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Den Namen der Gemeinde Herend kennt man durch die Porzellanfabrik in der ganzen Welt. Die Geschichte der Fabrik wurde mehrmals aufgearbeitet, aber über die Geschichte der Gemeinde ist dies die erste, anspruchsvolle, wissenschaftliche Monografie.
Der Archivar als Verfasser verfolgt nach gründlichen Forschungen in der Fachliteratur und Archiven in insgesamt 13 Kapiteln die Geschichte der Ortschaft vom Beginn bis zum heutigen Tag. Im Anhang des Bandes kann man drei volkskundliche Abhandlungen lesen, welche die traditionelle Kindererziehung, die Hochzeitsbräuche in Herend, und das Christkindlspiel der Kinder darstellt. In einem separaten Teil kann man die wichtigsten Dokumente der Geschichte der Gemeinde des zwanzigsten Jahrhunderts lesen.
Herend ist heute eine Grossgemeinde auf einem Gebiet von 1953 Hektar, mit etwa 3200 Einwohnern im Komitat Veszprem, welche sich dynamisch entwickelt, und in der nahen Zukunft den Rang einer Stadt erreichen kann.
Die Besonderheit ihrer Geschichte ist dadurch gegeben, dass das heutige Dorf Mitte des XVIII. Jahrhunderts entstanden ist. "Die auf dem Gebiet befindlichen mittelalterlichen Dörfer wurden im XVI. Jahrhundert durch die Türkenherrschaft vernichtet. Von 1764 beginnend siedelten die Familie Zichy von Nagyväzsony und die Gutsherren von Szentgál in der Pusta von Herend deutsche Siedler mit bayrischem Dialekt an. Aus dem Band erfahren wir auch, dass die Siedler aus den umliegenden deutschen Dörfern (Ajkarendek, Bakonyjáko, Band, Kislőd, Városlőd usw.) kamen. Die bevölkerte Pusta erhielt erst 1849 den Rang einer Gemeinde. In der Bürgerepoche wurde sie Verwaltungssitz: zum Notariat Herend gehörten die benachbarten Kleingemeinden Bánd und Marko. Diese Rolle der Grundstufe der Verwaltungszentrale erfüllt Herend seit 1898 bis zum heutigen Tag.
Die Entwicklung der im Bakony liegenden Gemeinde, dort
wo der nördliche und südliche Teil zusammentreffen, wird von der
günstigen geographischen Lage bestimmt. Für die Ansiedlung von
Menschen sind im Bakonyerwald alle Faktoren (Wasser, Baumaterial,
entsprechendes Klima) gesichert, an dessen Bruchlinie entlang eine
wichtige Heeresstrasse führte, welche die Ortschaften von Pannonien
mit Rom verband. Es ist nicht zufällig, dass das Gebiet von Herend
schon im III—IV. Jahrhundert nach Christus bewohnt war: neben der
römischen Heeresstrasse bauten die Eroberer Militärlager.
Das Bakony geriet mit der Einwanderung der Ungarn an den Grossfürsten, nach 1000 jedoch in den Besitz des ungarischen Königs. Die Könige betrachteten es als ihr Jagdrevier.
Ihre hier liegenden Besitztümer wurden von der Burg in Veszprem aus geleitet. In der Umgebung von Veszprem entstanden die Dörfer der Dienstleute für den Hof der Königin und den Bischof von Veszprem.
Auf dem heutigen Gebiet der Ortschaft Herend standen im XIII—XV. Jahrhundert fünf kleine Dörfer: Bakonyszentistvän, Herend, Horhi, Himhäza und Németi. In jedem lebten die Jäger des Königs. Die Dörfer waren am Ende des XV. Jahrhunderts unbewohnt. Ihre Bewohner zogen sich vor den Türken nach Szentgäl und in die umliegenden Burgen zurück. Die Pusta Herend wurde im XVI—XVII. Jahrhundert als zur Burg Nagyväzsony gehörend angesehen. Zu Beginn des XVIII. Jahrhunderts hatte sie mehrere Besitzer, unter ihnen die Grossgrundbesitzer Familie Zichy, zu denen einer seiner Gutsbesitze, zu Nagyväzsony, auch Herend gehörte.
Die Ansiedlung in der Pusta Herend in den Jahren nach 1760 war von Erfolg gekrönt: 1771 wohnten schon 115 Personen in der Pusta. Die Zahl der Bevölkerung betrug in der Mitte des XIX. Jahrhunderts annähernd 500 Personen, bis zum ersten Weltkrieg 1200 Personen, und bis zum II. Weltkrieg 1500 Personen. Die Rechtsverhältnisse der überwiegend katholischen Einwohner wurden bis 1848 durch Verträge, die mit den Gutsherren abgeschlossen wurden, geregelt.
