Előző fejezet Következő fejezet

Maria Erb

Wir und Sie: Ethnische Stereotype und Vorurteile bei den Tarianer Deutschen

 

0. Zielsetzungen

In der ungarndeutschen Wissenschaftlichkeit fokussierte man bisher im Rahmen der Attitüdenforschung - und dies auch nur seit Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts - vor allem auf die Spracheinstellungen, und zwar zum Dialekt, zur deutschen Standardvarietät und zur Staatssprache, systematische Untersuchungen zum Selbstbild, vor allem aber zu Fremdbildern gibt es dagegen nur sporadisch. Angaben, des Öfteren mittelbare, befinden sich einerseits in den interethnisch ausgerichteten und vor allem auf Akkulturationserscheinungen bedachten Werken von Ingeborg Weber-Kellermann und Annemie Schenk aus dem Banat und aus Südungarn andererseits in auf Identitätsfragen bezogenen verschiedenen Studien (siehe v.a. die Arbeiten von Seewann). Hervorzuheben sind jedoch die soziologisch-ethnologisch ausgerichteten Arbeiten von Bindorffer, die - aufgrund von teilnehmenden Beobachtungen und narrativ-explorativen Interviews - bestimmte Teilbereiche des Themas, so das Autostereotyp bzw. das Heterostereotyp der Ungarn, der Roma und der Mutternation bei den Deutschen in Bogdan/Dunabogdány in Rückgriff auf die einschlägige Fachliteratur behandeln (2001, 2005). Vorliegende Studie widmet sich auf der Basis von v.a. mit quantitativer Methode gewonnenen Daten der komplexen Frage des Autostereotyps und der wichtigsten Heterostereotype der ungarndeutschen Ortsgemeinschaft in Tarian/Tarján. Erfasst werden bei Letzteren neben der Mehrheitsnation sieben ungarländische Minderheiten sowie die beiden Mutternationen, die Deutschen und die Österreicher (zur Datenerhebung und Stichprobenbildung siehe Kap. 3). Unter Berücksichtigung der sozialen Variablen Alter, Geschlecht, Schulausbildung bzw. Identitätsausprägung der Probanden sollen mithilfe der quantitativen Daten nicht nur gruppenspezifische statische Selbst- und Fremdbilder beschrieben, sondern darüber hinaus auch jene eruierbaren Faktoren und Erfahrungswelten ermittelt werden, die die unterschiedliche Ausprägung dieser steuern. Trotz der Ortsbezogenheit der Untersuchung sind wir davon überzeugt, dass die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse als über die Tarianer deutsche Sprachgemeinschaft hinausweisend und in vieler Hinsicht für die ganze deutsche Volksgruppe in Ungarn als symptomatisch erachtet werden können. Wünschenswert wären dennoch methodisch vergleichbare Nachfolgeuntersuchungen in verschiedenen ungarndeutschen Siedlungsräumen, Siedlungstypen bzw. in Ortschaften mit unterschiedlichem Assimilationsgrad, die wesentlich zur Präzisierung und Typologisierung der Einstellungen beitragen könnten.

1. Stereotype und Vorurteile1

Der Mensch ist ein zwanghaft stereotyp denkendes Wesen und als solches gliedert er seine unmittelbare und mittelbare soziale Umgebung - sowohl auf individueller als auch auf gruppaler Ebene - seit jeher mithilfe von Prestige- und Stigmakategorien. Stereotype sind vereinfachende, schematische Denkmuster emotionalwertenden Inhalts, die aufgrund von einigen, als charakteristisch erachteten Eigenschaften Merkmalsgruppen typisieren bzw. den einzelnen Mitgliedern der jeweiligen Gruppen diese Züge ohne Überprüfung ihres Wahrheitsgehalts zuschreiben. Sie sind aber zugleich auch „kulturelle Objektivationen", denen als kognitiven Schemata eine bedeutende Rolle in der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Selbstbestimmung und nicht zuletzt Verhaltensorientierung von gesellschaftlichen Gruppen wie auch Einzelpersonen zukommt. Sie bringen unsere Sympathien und Phobien zum Ausdruck, resultieren jedoch nicht aus persönlich-individuellen Erfahrungen, sondern werden mittels Sprache durch das Milieu, in dem wir aufwachsen, übermittelt: Somit sind sie „Festung unserer Tradition" (Lippmann 1964: 79). Daraus bzw. aus ihrer affektíven Komponente folgt, dass Stereotype einen relativ hohen Grad an Stabilität und Konstanz aufweisen, dennoch können sie sich gelegentlich ändern, meist in Verbindung mit einschneidenden gesellschaftlichen und politischen Umstrukturierungen (Bindorffer 2005: 4). Je nachdem, auf wen sich die Kategorisierung richtet, spricht man einerseits von Auto-, andererseits von Heterostereotyp: Ersteres bezieht sich auf die „Ingroup" und ist im allgemeinen positiv, der zweite Begriff dagegen auf die „Outgroup" mit einem viel deutlicheren, wenn auch nicht grenzenlosen und undifferenzierten Hang zum Negativen. Diese beiden unterscheiden sich jedoch nicht nur im Vorzeichen der Bewertung, sondern auch darin, dass der eigenen Gruppe meist eine größere innere Variabilität zugesprochen wird. Wir halten sie für „bunter, zusammengesetzter, abwechslungsreicher als die Kategorien der Außenstehenden"2 [M.E.] (Hunyadi 2003: 44), da im Autostereotyp zwei gefühlsbeladene Tendenzen aufeinanderprallen: das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und der Drang nach Selbstunterscheidung des Individuums als Mitglied der Gruppe.

Auch das Vorurteil ist eine sozialpsychologische Kategorie und steht als solche in einem gegenseitigen Junktim- und Inklusionsverhältnis zum Stereotyp. Katz und Braly (1933, 1935) unterscheiden zwischen Vorurteil als Einstellung und Stereotyp als Überzeugung. Vorurteile als ausschließlich negative, nicht aus persönlichen Erfahrungen resultierende, sondern auf Voreingenommenheit beruhende, deshalb falsche oder zumindest nicht nachweisliche Meinungen können auf Stereotypen beruhen. Sie können aber auch die Basis zur Herausbildung von negativen Stereotypen liefern oder bereits bestehende noch mehr verstärken. Vorurteilsvolles Denken setzt immer die Annahme der Richtigkeit und Unumstößlichkeit von Vorurteilen voraus, es kann jedoch durch positive persönliche Erfahrungen auch abgeschwächt oder eliminiert werden.

1.2 Ethnische Stereotype und Vorurteile

Urteilszuweisungen ethnischer Provenienz gehören - neben den konfessionell bzw. geschlechtsspezifisch ausgerichteten - mitunter zu den verbreitetsten, denn die mannigfaltigen kulturellen sowie habituellen Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen bieten eine sehr ausgedehnte Basis für eine stereotype Rasterung. Die Wir-Sie-Dichotomie - die Solidarität und Kohäsion nach innen und Abwehr nach außen schafft - tritt in ihnen besonders prägnant zu Tage. Ihre sprachliche Manifestierung weist eine außerordentliche Vielfalt auf: Sie reicht von monotonen adjektivischen oder adverbialen Urteilszuweisungen in Form von Epitheta ornantia3 bis hin zu parömiologischen Einheiten (z.B. Sprichwörter, Redensarten)4, findet aber ihren Niederschlag auch in Volksbezeichnungen, Neck-, Spott- und Übernamen5 genauso wie in Witzen, samt ihren prototypischen Witzfiguren in Stellvertreterfunktion.6 Auf ihre Etabliertheit und Usualisiertheit im menschlichen und sprachlichen Miteinander weist nicht zuletzt die Tatsache hin, dass durch die konstant mitschwingenden Konnotationen bei vielen Volksbezeichnungen neben der ursprünglichen konkret ethnischen Bedeutung sich eine zweite, im metaphorischmetonymischen Bereich angesiedelte, herausgebildet hat. So kann z.B. der Satz Mein Schwager ist ein Jude/ein Schotte nicht nur die ethnische Zugehörigkeit bedeuten, sondern kontextabhängig und mithilfe unserer pragmatischen Kompetenz auch als 'er ist profitbesessen'/'er ist geizig' gedeutet werden.

Die aus der geographischen Nähe resultierenden volksnachbarschaftlichen Wechselbeziehungen wirken stimulativ auf die Herausbildung von Vorurteilen und Stereotypen. Dies ist in gesteigertem Maße der Fall bei koarealen Dauerkontaktsituationen innerhalb der politisch-wirtschaftlichen Einheit des Staates, wie wir sie in der Relation Minderheit-Mehrheit vorfinden. Die Wahrnehmung und anschließende Bewertung der anderen aufgrund ihres Verhaltens bzw. der Interpretation dessen führt zur Entstehung von auf einem Katalog von tatsächlichen oder vermeintlichen, allerdings für symptomatisch erachteten Eigenschaften und auf Verhaltensmustern beruhenden Volkscharakterologien. Da als Vergleichsgrundlage die eigenen Werte und Normen als Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden, resultiert aus der Kategorisierung nicht nur eine intergruppale Abgrenzung, sondern zugleich auch eine Entstehung oder Verstärkung der intragruppalen Identifikationsbasis und des Wir-Gefuhls. Das Verhältnis zwischen Minderheit und staatsbildender Mehrheit ist - bedingt durch den Status- und dadurch Hierarchieunterschied - immer etwas Besonderes. Diese Tatsache findet auch in den gegenseitigen Stereotypen und Einstellungen dieser ethnischen Gruppen ihren Niederschlag. Ausschlaggebend dabei ist neben der Quantität und Qualität der Kontakte und Interaktionen auch das positive oder eben negative Verhalten (Akzeptanz vs. Xenophobie) der Mehrheitsnation der Minderheit gegenüber sowohl auf offiziell-legislativer wie auch auf privat-kommunaler Ebene bzw. - in umgekehrter Richtung - der Grad der Loyalität oder Illoyalität der Minorität zur Mehrheitsnation. Darüber hinaus spielt die Ausgeprägtheit der nicht zuletzt aus der stereotypisierenden Abgrenzung resultierenden oder verstärkten Identitätsmarker der Minderheit eine sehr wichtige Rolle: Ethnische Gruppen mit einem fortgeschrittenen Assimila-tions- und Akkulturationsgrad neigen wegen Mangeins oder Fehlens von Unter-scheidungscharakteristika im Allgemeinen zu einer positiveren Bewertung als Gruppen mit einem festen Identitätsbewusstsein. Da diese Steuerungsfaktoren aber einem ständigen Wandel unterworfen sind, werden die Attributionen und Attitüden primär durch Aktualitäten und nur sekundär durch die von der „Vorwelt" (Allport 1977) ausgearbeiteten und tradierten Stereotypen gesteuert (Lázár 1995, Bindorffer 2005). Sie unterliegen daher einem Wandel in der Zeit, dennoch sind sie „Abdrük-ke von historischen Erfahrungen" (Csepeli 1987: 364). Die auch in historischen Dimensionen gesehen bunte ethnische Zusammensetzung von Ungarn - noch 1910 übertraf die Gesamtzahl der im Lande wohnenden Minderheiten die der staatsbildenden Nation -, begünstigte nicht nur, sondern forderte zu einer stereotypen Rasterung in Orientierungsfunktion geradezu heraus.7 Begründet durch den oben angesprochenen Status- und Hierarchieunterschied, aber auch durch die, ihrer Größe nach unterschiedlichen geographisch-siedlungsgeschichtlichen Kontaktflächen, ist der Hang und Drang zur Stereotypisierung bei der Mehrheitsnation in Richtung der ethnischen und nationalen Minderheiten viel ausgeprägter und ertragreicher als umgekehrt bzw. als zwischen den einzelnen nicht-ungarischen Volksgruppen des Landes.8 Die Tatsache, dass ein bedeutender Teil dieser Urteilszuweisungen und Stereotypen auch in Redensarten, Redewendungen und Sprichwörtern ausformuliert wurde, zeugt einerseits von ihrer Etabliertheit, andererseits verstärkt diese Art ihrer sprachlichen Manifestierung ihre Orientierungsfunktion, denn parömiologi-sche Einheiten als „Weisheiten] der Straßen" (Rauch 1963: 6) „sind nicht nur Reflexionen des Lebens, sie spielen darin auch eine höchst aktive Rolle" (ebda). Die ungarische Sprache war noch im 19. Jahrhundert bedeutend reicher an ethnisch, allerdings fast ausschließlich auf die mitlebenden Ethnien, ausgerichteten Sprichwörtern und Redewendungen als heute. Der Schwund resultiert einerseits daraus, dass viele dieser nur geographisch eingeschränkt in bestimmten Dialekten heimisch waren, andererseits aus den schonungslos-direkten, oft auch beleidigenden Urteilszuweisungen und Formulierungen - das Komische und Negative hat eben nicht nur sozialen, sondern auch ethnischen Charakter. Zigeuner, Juden weiterhin Rumänen und Slowaken sind jene Volksgruppen, die in diesen Sprichwörtern am meisten "bedacht" und die zugleich auch am kritischsten beurteilt werden. Es soll hier nur eine kleine Kostprobe stehen9: Zöld lovat, okos oláhot sose láttál [„Ein grünes Pferd und einen klugen Walachen/Rumänen hast nie gesehen"] (Török 1873: 286); Előttem áll, mint czigánynak a kötél [„Es steht mir bevor, wie dem Zigeuner der Strick"] (Király 1878: 419); Semmise lesz belülle, mint a tót fiábú [„Aus dem/ihm wird genauso nichts, wie aus dem Sohn des Slowaken"] (Koreska 1878: 465; Jaksics 1890: 572); Benne van, mint zsidóban az ördög [„Es steckt in ihm drin, wie im Juden der Teufel"] (Veress 1876: 31). Zu den „Schwaben" dagegen gibt es nicht so viele und auch diese enthalten meist keine Bewertung, sondern bewegen sich im äußeren Bereich der Volkscharakterologie z.B.: Nekiszokott, mint sváb a főttkrumplinak [„Er hat sich daran gewöhnt, wie der Schwabe an die Pellkartoffel"] (Simonyi 1875: 136).10

Das Verhältnis und das Verhalten der Ungarndeutschen zu den Ungarn wurden durch die Jahrhunderte sowohl von positiven als auch von negativen Erfahrungen geprägt, welche ihren Niederschlag auch in den Einstellungen gefunden haben. Durch die drei Generationen unserer Gewährsleute kann gerade jene, in dieser Hinsicht abwechslungsreichste Zeitspanne untersucht werden, in der die Beziehungen ihren bisherigen Tiefstand erreicht haben, in der aber auch ein Neuanfang und eine schrittweise Normalisierung des Verhältnisses stattfand.

