür können eine Menge Beispiele angeführt werden, die deutlich zeigen, daß das ungarische Lied trotz seiner objektiven Fremdheit subjektiv von den Schwaben nicht als fremd empfunden wurde, denn es gehörte zum ethnischen Umfeld mit gemeinsam erlebter Geschichte.

Der deutsche Liedbestand des Modelldorfes resultierte also keineswegs aus einem deutschbewußten Bewahren des von altersher Mitgebrachten. Und ebenso war die Einbeziehung ungarischer Lieder aus der magyarischen Oberschicht dominierend sozial und nicht national bedingt. Der kulturelle Austausch hängt in erster Linie mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation der sich begegenden Gruppen zusammen; denn die Voraussetzung für einen kulturellen Austausch sind ähnliche Funktionsbereiche und soziale Systeme, innerhalb derer die Güter gelten.

Für die Richtigkeit dieser These hat die ungarische Musikethnologie selbst überzeugende Beweise geliefert. Béla Bartók (1881-1945) und Zoltán Kodály (1882-1967) stellten aufgrund ihrer ausgedehnten Sammeltätigkeit fest, daß man in der ungarischen Volksmusik deutlich zwei Stile unterscheiden könne:

  1. den alten Stil der ungarischen Bauernmusik, bei dem die Melodie in einem engen pentatonischen Bereich in zwei getrennten Abschnitten, gewissermaßen von oben nach unten verläuft;
  2. den neuen Stil der ungarischen Bauernmusik, dessen Entwicklung einhergeht mit der gesamten Geschmacksmode des 19. Jahrhunderts, also mit Csárdás- und sogenannter Zigeunermusik. Die seit Franz Liszts unsterblichem Irrtum weitverbreitete Meinung, daß es sich hier um die eigenartige Musik von Zigeunern handele, ist jedoch falsch.

Vielmehr sind die Verfasser der Melodien, die auch Brahms und Liszt thematisch benutzten, durchaus bekannt: Es waren nicht Zigeuner, sondern Angehörige des ungarischen Kleinadels aus dem frühen 19. Jahrhundert. Wenn nun gerade diese Musik so volkstümlich und repräsentativ für „das Ungarische" schlechthin wurde, so hing das mit den sozialen und nationalen Bewegungen im damaligen Ungarn zusammen.

Im Gefolge der Französischen Revolution und der deutschen Romantik begann ein vom ungarischen Kleinadel getragenes Bestreben nach nationaler Selbstverwirklichung, nach magyarischer Identität, das seine Kulmination in der Revolution von 1848 fand, zunächst niedergeschlagen wurde, aber dann unaufhaltsam zum sogenannten „Ausgleich" von 1867 und der Gründung des selbständigen ungarischen Königreiches führte. Diese Bewegung nun einigte das ungarische Volk ideologisch und wies seinen kulturellen Äußerungen eine neue Richtung. Neben vielen Erscheinungen betraf das in besonders ohrenfälligem Maße die Volksmusik. Der alte schwerfällige pentatonische Bauernstil war nicht geeignet, das Gesicht der Nation vor der Welt musikalisch zu repräsentieren. So entstand auf den Notenblättern adliger, für das Magyarentum begeisterter Komponisten, veredelt durch Künstler wie Brahms und Liszt, popularisiert durch wandernde Zigeunerkapellen, aufgenommen von einer sanges- und tanzfreudigen Bevölkerung — der „ungarische Stil". Bei keinem anderen südosteuropäischen Volk findet sich eine solche einheitliche Ausprägung der Nationaleigentümlichkeit. Zuerst mag sich dieser Prozeß ganz bewußt vollzogen haben, dann wurde die magyarische Nationalmusik zur „ungarischen Volksmusik". Während der „alte Stil" der sozialen Schicht der Bauern zugehörte, war dieser „neue Stil" nicht sozial gebunden, sondern bildete das musikalische Abzeichen des nationalbewußten Magyaren schlechthin.

Die Donauschwaben akzeptierten diese Art von Musik als typisch ungarisch und als bürgerlich, d. h. als kulturelles Zeichen des von ihnen bewunderten bürgerlichen Leitbildes. Wie tief sich die magyarische Umwelt besonders in den letzten 100 Jahren geprägt hat, beweist das Verhalten der nach dem zweiten Weltkrieg Umgesiedelten am neuen Wohnort: Auf Hochzeiten und bei ähnlichen geselligen Anlässen singt man in vorgerückter Stimmung mit Begeisterung ungarische Lieder. Damit wird eine Stufe des Entwicklungsprozesses sichtbar, den diese vor 200 Jahren zusammengewürfelten Ungarnsiedler auf dem Wege zu einer neuen Identität durchgemacht haben: Bei der Berührung mit den anderen sie umgebenden ethnischen Gruppen fand eine Akkulturation ihres gesamten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens statt. Für die musikalische Seite ihrer Volkskultur bedeutete das aus den erwähnten Gründen keine Vermischung der Liedstoffe und -Stile, sondern die Einbeziehung einer größeren Zahl ungarischer Lieder in ihren Liedbestand, eine Einbeziehung jedoch, die nicht etwa einen Assimilationsvorgang einleitete. Ganz im Gegenteil bildete sie vielmehr einen Beitrag zu jenem ethnischen Charakteristikum, das man als „donauschwäbisch", als spezifisch ungarndeutsch bezeichnen kann.

Das heißt aber nichts anderes, als daß die interethnischen Beziehungen, unterstützt von den Begegnungen der sozialen Gruppen und den zwischenmenschlichen Relationen, in einem Generationen währenden Wandlungsprozeß zur Aneignung und Einbeziehung auch des ursprünglich Fremden führen können.

 

Reihe Ungarndeutsches Archiv

  1. - Sprache und Gesellschaft eines ungarndeutsches Bergmannsdorfes im Spiegel seines Liedergutes & Sprachgebrauch in Pilisszentiván/Sanktiwan bei Ofen
  2. - Texte zur Geschichte der Deutschen in Ungarn
  3. - Manherz, K. - Wild, K.: Zur Sprache und Volkskultur der Ungarndeutschen
  4. - Márkus, E.: Deutsche Mundarten in Ofner Bergland {im Druck)

 

   
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