Die Einwohner beschäftigten sich mit der Landwirtschaft, aber Grundeigentum hatten sie nicht. Grundbesitz konnten sie erst in der Jahrzehnten nach der Leibeigenenbefreiung nach 1848 kaufen. Die Einwohner von Herend kauften hauptsächlich Besitz vom Gebiet der grossen Flur der Gemeinde Szentgál. Im Jahre 1891 parzellierte die Herrschaft von Nagyvázsony ihre Besitze von Herend, im Jahre 1899 Hegyi Pusta. dann kauften die Herender Besitzer mehrere kleine Güter, welche ein Kompossessorat für die Bearbeitung der gemeinsam gekauften Gebiete (Acker, Wälder) bildeten. Ein Ziel der von 1890 an beginnenden Auswanderung nach Amerika war, für das in den Vereinigten Staaten verdiente Geld Grundstücke zu kaufen.
Die von Vince Stingl 1826 gegründete, und durch Mör Fischer in den Jahren nach 1840 bekanntgewordene Porzellanmanufaktur hatte bis zum ersten Weltkrieg kaum eine Wirkung auf das Leben des Dorfes, da nur wenige Familien angestellt waren. Die Facharbeiter wurden zu Beginn vor allem aus Österreich und Tschechien angeworben, aber in der Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurden schon viele der Ortsansässigen in die Reihen der Maler und Töpfer aufgenommen. Die 1015 ortansässigen Handwerker schlössen sich in den Jahren nach 1840 zu einer Zunft zusammen, nach 1872 arbeiten sie, mit der Innung von Veszprem vereinigt. An dem durch die Ortschaft fliessenden Bach Sed wurden vom Beginn des XVIII. Jahrhunderts bis zur jüngstvergangenen Zeit zwei Wassermühlen betrieben. Von den Instituten der Gemeinde enstanden parallel mit der Ansiedlung die Katholische Kirche und die Volksschule. Die zur Ehre des Heiligen Eustach errichtete Holzkirche wurde im Jahre 1779, die heutige barocke Kirche im Jahre 1828 eingeweiht. Die Filialkirche Herend gehörte von Beginn an zur Pfarre von Szentgäl, die Pfarre Herend organisierte im Jahre 1919 der Baron Käroly Hornig, Bischof von Veszprem. Die Grundkenntnisse lehrende kleine Schule wirkte schon im Jahre 1779, der Lehrer unterrichtete die Kinder in deutscher Sprache. Die Eltern jedoch massen lange der Schule keine besondere Bedeutung zu, deshalb war die Volksschule ein wirksames Mittel in der gesellschaftlichen Bewegung am Ende des XIX. Jahrhunderts. Um diese Zeit wurden auch die äusseren Bedingungen des Unterrichtes verbessert. Auf das Ansuchen der Eltern wurde die katholische Grundschule verstaatlicht, über deren Erhaltung und Entwicklung von da an der Staat sorgte, in der Hoffnung, die deutsche Bevölkerung der Gemeinde assimilieren zu können. Dazu diente auch der im Jahre 1905 errichtete Kindergarten, in welchem ähnlich wie in der Schule ungarisch als Unterrichtssprache eingeführt wurde. Die Porzellanmanufaktur organisierte und erhält seit dem Jahre 1897 die Berufsschule, welche den Bedarf an Facharbeitern für die Manufaktur deckt.
Zwar brachte die gewaltsame Assimilation nicht das erwünschte Ergebnis, aber durch die Aneignung der ungarischen Sprache führten schon mehrere Mitglieder der nach 1867 geborenen Generationen Studien der Mittel- und Oberstufe durch, und erhoben sich aus den Reihen der Bauern in die Reihen der Intellektuellen.
Herend erlebte zwischen zwei Weltkriegen eine entscheidende Veränderung: aus einem landwirtschaftlichen Dorf wurde eine Industriegeimende. Im Jahre 1941 lebten schon 61% der Einwohner von der Industrie. 1920 begann in der Flur der Gemeinde der Steinkohleabbau, und die 1923 erneut als Aktiengesellschaft gebildete Porzellanmanufaktur beschäftigte immer mehr Arbeiter. 1940 arbeiten schon 450 Personen in der Fabrik, das bedeutete, dass die auf dem Weltmarkt erfolgreiche Firma für die Einwohner von Herend und Umgebung das Auskommen sicherte. Die infrastrukturelle Lage wurde verbessert: 1870 wurde die Eisenbahn gebaut, um 1930 begann der Busverkehr, und um 1931 wurde der Strom im Dorf verlegt.