2. Der Untersuchungsort11

Die Gemeinde Tarian/Tarján liegt im Komitat Gran-Komorn am Fuße des Ge-retsch/Gerecse Gebirges, 17 km von Totis/Tata und 10 km von Totiser Kolo-nie/Tatabánya entfernt. Die Ansiedlung der Deutschen erfolgte auf privatherrschaftliche Initiative der Familie Esterházy ab 1737 in mehreren Etappen, die ersten Einwohner des während der Türkenzeit völlig entvölkerten Dorfes waren jedoch reformierte Ungarn, die sich ab 1640 hier niederließen und deren Nachkommen auch heute noch in der Ortschaft leben. Die Deutschen kamen vorwiegend aus bairisch-österreichischen Gebieten, so trägt auch die Tarianer Mundart -eine sog. wa-Mundart ('Mutter' muada, 'Blut' pluat, 'Kuh' kud) - die sprachlichen Charakteristika dieser Herkunftslandschaften an sich. Da die deutschen Siedler ausnahmslos Katholiken waren, gliederte sich die Bevölkerung nicht nur in sprachlich-kultureller, sondern zugleich auch in konfessioneller Hinsicht in zwei Gruppen, wobei die Deutschen bereits ab 1780 mit 70-80% die Mehrheit stellen.12 Obwohl die beiden Ethnien sich in mancherlei Hinsicht abgesondert haben - bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde, in erster Linie wegen des konfessionellen Unterschiedes, untereinander nicht geheiratet, Deutsche und Ungarn hatten auch ihre eigene Schule und sogar ihre eigenen Wirtshäuser -, war ihr Verhältnis durch Toleranz und gegenseitige Achtung gekennzeichnet. Laut Berichten älterer Gewährsleute konnten die Ungarn, die ja im Dorf die Minderheit bildeten, auch Deutsch, d.h. die Tarianer Mundart.

Ihren Lebensunterhalt bezogen die Einwohner - fast ausschließlich Klein- und Zwergbauern - bis Mitte des 20. Jahrhunderts aus der Landwirtschaft. Die Modernisierung im Bereich der Infrastruktur und der sozialen Einrichtungen - Kreditinstitut (1894), Kindergarten (1896), Leichenverein (1899), Freiwillige Feuerwehr (1906), Postamt und Fernschreiber (Anfang des 20. Jhs.), Bau der Makadamstraße nach Totiser Kolonie bzw. Héreg (1938), Elektrifizierung des Dorfes (1939) - setzt Ende des 19. Jhs. ein. Parallel dazu steigt auch die Einwohnerzahl: 1900 wohnen in Tarian 1976, im Jahre 1920 2007 und 1930 bereits 2065 Menschen.

Die geschichtsträchtige Zwischenkriegszeit, samt den von ihr ausgelösten, bis in die Gegenwart reichenden negativen Konsequenzen für das gesamte Ungarndeutschtum, ging auch an Tarian nicht spurlos vorüber. Am 18. Oktober 1925 wurde die Ortsgruppe des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins und am 20. Oktober 1940 die des Volksbundes der Deutschen in Ungarn gegründet. Im Jahre 1937 wurde in der römisch-katholischen Schule, die die deutschen Kinder besuchten, Ungarisch, 1944 Deutsch als Unterrichtssprache eingeführt. Im März 1946 begann die Enteignung der Deutschen im Dorf, im März 1949 folgte dieser ersten Welle eine zweite - insgesamt wurde das Vermögen von 240 Familien konfisziert. Im April 1948 wurde auch eine Liste von 2037 Personen zusammengestellt, die nach Deutschland ausgesiedelt werden sollten. Da aber Deutschland zu dieser Zeit keine weiteren Volksdeutschen mehr aufnehmen konnte, fand in Tarian keine Aussiedlung statt. Die enteigneten Häuser der Deutschen wurden bereits ab 1946 neuen ungarischen Siedlerfamilien zugeteilt: Aus verschiedenen ungarischen Ortschaften, vor allem aber aus der nahe liegenden Industriestadt Tatabánya, kamen 26, aus dem Dorf Egerlövő im Komitat Heves 50 Familien. Im Jahre 1948 gesellten sich noch weitere 42 Familien aus Szőgyény/Svodin im ehemaligen Oberungarn dazu. „Nun wohnten in Tarian fünferlei Menschen: zwei katholische Gruppen („Schwaben" und „Felvidéker") und zwei reformierte Gruppen (eingesessene Ungarn und die Siedler aus Egerlövő) sowie die religiös indifferente Gruppe der „auswärtigen Ungarn" (Treszl 1996: 148). Das Verhältnis der Tarianer Deutschen zu den neu angekommenen ungarischen Gruppen war - zumal diese die Nutznießer ihrer Enteignung waren und auch lange das Sagen im Dorf hatten -jahrelang verständlicherweise sehr angespannt. Diese neue, zusammengesetztere Bevölkerungskonstellation des Dorfes fand auch im Sprachgebrauch der Deutschen ihren Niederschlag, indem sie auf Differenzierung basierende Bezeichnungsnotwendigkeit erzeugte. Solange die ungarischen „Urbewohner" als „unsere Ungarn" bezeichnet und von den anderen Neusiedlergruppen deutlich unterschieden werden, heißen die aus Egerlövő stammenden Siedler im Volksmund „Telepe-schen" und jene aus Oberungarn „Felvidéker".13 Die zwei zuletzt genannten beinhalten keine ethnische Komponente, sondern drücken ausschließlich die negative Einstellung der Deutschen zu den Bezeichneten aus (vgl. dazu auch Bindorffer 2002: 129). Es bedurfte einer längeren Zeit, bis sich diese Gegensätze gelegt haben, und sich das Verhältnis zwischen den alten und neuen Bewohnern, vor allem aber zwischen den Deutschen und den Neuzugezogenen, normalisiert hat. Die jungen Dorfbewohner machen keine derartigen Unterschiede mehr im Gegensatz zur betroffenen älteren und z.T. mittleren Generation, die - wie das eine der Gewährspersonen ausdrückte - verzeihen können, vergessen aber nicht.

Der Zeit der selbstständigen bäuerlichen Familienbetriebe setzte die 1949 beginnende Kollektivierung der Landwirtschaft ein Ende: 1956 waren bereits 90% der ehemaligen Einzelbauern Mitglied der örtlichen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Arbeitsmöglichkeiten boten außerdem noch das Kohlenbergwerk und die Aluminiumfabrik in Tatabánya. Auch im Schulwesen brachten die Nachkriegsjahre Veränderungen: Ab 1952 besuchen katholische und reformierte bzw. deutsche und ungarische Kinder die gleiche Schule. Deutsch als wählbares Unterrichtsfach erscheint nach jahrelanger Zäsur zuerst im Jahre 1957.

Die sich ab Ende der 80er Jahre abzeichnenden politischen und gesellschaftlichen Umwandlungsprozesse eröffneten auch für die deutsche Minderheit in Tarian neue Möglichkeiten zur Bewahrung und Revitalisierung ihrer Sprache und Kultur. Im Jahre 1986 wurde in der Grundschule der zweisprachige Unterricht eingeführt, ein Heimatkundefachzirkel und eine Theatergruppe ins Leben gerufen. Auch das Vereinsleben blühte auf. Zurzeit gibt es in der Gemeinde zwei Tanzgruppen und sechs Chöre, als Dachorganisation dieser fungiert der „Musikverein" mit 130 Mitgliedern. 135 Mitglieder zählt der „Freundeskreis Tarian", 35 der „Deutschklub" der Absolventen der Nationalitätengymnasien. Die Gemeinde unterhält zu zwei deutschen Ortschaften - seit 1991 zu Stauffenberg in Hessen und seit 1999 zu Kirchberg in Bayern - aktive partnerschaftliche Beziehungen, denen sie viel zu verdanken hat. Weiterhin veranstaltet Tarian mit der Teilnahme von Kulturgruppen aus dem In- und Ausland seit 13 Jahren die sog. „Tarianer Musiktage" („Tarjáni Zenei Napok").

3. Zur Datenerhebung und Stichprobenbildung

Vorliegende Ausführungen basieren auf einer Teilmenge jener empirisch gewonnenen Daten, die im Rahmen eines landesweiten Projektes mit dem Titel „A nyelvi másság dimenziói: A kisebbségi nyelvek megőrzésének lehetőségei" („Dimensionen des sprachlichen Andersseins: Möglichkeiten der Bewahrung von Minderheitensprachen") erhoben wurden. Hauptzielsetzung des Projektes ist, statt der bisher praktizierten, auf einzelne Minderheiten beschränkten Forschungen die kontrastive Untersuchung des Sprachgebrauchs von sechs ungarländischen Minderheiten - der deutschen, der slowakischen, der serbischen, der kroatischen, der roma und der rumänischen -, mit besonderer Berücksichtigung der Symptome, der Steuerungsfaktoren, der Formen und Stadien des sich seit geraumer Zeit abzeichnenden Sprachwechsels in diesen ethnischen Gruppen. Der der Erhebung zugrunde liegende Fragebogen wurde aufgrund vorbereitender Konsultationen mit den Explorato-ren von Csilla Bartha und Anna Borbély zusammengestellt, in Zusammenarbeit mit Elisabeth Knipf ins Deutsche übersetzt und für die deutsche Minderheit adaptiert bzw. mit spezifischen Zusatzfragen ergänzt. Das Befragungsinstrument beinhaltet 143, meist geschlossene Grundfragen, die in einem stark strukturierten, auch auf Tonband festgehaltenen Interview abgefragt wurden. Die Datenerhebung fand in Tarian zwischen Oktober 2004 und April 2005 statt.

Um die Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten gewährleisten zu können, wurde nicht nur der Fragebogen in seinen wichtigsten Zügen bei allen Minderheiten konstant gehalten, sondern auch die Kriterien der Stichprobenbildung. Jede Minderheit wurde nach dem Pars-pro-Toto-Prinzip durch eine Ortschaft „vertreten", und zwar durch eine solche, die als durchschnittlich und daher repräsentativ für die ganze Volksgruppe eingestuft werden konnte. Um jedoch ein möglichst wirklichkeitstreues Bild über den Sprachgebrauch zu bekommen bzw. um den zweifelsohne bestehenden - sprachlichen wie außersprachlichen - Verschiedenheiten innerhalb von ethnischen Gruppen Rechnung zu tragen, wurde im Falle der zwei größten Minderheiten des Landes, der deutschen und der roma die Erhebung in je zwei Untersuchungsorten durchgeführt.14

Insgesamt wurden 70 Probanden befragt, die Zusammenstellung der geschichteten Stichprobe erfolgte unter der Berücksichtigung der sozialen Variablen Alter, Geschlecht und Schulausbildung, mit einer jeweiligen Zelldichte von 5 Personen. Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung des Samples:

 

Schulabschluss

Alter

Grundschule/ Berufsschule

Mittelschule/Gymnasium mit Abitur

Hochschule/Universität

Männer

Frauen

Männer

Frauen

Männer

Frauen

20-40 Jahre

L/l

5

5

5

-

-

41-60 Jahre

5

5

5

5

5

5

61-80 Jahre

5

L/l

5

5

-

-

Tabelle 1: Verteilung des Samples nach sozialen Variablen

3.1 Zur Elizitierung und Operationalisierung

Meinungen, Einstellungen, so auch Stereotype und Vorurteile gehören in die Kategorie der subjektiven Daten. Erfahrungen zeigen jedoch, dass solange sie in vertraut-intimen familiären und Freundesnetzwerken oder in „Biertischkonversationen" des Öfteren geäußert werden, sie in verfremdenden, sogar auf Konservierung dieser Angaben bedachten Erhebungssituationen meist nur zögernd, in abgeschwächter Form oder gar nicht erst preisgegeben werden. Daher kommt bei ihnen der Elizitierung - der Art und Weise der Hervorlockung der Informationen - und der Operationalisierung - der Umsetzung der Forschungsfragen in „befragtenver-ständliche" Fragen - eine besondere Rolle zu.

Das unseren Ausführungen zugrunde liegende Befragungsinstrument beinhaltet insgesamt elf Fragen des gleichen Typs zum Thema ethnische Stereotype und Vorurteile. Erfasst wurde durch sie einerseits das Autostereotyp der Tarianer Deutschen, andererseits ihre Heterostereotype zur Staatsnation, zu sieben im Lande lebenden Minderheiten - der rumänischen, slowakischen, slowenischen, serbischen, kroatischen, bulgarischen und der roma - weiterhin zu den beiden Mutternationen, der deutschen und der österreichischen. Die Fragen bezogen sich im Falle der Ungarn und der Roma auf ihre in Tarian mit den dortigen Deutschen zusammenlebenden Gemeinschaften, bei den anderen Minderheiten jedoch ohne diese geographische Einschränkung auf die Minderheit an und für sich. Ihrer Formulierung nach lauten die Fragen folgendermaßen:

Zu den geschlossenen Fragen wurden als Antwortmöglichkeiten drei Optionen angeboten: eine positive {Ich habe eine gute Meinung über sie.), eine neutrale {Ich habe weder eine gute noch eine schlechte Meinung über sie) und eine negative {Ich habe eine schlechte Meinung über sie). Da das Verhältnis zwischen Mehrheitsnation und Minderheit - vor allem für Letztere - von essentieller Wichtigkeit ist, wurde diesem in Form von zwei Fragen aus der Richtung beider Ethnien nachgegangen: Was meinen Sie, wie verhalten sich hier die Ungarn / die Schwaben den Schwaben / den Ungarn gegenüber?; Was ist Ihre Einschätzung: Hat sich das Verhalten der Ungarn /der Schwaben den Schwaben/ den Ungarn gegenüber hier in letzter Zeit geändert? Die Antwortkategorien lauteten: / sie verhalten sich positiv / sie verhalten sich weder positiv noch negativ; sie verhalten sich negativ bzw. / es hat sich gebessert, es hat sich nicht geändert; es hat sich verschlechtert.

3.2 Reaktionen der Probanden auf die Befragung

Bevor wir uns der Analyse der gewonnenen Daten zuwenden, soll hier auf jene Reaktionen - verbale ebenso wie nonverbale - eingegangen werden, die sowohl durch die Form- als auch durch die Inhaltsseite dieser Fragen bei den Gewährsleuten hervorgerufen wurden. Als besonders wichtig erachten wir dies einerseits deshalb, weil diese Reaktionen tiefe Einblicke in allgemein menschliche Verhaltensweisen wie auch in die durch geschichtliche Erfahrungen mehrfach überlagerte und von ihnen nachhaltig geprägte "Siedlermentalität" der Ungarndeutschen gewähren; andererseits ist eine adäquate Analyse, Deutung und Bewertung der Antworten bzw. der prozentualen Verteilung der einzelnen Optionen - wie es sich zeigen wird - nur im Rückgriff auf diese Hintergrundinformationen möglich.

Die Probanden standen der Erhebung positiv gegenüber, ihre Antworten waren sehr offen, oftmals ergänzt durch zusätzliche wertvolle Informationen und Erklärungen - wofür ich mich bei ihnen auch an dieser Stelle bedanken möchte. Die einzige Ausnahme bildete der sechste Teil des Fragebogens mit den Fragen zu den ethnischen Stereotypen und Vorurteilen: Diese wurden oft entweder nur zögernd, einer längeren Denkpause beantwortet oder es wurde bei sichtbar negativen Einstellungen nach reichlicher Überlegung auf die neutrale Option ausgewichen. Interessant, aber durchaus erklärbar ist die Tatsache, dass dieses vorsichtige Verhalten nur im Zusammenhang mit den im Lande lebenden Ethnien - den sieben Minderheiten und den Ungarn - zu beobachten war, bei den Fragen zu den beiden Mutternationen ließen dagegen die Probanden ihren oft auch sehr kritischen Bemerkungen freien Lauf.

In der Psycho- und Soziolinguistik wird die Befragung als soziale Situation auf zweierlei Weise modelliert. Nach der ersten Auffassung (S—>R-Modell) besteht zwischen dem Stimulus (der Frage) und dem Respons (der Antwort) ein zwingender Zusammenhang, deshalb muss im Interesse der Validität und Reliabilität der Operationalisierung, d.h. der Frageformulierung große Aufmerksamkeit geschenkt werden - nach dem Prinzip: „Nicht der Interviewer, sondern der Fragebogen muß schlau sein" (Schmidtchen 1962: 34). Die zweite Auffassung sieht das Interview als Reaktionssystem (S—>P—>R-Modell), in dem zwischen Frage und Antwort die Person des Befragten zwischengeschaltet ist: Die Frage löst bei dem Probanden verschiedene Reize aus, schafft soziale Realität und wird beantwortet unter Einbeziehung von und in Rückgriff auf äußere Umstände, wie Erwartungshaltung, soziale Normen oder die möglichen Aus- und Nachwirkungen der gegebenen Antwort (vgl. Atteslander 1988: 942. f.): „Der Antwortende lügt nie - die zutreffende Interpretation dessen, was er sagt, hängt vom Können des Analytikers ab" (Manning 1967: 315). Mit solchen sekundären Reaktionen, Überlegungen und Zögerungen ist vor allem nicht bei Fakt- oder Wissens-, sondern bei Bewertungs- und Einschätzungsfragen zu rechnen, wie in unserem Fall. Das ist mit ein Grund für die äußerst vorsichtige Antwortstrategie der Tarianer Gewährsleute. Davon zeugten nicht nur Pausen, Hesitierung, Gestik und Mimik der Probanden, sondern auch Sätze wie15: „Nekem senkivel sincs semmi bajom " [„Ich habe mit niemandem ein Problem."]16, „ Mindenhol vannak ilyenek is, meg olyanok is " [„Überall gibt es solche und solche"] oder „Megy a magnó?" [„Ist das Tonband eingeschaltet?"], „Ezt most fölveszi?" [„Wird das jetzt aufgezeichnet?"]. Diese und ähnliche Sätze mündeten dann meist in die Wahl der neutralen Antwortkategorie. Die Interviews wurden mit ganz wenigen Ausnahmen17 in deutscher Sprache geführt - nach dem Wunsch des Probanden entweder im Dialekt oder in der deutschen Standardvarietät -, bei obigen Sätzen erfolgte jedoch immer ein Kodewechsel ins Ungarische. Ein weiterer Grund liegt in erster Linie nicht im heiklen Inhalt der Fragen, sondern in ihrer Formulierung. Diese war vermutlich zu direkt und zwang die Informanten zu einer eindeutigen, bewussten Stellungnahme - bei manchen wurden dadurch die äußersten Grenzen des Labov'schen ethischen Dilemmas sichtbar erreicht -, d.h. zugleich, dass die Fragen im Sinne des obigen Zitates nicht „schlau genug" waren. Im Falle der Ungarndeutschen - so auch bei den Deutschen in Tarian - spielt außer diesen beiden Gründen noch eine Tatsache eine nicht minder wichtige Rolle bei dieser sehr überlegten und diplomatischen Beurteilung von Ethnien. Die äußerst negativen Erfahrungen der Nachkriegsjahre und -Jahrzehnte, die vor allem die heutige ältere und ein Teil der mittleren Generation mitmachen mussten - die Aussiedlung, die Verschleppung, die Zwangsarbeit, die Enteignung und Entrechtung -haben sie gelehrt, vorsichtig zu sein, nicht negativ aufzufallen, keine Angriffsflächen zu bieten.

4. Das Autostereotyp der Tarianer Deutschen

Autostereotype fallen in der Regel positiver aus als Heterostereotype. Diese Feststellung bewahrheitet sich auch bei unserem Belegmaterial, denn von allen Ethnien haben die Probanden ihre eigene Gemeinschaft am positivsten bewertet: 87,1% der Befragten haben eine gute Meinung über die Tarianer Deutschen. Negative Eigenbewertungen gab es - wie dies auch aus der folgenden Tabelle hervorgeht - keine, die 12,9% neutralen Einstellungen zeigen jedoch, dass trotz vorhandener Gruppensolidarität die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft nicht unbedingt und kritiklos mit einer positiven Bewertung dieser einhergehen muss. Die, übrigens auch bei positiver Einstellung oft geäußerte Bemerkung „A svábok közt is van ilyen is, meg olyan is " [„ A uch unter den Schwaben gibt es solche und solche "] beweist, dass ein Teil der Gewährsleute auch die eigene Gemeinschaft differenzierter und nicht vereinfachend-pauschal betrachtet, wie es durch die Optionen notgedrungen vorgegeben wurde.

Grafik 1: Autostereotyp der Befragten (ganzes Sample)

4.1 Autostereotyp und Alter

Betrachtet man die Antworten der Probanden nach Altersgruppen gegliedert, ergibt sich folgende Streuung bezüglich der beiden gewählten Optionen:

Grafik 2: Autostereotyp der Befragten nach Altersgruppen

Am unvoreingenommensten und zugleich kritischsten der eigenen Gemeinschaft gegenüber ist die junge Generation: 75% der 20 bis 40-Jährigen entschied sich zwar für die positive Antwortkategorie, aber die neutrale Einstellung ist mit den verbleibenden 25% bei dieser Altersklasse am höchsten. Den anderen Endpol bildet - wider Erwarten - nicht die älteste, durch und durch "Erlebnisgeneration", sondern die mittlere mit 93,3% positiver und nur 6,7% neutraler Eigenbewertung. Die Werte der ältesten Altersklasse liegen zwischen diesen beiden (mit 90% bzw. 10%), was im ersten Moment überraschen mag. Die Erklärung dafür liegt in einer anderen sozialen Variablen, im Schulabschluss: Nur bei der mittleren Generation wurden zusätzlich zu den je zehn Probanden mit Grundschulabschluss bzw. Abitur auch zehn Gewährsleute mit Hochschulabschluss befragt. Vergleicht man die Einstellungswerte nach dieser Variablen (vgl. dazu Grafik 5), wird ersichtlich, dass ausnahmslos alle 41-60jährigen Informanten mit höchstem Ausbildungsgrad ein positives Autostereotyp haben, was sich auch in den "besseren" Durchschnittswerten dieser Altersgruppe widerspiegelt. Die bei identischer Stichprobenbildung doch divergierenden Prozentsätze der jüngeren und ältesten Generation lassen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass bei Ersteren mit den um 15% geringeren Sympathiewerten eine gewisse Lockerung des Gemeinschaftsgefühls zu beobachten ist bzw. dass bei der Verteilung von Sympathien auch die eigene Betroffenheit nicht unbedingt einen Bonus bedeutet.

4.2 Autostereotyp und Geschlecht

Die geschlechtsspezifischen Bewertungen sind nicht so divergierend und gruppenbildend wie die nach dem Alter: Die beiden Geschlechter zeigen in ihrem Autostereotyp nur geringfügige Unterschiede, allerdings sind die weiblichen Probanden ihrer Gemeinschaft um 2,9% positiver eingestellt als die männlichen:

Grafik 3: Autostereotyp der Befragten nach Geschlecht

In der einschlägigen, vor allem soziolinguistischen Fachliteratur sind - abgeleitet vom Begriff des sozialen Geschlechts, als Bündelung all jener gesellschaftlichen Faktoren, die auf die beiden Geschlechter in unterschiedlichem Maße zutreffen -in Bezug auf die Frauen zwei, auf den ersten Blick kontroverse Annahmen vertreten: Nach der einen sind Frauen konservativer und neigen mehr zum Bewahren des Ererbten, nach der anderen sind sie anpassungsfähiger und prestigeorientierter als Männer. Auf unsere weiblichen Probanden trifft mit einer statistisch erheblichen Relevanz allerdings keines von beiden zu: Sie zeigen zwar eine positivere Einstellung zu ihrer Ingroup und entsprechen dadurch den ersten beiden Attributen, doch macht diese Diskrepanz von 2,9% nur eine einzige Informantin aus und liegt somit innerhalb der statistischen Fehlerquote. Setzt man dagegen die Variable Geschlecht mit der des Alters in Beziehung, ergeben sich folgende Antwortverteilungen:

Grafik 4: Autostereotyp der Befragten nach Altersgruppen und Geschlecht

Die Angaben zeigen - mit der Ausnahme der mittleren Altersklasse - nicht nur eine generationsmäßige Streuung, aus ihnen wird auch ersichtlich, dass der Grund für die, wenn auch nur in zu vernachlässigendem Maße, negativere Einstellung der Männer eindeutig bei der jungen Generation zu suchen ist, die zu 40% nur eine neutrale Meinung über die eigene Gemeinschaft hat. Bei der Gruppe der über 61-Jährigen sind es gerade die Männer, die sich im Sinne obiger Ausführungen mit 100% positiver Einstellung eindeutig konservativer und bewahrender verhalten, bei der jüngsten Altersklasse dagegen die Frauen (90%). Diese kombinierte Betrachtungsweise der Antworten nach Alter und Geschlecht präzisiert zugleich auch das von allen am negativste Autostereotyp der jüngsten Generation mit 25% neutraler Bewertung (vgl. dazu Kapitel 4.1 bzw. Grafik 2), das somit fast ausschließlich auf die männlichen Probanden zurückgeführt werden kann.

4.3 Autostereotyp und Schulabschluss

Wie bereits in Kapitel 4.1 erwähnt, haben sich die Probanden mit dem höchsten Ausbildungsgrad - allerdings alle Angehörigen der mittleren Generation - zu 100% für die positive Option entschieden. Ihnen folgt mit 90% die Gruppe der Befragten mit Grundschul- bzw. Berufsschulausbildung, die Probanden mit Abitur bilden in dieser Hinsicht mit 80% das „Schlusslicht".

Grafik 5: Autostereotyp der Befragten nach Schulabschluss

Zieht man jedoch zusätzlich die Variable Alter mit in die Untersuchung ein, so wird deutlich, dass die junge Generation zu dieser Schlusslicht-Position mit 30% neutraler Einstellung am meisten beiträgt.

Grafik 6: Autostereotyp der Befragten nach Altersklassen und Geschlecht

4.4 Autostereotyp und Identitätsausprägung

Die Frage der „Ingroup", der eigenen Gemeinschaft ist bei ethnischen Minderheiten, so auch in unserem Falle, nicht unproblematisch, die Selbstzuordnung und die meist auf dem Kriterium der Abstammung basierende Fremdzuordnung sind nicht in jedem Falle identisch. Trotz der Tatsache, dass nur vier Probanden (5,7%) aus Mischehen stammen, definieren sich nur 71 % als (Ungarn)deutsche, 17,4% haben eine doppelte Identität - sehen sich zugleich als Ungarn und Deutsche - und 11,6% halten sich für Ungarn. Daher stellt sich die Frage, ob diese drei Identitätsausprägungen sich auch in verschiedenen Bewertungen niederschlagen, wobei zu erwarten wäre, dass eine deutsche Identität eine positivere Einstellung, eine ungarische dagegen eine kritischere - d.h. neutrale, denn negativ äußerte sich niemand - zur Folge hat. Diese berechtigte Hypothese bestätigt aber nachfolgende Tabelle nur teilweise:

Grafik 7: Autostereotyp der Befragten nach Identitätsausprägung

Die positivste Einstellung haben jene Informanten, die sich sowohl zum Ungarndeutschtum als auch zum Ungarntum bekennen, ausnahmslos alle haben eine gute Meinung über die Tarianer deutsche Gemeinschaft. Ihnen folgen mit 90% positiver und 10% neutraler Einstellung jene mit einer deutschen Identität, die „Schlusslichter" sind zwar die „Ungarn", allerdings nur mit um 3% mehr neutraler Einstellung. Dieser Befund ist vor allem bezüglich der minimalen Diskrepanz zwischen den Gewährsleuten mit einer deutschen und denen mit einer ungarischen Identität erklärungsbedürftig. Einen möglichen Ansatz dafür können die Kommentare der Probanden zur Identitätsfrage bzw. ihre Antworten auf die Frage nach ihrer Muttersprache liefern. Vor allem die Informanten mit einer ungarischen, z.T. auch jene mit einer Doppelidentitat haben ihre Entscheidung fast ausnahmslos mit ihren fehlenden oder mangelnden deutschen Sprachkenntnissen begründet: „ Wenn ich sagen wollte, ich bin eine Deutsche, dann müsste ich die Sprache besser können. "; „Magyarul jobban tudok" [„Ungarisch kann ich besser."]; „Das Ungarische ist sicherer." 45,7% aller Gewährsleute haben Deutsch, 15,7% Deutsch und Ungarisch, 38,6% Ungarisch als Muttersprache angegeben, woraus ersichtlich wird, dass zwischen der Muttersprache und der Selbstzuordnung nicht in jedem Falle ein Junktimverhältnis besteht. Dieser Befund deutet gleichzeitig aber auch darauf hin, dass im Identitätsgefüge die Muttersprache als ehemals zentraler Definitor an Bedeutung verliert, was eine qualitative und quantitative Umstrukturierung des Kriterienkatalogs der Selbstzuordnung nach sich zieht. Die Vermutung liegt nahe, dass zwischen den drei Gruppen der Unterschied vor allem in der Gewichtung der Sprache als Unterscheidungscharakteristikum und dadurch als Voraussetzung der Kate-gorisierung liegt. Loyalität und Solidarität der „Abstammungsgruppe" gegenüber scheinen auch bei nicht oder nur teilweise erfolgter Selbstzuordnung zu funktionieren. Diese Annahme bekräftigen auch die Einstellungswerte zur Mehrheitsnation (dazu detaillierter im nächsten Kap.), nach denen gerade die Gewährsleute mit einer ungarischen Identität mit den Ungarn am härtesten ins Gericht gehen.

5. Ethnische Heterostereotype und Vorurteile bei den Tarianer Deutschen

Die unter diesen zusammenfassenden Titel fallenden Stereotype werden statusbedingt aber auch nach der Wichtigkeit der einzelnen Ethnien für die untersuchte Gemeinschaft in drei Gruppen geteilt behandelt. So wird zuerst - da wir der Meinung sind, dass das Verhältnis einer Minderheit zum staatsbildenden Volk von größter Relevanz ist -, die Einstellung in Bezug auf die Mehrheitsnation dargestellt, diesen Ausführungen folgen die Bewertungen in Bezug auf die beiden Mutternationen und schließlich jene, die die Bewertung von sieben, im Lande lebenden ethnischen Minderheiten zum Gegenstand haben.