Auch das heutige Aussehen der Gemeinde wurde grundlegend von den Veränderungen während und nach dem zweiten Weltkrieg geprägt. Ein Teil der deutschen Bevölkerung wurde im Jahre 1940 Mitglied der politischen Vereinigung Hitlers, dem Volksbund der Deutschen in Ungarn, und deshalb wurde 1945 ihr Vermögen beschlagnahmt und den Ungarn übergeben. 1948 wurden 11 Familien, insgesamt 44 Personen in den östlichen Teil Deutschlands (in Dresdens Umgebung) ausgesiedelt.
Zwischen 1945—1950 erhielten die deutschen Einwohner eine Kollektivstrafe: sie wurden nicht nur ihres Vermögens beraubt, sondern auch ihrer politischen Rechte. In Folge der Vergeltung beschleunigte sich die Assimilation: ihre Mutterscprache verwendeten sie nur im Familienkreis, gaben ihre Volkstracht auf, und andere Bräche verschwanden.
Parallel mit der Rechtsberaubung der Deutschen begann die Kollektivisierung: zuerst das Kohlebergwerk, dann wurde im Jahre 1948 die Porzellanfabrik verstaatlicht, 1959 wurden die Privatlandwirte in die LPG-en gezwungen. 1950 wurden die Verwaltungen nach sowjetischem Typ ausgebaut, welche auch die zivilen Gesellschaften unter Kontrolle hielt. Nach 1948 drängten die Staatsgewalt und Staatsverwaltungsorgane den gesellschaftlichen Einfluss der katholischen Kirche in enge Rahmen, und bis 1990 wurde die freie Ausübung der Religion behindert.
Die Entwicklung von Herend nach 1945 wurde zum Teil dadurch gefördert, dass die Kommunistische Partei die Arbeiterschaft als Wählerbasis betrachtete, und deshalb die Entwicklung der Industriegemeinde unterstützte.
Vor 1956 erhielt das Dorf eine Wasserleitung, in den Jahrzehnten danach — zum Teil mit der Unterstützung der Porzellanfabrik — wurden ernsthafte Investitionen zur Gemeindeförderung durchgeführt. Im Jahre 1969 wurde ein neues Kulturhaus erbaut, in den siebziger Jahren begann der Bau der Erdgasleitung, und das Strassennetz wurde modernisiert. In den achtziger und neunziger Jahren wurde die Telefonleitung und die Kanalisation gebaut. Als Ergebnis dieser fliessenden Investitionen ist die Gemeinde Herend, die infrastrukturelle Entwicklung in den neunziger Jahren betrachtend, im Komitat Veszprem an erster Stelle.
Das kommunistische System hat die deutsche Muttersprache nicht vollständig vernichtet. Seit 1955 wird in den Grundschulen Deutsch als Unterrichtsfach unterrichtet, in der siebziger Jahren wurde zur Erforschung und Pflege der Bräuche ein Heimatkundeklub, dann im Jahre 1992 ein Deutscher Nationalitäten-Kulturverein organisiert, und ein Nationalitätenkreis gegründet.
Nach dem Fall des Kádár-Regimes wählten die Einwohner der Grossgemeinde eine neue Selbstverwaltung, welche erfolgreich Investitionen in der Gemeinde durchführte, und Beziehungen mit der Partnerstadt Marktleuthen aufnahm. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems wurden neue Vereine, Klubs und andere Organisationen ins Leben gerufen.
Mit der Privatisierung der Porzellanfabrik wurden auch die Arbeiter der Firma Teilbesitzer. Die Zukunft der Gemeinde ist die Porzellanfabrik, die durchschnittlich 1600 Personen beschäftigt, beziehungsweise hängt von der Leistung der Majolikafabrik ab, die etwa 300—350 Personen beschäftigt. Die erfolgreiche Unternehmensstrategie der Porzellanfabrik sicherte die Konkurrenzfähigkeit auch auf dem Weltmarkt, die Majolikafabrik hat jedoch ihren Platz in dem neuen Wirtschaftssystem noch nicht gefunden.
Es scheint, dass für Herend die inneren Bedigungen für das kommende, XXI. Jahrhundert geschaffen worden sind.
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