5.1 Erfahrungshorizont und Antwortbereitschaft der Probanden

Solange die Probanden bei ihrer Eigenbewertung nur zwei der drei möglichen Antwortkategorien in Anspruch genommen haben - die positive und in weitaus geringerem Maße die neutrale -, schöpften sie bei den ethnischen Heterostereotypen das volle Spektrum an Optionen aus. Um die nachstehenden Daten - vor allem aber die Tatsache, dass die neutrale Einstellung den anderen beiden gegenüber scheinbar haushoch überwiegt - richtig zu deuten, soll hier noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die Informanten ihre negative Meinung des Öfteren nicht preisgeben wollten und statt dessen auf die neutrale Bewertung ausgewichen sind - allerdings mit Ausnahme der beiden Mutternationen, bei denen sie ihrer Kritik freien Lauf ließen. Dies ist aber nur der eine Grund für die zahlenmäßige Überrepräsentiertheit dieser "bequemen" Option, eine weitaus tragendere Rolle spielt dagegen in dieser Hinsicht der sehr niedrige Wissens- und Erfahrungshorizont der Befragten, vor allem was die nicht mitlebenden oder nicht umwohnenden Ethnien betrifft. Während das solide, durch Jahrzehnte akkumulierte Nahwissen der Informanten eine Bewertung der Tarianer Ungarn und Roma bzw. der in der Nachbargemeinde Tardos lebenden Slowaken ermöglicht - was auch an der Ausgewogenheit der drei Antwortkategorien dieser Fragen ablesbar ist -, setzt das stellenweise gänzlich fehlende Fernwissen über die bulgarische, serbische, rumänische, slowenische und kroatische Minderheit der Beantwortung fast immer eindeutige Schranken. Viele reagierten auf die Frage mit dem Satz „Nem ismerem őket" [„Ich kenne sie nicht"], oder nahmen mit Verwunderung die Existenz dieser Volksgruppen innerhalb der Landesgrenzen zur Kenntnis. Einige Informanten verwechselten aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit der beiden Bezeichnungen die Slowaken und die Slowenen: „De hát őket már tetszett kérdezni!" [„Aber über sie haben sie mich schon befragt!"] - war die Reaktion. In all diesen Fällen haben sich die Probanden - in Ermangelung einer vierten Option, wie etwa „Ich kenne diese Minderheit nicht" - notgedrungen für die neutrale Antwortkategorie entschieden. Es gab aber natürlich auch einige gut informierte Probanden, als Informationsquellen gaben sie meist die Massenmedien bzw. persönliche Erfahrungen während Dienstreisen oder Ferienaufenthalten in den von diesen Ethnien bewohnten Landesteilen an. Weiterhin war zu beobachten, dass Gewährsleute, die sich in Minderheitenangelegenheiten engagieren - sei es auf institutioneller, Verwaltungs- oder Vereinsebene - mehr Kenntnisse und Erfahrungen diesbezüglich besaßen. Bei zwei Minderheiten - vor allem der rumänischen, aber in einem Fall auch der serbischen - spielten bei der negativen Einstellung einiger Gewährsleute in erster Linie nicht Informationsdefizite, sondern falsche Identifizierungen eine Rolle, sie zeigen aber zugleich exemplarisch die Genese wie auch die Verfestigung von Vorurteilen und negativen Stereotypen. Die rumänische Minderheit wurde, auch in Ermangelung an Kenntnissen über ihre Existenz als Volksgruppe, mit den meist hausierend durch die Ortschaften ziehenden Rumänen, Roma und Ungarn aus Rumänien gleichgesetzt. Die Ablehnung dieser Leute und ihrer Lebensweise wurde dann in einem nächsten Schritt auf die rumänische Minderheit übertragen. Einige Gewährsleute änderten ihren negativen Standpunkt aber auch nach Klärung der Sachlage nicht.18 Bei der negativen Einstellung eines einzigen männlichen Probanden zur serbischen Minderheit spielte der Krieg im ehemaligen Jugoslawien eine entscheidende Rolle, auch hier liegt eine auf falschen Tatsachen basierende Projizie-rung negativer Attitüden auf eine andere Volksgruppe vor. Übrigens hielt auch dieser Informant an seinem Standpunkt fest.

5.2 Das Heterostereotyp in Bezug auf die Tarianer Ungarn

In unserer Befragung wird die Mehrheitsnation durch die Gruppe der mitlebenden Ungarn repräsentiert. Das Verhältnis der beiden Ethnien (siehe auch das Kapitel zur Ortsgeschichte) war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von gegenseitiger Achtung geprägt und sehr friedlich. Durch die Ankunft der ungarischen Neusiedlergruppen ab 1945-46 entstand aber ein Konfliktpotential, das sich in verschiedenen Formen - angefangen von verbalen Auseinandersetzungen bis hin zu Schlägereien - entlud. Mit der Zeit legten sich die Gegensätze, die Mischehen zwischen Deutschen und Ungarn begannen allerdings später als die zwischen Deutschen und Slowaken der Nachbargemeinde Tardos, wobei auch die Tatsache der konfessionellen Verschiedenheit - die Ungarn gehören größtenteils zur reformierten, die Slowaken dagegen zur katholischen Glaubensgemeinschaft - eine Rolle spielte.

5.2.1 Bewertung des Verhältnisses der Deutschen und der Ungarn in Tarian

Bei der Erfassung der ethnischen Stereotype und Vorurteile gab es zu den Ungarn zwei Zusatzfragen, die einerseits auf das Verhalten der beiden Ethnien zueinander andererseits auf die eventuellen Veränderungen in diesem Bereich fokussierten. Dies liegt nicht nur darin begründet, dass dem Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit große Bedeutung beigemessen werden muss, sondern auch darin, dass Stereotype und Vorurteile in einem Junktimverhältnis zum gegenseitigen Umgang von Ethnien stehen. Bei den Ungarndeutschen kommt durch die geschichtliche Vorbelastetheit der Beziehungen beider Volksgruppen noch ein weiterer Aspekt hinzu. Die beiden nachstehenden Diagramme zeigen für die ganze Stichprobe ein ziemlich ausgewogenes Bild, was das Verhalten der Tarianer Deutschen und Ungarn der jeweils anderen Volksgruppe gegenüber anbelangt. Bei der negativen Option - die nur von sehr wenigen (2,9%) Probanden gewählt wurde -, zeigt sich eine gänzliche Übereinstimmung und auch bei den zwei verbleibenden Antwortkategorien gibt es nur minimale Unterschiede - allerdings zugunsten der Deutschen.

Grafik 8: Bewertung des gegenseitigen Verhaltens der Tarianer Deutschen und Ungarn (ganzes Samlpe)

Was die Veränderungen im Verhältnis anbelangt, überwiegen mit 91% bzw. 83% bei beiden Seiten die positiven Bewertungen, die Diskrepanz zwischen den zwei Werten erklärt sich aus der "Rollenverteilung" nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Deutschen waren sich keiner Schuld bewusst, sie waren die Opfer, denen Unrecht widerfahren ist, und die Ungarn die "Nutznießer" und stellenweise sogar die "Veranlasser" der Repressalien. Daher haben Letztere in der Lesart der Deutschen zur Normalisierung der Beziehungen mehr beisteuern müssen. Verschlechterungstendenzen nahm niemand wahr, und 9% bzw. 17% der Befragten sehen weder eine positive noch eine negative Entwicklung: Sie haben sich also für die Konstanz in dieser Hinsicht ausgesprochen.

Grafik 9: Einschätzung der Veränderungen im gegenseitigen Verhalten der Tarianer Deutschen und Ungarn (ganzes Sample)

5.2.2 Bewertung des Verhältnisses der beiden Ethnien nach Altersklassen

Die Verteilung der Optionen nach Altersklassen ergibt nicht nur eine interessante Streuung, sondern spiegelt auch die unterschiedlichen Erfahrungen der drei Generationen wider.

Grafik 10: Bewertung des gegenseitigen Verhaltens der Tarianer Deutschen und Ungarn nach Altersklassen
 
Grafik 11: Einschätzung der Veränderungen im gegenseitigen Verhalten der Tarianer Deutschen und Ungarn nach Altersklassen

Die Gruppe der 61 bis 80-Jährigen beurteilt das heutige Verhältnis der beiden Ethnien am negativsten - wenn auch niemand von ihnen die negative Option wählte (zur Problematik siehe weiter unten) -, die darin eingetretenen Veränderungen dagegen am positivsten. Dies ist jedoch nur ein scheinbarer Widerspruch: Von den heutigen drei Generationen war es gerade diese, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Enteignung und Entrechtung und dadurch auch den tiefsten Stand der Beziehungen zwischen der eigenen Volksgruppe und den ungarischen Neusiedlern miterlebt hat. Gemessen an diesem Tiefstand empfinden sie die Veränderungen selbstverständlich positiver als die mittlere Altersgruppe, die die Nachkriegsjahre teilweise nur aus Erzählungen kennt, diese aber nicht bewusst miterlebt hat, und viel positiver als die junge Generation, die nur die Zeit der normalisierten Beziehungen kennt. Wie einschneidend diese Altersklasse durch die Nachkriegsjahre geprägt wurde, zeigt auch, dass in der Frage zwar nach den Veränderungen in letzter Zeit gefragt wurde, die Informanten aber als Bezugspunkt bei der Beantwortung ausnahmslos die Zeit „ noch 'm Kriag " betrachteten. Trotz dieser zugegebenen Besserungstendenzen sitzen die alten Erfahrungen und die Furcht tief: In dieser Altersklasse gab es die meisten Probanden, die bei den Fragen zum Verhalten der Ungarn angespannt und länger überlegten, dann aber statt ihre sichtbar negative Meinung zu vertreten, die "Flucht-Kategorie" der neutralen Option wählten. Auch jene Informantin, die in Tränen aufgelöst über das Schicksal ihrer Familie erzählte und ihren Standpunkt folgendermaßen zusammenfasste: „ Verzeihen? Als Christenmensch ja. Vergessen? Nie!" Ein weiteres Problem für diese Generation bedeutete die ihrer Ansicht nach viel zu pauschale Frageformulierung, denn aufgrund ihrer Erfahrungen differenzieren sie zwischen den ungarischen Ureinwohnern und den Neusiedlern. Solange sie bei „ihren Ungarn" zur positiven Bewertung tendieren, neigen sie bei den „Telepeschen" und den „Felvidékem" eher zur negativen Einschätzung des Verhältnisses. Daher sind die Werte der Grafik 10 - vor allem die 40% neutralen Meinungen - nur in Rückgriff auf diese Befragtenreaktionen richtig zu deuten.

Die mittlere Generation sieht die Beziehung der beiden Ethnien zueinander schon viel positiver, allerdings sind auch sie der Meinung, genauso wie die Generation ihrer Eltern, dass die Deutschen sich - wenn auch nur geringfügig - positiver verhalten als die Ungarn. Die Veränderungen werden auch hier deutlich als Besserung eingestuft, aber hier votieren schon mehr Informanten dafür (13,32% bzw. 10%), dass sich im Verhältnis der zwei Gruppen nichts geändert hat. Die junge Generation dagegen steht in ihrer Bewertung des momentanen Verhältnisses, was die Werte der positiven und neutralen Antwortkategorien betrifft, der ihrer Großeltern näher als der ihrer Eltern, sie unterscheidet sich aber deutlich von ihnen durch die kritischen Meinungen, die immerhin von 10% bzw. 5% der Probanden geäußert wurden. Bei der Beurteilung der Veränderungen sinkt der Prozentsatz derjenigen, die eine Besserung in dieser Hinsicht wahrnehmen, weiter auf 70% bzw. 60%. Lässt sich nun dieser Befund erklären? Das Verhältnis der jungen Generation zu den Ungarn - da geschichtlich nicht (vor)belastet - ist unbefangen: Die alte Generation hat die schwere und prägende Nachkriegszeit miterlebt, die mittlere kennt sie meist aus Erzählungen der Eltern und Großeltern (oft hinter vorgehaltener Hand), die junge dagegen, wenn überhaupt, nur aus Schulbüchern. Sie haben also eine ganz andere Vergleichsbasis, nämlich die des normalisierten Zusammenlebens beider Ethnien und nehmen daher die positiven Veränderungen mit einer ganz anderen Amplitude wahr. Sie sind dadurch aber auch unbefangener, was ihre Meinungsäußerung anbelangt, sie trauen sich auch kritisch zu sein, sogar kritisch in Bezug auf die eigene Volksgruppe. Das beweisen die zwei Probanden, die sich negativ über das Verhalten der Deutschen den Ungarn gegenüber äußerten. Der eine stammt aus einer deutsch-slowakischen Mischehe und einer Familie mit deutlichen Assimilationserscheinungen. Der andere überlegte bei seiner Antwort sehr lange, hat sich aber letztendlich für die negative Bewertung entschieden mit der Begründung, dass er die junge Generation in dieser Hinsicht zwar positiv einschätzt, die alten Dorfbewohner seien jedoch immer noch "nachtragend" und verhielten sich negativ, was er nicht richtig findet.

5.2.3 Bewertung des Verhältnisses der beiden Ethnien nach Geschlecht

Aus der Verteilung der Antworten auf die beiden Geschlechter geht hervor, dass die Männer in der Beurteilung des jetzigen Verhältnisses der Deutschen und Ungarn kritischer sind als die Frauen: Weniger Männer (68,6% bzw. 65,7%) als Frauen (77,1% bzw. 71,4%) bewerten das Verhältnis als gut, außerdem sind negative Einstufungen nur von Männern vorgenommen worden (je 5,7%).

Grafik 12: Bewertung des gegenseitigen Verhaltens der Tarianer Deutschen und Ungarn nach Geschlecht

Dagegen sehen Männer laut Grafik 13 nicht nur deutlichere Besserungstendenzen in der Beziehung, sondern im Vergleich zum anderen Geschlecht auch verschiedene Ausprägungen dieser bei den beiden Volksgruppen.

Grafik 13: Einschätzung der Veränderungen im gegenseitigen Verhaltender Tarianer Deutschen und Ungarn nach Geschlecht

Denn solange die weiblichen Probanden die Veränderungen im Verhalten der beiden F.thnien zueinander gleich bewerten (80% und 20%), sehen männliche Probanden mit einer Diskrepanz von 5.7% - ausgeprägtere Besserungstendenzen im Verhalten der Deutschen als in dem der Ungarn.

5.2.4 Bewertung des Verhältnisses der beiden Ethnien nach Schulabschluss

Aufgrund der dritten sozialen Variablen, der Schulausbildung, zeigen sich folgende Tendenzen:

Grafik 14: Bewertung des gegenseitigen Verhaltens der Tarianer Deutschen und Ungarn nach Schulabschluss
 
Grafik 15: Einschätzung der Veränderungen im Verhalten der Tarianer Deutschen und Ungarn nach Schulabschluss

Am optimistischsten beurteilen das jetzige Verhältnis der Deutschen und Ungarn die Gruppen mit dem niedrigsten und die mit dem höchsten Ausbildungsgrad19, sie unterscheiden sich aber zugleich am prägnantesten in der Bewertung der eventuellen Veränderungen der Beziehungen. Die Probanden mit Hochschul-AJniversitätsabschluss sehen ohne Ausnahme nur Besserungen in dieser Hinsicht, jene mit Grundschulabschluss dagegen nur zu 73,3% bzw. 76,7%. Die Gewährsleute mit Abitur erwiesen sich bei der Einschätzung des Verhältnisses - genauso, wie beim Autostereotyp (vgl. dazu Kap. 4.3) - als die reserviertesten, ihre Werte bezüglich der Veränderungen dagegen liegen zwischen denen der beiden anderen Gruppen.

5.3 Das Heterostereotyp der Tarianer Deutschen in Bezug auf die mitlebenden Ungarn

Betrachtet man nun die Einstellung der Tarianer Deutschen zu den mitlebenden Ungarn auf der Folie der vorhin behandelten Bewertung des Verhaltens der Ungarn zu den Deutschen, so ergeben sich einerseits zwingende Zusammenhänge, andererseits aber auch gewisse Unstimmigkeiten, wie dies aus nachstehender Übersicht für die ganze Stichprobe hervorgeht:

Grafik  16: Heterostereotyp in Bezug auf die Tarianer Ungarn (ganzes Sample)

Nach der Devise: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus'" müssten die Verteilungsmuster der Optionen der beiden Fragen, wenn auch keine totale Übereinstimmung, so doch Ähnlichkeiten aufweisen, und dürften nur statistisch nicht relevante Unterschiede zeigen. Dem ist aber nicht immer so, wofür es mehrere eruierbare und mögliche Gründe gibt. Stereotype, Vorurteile, Einstellungen sind zwar sehr oft "Fertigprodukte" und werden als solche von Generation zu Generati on weitergereicht, ohne von diesen-hinterfragt zu werden, dennoch sind sie weder ihrem Vorzeichen noch ihrer Ausgeprägtheit nach immer konstant: Persönliche Erfahrungen jeglicher Art auf individueller oder gruppaler Ebene können in solche Werturteile sehr wohl Eingang finden und vermögen diese auch umzuformen. Positive und negative Stereotype, Bewertungen beruhen aber auch nicht immer auf Gegenseitigkeit, auch zieht ein positives Verhalten nicht immer und zwingend eine dementsprechende Bewertung des Individuums bzw. der sozialen oder ethnischen Gruppe durch andere nach sich. In unserem Falle spielt in den z.T. unterschiedli chen Verteilungen der Optionen außerdem vermutlich auch die Tatsache eine Rol le, dass zwischen der zuerst gestellten Einstellungsfrage „ Was halten Sie von den hiesigen Ungarn? Was für Menschen sind es?" und der Bewertungsfrage „Wie verhalten sich hier die Ungarn den Deutschen gegenüber? " bewusst neun Aus löscherfragen (Pufferfragen) zwischengeschaltet wurden, wodurch eine eventuelles logisch-kausales Aufeinanderbeziehen der beiden Antworten der Informanten erschwert bzw. gelegentlich vielleicht auch verhindert wurde. 64,3% der insgesamt 70 Befragten haben eine gute, 31,4% eine neutrale und 4,3% eine schlechte Meinung über die mitlebenden Ungarn. Demgegenüber fällt die Bewertung ihres Verhaltens zu den Tarianer Deutschen etwas besser aus: 68,6% aller Informanten schätzen es positiv, 26,6% neutral und nur 2,9% negativ ein (vgl dazu Grafik 8).                                                                                               

5.3.1 Heterostereotyp in Bezug auf die Ungarn nach Altersklassen

Die Verteilung der Optionen auf Altersgruppen ergibt von allen sozialen Variablen das interessanteste Bild und zeigt zugleich auch die größten Diskrepanzen bei den zwei Fragen - vor allem bei der alten Generation.

Grafik   17' .Heterostereotyp  in  Bezug  auf die   Tarianer   Ungarn  nach Altersklassen

Die junge und die mittlere Altersklasse weicht in ihrem Heterostereotyp nur minimal voneinander ab: Negative Bewertungen gab es bei keiner und auch die Prozentwerte der beiden anderen Antwortkategorien liegen dicht beieinander. Die über 61-Jährigen Informanten dagegen haben ein weitaus negativeres Bild über die Ungarn, was sehr stark mit ihren Nachkriegserfahrungen korrespondiert: 15% haben eine schlechte, 25% eine neutrale und 60% eine gute Meinung über die Ungarn. Unter den Probanden, die sich für die beiden letzteren Optionen entschieden, gab es auch solche, die sich immer noch nicht trauten ihre eigentliche Meinung zu äußern - dies verrieten Hesitations- bzw. Überlegungspausen, Rückversicherungsfragen, Gestik, Mimik aber auch im Nachhinein umgeänderte Antworten -, es gab aber auch solche, die trotz ihrer früheren negativen Erfahrungen heute eine positive Einstellung zu den mitlebenden Ungarn haben, u.a. mit der Begründung: „Die Alten sind weg, die Jungen kann man nicht verurteilen. " Solange aber von den beiden jüngsten Generationen bei der Einschätzungsfrage (vgl. dazu Grafik 11.) sich niemand der negativen Option bediente, haben bei der Bewertungsfrage (vgl. dazu Grafik 10.) 5% (junge Altersgruppe) und 3% (mittlere Altersgruppe) der Probanden darauf zurückgegriffen. Das heißt, dass negativ eingestuftes Benehmen hier nicht immer durch eine negative Einstellung sanktioniert wurde, bzw. eine negative Einstellung nach sich zog. Das Gleiche scheint bei der mittleren Generation auch beim anderen Endpol der Bewertungsskala der Fall zu sein, denn 80% sind der Meinung, dass die Ungarn sich den Deutschen gegenüber positiv benehmen, zugleich signalisieren aber nur 66,6% eine positive Einstellung. Auffallend ist auch, dass beim heikleren, von der Vergangenheit auch noch bei dieser Generation teilweise überfrachteten Heterostereotyp doppelt so viele die neutrale "Fluchtkategorie" gewählt haben als bei der zweiten Frage (33,3% vs. 17%). Bei den ältesten Gewährsleuten fallen nicht nur die Proportionen der Antwortkategorien innerhalb des Heterostereotyps anders aus, sondern auch ihr Vergleich mit denen der anderen Frage. Über das heutige Verhalten der Ungarn hat sich niemand negativ geäußert - wenn sich auch immerhin beachtliche 45% verdeckt hielten -, nichtsdestotrotz haben 15% der Informanten eine negative Meinung über sie. Positives Verhalten wurde hier also ganz deutlich nicht immer mit einer positiven Einstellung "belohnt".

5.3.2 Heterostereotyp in Bezug auf die Ungarn nach Geschlecht

Nachstehende Grafiken beinhalten die Verteilung der drei Antwortkategorien nach den beiden Geschlechtem:

Grafik 18: Heterostereotyp in Bezug auf die Tarianer Ungarn nach Geschlecht

Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern dominieren mit 65,7% bzw. 62,9% die positiven Attitüden, bei Ersteren - die übrigens auch ein positiveres Eigenbild haben -, gibt es aber mehr negative, bei Zweiteren mehr neutrale Bewertungen bezüglich der Ungarn. 71,4% der weiblichen Informanten stufen das Verhalten der Ungarn als „gut" ein, aber nur bei 65,7% reicht dies auch für eine positive Einstellung. Genauso gibt es Unterschiede beim anderen Endpol: Niemand äußerte sich negativ über das Verhalten der Mehrheitsnation, dennoch haben 5,7% der Frauen ein negatives Bild über die Ungarn. Positives Verhalten zieht also bei ihnen nicht unbedingt eine positive Einstellung nach sich. Beim anderen Geschlecht lässt sich bei den positiven Antwortkategorien das Gleiche feststellen -65,7% positive Meinungen über das Verhalten, aber nur 62,9% positive Einstellungen , bei den negativen allerdings ist es umgekehrt: Laut 2,9% der Probanden verhalten sich die Ungarn den Deutschen gegenüber schlecht, ein negatives Heterostereotyp haben aber um 2,8% mehr, insgesamt 5,7% Informanten.

5.3.3 Heterostereotyp in Bezug auf die Ungarn nach Schulabschluss

Von den drei Ausbildungsgruppen ist jene mit dem höchsten Schulabschluss am tolerantesten, gefolgt von der mit dem niedrigsten, das Schlusslicht bilden in dieser Hinsicht die Gewährsleute mit Abitur.

Grafik 19: Heterostereotyp in Bezug auf die Tarianer Ungarn nach Schulabschluss

Letztere sind nicht nur die kritischsten, bei ihnen driftet außerdem auch die Verteilung der Optionen bei der Einstellungs- und der Bewertungsfrage am meisten auseinander, wobei die positiven Prozentwerte des Verhaltens der Ungarn jene der positiven Einstellung um 16,7% übertreffen, die negativen diesen jedoch um 6,7% unterliegen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei 23,4% dieser Ausbildungsgruppe zwischen dem Verhalten der bewerteten Ethnie und dem Heterostereotyp kein zwingend notwendiger Zusammenhang besteht.

5.3.4 Heterostereotyp in Bezug auf die Ungarn nach Identitätsausprägung

Genauso wie beim Autostereotyp, stellt sich auch hier die berechtigte Frage, inwieweit die Identität der Probanden ihre Einstellung zu den in der Ortschaft lebenden Ungarn beeinflusst. Zu erwarten wäre, dass bei einer ungarischen weiterhim z.T. auch bei einer Doppelidentität die Bewertung positiver ausfallt als bei einer deutschen. Bereits in Kap. 4.4 wurde kurz darauf hingewiesen, dass die Verteilung der Antwortkategorien diese Hypothese falsifiziert, denn es sind gerade die beiden erstgenannten Gruppen, die das negativste Heterostereotyp aufweisen, dagegen fallt bei den Probanden mit einer deutschen Identität das Bild über die Ungarn am positivsten aus.

Grafik 20: Autostereotyp und Heterostereotyp in Bezug auf die Tarianer Ungarn nach Identitätsausprägung

Beim letzten Fakt spielt die Tatsache, dass sich gerade die bekennenden Ungarndeutschen — aufgrund der negativen historischen Erfahrungen - in ihrer Kritik der Mehrheitsnation gegenüber am meisten zurückgehalten haben, eine nicht unwesentliche Rolle. Die kritischere Einstellung der beiden anderen Gruppen, vor allem der Probanden mit ungarischer Identität zu den Ungarn, weiterhin ihre zu 100% bzw. 88% positive Bewertung der Tarianer deutschen Gemeinschaft lässt erneut die Annahme zu, dass trotz eines Wechsels oder einer Verschiebung in der Selbstzuordnung die Loyalität zur „Abstammungsgemeinschaft" größer ist, als zu der „Wahlgemeinschaft". Dies resultiert vermutlich neben einer emotionalen Verbundenheit und Rückbesinnung auf die Ahnen auch daraus, dass man sich bestimmten Grundwerten und Prinzipien der deutschen Gemeinschaft trotz des Sprachverlusts weiterhin verpflichtet fühlt.

5.4 Heterostereotype der Tarianer Deutschen in Bezug auf die Deutschen und die Österreicher

Die beiden Mutternationen der Ungarndeutschen, die deutsche und die österreichische bilden in unserer Gliederung den Gegenstand der nächsten Gruppe der ethnischen Stereotype. Da aber die Beziehungen, die Kontakte und das Verhältnis zwi sehen ethnischen Minderheiten und ihren „Abstammungsgemeinschaften" und der daraus resultierende Informiertheitsgrad und Erfahrungshorizont einerseits nicht konstant sind andererseits jedoch die Einstellung der Enklave maßgebend beeinflussen, soll der Analyse der Untersuchungsergebnisse ein diesbezüglicher Überblick vorangestellt werden.

5.4.1 Die Ungarndeutschen und ihre Mutternationen: Kurzer historischer Exkurs

Die deutschen Sprachinseln in Ungarn sind - da sie im Hoheitsgebiet einer anderssprachigen Mehrheit liegen - Enklaven, zugleich aber „[...] in Bezug auf den Staat/die Staaten, und dessen/deren Nationalsprache, dem bzw. denen sie ethnisch, sprachlich und - mindestens zum Teil - auch kulturell in genetischer Hinsicht zuzuordnen sind" auch Exklaven (Hutterer 1996: 100). Ihren Herkunftslandschaften nach, die im mittel- und oberdeutschen Raum liegen, können sie heute zwei Mutternationen zugeordnet werden, der deutschen und der österreichischen, wobei historisch gesehen die Gliederung der deutschen Kulturnation in verschiedene Staatsnationen von Zeit zu Zeit unterschiedliche Konturen annahm und auch nicht unproblematisch ist. Bemerkt werden muss auch noch, dass die aus der Rolle und dem Status einer Mutternation resultierende Verantwortung und Verpflichtung vor allem von Deutschland und weniger von Österreich wahrgenommen werden, was darin eigentlich auch seine Berechtigung hat, dass die überwiegende Mehrheit der Siedler aus dem heutigen bundesdeutschen Staatsgebiet kam. Die Kontakte zu den Daheimgebliebenen rissen nach einiger Zeit ab, eine Betreuung im offiziellen und/oder institutionalisierten Rahmen seitens der Mutternationen fand bis zum 20. Jahrhundert nicht statt. Als Erste "entdeckte" die deutsche Wissenschaftlichkeit, allen voran die Dialektologie und die Volkskunde die Auslandsdeutschen - auch Volksdeutsche genannt -, ihr folgte dann alsbald die Politik, allerdings mit verheerenden Auswirkungen und bis zum heutigen Tage spürbaren negativen Konsequenzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Zeit des Kalten Krieges wurden von ungarischer Seite, wenn überhaupt, dann fast ausschließlich Kontakte zur DDR gefördert, da es aber den siedlungsgeschichtlichen Tatsachen gänzlich widersprach, haben die Ungarndeutschen die DDR als Mutterland auch nicht akzeptiert. Die Kontakthaltung mit den in die damalige Ostzone Ausgesiedelten war jedoch wegen der Reisebeschränkungen in den Westen leichter, als mit denen, die in die Westzone bzw. nach Österreich kamen. Veränderungen, und zwar positive zeichnen sich sowohl im privaten wie auch im offiziellen Bereich ab Ende der 80er Jahre ab. Zwischenstaatliche Abkommen sichern Förderungsmaßnahmen, die u.a. den Ausbau eines ungarndeutschen Institutionsnetzwerkes (schulische Einrichtungen, Selbstverwaltungen, Vereine) und der dazu gehörenden Infrastruktur in erheblichem Maße erleichtern. Nicht minder wichtig ist die Erweiterung des Erfahrungshorizonts auf privater und kommunaler Ebene: Die Öffnung der Grenzen, die Aufhebung der Reisebeschränkungen, die Gründung von zahlreichen Siedlungsund Institutionspartnerschaften, die Arbeitsmöglichkeiten im deutschsprachigen Ausland oder in deutschen/österreichischen Firmenniederlassungen in Ungarn fördern das gegenseitige Kennenlernen. Des Weiteren spielen in dieser Hinsicht auch die Massenmedien aus dem deutschsprachigen Ausland eine nicht unerhebliche Rolle - allen voran das Fernsehen. Seit Ende der 1980er Jahre können in Ungarn auch deutschsprachige Fernsehsender empfangen werden und einschlägige Untersuchungen zeigen, dass von den Ungarndeutschen diese Möglichkeit auch in hohem Maße genutzt wird (Knipf/Erb 1995). Die vielschichtigen Programmangebote der öffentlichen und privaten Sender wirken nicht nur sprachfördernd, sie ermöglichen auch eine engere - wenn auch „virtuelle" - Einbindung in die Gemeinschaft der Mutternationen und tragen dadurch zur Präzisierung bzw. Modifizierung der Stereotypen und Vorurteile über sie bei. All das heißt zugleich auch, bezogen auf unsere Fragestellung, dass sich bei Ungarndeutschen vor allem in letzter Zeit aufgrund ihrer vielschichtigen persönlichen Erfahrungen ein solides Wissen über ihre Mutternationen akkumuliert hat, das wiederum als Basis für eine Art Volkscharakterologie dienen kann. Interessant und aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang nicht nur, wie die Mutternationen von der Minderheit bewertet werden, sondern auch der Vergleich der Sympathie- oder eben Antipathiewerte in Bezug auf die Deutschen/Österreicher mit denen der Ungarn. Denn - um mit An-nemie Schenk und Ingeborg Weber-Kellermann zu sprechen -„[...] nicht nationale Absonderung und „blutsmäßige" Gebundenheit an eine ferne deutsche „Urheimat" bestimmten und bestimmen das Leben der deutschen Minderheit in Südosteuropa, sondern vielmehr das Charakteristikum der kontaktierenden offenen Systeme, deren Interaktionen sich notwendig, wenn auch mit wechselnden Akzenten, auf allen Ebenen abspielen: der ökonomischen, technischen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen." (Schenk/Weber-Kellermann 1973: 111)

5.4.2 Kontakte der Tarianer Deutschen zu den Mutternationen

Die Beziehungen von Tarian und seinen Einwohnern zum deutschen Sprachgebiet sind vielfältig. 95,7% unserer Befragten waren schon mindestens einmal in Deutschland und 87,1% mindestens einmal in Österreich. Nachstehende Diagramme beinhalten die Antworten der Informanten auf die Fragen: „ Waren Sie schon mal in Deutschland / in Österreich?"; „ Was war die längste Zeit, die Sie in Deutschland/ in Österreich verbracht haben? " und „Zu welchen Zweck waren Sie in Deutschland/ in Österreich? "

Grafik 21: Deutschland- und Österreichaufenthalte der Probanden (ganzes Sample)
 
Grafik 22: Dauer des längsten Deutschland- und Osterreichaufenthaltes (ganzes Sample)
 
Grafik 23: Zweck der Deutschland- und Österreichaufenthalte (ganzes Sample)

Wie aus den Aufstellungen hervorgeht, verbrachte die Mehrheit der Probanden (73,1% bzw. 41,3%) 1-3 Wochen in den beiden Ländern, aus der geographischen Nähe bzw. Entfernung resultierend sind kürzere Aufenthalte eher für Österreich, längere dagegen eher für Deutschland typisch. Auch bezüglich des Zwecks des Aufenthalte gibt es Unterschiede: Bei Österreich überwiegen die - meist eintägigen - Einkaufsreisen (42,2%) und kürzere Ferienaufenthalte, Ausflüge (13,3%), bei Deutschland dominieren jedoch mit 55,1% eindeutig die Verwandtenbesuche. Die Erfahrungen der Tarianer beruhen aber nicht nur auf diesen Aufenthalten in den „Mutterländern". Durch die beiden Partnerschaften und die zahlreichen Programme weilen sehr oft deutsche und österreichische Gäste im Dorf, die bei hiesigen Familien untergebracht werden, darüber hinaus gibt es in Tarian mehrere Einzelunternehmer, die für den deutschsprachigen Markt produzieren oder die die ungarische Niederlassung von deutschen/österreichischen Firmen leiten bzw. in Arbeitsbeziehungen zu solchen stehen. Und nicht zuletzt darf man die meinungs-prägende und -steuernde Wirkung der seit einiger Zeit auch in Tarian empfangbaren deutschen und österreichischen Fernsehsender in dieser Hinsicht nicht unterschätzen.

5.4.3 Heterostereotyp der ganzen Stichprobe in Bezug auf die Mutternationen

Aufgrund der prozentuellen Auswertung der Antworten aller Befragten lässt sich feststellen, dass die Tarianer über die Österreicher eine bessere Meinung haben als über die Deutschen.

Grafik 24: Heterostereotype in Bezug auf die Deutschen und die Österreicher (ganzes Sample)

Die größte Diskrepanz (7,2%) ist am positiven und die kleinste (1,4%) am negativen Endpol der Bewertungsskala zu finden. Wenn man allerdings die begleitenden Kommentare der Informanten hinzunimmt, fällt das Gesamtbild noch mehr zugunsten der Österreicher aus. Viele haben nämlich gesagt, dass sie beide Nationen positiv bewerten, aber die Österreicher doch mehr mögen: „Ich habe eine gute die Deutschen, aber über die Österreicher eine noch bessere: Sie sind freundlicher. "

Dieses bessere Heterostereotyp kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass die Erfahrungen und Kontakte der Tarianer mit und zu den Österreichern nicht so vielfältig sind: „Az osztrákokkal nincsenek olyan jó kapcsolataink, nem ismerem őket annyira. Németországból több vendég jön" [„Zu den Österreichern haben wir nicht so gute Beziehungen, ich kenne sie nicht so gut. Aus Deutschland kommen mehr Gäste."] Für weitaus wichtiger werden jedoch die sprachlichen Ähnlichkeiten zwischen dem in Österreich gesprochenen Deutsch und der Tarianer Mundart erachtet - wie dies aus Reflexionen zahlreicher Probanden hervorging: „Ich fiihle mich besser unter Österreichern wegen der Sprache und Mentalität. ", „ Die Österreicher sind gemütlicher, freundlicher und auch die Sprache steht mir näher." Dass die Vertrautheit der Sprache, der Kultur und der Mentalität in den Einstellungen eine wichtige Rolle spielt, beweist auch, dass viele Informanten in Form von Rückfragen und Bemerkungen selbst die deutsche Mutternation nicht pauschal, sondern regional differenziert beurteilten. Die Meinungen über die Süddeutschen, vor allem Baiern fallen in der Regel positiver aus, als die über die Norddeutschen, es gab aber auch Vergleiche staatsnationaler Prägung zwischen den Bürgern der einstigen zwei deutschen Staaten: „Es ist nicht egal, woher sie kommen [...]"; „Die Deutschen sind freundlich, präzise, elegant, sie halten Distanz, aber in Bayern sind sie freundlicher als im Norden, da sind sie egoistischer. "; „Die Süddeutschen, die Baiern sind in Ordnung, je nördlicher, desto schlimmer, je mehr nach Westen, desto mehr in Ordnung."; „Az „eneszkäsok" rendben vannak, de az „endékások" azt hiszik, hogy ők jobbak, mint a magyarok. " [„Die aus der [ehemaligen] BRD sind in Ordnung, aber die aus der [ehemaligen] DDR glauben, was Besseres zu sein als die Ungarn."] Interessant am letzten Zitat ist auch, dass sich der Proband mit den Ungarn identifizierte. Ein männlicher Proband erklärte seine Baiern-Präferenz folgenderweise: „Die Baiern sind besser... wegen der Landwirtschaft sind da die Leute anders [...]". Für den verbleibenden Teil der Deutschen hatte er dagegen nur die pauschale Bezeichnung „ kékvérű poroszok" [„blaublütige Preußen"] übrig. Wie bereits erwähnt (vgl. Kapitel 3.2) und auch aus obigen Zitaten hervorgeht, hatten die Gewährsleute - ganz im Gegensatz zu den Fragen bezüglich der mit- und umlebenden Ethnien des Landes - bei der Beurteilung der beiden Mutternationen keinerlei Hemmungen: Kritische Bemerkungen, schlechte Erfahrungen und Beschwerden wurden frei und offen zur Sprache gebracht, oft in Form eines Vergleiches zwischen den beiden Nationen (siehe die Komparativformen weiter unten). Nach den am meisten geäußerten positiven Attributen sind die Österreicher: „nyíltak" [„offen"], „freundlich", „hilfsbereiter", „lockerer", gelassener", „közvetlenebbek" [„unmittelbarer"], „nem lekezelők" [„nicht herablassend"], „gastfreundlicher", ,freundlicher". Es gab auch, wenn auch in weitaus geringerer Zahl, negative Bemerkungen über sie: „felsőbbrendú'eknek érzik magukat" [„sie halten sich für etwas Besseres"], „lenézők" [„sie sind herablassend"], „címmániások" [„sie sind titelsüchtig"] -eine Probandin bezeichnete sie sogar als „aufprochti" [„aufgebrachte"]. Die Deutschen besitzen nach den Tarianern mehr negative Eigenschaften: „a németek nem olyan odaadok" [„die Deutschen sind nicht so hingebungsvoll"], „pökhendik" [„sie sind frech"], „lenézők" [„sie sind herablassend"], „büszkék" [„sie sind stolz"], „nem barátságosak" [„sie sind nicht freundlich"], „felsőbbrendűségüket érzékeltetik" [„sie lassen ihre Überlegenheit spüren"], „gőgösek, azt hiszik, hogy ők valakik" [„sie sind hochmütig, sie denken, sie sind wer"], „szemtelenek" [„sie sind frech"], „büszkeség van bennük és lekezelő a stílusuk" [„es ist ein Stolz in ihnen, und ihr Stil ist herablassend"], „büszkék a pénzükre" [„sie sind stolz auf ihr Geld"], „beképzeltek" [„sie sind eingebildet"], „sie sind überheblich". Einige sind noch weiter gegangen und haben behauptet: „ ausnutzen tun sie am " [„ausnutzen tun sie einen"]. Ein männlicher Proband stellte eine Bewertungsskala aus der Sicht der beiden Mutternationen auf- „Für die Deutschen stehen die Österreicher eine Stufe tiefer, für die Österreicher wiederum die Ungarn " -, bei einem anderen basiert die Ablehnung der Deutschen auf den negativen Kriegserfahrungen des Vaters beim Don: ,Jm Krieg waren die Deutschen sehr frech". Es gab aber auch Meinungen, wenn auch weniger, nach denen gerade die Deutschen freundlicher und sympathischer sind.

Vergleicht man die Einstellungswerte zu den beiden Mutternationen einerseits und zur in der Untersuchung durch die mitlebenden Ungarn vertretenen Mehrheitsnation andererseits, zeigen sich keine nennenswerten Unterschiede. Das heißt aber auch zugleich, dass - bezogen auf die ganze Stichprobe - sich keine ethnisch, sprachlich, kulturell oder wie auch immer bedingte Voreingenommenheit bzw. Loyalität zugunsten der Deutschen und der Österreicher und zum Nachteil der Ungarn vorhanden ist, trotz des historisch vorbelasteten Verhältnisses zu Letzteren. Interessante, mittelbare Ergänzungen bieten diesbezüglich zwei weitere, auf der Repräsentationsebene des Staates bzw. der Nation gelagerte, im weitesten Sinne Einstellungsfragen unseres Instruments. Die eine bezog sich darauf, welche Hymne dem Herzen der Probanden am nächsten steht:

Grafik 25: Emotionale Bewertung der Hymnen (ganzes Sample)

Die Bindung der Probanden zu Ungarn ist eindeutig: Nur die ungarische Hymne wählten 72%, weitere 25% entschieden sich für Optionen mit Mehrfachbenennungen, jedoch immer mit ungarischem Anteil und nur 3% votierten für die Hymnen der Mutternationen. Die andere Frage lautete: „ Welcher Mannschaft drücken Sie die Daumen, wenn die ungarische Nationalelf gegen Deutschland/Österreich spielt?" Ausgenommen jene 10 Probanden (14,3%), die sich für Sport nicht interessieren und die dementsprechende Option gewählt haben, verteilen sich die Antworten wie folgt:

Grafik 26: Fanverhalten bei Fußballspielen (n=60)

Auch hier liegen die Präferenzen der Gewährsleute mit 70% bzw. 91,7% eindeutig auf der Seite von Ungarn20, was in Anbetracht der Tatsache, dass von den drei Mannschaften gerade die ungarische Nationalelf das Schlusslicht vom Spielniveau her bildet, umso mehr ins Gewicht fällt, wie darauf auch die meisten resigniert reflektiert haben: „Ich weiß ja, dass es aussichtslos ist, und sie am Ende doch immer verlieren. "

5.4.4 Heterostereotyp der Tarianer Deutschen in Bezug auf die Mutternationen nach Altersgruppen

Die Verteilung der einzelnen Optionen nach der sozialen Variable Alter ergibt folgenden Befund:

Grafik 27: Heterostereotyp in Bezug auf die Deutschen und die Österreicher nach Altersklassen

Die Prozentwerte der positiven Attitüde zeigen von der alten bis hin zur jungen Generation eine sinkende (75% bzw. 80% vs. je 55%), die neutralen dagegen eine steigende Tendenz (je 20% vs. 45% bzw. 40%). Bei Ersteren äußerte sich über die Österreicher, bei Letzteren über die Deutschen niemand negativ. Am kritischsten scheint die mittlere Altersgruppe zu sein - und zwar vor allem den Deutschen gegenüber. Die Prozentwerte der Antipathie (6,7%) liegen hier am höchsten, hinzu kommt noch, dass die vorher zitierten nicht gerade schmeichelhaften Bemerkungen größtenteils auch von dieser Generation geäußert wurden. Konfrontiert man jedoch diese Ergebnisse mit denen der Einstellung zu den mitlebenden Ungarn, zeigen sich in den einzelnen Altersklassen - bedingt durch ihre unterschiedlichen Erfahrungen aber auch durch die Abweichungen in ihrem Identitätsgefüge sehr wohl Präferenzen. Am größten ist die Diskrepanz zugunsten der Mutternationen bei den über 61-Jährigen, was kein Wunder nimmt, wenn man ihr historisch vorbelastetes Verhältnis zu den Ungarn in Betracht zieht. Auffallend ist aber auch, dass die zwei anderen Generationen die beiden Mutternationen insgesamt negativer bewerten als die mitlebenden Ungarn.

5.4.5 Heterostereotyp der Tarianer Deutschen in Bezug auf die Mutternationen nach Geschlecht

Auch in der Verteilung der Antwortkategorien nach den beiden Geschlechtern gibt es Unterschiede:

Grafik 28: Heterostereotyp in Bezug auf die Deutschen und Österreicher nach Geschlecht

Die Frauen haben über beide Mutternationen eine bessere Meinung als die Männer: Die Prozentwerte der positiven Option fallen bei ihnen höher, die der negativen dagegen niedriger aus. Der eklatanteste Unterschied lässt sich bei der Bewertung der Deutschen feststellen: Während 68,6% der Frauen sie positiv beurteilen, sind nur 54,3% der Männer der gleichen Ansicht, was eine Diskrepanz von 14,3% ergibt. Bei den Frauen lässt sich insgesamt nur eine leichte, bei den Männern dagegen eine eindeutige Präferenz den Österreichern gegenüber feststellen. Betrachtet man diese Ergebnisse vor der Folie der Einstellungswerte für die Ungarn, so zeigt sich, dass die Frauen die mitlebenden Ungarn strenger beurteilen als die beiden Mutternationen, beim anderen Geschlecht dagegen lässt sich die umgekehrte Tendenz beobachten: Sie gehen mit den Österreichern, aber vor allem mit den Deutschen härter ins Gericht als mit der örtlichen Gemeinschaft des Mehrheitsvolkes.

5.4.6 Heterostereotyp der Tarianer Deutschen in Bezug auf die Mutternationen nach Schulabschluss

Die Verteilung der Optionen nach Schulabschluss ergibt folgenden Befund:

Grafik 29: Heterostereotyp in Bezug auf die Deutschen und Österreicher nach Schulabschluss

Von den drei Ausbildungsgruppen zeigt jene mit dem höchsten Schulabschluss das ausgewogenste Bild - ihre Bewertungen der beiden Mutternationen stimmen vollkommen überein -, zugleich aber auch das negativste. Dagegen lassen sich bei der Gruppe mit Abitur die größten Unterschiede feststellen - eindeutig zugunsten der Österreicher. Die beste Meinung sowohl über die Deutschen als auch über die Österreicher haben die Probanden mit Grundschul- bzw. Berufsschulabschluss: Negativ hat sich niemand geäußert und die Prozentwerte der positiven Option sind bei ihnen mit 66,7% und 70% am höchsten. Zieht man wiederum einen Vergleich zwischen diesen und den Einstellungen zu den Ungarn, so ergibt sich folgender interessanter Befund. Die Informanten mit der höchsten Schulausbildung, die sich den Mutternationen gegenüber am kritischsten zeigten, sind der Mehrheitsnation gegenüber am loyalsten. Konsequent kritisch in Richtung aller drei Ethnien ist die Gruppe mit Abitur: Diese Probanden haben prozentual gesehen die wenigsten positiven und die meisten negativen Bewertungen ausgeteilt, wobei ihre Einstellung zu den Ungarn doch schlechter ausfallt, als die zu den Deutschen und insbesondere den Österreichern. Bei den Informanten mit dem niedrigsten Schulabschluss sind zwar geringfügige Unterschiede in den Attitüden zugunsten der Ungarn feststellbar, jedoch keine gravierenden.

5.4.7 Heterostereotyp der Tarianer Deutschen in Bezug auf die Mutternationen nach Identitätsausprägung

Grafik 30: Heterostereotyp in Bezug auf die Mutternationen nach Identitätsausprägung

Die letzte untersuchte Variable ist die Identität mit drei möglichen Ausprägungen. Einer deutschen (71%), einer doppelten (deutsch-ungarischen; 17,4%) und einer ungarischen 11,6%). Zu erwarten wäre, dass die Probanden mit einer deutschen Identität die beiden Mutternationen am positivsten beurteilen, die mit einer ungarischen dagegen am negativsten. Die Verteilung der Optionen falsifiziert jedoch diese ansonsten logische Hypothese, denn es sind die Informanten mit einer Doppelidentität, die zu beiden Nationen die positivste Einstellung haben - und zwar mit gleicher Verteilung der drei Antwortkategorien. Bei den Befragten mit einer deutschen Identität lässt sich eine Österreich(er)-Präferenz feststellen, prozentuale Unterschiede zeigen sich allerdings nur in der positiven und der neutralen Option. Auffallend unterschiedlich bewertet die Gruppe mit einer ungarischen Identität die beiden Mutternationen: Das Heterostereotyp der Deutschen ist bei ihnen am negativsten - nur 50% haben eine gute, dagegen 12,5% eine schlechte Meinung über sie (damit entsprechen sie teilweise unserer Eingangshypothese) -, und das der Österreicher am positivsten unter den drei Gruppen.

5.5 Die ethnischen Heterostereotype der Tarianer Deutschen in Bezug auf ungarländische Minderheiten

Die letzte Gruppe der Attitüden bezieht sich auf insgesamt sieben, innerhalb der Landesgrenzen lebende Minderheiten: auf die roma, die bulgarische, die kroatische, die serbische, die slowenische, die slowakische und die rumänische. Damit die Ergebnisse richtig interpretiert werden können, soll zunächst kurz der Wissensstand der Probanden als Voraussetzung und Basis der Bewertung - auch in Anlehnung an Kapitel 3.2 - erläutert werden.

5.5.1 Erfahrungshorizont der Befragten in Bezug auf die im Lande lebenden Minderheiten

Es muss festgestellt werden, dass die Antworten der Gewährsleute für eine Auswertung im ursprünglichen Sinne der Fragestellung - mit Ausnahme der Roma und der Slowaken - wegen Mangels an Informationen und Kenntnissen bezüglich der anderen fünf Minderheiten nicht geeignet sind. Auch die Interviewer der anderen in die Untersuchung miteinbezogenen Minderheiten haben übrigens die gleichen Erfahrungen gemacht: Solange das Nahwissen über die jeweiligen mit- und umlebenden Ethnien eine solide Basis für Einstellungen bietet, weist das Fernwissen erhebliche Lücken auf und verhindert daher auch die Herausbildung von stereotypen Urteilszuweisungen. Dabei wäre doch gerade in der heutigen Zeit, wo Minderheitensprachen und -kulturen sehr gefährdet sind, ein gegenseitiges Kennenlernen und ein Austausch von Mustern und Strategien der Problembewältigung mehr als wünschenswert.

Dieses Informationsdefizit spiegelt auch nachstehende Grafik wider, welche zusammenfassend die Verteilung der drei Antwortkategorien bezüglich aller sieben ethnischen Gruppen beinhaltet:

Grafik 31: Heterostereotype in Bezug auf sieben, im Lande lebende Minderheiten nach Antwortkategorien (ganzes Sample)

Es fällt gleich ins Auge, dass bei den Optionen mit 72,4% die neutralen haushoch überwiegen. Der Grund dafür liegt in erster Linie darin, dass die überwiegende Mehrheit der Probanden bei den Fragen zur rumänischen, serbischen, kroatischen, bulgarischen und slowenischen Minderheit - da sie in Unkenntnis der genannten Ethnien sich keine Meinung über sie bilden konnte - auf diese Antwortkategorie auswich. Daraus resultiert auch, dass die 21,6% positiven Einstellungen größtenteils in Bezug auf die beiden, den Probanden bekannten Minderheiten, der roma und zu der slowenischen geäußert wurden. Teilweise steht diese Behauptung auch für die 6% negativen Bewertungen, allerdings mit der für die Analyse wichtigen Einschränkung, dass es in Bezug auf die Serben, vor allem aber die Rumänen - die den größten Anteil an dieser Option haben -, sehr oft falsche, darüber hinaus für die beiden Ethnien auch unvorteilhafte Identifizierungen gab (vgl. dazu Kapitel 3.2), die sich demzufolge immer in Form einer negativen Stereotypisierung entluden.

5.5.2 Heterostereotyp der ganzen Stichprobe in Bezug auf die im Lande lebenden Minderheiten

Folgende Übersicht beinhaltet die Antworten aller Befragten in Bezug auf die einzelnen Minderheiten, sie zeigt aber zugleich exemplarisch das bereits behandelte Problem des Informationsdefizites, das einer Auswertung im Falle der fünf erwähnten Ethnien deutliche Schranken setzt.

Grafik   32:   Heterostereotype   in   Bezug   auf sieben,   im   Lande   lebende Minderheiten (ganzes Sample)

Gut auszuwerten sind dagegen die Einstellungen zu den Slowaken und zu den in der Ortschaft lebenden Roma. Letztere bilden so sehr eine Minderheit, dass sie nur aus zwei Familien bestehen, die auch erst in jüngster Zeit in die Ortschaft zogen. 48,6% der Befragten äußerten sich positiv über sie, was im Vergleich zu ähnlichen landesweiten Erhebungen einen sehr hohen Prozentsatz ausmacht. In den Begründungen und Kommentaren der Gewährsleute kamen mit betont anerkennender Intention zwar und nur mittelbar, aber doch jene in Bezug auf die Roma sehr verbreiteten negativen Stereotype und Vorurteile als Maßstäbe zum Vorschein, die allerdings durch die positiven persönlichen Erfahrungen mit diesen zwei Familien bei 48,6% der Informanten überschrieben wurden: „Nincs velük semmi probléma. " [„Es gibt keine Probleme mit ihnen."], „Dolgos emberek." [„Sie sind fleißige Menschen."]; „Rendesen járatják a gyerekeket." [„Ihre Kinder sind anständig angezogen."], „Rendben tartják a házat és a portát. " [„Sie halten Haus und Hof in Ordnung."]. Es gab auch Probanden, deren Einstellung zu den in der Ortschaft lebenden Roma positiv ist, dies sei aber - wie sie erklärend hinzufügten - für die roma Minderheit an und für sich nicht gültig.

Auch über die slowakische Minderheit konnten die Informanten aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen eine Eigenmeinung bilden. Die Beziehungen der Taria-ner Deutschen zum slowakischen Nachbarort Tardos waren auch in geschichtlichen Dimensionen gesehen immer sehr ausgeglichen und konfliktfrei, nach dem Zweiten Weltkrieg werden immer öfter Mischehen geschlossen, was durch die gleiche Konfession der beiden Minderheiten auch erleichtert wurde. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Slowaken - nach den Österreichern - die zweitbeste Bewertung von den Gewährsleuten bekommen haben, sogar eine bessere als die deutsche Mutternation: 67,1% der Befragten haben eine gute, 28,6% eine neutrale und nur 4,3% eine schlechte Meinung über sie. Die Slowaken haben bei den Taria-ner Deutschen auch einen volkstümlichen Necknamen: bregyó, der übrigens auch im Roman von Jókai A lőcsei fehér asszony vorkommt21. Nach freundlicher Mitteilung von Anna Gyivicsány lässt sich das Wort vermutlich aus dem slowakischen Adjektiv bedar 'sehr arm, unbeholfen' herleiten.

5.5.3 Heterostereotype in Bezug auf die im Lande lebenden Minderheiten nach Altersklassen

Die Verteilung der Optionen auf die einzelnen Altersgruppen ergibt folgenden Befund:

Grafik 33: Heterostereotype in Bezug auf sieben, im Lande lebendeMinderheiten nach Altersklassen

Insgesamt am tolerantesten erwiesen sich die jüngsten der Probanden, die aber zugleich ihre eigene Gemeinschaft am "zurückhaltendsten" beurteilt haben (vgl. Diagramm 3). Auf die negative Antwortkategorie haben sie nur im Falle von zwei Minderheiten zurückgegriffen, bei den Serben (5%) und den Roma (20%), wobei im Zusammenhang mit den Letzteren in dieser Altersgruppe nicht nur der Grad der negativen Einstellung am höchsten, sondern auch die allgemeine Akzeptanz am niedrigsten ist. Erwähnenswert ist außerdem noch, dass einerseits nur in dieser Generation niemand eine schlechte Meinung über die Slowaken hat, was seine Begründung u.a. darin findet, dass in dieser Altersklasse die meisten Mischehen geschlossen werden; andererseits stimmen die Prozentwerte der beiden in Anspruch genommenen Optionen, der positiven (65%) und der neutralen (35%), bei ihrem Autostereotyp und ihrem Heterostereotyp vollkommen überein. Bei der mittleren und alten Generation, die übrigens das positivste Eigenbild haben (vgl. Diagramm 3.) erweitert sich der Kreis der auch negativ beurteilten Minderheiten mit den Rumänen und den Slowaken auf insgesamt vier. Die Einstellung zu den Roma wird mit voranschreitendem Alter immer positiver, bei den über 61-Jährigen stimmt sie sogar mit der zu den Ungarn vollkommen überein. Was außerdem ins Auge springt, ist der herausragend hohe Prozentsatz der schlechten Meinungen über die rumänische Minderheit bei der ältesten Gruppe der Gewährsleute, dem jedoch - wie bereits erwähnt siehe Kap. 3.2) - einerseits die Verwechslung dieser Minderheit mit den Roma, den Ungarn bzw. den Rumänen aus Rumänien zugrunde liegt, andererseits - wie sich bei der nächsten sozialen Variablen herausstellen wird -, ist diese "Abneigung" vor allem geschlechtsbedingt und für Frauen typisch.

5.5.4 Heterostereotype in Bezug auf die Minderheiten nach Geschlecht

Waren es in der Generationsabfolge die jungen Informanten, die sich am tolerantesten über die Minderheiten äußerten, so sind es nach der Verteilung der einzelnen Optionen auf die beiden Geschlechter die Männer.

Grafik   34:   Heterostereotype Minderheiten nach Geschlechtm Bezug  auf sieben,   im   Lande   lebende

Die einzige Ausnahme bilden die Serben, die von den Männern um 4,7% negativer bewertet wurden als von den Frauen. Die größten Differenzen sind in den Einstellungen zur roma und zur rumänischen Minderheit festzustellen und zwar vor allem beim negativen Endpol der Bewertungsskala (20% vs. 14,3%; 20% vs. 2,9%). Demgegenüber sind die Unterschiede bei den Slowaken anders gelagert: Sie zeigen sich in erster Linie in dem um 20% geringeren Anteil der positiven und in den um 17,1% höheren Werten der neutralen Attitüden bei Frauen. Eine mögliche Erklärung dafür könnte in der unterschiedlichen Verteilung der endogamen Ehen unter den beiden Geschlechtern sein, Nachfragen haben jedoch ergeben, dass diese ziemlich ausgeglichen ist. Wenn man aber alle bisher behandelten Attitüden - d.h. sowohl das Autostereotyp als auch die Heterostereotype - der weiblichen und männlichen Gewährsleute miteinander vergleicht, ergeben sich interessante Zusammenhänge. Frauen scheinen konsequent(er) zwischen dem „wir" und dem „sie" zu unterscheiden: Einerseits fällt ihre Einstellung zu ihrer eigenen Gemeinschaft bzw. - in einem weiteren Kontext - zu den „Ihrigen", d.h. zu den beiden Mutternationen immer positiver aus als bei den Männern, andererseits sind all ihre Heterostereotype - mit Ausnahme der Serben - immer negativer als die des anderen Geschlechts. Auch die Besserungstendenzen im Verhalten der mitlebenden Ungarn zur Tarianer deutschen Sprachgemeinschaft bewerten sie weniger positiv. Damit entsprechen sie von den beiden, in der einschlägigen Fachliteratur vertretenen Positionen jener, nach der Frauen konservativer bzw. am Altüberlieferten orientiert seien und im Allgemeinen mehr zum Bewahren tendieren als Männer (Mattheier 1980: 26 ff.). Dieses Verhalten bewirkt mehr „Abwehr nach Außen" und mehr „Kohäsion nach innen" (Bausinger 1971: 53) und kann seinen Niederschlag gegebenenfalls auch im positiveren Eigenbild bzw. in negativeren Fremdbildern finden.

5.5.5 Heterostereotype in Bezug auf die Minderheiten nach Schulabschluss

Betrachtet man die Prozentwerte der einzelnen Optionen in ihrer Verteilung auf die drei Ausbildungsgruppen, so lässt sich feststellen, dass insgesamt die Probanden mit Abitur die negativste Einstellung zu den ethnischen und nationalen Minderheiten aufweisen.

Grafik 35: Heterostereotype in Bezug auf sieben, im Lande lebende Minder heiten nach Schulabschluss

Dies äußert sich im Vergleich zur Gruppe mit dem höchsten Ausbildungsgrad die übrigens den positiven Endpol in dieser Hinsicht bildet - u.a. in der Anzahl der auch negativ bewerteten Volksgruppen. Solange bei den Gewährsleuten mit Hochschul- oder Universitätsabschluss nur im Falle von zwei Minderheiten - den Roma und den Serben - auch schlechte Meinungen vertreten waren, sind es bei der Gruppe mittleren Ausbildungsgrades vier Ethnien - die Roma, die Serben, die Slowaken und die Rumänen. Dies sind zwar die gleichen, über die auch bei einem Teil der Gewährsleute mit Grundschul- bzw. Berufsschulabschluss negative Einstellungen vorzufinden sind, doch der Vergleich der Werte der positiven und negativen Urteilszuweisungen ergibt eine kritischere Gesamthaltung der Gruppe mittleren Ausbildungsgrades. Die einzige Ausnahme bildet die rumänische Minderheit, wobei das Bild auch hier nicht eindeutig ist, denn den 20% negativen Bewertungen stehen nur 6,7% gegenüber; bei den positiven Heterostereotypen ist jedoch eine Diskrepanz von 20% zu beobachten. Die Grund- und Berufsschulabsolventen haben bei doppelt so vielen Ethnien auch negative Bewertungen "ausgeteilt", wie die Gruppe mit Hochschul- und Universitätsabschluss, doch zeigen Erstere weitaus positivere Attitüden gerade den mitlebenden Roma und den umlebenden Slowaken gegenüber (66,7% vs. 50%; 76,7% vs. 60%). Bei den Informanten mit mittlerem Schulabschluss sei an dieser Stelle auch noch auf einen anderen Zusammenhang hingewiesen: Sie haben nicht nur das "zurückhaltendste" Autostereotyp - und beweisen zugleich die geringste Gruppensolidarität -, sondern bewerten auch die Mehrheitsnation und die beiden Mutternationen am negativsten - somit scheinen sie in ihrer kritischen Grundhaltung konsequent zu sein.

6. Zusammenfassung

Das Autostereotyp sowie die abgefragten Heterostereotype der Tarianer deutschen Gemeinschaft in Bezug auf die Staatsnation, die beiden Mutternationen und sieben ethnische Minderheiten des Landes sind historisch gewachsene Resultate verschiedener, miteinander kausal und/oder final verwobener Steuerungsfaktoren und Gestaltungskomponenten, welche gerade in den mehrfach von tiefgreifendsten Veränderungen, sowie als Reaktion auf diese von Diskontinuität und Unsicherheit geprägten letzten fünfzig Jahren ungarndeutschen Daseins um sich griffen. Dies spiegelt sich auch in den Eigen- und den Fremdbildern der Probanden wider: Sie zeigen einerseits eine Staffelung nach den sozialen Variablen Alter, Geschlecht und Schulabschluss, andererseits aber auch signifikante Korrelationen mehrerer dieser Variablen. Das Autostereotyp ist erwartungsgemäß positiver als die Heterostereotype, die Auflockerung der örtlichen Gemeinschaften, die voranschreitende Assimilation, die im Vergleich zur Vorkriegszeit deutlich unschärferen Parameter und Konturen der Identität führen jedoch zur Schwächung der Gruppensolidarität und -loyalität. Dies äußert sich zwar nicht in Form von negativen Einstellungen, die 12,9% neutralen Attitüden zeigen aber eine gewisse Distanzhalrung der In-group gegenüber. Die Tarianer deutsche Sprachgemeinschaft kann - wie dies aus nachstehenden zusammenfassenden Grafiken hervorgeht -, nicht als vorurteilshaft bezeichnet werden.

Grafik 36: Zusammenfassende Übersichten bezüglich der Heterostereotypen (ganzes Sample)

Allerdings sind diese Ergebnisse in Rückgriff auf drei wichtige Tatsachen zu bewerten: Erstens werden subjektive Daten dieser Art nicht leicht preisgegeben, zweitens wird die diesbezügliche Zurückhaltung bei unseren Probanden durch die negativen geschichtlichen Erfahrungen noch mehr gesteigert und drittens besteht ein deutliches Informationsdefizit in erster Linie in Bezug auf die im Lande lebenden Minderheiten. Da die Gegenwart der Ungarndeutschen nicht nur durch Verlust und Diversifikation, sondern seit Kurzem auch durch Neuanfang und Revitalisie-rung geprägt wird, könnte eine erneute Durchführung der Erhebung in nächster Zukunft einen Beitrag bezüglich der Entwicklungstendenzen der von uns untersuchten Probleme leisten.

Literatur

Allport, Gordon W.: (1977) Az előítélet. Budapest.

Atteslander, Peter: 1988) Befragung. In: Ammon, Ulrich/Dittmar, Nor-bert/Mattheier, Klaus Jochen (Hgg.): Soziolinguistik. Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft [= Handbücher zur Sprach- und Kommuniktaionswissenschaft 3.2]. 2. Hbbd. Berlin/New York. 940-951.

Bausinger, Hermann: (1971) Subkultur und Sprachen. In: Hugo, Moser (et al.): Sprache und Gesellschaft [= IDS-Jahrbuch 13]. Düsseldorf. 45-62.

Bausinger, Hermann: (1980) Formen der „Volkspoesie". Berlin.

Bindorffer, Györgyi: (2005) „Wir Schwaben waren immer gute Ungarn" [= Un-gamdeutsches Archiv 8]. Budapest.

Csepeli, György: (1987) Csoporttudat - nemzettudat. Budapest.

Csepeli, György: (1991) Bevezetés a szociálpszichológiába. Budapest.

Erb, Maria: (1994) Ortsneckereien als Quellen der Kontakt- und Zweisprachigkeitsforschung bei ethnischen Minderheiten. In: Manherz, Karl (Hgg.): Beiträge zur ungarndeutschen Volkskunde 11. Budapest. 151-158.

Hunyadi, Görgy: (2003) A nemzeti karakter talányos pszichológiája. In: Hunyadi, György (Hg.): Nemzetkarakterológiák. Rónay Jácint, Hugo Münsterberg és Kurt Lewin írásai. Budapest. 7-49.

Hunyadi, György: (1996) Sztereotípiák a változó közgondolkodásban. Budapest.

Hutterer, Claus Jürgen (1996) Sprachinselforschung als Prüfstand für dialektologische Arbeitsprinzipien. In: Ders.: Aufsätze zur deutschen Dialektologie [= Ungarndeutsche Studien 6]. Budapest. 100-119.

Jaksics, Lajos: (1890) Népnyelvhagyományok. In: Nyőr. 572.

Jespersen, Otto: (1925) Die Sprache, ihre Natur, Entwicklung und Entstehung. Heidelberg.

Király, Pál: (1878) Szólásmódok. In: Nyőr. 419.

Knipf, Elisabeth/Erb, Maria: (1995) Die Rolle der deutschsprachigen Medien bei den Ungarndeutschen. In: Manherz, Karl (Hg.): Beiträge zur Volkskunde der Ungarndeutschen 12. 28-36.

Koreska, Vilmos: (1878) Szólásmódok. Gömöriek. In: Nyőr. 464-465.

Lázár,   Guy:   (1995)   A   kisebbségek   nemzeti   identitásának   kialakulása:   In: Régió 1-2.28-63.

Lippmann, Walter: (1922) Public Opinion. New York.

Mattheier, Klaus Jochen: (1980) Pragmatik und Soziologie der Dialekte. Einführung in die kommunikative Dialektologie des Deutschen [= Uni-Taschenbücher 994]. Heidelberg.

Mikonya József: (1992) Tarjáni krónika. Tarján község a történelem tükrében. Esztergom.

Quasthoff, Uta: (1973) Soziales Vorurteil und Kommunikation. Ein interdisziplinärer Versuch im Bereich von Linguistik, Sozialwissenschaft und Psychologie. Frankfurt/M.

Rauch, Karl: (1963) Sprichwörter der Völker. Düsseldorf.

Röhrich, Lutz: (1969) Der ethnische Witz. Wiesbaden.

Schaff, Adam: (1968) Die Sprache und das menschliche Handeln.

Schenk, Annemie/Weber-Kellermann, Ingeborg: (1973) Interethnik und sozialer Wandel in einem mehrsprachigen Dorf des rumänischen Banats. Marburg. Schmidtchen, Gerhard:  (1961) Der Anwendungsbereich betriebssoziologischer Umfragen. Bern.

Seewann, Gerhard: (1992) Sieberbürger Sache, Ungarndeutscher, Donauschwabe? Überlegungen zur Identitätsproblematik des Deutschtums in Südosteuropa. In: Ders. (Hg.): Minderheitenfragen in Südosteuropa. Beiträge der Internationalen Konferenz The Minority Question Historical Perspective 1900-1990. Inter University Center, Dubrovnik, 8.-14 April 1991 [= Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas 27]. München. 139-155.

Simonyi, Zsigmond: (1875) Szólásmondások. In: Nyőr. 135-136.

Thurwald, Richard: (1966) Die Psychologie der Akkulturation. In: Mühlmann, W. E./Müller, E. W. (Hgg.): Kulturanthologie. Köln/Berlin. 312-326.

Török, Károly: (1873) Közmondások. In: Nyőr. 285-286.

Treszl, Anton: (1996) Tarian/Tarján - Ein ungarndeutsches Dorf und seine Umgebung im Komitat Komorn-Gran.

Veress, Imre: (1876) Szólásmódok. In: Nyőr. 31-32.

Weber-Kellermann, Ingeborg: (1959) Zur Frage der interethnischen Beziehungen in der „Sprachinsekvolkskunde". In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 62/XIII. 19-80.

Weber-Kellermann, Ingeborg: (1964) Der Volksliedbestabnd in einem ungarndeutschen Dorf. Beitrag zu einer volkskundlichen Charakteristik der Donauschwaben. In: Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes 13. 98-130.


1 Eine detaillierte Referierung der einschlägigen, mittlerweile sehr üppigen Fachliteratur würde den Rahmen vorliegender Fallstudie sprengen, daher beschränken wir uns im einleitenden allgemeinen Teil nur auf die Wesenszüge der hier untersuchten sozialpsychologischen Kategorien. Näheres dazu siehe u.a. bei: Lippmann (1922), Schütz (1962), Tajfel (1974, 1981), Allport (1977), Aronson (1987), Hunyadi (1996).

2 Die zitierte ungarischsprachige Fachliteratur ist von mir ins Deutsche übersetzt worden.

3 Epitheta ornantia wie 'der präzise Deutsche', 'der feurige Ungar', 'der sparsame Schotte' oder 'der wilde Serbe' - um nur einige zu nennen -, sind Ergebnisse dieser Volks-charakterologie. Auch innerhalb der deutschen Kulturnation existieren solche festen Attribute sowohl staatsnationaler Prägung - z.B. 'der langsame Schweizer'- als auch bezogen auf einzelne Dialekt- und Kulturlandschaften und ihre Bewohner - 'der fröhliche Rheinländer', 'der sparsame/fleißige Schwabe', 'der dumme Ostfriese'.

4 Als internationaler Vergleich sollen hier nur einige Beispiele stehen, entnommen aus der Sammlung von Rauch, mit dem Titel „Sprichwörter der Völker": „Mach dir den Franzosen zum Freund, aber laß ihn nie dein Nachbar werden" (Spanien); „Der Engländer hat seine Intelligenz an seinen Fingerspitzen, der Franzose auf der Spitze seiner Zunge" (Russland); „Handeln soll man wie ein Zigeuner, doch zahlen wie ein Herr" (Jugoslawien); „Ein Bursche kann ohne Arbeit auskommen: in Polen, wenn er Karten spielen kann, in Italien, wenn er stehlen kann und in Moskau, wenn er schäkern kann."; „Der Pole wird vom Deutschen betrogen, der Deutsche vom Italiener, der Italiener vom Spanier, der Spanier vom Zigeuner und der Zigeuner vom Teufel" (Polen).

5 So z.B. Spaghettifresser (Italiener), Piefkes (Deutsche), Fischkäpp (Norddeutsche).

6 Vgl. dazu u.a. die prototypischen Witzfiguren wie Kohn, Grün und Schwarz in den Judenwitzen, Graf Bobby und Graf Mucky als Repräsentanten der 'abgetakelten' österreichischen Aristokratie, weiterhin die Hamburger, Kölner und Berliner Originale Klein-Erna, Thusnelda, Thynnes und Scheel oder Raffke.

7 Ungarn wird in der bereits zitierten Sammlung von Rauch durch sechs, für symptomatisch gehaltene Sprichwörter repräsentiert, interessanterweise haben sogar zwei davon eine ethnische Komponente: „Nichts ist schlimmer, als ein armer Jude, ein mageres Schwein oder eine betrunkene Frau"; „Gewähre dem Slowaken Obdach, und er wird dich aus deinem eigenen Hause werfen" (Rauch 1963: 180).

8 Erwähnenswert in dieser Hinsicht ist auch, dass der sich aus vielen Sprach- und Kultur regionen (Nationen) zusammensetzende „Neustamm der Deutschen" gerade von der Mehrheitsnation der Ungarn den Namen „Schwaben" erhielt und ihn dann als Selbstbe zeichnung auch übernommen und akzeptiert hat, trotz der Tatsache, dass bei der über wiegenden Mehrheit der Siedler dies ihren Herkunftslandschaften widersprach.

9 Die zitierten ungarischen Sprichwörter sind von mir ins Deutsche übersetzt worden.

10 Aufschlussreiche Datenquellen bilden außer den Sprichwörtern auch die, in dieser Hin sicht bisher wenig erforschten Ortsneckereien und Necknamen (vgl. dazu u.a. Erb 1994; Solymár 2003). Als Abdrücke des örtlichen Konkurrenzgeistes zugleich aber auch einer lokalen Identität beinhalten sie bei vorliegender ethnischer Verschiedenheit von Sied lungen bzw. auch innerhalb einer Ortschaft oft stereotype ethnische Komponenten oder sind sogar auf diese zugespitzt. So werden die deutschen Einwohner mehrerer südunga rischer Siedlungen von den mit- und umlebenden Ungarn nach ihrer typischen Fußbe kleidung als klumpások ('Holzschuh-/-schlappentragende') bezeichnet, wofür diese sich im  Gegenzug  mit  dem  Necknamen  hurkosok  fBlutwurst[fresser]')  revanchieren. Trámpli (ein deutsches Lehnwort im Ungarischen: < Trampel) ist der Neckname der Kimlinger Deutschen bei den Ungarn von Paks (Chalupka 1891: 478). Der im Allge meinen witzig-joviale Grundton der Necknamen und Ortsneckereien ändert sich nach 1945 nachweislich. Durch die Enteignung der Deutschen und die Niederlassung von un garischen Siedlerfamilien aus Oberungarn (Slowakei) und Siebenbürgen in von Deutsehen bewohnten Ortschaften entstand ein Konfliktpotential, das sich unter anderem in Form von deutlich negativen und ausschließlich ethnisch fokussierten Bezeichnungen und Neckversen zwischen den beiden Volksgruppen entlud (siehe dazu auch im nachfolgenden Kapitel die Bezeichnungen Telepesek und Felvidéker).

11 Bei diesem Kapitel stützte ich mich neben den Aussagen meiner Gewährsleute weitest- gehend auf folgende Ortsgeschichten: Treszl, Anton: (1997) Tarian: Ein ungarndeut sches Dorf und seine Umgebung; Mikonya József: (1992) Tarjáni krónika. Tarján köz ség a történelem tükrében.

12 Eine Konskription aus dem Jahre 1784-87 verzeichnet 1556 Einwohner, davon 405 (26%) Ungarn und 1151 (74%) Deutsche.

13 Treszl bezeichnet in seinem Heimatbuch über Tarian die zuerst, vor allem aus Tatbánya angekommenen Siedler als „auswärtige Ungarn" (Treszl 1996: 151).

14 Die   andere,   in   die   Untersuchung   miteinbezogene   ungarndeutsche   Ortschaft   ist Bohl/Bóly in der Branau, wo Elisabeth Knipf die Datenerhebung durchführte.

15 Die Äußerungen der Probanden werden im Originalton wiedergegeben, Äußerungen in ungarischer Sprache wurden von mir zusätzlich ins Deutsche übersetzt.

16 Symptomatisch war auch, dass dieser Satz immer bereits vor der konkreten Fragestel lung zu den einzelnen Minderheiten, noch während der Einleitung zum Fragenkomplex - „Jetzt würde ich Sie zu Ihrer Meinung zu verschiedenen Minderheiten befragen. " - prompt geäußert wurde.

17 Nur mit drei Gewährsleuten der jüngeren und einem Probanden der mittleren Generation wurde die Befragung in ungarischer Sprache oder sprachlich asymmetrisch - d.h. die Fragen wurden auf Deutsch gestellt, geantwortet wurde aber auf Ungarisch - durchge führt.

18 Diese Klärung erfolgte von mir immer dann, wenn aus den Bemerkungen der Gewährsleute zur Frage klar hervorging, dass die obige Verwechslung vorliegt.

19 Auch an dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass alle Probanden mit Hoch-schul-/Universitätsabschluss zur mittleren Generation gehören.

20 Es sei an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen, dass der Vater von Joschka Fischer, dem ehemaligen deutschen Außenminister - trotz der Tatsache, dass er samt Familie aus Wudigeß/Budakeszi ausgesiedelt wurde -, beim Endspiel der Weltmeisterschaften im Jahre 1952 in Bern der ungarischen Nationalelf die Daumen drückte und ihre Niederlage auch beweinte.

21 Die Belegstelle lautet (nach Jókai 1976: 213): „Vedelj bregyó és pofázz! "/„Friß und sauf, Bregyó!"

 

 

   
Előző fejezet Következő fejezet